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Alt 21.08.2006, 22:35   #1
Coldeyes
 
Dabei seit: 08/2006
Beiträge: 16


Standard Fliegen

Es lag noch Nebel auf den Feldern. Der Morgen trieb sie aus dem Bett, zwang sie erneut den Kampf mit dem Tag auf sich zu nehmen. Die Sonne ging gerade hinter den Wäldern auf. Einzelne Strahlen fanden ihren Weg durch die Wipfel der Bäume und legten den Pfad in ein weiches Rot. Müde schritt sie den Weg entlang, kratzte sich noch immer den Schlaf aus den Augen. Die ersten Vögel sangen bereits auf den dürren Ästen und ab und zu kreuzte ein Eichhörnchen ihren Weg.
Es war eigentlich ein ruhiger Morgen. Alles schien noch so verschlafen und friedlich.
Von weitem konnte man bereits ihr Ziel plätschern hören. Der kleine Bach suchte sich seinen Weg durch die Felder hindurch, die den Wald teilten. Sie suchte sich eine freie Stelle am Bachlauf, von der aus sie alles beobachten konnte. Vorsichtig strich sie das hohe Gras bei Seite und legte eine kleine Decke aus. Aus ihrer Tasche packte sie ein Fernglas und legte sich auf die Decke.
Warten.
Einfach nur warten.
Ihre Augen gaben schon wieder nach. mit aller Kraft versuchte sie sie offen zu halten, wollte sie doch nicht um sonst so früh aufgestanden sein. Schließlich siegte doch die Müdigkeit. Erschlagen gab sie sich hin.
Einen Augenblick.
Eine Ewigkeit.
Der Geruch von reifen Ähren. Morgentau strich ihr den Nacken hinab. sie wischte sich das Wasser vom Hals, zerrieb es zwischen den Fingern. Vor ihr erstreckten sich Weizenfelder. Bis hin zum Horizont. Die Sonne legte alles in rote Schattierungen. Über ihr erhob sich ein Schatten in den Himmel. Ein Falke schwebte über dem Feld. Ruhig lag er im Wind, bewegte sich kaum von der Stelle. Die Augen starr nach unten gerichtet beobachtete er die kleine Fläche unter sich. Ab und zu sah man ihn an Höhe verlieren und wieder aufsteigen. Dann und wann wechselte er die Position und ließ erneut seinen geheimnisvollen Tanz von Statten gehen. Man konnte die Spannung wie einen Funken in der Luft spüren.
Die Augen blickten starr.
Und tödlich.
Sie lies sich ins Feld fallen. Unbeirrt machte der Falke weiter.
Fliegen.
Sie wollte es.
Sie sah die Berge und Seen, die sich unter ihm durch das Land wand. Alles schien so fremdartig und doch vertraut. Hier oben herrschte jemand anderes, nicht das irdische Geschlecht.
Das Wolkenmeer umschloß ihre Arme, die schon lange keine mehr waren. Freiheit war ein seltenes Gut, sie besaß es, einen Augenblick lang. Sonnenstrahlen legten sich auf ihre Haut, die keine mehr war. Hier oben war diese Wärme eine andere, ein erlösende. Einen tiefen Atemzug später glitt sie auf Windeswellen etwas tiefer. Sie flog über einen Wald hinweg, im immerwährendem Grün. Es war ein herrlicher Anblick. Auch lies die frühe Morgensonne alles in einem sanfteren Ton erscheinen. Es war fast lieblich.
Der Schuß zerstörte alles.
Einem Spiegel gleich zerbrach alles.
Schmerz durchschnitt ihre Gedanken, machte sie zu einer Gefangenen. Tiefer stürzte sie. Noch versuchte sie den Sturz aufzufangen, doch in schreiender Pein erkannte sie die Sinnlosigkeit dieses Unterfangens. Der Boden raste noch immer auf sie zu. Die Arme schmerzten und Blut kroch ihr die Kehle hoch.
Panik.
Den Aufschlag spürte sie schon nicht mehr.
.
..
...
Schreiend schrak sie auf. Im Halbdunkel blickte sie auf eine sterile weiße Wand. Einen Moment war sie benommen, wußte nicht wo sie war. Doch dann erinnerte sie sich wieder an das Gefängnis, das sie einst Leben nannte. Eine Hand an der Brust fühlte sie nach der Wunde , dem Stich ihm Herzen, der ihr die Freiheit nahm. Doch es war kein Blut unter dem Nachthemd.
Verschrocken legte sie sich wieder zurück, versuchte zu schlafen.
Eine Träne verschloß ihr Augenlid.
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