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Alt 21.09.2021, 13:22   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Die Falle

„Lass dir das nicht gefallen!" Britta hatte ihren missbilligenden Gesichtsausdruck aufgesetzt und sah ihn forschend an. Klaus wusste, was das bedeutete: „Mach gefälligst, was ich sage!" Mit Widerspruch ging er sehr dosiert um. Er hatte viel zu viel Angst, Britta zu verlieren.
„Ich meine, was bildet sie sich ein?", fuhr Britta fort. „Mehr Unterhalt für die Kinder zu verlangen! Das steht ihr gar nicht zu. Du hast dich an die Düsseldorfer Tabelle gehalten und zahlst pünktlich jeden Monat. Sie kann froh darüber sein. Statt dessen beschwert sie sich!"
„Angeblich ist ihre Miete erhöht worden", sagte Klaus und bereute seinen Einwand sofort, als Britta ihm einen eisigen Blick zuwarf.
„Ständig hast du Ärger mit dieser Frau", begann Britta nun einen ihrer Monologe, die Klaus auswendig kannte. Er hatte Britta vor einem Jahr kennengelernt und war sofort hin und weg gewesen - von ihrem Charme, ihrer Ausstrahlung, ihrem Aussehen, ihrem Charakter - so sehr, dass er Ellen Hals über Kopf verlassen hatte und mit Britta zusammengezogen war. Dass Britta auch eine völlig andere Seite zeigen konnte, hatte sich erst im Nachhinein herausgestellt. Klaus akzeptierte es; viel mehr als Brittas gelegentliche schlechte Laune fürchtete er, sie zu verlieren.
Er ließ sie ein paar Minuten reden und nickte beifällig, dann verabschiedete er sich mit einem „Oh, schon so spät? Tut mir leid, Schatz, aber ich muss weg."
Im Auto dachte er nach. Im Prinzip hätte er Ellen freiwillig mehr Unterhalt zahlen können, seine Kinder sollten ihm das wert sein. Aber - es ging nicht. Britta würde es nicht verstehen. Und er hatte keine Lust, einen Riesenkrach mit Britta zu provozieren.

„Du glaubst es nicht, wer angerufen hat", schleuderte Britta ihm abends entgegen, kaum dass er die Haustür aufgeschlossen hatte. „Deine Ex-Frau hat mir tatsächlich am Telefon etwas vorgeheult. Sie könne die Miete nicht mehr bezahlen. Und in ihrem Job machen sie immer noch Kurzarbeit. Als ob wir etwas dafür könnten!"
Sie auch nicht, dachte Klaus, wagte aber nicht, den Satz laut auszusprechen.
„Ich habe eine Idee", verkündete Britta ihm mit triumphierendem Gesichtsausdruck. „Du sagst ihr, wir würden die Kinder zu uns nehmen, wenn sie so weiter macht."
„Was?" Klaus starrte sie überrascht an. Britta hatte für Kinder doch gar nichts übrig. Und sie hatte keine Ahnung davon, wie stressig der Alltag mit zwei Kindern im Alter von sieben und fünf Jahren sein konnte.
„Mach nicht so ein Gesicht", sagte Britta ungeduldig, „natürlich will ich sie nicht wirklich nehmen" - Klaus registrierte das Wort „ich" in diesem Satz mit Unbehagen - „ich denke nur, wir jagen ihr einen gehörigen Schrecken ein. Dann lässt sie uns mit ihren Forderungen endlich in Ruhe."
Klaus lehnte sich entspannt zurück. Es sollte alles nur ein Fake sein. Britta bemerkte seinen Stimmungsumschwung, lächelte ihn an und setzte sich auf seinen Schoß. „Natürlich könnte ich nie einer Mutter ihre Kinder wegnehmen. Hast du das etwa wirklich von mir gedacht?"
Klaus schüttelte den Kopf.

Am nächsten Tag fuhr er in seiner Mittagspause zu Ellen und eröffnete ihr, dass Britta und er die Kinder nehmen würden, sollte sie weiterhin mehr Unterhalt verlangen. Das Gespräch war kurz und unerfreulich.
„Du willst mir die Kinder wegnehmen?", war Ellens ganze Reaktion. Danach saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl und sagte kein Wort mehr, bis er ging.
„Sie hat es eingesehen", erzählte er Britta am Abend.
„Das hast du gut gemacht." Britta sah ihn zufrieden an und berührte ihn flüchtig.
Klaus zog sie in seine Arme. Es versprach eine schöne Nacht zu werden...

Tags darauf stand er auf dem Weg zur Arbeit im Stau. Ungeduldig trommelte Klaus mit den Fingern aufs Lenkrad und hupte schließlich ein paarmal, bis ihm ein Blaulicht in der Ferne vor der nächsten Brücke auffiel. Es hatte wohl einen Unfall gegeben.
Der Autofahrer hinter ihm stieg aus seinem Fahrzeug aus, kam zu ihm und klopfte gegen seine Scheibe. Widerwillig ließ Klaus das Fenster herunter. Dass die Leute immer so sensationlüstern sein mussten ...
„Haben Sie das eben im Radio gehört?", fragte der Mann aufgeregt. „Sie haben drei Leichen im Wasser gefunden. Eine Frau und zwei Kinder. Die Identität steht noch nicht fest."
Der Mann sprach weiter, aber Klaus hörte nichts mehr. Wie in Trance schaute er in die Ferne, dort, wo das Blaulicht zu sehen war.
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Alt 21.09.2021, 17:55   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zunächst das Positive: Viele Dialoge, das macht die Geschichte lebendig.

Aus der Grundidee könnte man eine Menge mehr herausholen, da steckt mächtig Potential drin.

Zum Text en detail:

Zitat:
„Lass dir das nicht gefallen!" Britta hatte ihren missbilligenden Gesichtsausdruck aufgesetzt und sah ihn forschend an. Klaus wusste, was das bedeutete: „Mach gefälligst, was ich sage!" Mit Widerspruch ging er sehr dosiert um. Er hatte viel zu viel Angst, Britta zu verlieren.
Es fällt dem Leser schwer zu glauben, dass Britta ihren eigenen Gesichtsausdruck forschend angesehen hat. Statt "forschend" hätte ich mich für "provozierend" oder "kampfeslustig" entschieden. Auch bei den nachfolgenden Sätzen wäre ich etwas genauer mit Ausdruck und Syntax vorgegangen, etwa so:
"Lass dir das nicht gefallen!" Britta sah Klaus provozierend ins Gesicht. "Mach gefälligst, was ich dir sage!" Er wusste, was es bedeutete, wenn sie so zu ihm sprach. Deshalb ging er mit Widerspruch dosiert um. Seine Angst, sie zu verlieren, war zu groß, denn er hatte viel für sie aufgegeben.
Zitat:
„Ständig hast du Ärger mit dieser Frau", begann Britta nun einen ihrer Monologe, die Klaus auswendig kannte. Er hatte Britta vor einem Jahr kennengelernt und war sofort hin und weg gewesen - von ihrem Charme, ihrer Ausstrahlung, ihrem Aussehen, ihrem Charakter - so sehr, dass er Ellen Hals über Kopf verlassen hatte und mit Britta zusammengezogen war. Dass Britta auch eine völlig andere Seite zeigen konnte, hatte sich erst im Nachhinein herausgestellt. Klaus akzeptierte es; viel mehr als Brittas gelegentliche schlechte Laune fürchtete er, sie zu verlieren.
Statt "mit dieser Frau" hätte ich "mit deiner Ex" geschrieben. Das klingt natürlicher, denn es geht ja nicht um irgendeine Frau, sondern um jemanden, der mit dem Leben von Klaus und Britta verbunden ist.

Das fettgedruckte "Britta" würde ich durch "sie" ersetzen, denn es ist klar, wer gemeint ist. Der Name muss also nicht wiederholt werden. Der fettgedruckte Nebensatz ist überflüssig, denn die Angst, Britta zu verlieren, wurde bereits am Anfang der Geschichte gesagt.

Zitat:
Im Auto dachte er nach. Im Prinzip hätte er Ellen freiwillig mehr Unterhalt zahlen können, seine Kinder sollten ihm das wert sein. Aber - es ging nicht. Britta würde es nicht verstehen. Und er hatte keine Lust, einen Riesenkrach mit Britta zu provozieren.
Hier wäre eine Erklärung notwendig, wie das Paar den Umgang mit den Finanzen geregelt hat, ansonsten fragt sich der Leser, was es Britta denn angehe, in welchem Umfang Klaus für seine Familie sorgt. Im Grunde ist er seiner Freundin keine Rechenschaft schuldig.

Zitat:
„Ich habe eine Idee", verkündete Britta ihm mit triumphierendem Gesichtsausdruck. „Du sagst ihr, wir würden die Kinder zu uns nehmen, wenn sie so weiter macht."
„Was?" Klaus starrte sie überrascht an. Britta hatte für Kinder doch gar nichts übrig. Und sie hatte keine Ahnung davon, wie stressig der Alltag mit zwei Kindern im Alter von sieben und fünf Jahren sein konnte.
Hier beginnt die Geschichte, unplausibel zu werden. Ellen düfte eine solche Androhung allenfalls einen Lacher wert gewesen sein. Erstens muss über das Sorge- bzw. Verbleibrecht der Kinder ein Richter entscheiden, zweitens ist es heutzutage üblich, dazu auch die Wünsche der Kinder zu befragen. Es müsste also ein triftiger Grund vorliegen, Ellen mit der Drohung zu beeindrucken, ihr die Kinder wegzunehmen. Sie müsste z.B. drogenabhängig, alkoholsüchtig, schwerkrank (z.B. hochgradig depressiv) oder völlig verantwortungslos sein.

Eher könnte Klaus sich so von Britta manipulieren lassen, dass er Ellen die Unterhaltungszahlungen verweigert und sie damit zur Verzweiflung treibt, so dass sie, vielleicht wegen Kündigung ihrer Wohnung, irgendwann keinen Ausweg mehr sieht als den sog. "erweiterten Suizid". Dass Männer keinen Unterhalt zahlen, ist gang und gäbe und glaubhaft vermittelbar.

Wie gesagt: Man könnte aus der Geschichte weit mehr herausholen, vor allem was die psychologische Ebene betrifft. Für mich schien ohnehin anzuklingen, dass sich Klaus von der Richtigkeit, Ellen verlassen zu haben, nicht mehr hundertprozentig sicher ist.

Besten Gruß
Ilka
__________________

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Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.09.2021, 07:12   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Hallo Ilka,

danke für deine ausführliche Kritik.

Zitat:
. Ellen düfte eine solche Androhung allenfalls einen Lacher wert gewesen sein.
Das sehe ich nicht so. Es gibt sicher Frauen (natürlich auch Männer), die durchdrehen, wenn ihnen der andere Elternteil androht, die Kinder wegzunehmen. Dafür muss man nicht drogenabhängig etc. sein.
Mein Ex-Mann drohte mir auch mal damit. Darüber lachen oder rational nachdenken? Es wurde alles schwarz um mich und ich dachte nur, dass ich dann nicht mehr leben wolle.

Über die anderen Punkte später mehr.

LG DieSilbermöwe
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Alt 22.09.2021, 12:26   #4
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
. Es fällt dem Leser schwer zu glauben, dass Britta ihren eigenen Gesichtsausdruck forschend angesehen hat. Statt "forschend" hätte ich mich für "provozierend" oder "kampfeslustig" entschieden. Auch bei den nachfolgenden Sätzen wäre ich etwas genauer mit Ausdruck und Syntax vorgegangen, etwa so:
"Lass dir das nicht gefallen!" Britta sah Klaus provozierend ins Gesicht. "Mach gefälligst, was ich dir sage!" Er wusste, was es bedeutete, wenn sie so zu ihm sprach. Deshalb ging er mit Widerspruch dosiert um. Seine Angst, sie zu verlieren, war zu groß, denn er hatte viel für sie aufgegeben.
Hier stimme ich zu. „Britta sah Klaus provozierend ins Gesicht" ist besser. Bei der Erklärung, warum er mit Widerspruch sparsam umgeht, nicht unbedingt. Mir wurde mal gesagt, ich würde zuviel erklären. Deswegen gehe ich mit Erklärungen dosiert um Es ist doch auch möglich, dass Klaus einfach so verliebt in Britta ist, dass er Angst hat, sie zu verlieren.

Zitat:
Statt "mit dieser Frau" hätte ich "mit deiner Ex" geschrieben. Das klingt natürlicher, denn es geht ja nicht um irgendeine Frau, sondern um jemanden, der mit dem Leben von Klaus und Britta verbunden ist.
Ja, stimmt.


Zitat:
Das fettgedruckte "Britta" würde ich durch "sie" ersetzen, denn es ist klar, wer gemeint ist. Der Name muss also nicht wiederholt werden. Der fettgedruckte Nebensatz ist überflüssig, denn die Angst, Britta zu verlieren, wurde bereits am Anfang der Geschichte gesagt.
Stimmt auch.

Zitat:
.Hier wäre eine Erklärung notwendig, wie das Paar den Umgang mit den Finanzen geregelt hat, ansonsten fragt sich der Leser, was es Britta denn angehe, in welchem Umfang Klaus für seine Familie sorgt. Im Grunde ist er seiner Freundin keine Rechenschaft schuldig.
Das hätte ich mehr ausbauen können, in der Tat geht das Britta eigentlich nichts an. Vielleicht will sie für eine Urlaubsreise sparen und mischt sich deshalb ein. Vielleicht geht sie selbst auch gar nicht arbeiten und lebt auf Klaus' Kosten (was ihm gar nicht weiter auffällt).

Zitat:
Wie gesagt: Man könnte aus der Geschichte weit mehr herausholen, vor allem was die psychologische Ebene betrifft. Für mich schien ohnehin anzuklingen, dass sich Klaus von der Richtigkeit, Ellen verlassen zu haben, nicht mehr hundertprozentig sicher ist.
Man kann sicher mehr herausholen. Rüberbringen wollte ich aber nicht, dass er sich nicht sicher ist, ob es richtig war, Ellen verlassen zu haben, sondern dass nur noch Brittas Wünsche und Forderungen zählen, sozusagen eine Abhängigkeit von ihr.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.01.2022, 20:18   #5
männlich Robert Go
 
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Liebe Silbermöwe,

Das ist ja mal eine krasse Geschichte
Sie ist dramatisch und zum Schluss sehr traurig, was die Stelle mit den Kindern betrifft.

Wie kommst du auf die Idee?

Liebe Grüße.
Robert
Robert Go ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.01.2022, 07:38   #6
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber Robert,

immer wieder liest man von solchen Sachen... Ich wollte mit der Geschichte zeigen, dass es eben keine Lappalie ist, der geschiedenen Ehefrau (oder natürlich auch dem geschiedenen Ehemann im umgekehrten Fall) damit zu drohen, ihr oder ihm die Kinder wegzunehmen, wenn dafür nicht wirklich Gründe vorliegen, sondern der Ex nur drohen will, um dem ehemaligen Partner weh zu tun oder kein Geld mehr bezahlen zu müssen.

Es gibt viele Mütter und Väter, für die es unvorstellbar ist, ohne ihre Kinder zu leben und die dann nur einen letzten Ausweg sehen.

LG DieSilbermöwe
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
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