Einsamkeit eines Marathonläufers

[raffael]

Im Zenit prangt helles Sonnenglühen
Und des Läufers Schweiss nässt den Asphalt
Auf dem seine Füsse sich schon lange abmühen.
Wenn der Startschuss wiederhallt,

In seinem Gedächtnis, in seiner Brust,
Dann packt in wieder seine alte Lebenslust
Und er lächelt dem Horizont entgegen
Und freut sich ab den vielen Wegen,

Die er noch durchlaufen wird.
Ein jeder mag jetzt denken,
Er renne aus Freude oder Ehrgeiz. Aber man irrt:
Dieser rennt, um sich von sich selbst abzulenken.

Sein Rennen ist eine Art "Ich-Flucht".
In anderen Herzen pocht Ruhmsucht,
In seinem aber pocht Einsamkeit;
Sein Rennen ist Flucht vor der Wirklichkeit.

So rennt er nicht des Ruhmes, der Freude wegen
Und nicht um zu gewinnen – nein!
Er rennt – müde schon – dem Horizont entgegen,
Nur um weg von sich selbst zu sein.

[Perry]

vor sich selbst wegzulaufen, in dem man Marathon läuft ist natürlich eine originelle Idee. Leider hast du bei der Umsetzung die Metrik etwas links liegen gelassen und Formulierungen wie "und freut sich ab den vielen Wegen" lesen sich doch etwas bemüht. Auch die häufige Wiederholung von renne, Rennen etc. solltest du vermeiden.
Vielleicht gehst du mit etwas Abstand noch einmal daran und versuchst zumindest die Silbenzahl der Reimzeilen gleich zu gestalten.
LG
Perry

[Ilka-Maria]

Lieber Raffael,

Sein Rennen ist eine Art "Ich-Flucht".
In anderen Herzen pocht Ruhmsucht,
In seinem aber pocht Einsamkeit;
Sein Rennen ist Flucht vor der Wirklichkeit.

obwohl ich Deine Gedichte schätze, kann ich Perry nicht zustimmen. Dies ist keine originelle Idee, sondern ein Klischee, das der Pseudo-Psychologie entsprungen ist. Ich kenne die Marathon-Szene gut (mein Sohn ist Marathon-Läufer und Triathlon-Kämpfer) und weiß daher, daß das Gegenteil der Fall ist: Nicht Einsamkeit geht mit dem Laufen einher, sondern man wird von Freunden begleitet. Viele Laufen nur zur Unterstützung mit, um den Freund zu "schieben" und zum Durchhalten anzuspornen. Es geht nicht darum, unter den ersten zu sein, die ins Ziel kommen, sondern es überhaupt zu schaffen und seine Leistungsgrenzen festzustellen. Seit mein Sohn Marathon läuft und am Iron Man teilnimmt, hat sich sein Freundeskreis so erweitert, daß er ständig Programm hat.

Abgesehen davon geht es um das Geld. Es kommt nicht von ungefähr, daß die Sieger beim Marathon meistens aus Afrika kommen. Für diese Leute ist es die einzige Gelegenheit, bei einem Sieg richtig "Kohle zu machen" und aus der Armut rauszufinden. Ich habe in Frankfurt Läufer aus Kenia gesehen, die nicht mal das Geld für Schuhe hatten und die über 40 Kilometer barfuß gelaufen sind. Einsamkeit war für die kein Thema, sondern wie sie ihre Familien satt bekommen.

Auch der Titel ist nicht originell, er erinnert zu sehr an Silitoes "The Loneliness of the Long Distance Runner".

Abgesehehen davon sind mir bei Deinem Gedicht ein paar grammatische Patzer aufgefallen.

Sorry, Raffael, ich mag ansonsten Deine Gedichte, aber dieses hier liegt nicht auf meiner Linie. Wenn Du es noch nicht erlebt hast, solltest Du mal bei einem Marathon zusehen. Es ist viel unterhaltsamer und kurzweiliger, als man es sich vorstellt.

LG
Ilka-M.