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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken. |
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19.07.2010, 23:56 | #1 |
Melancholie eines Dieners
Die Troubadouren aus vergangnen Nächten
sind längst geknebelt, doch ihr trautes Lied verhallt noch immer in den dunklen Schächten des Schlosses Keller, dessen Oberbau Verfall und Fäulnis in die Hand geriet. Was meine Mutter (Mutter?) wohl jetzt dächte, bei all der Misswirtschaft und Lässigkeit? Die Sieche kam, als ob sie Blumen brächte, doch blieb im Haus, wie eine Nebenfrau, die weder Neigung hatte noch die Zeit, sich hinzuknien vor die alten Mächte. Nur ich knie sinnend im Trophäenzimmer und blicke, wie als kleiner Junge immer, - von innen bloß - durchs leere Schlüsselloch: Der vielbetürten Zukunft goldne Klinken und Klinken werden neu erstrahlen, doch nie diese abgegriffne wieder blinken. So lasset, Hoheit, mich zumindest noch den alten Cognac aus dem Glasschrank trinken… |
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20.07.2010, 00:15 | #2 |
abgemeldet
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Hi GlasB,
2ter Abschnitt, 3te Zeile: Seuche vielleicht? Sieche kenn ich nicht. Zum Werk: Ist das ein modernes Vermass oder ein aus dem Bauch aus verfasstes Gedicht. Kettenfrei? Immerhin ist des Dieners Geist in diesem Dunkel nicht frei, was Düsterkeit lässt. Was mich in tieferen Schächten zieht, sind Schlüsselbegriffe: Mutter? Die Lilith, eine Mutter? Welch böse Abgründe sich auftun! Der Pokalschrank zeugt von einer verzerrten Welt, welcher der Diener haben muss, autistisch fast, zeugt du dieses Li in Schatten. Hohheit? Eine Religion, also der Gott dieser bessenen Seele oder direkter, die Matriarchen? Der Schluss gefällt mir sehr. Cogniac mit Religion oder Unterhebenheit zu mischen: Strange. Gerne gelesen. LG |
20.07.2010, 02:44 | #3 | |
Hey Glasbleistift,
die gute alte Zeit... Mir gefällt das Gedicht sehr gut. Man merkt, dass du ein Mann der Metrik bist, fünfhebige Verse sind doch eher ungewöhnlich. Erst recht Satzübergreifend. Soweit und nicht weiter weiß ich auch noch, wovon ich rede Mit der Sieche hab ich inhaltlich ein Problem. Sie kam, blieb und konnte sich nicht den alten Mächten beugen? Erklärung bitte Zitat:
Grüße, A. |
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20.07.2010, 06:04 | #4 |
Forumsleitung
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Lieber Glasbleistift,
ein für meinen Geschmack sehr gutes Gedicht, besonders gut gefällt mit der Vers mit der Sieche und den Blumen: ein vermeintlich blühendes Weib, das in Wahrheit eine Kebse und ein Sinnbild der Verrottung und des Verfalls ist. Mal ein anderes Bild als das vom Knochenmann oder Kahnfahrer. Auch habe ich mit dem Begriff "Sieche" kein Problem, das habe ich in der Literatur schon öfter gelesen, nämlich immer dann, wenn "Siechtum" personifiziert wurde, wie ja auch in Deinem Gedicht. Einen kleinen Schwachpunkt sehe ich in der letzten Strophe. Sie ist zu lang, und die Beschreibung der Klinken = der Zukunft ergibt ein widersprüchliches Bild. Erst ist die Zukunft golden, dann wohl wieder nicht, denn sie wird erst künftig wieder erstrahlen, dann ist sie aber abgegriffen und wird nie wieder blinken. Das ist etwas wirr und auch von der Grammatik her nicht aufzudröseln. Ist Dir da zum Ende hin die Luft ausgegangen? Trotzdem: Ein Gedicht, das aus der Masse hervorsticht. Lieben Gruß Ilka-M. |
21.07.2010, 23:23 | #5 |
Hallo Leute,
entschuldigt bitte meine späte Antwort, ich war sehr beschäftigt. Es freut mich, dass euch mein Gedicht gefällt. Zur Sieche ist eigentlich alles von Ilka-Maria bereits gesagt. So hatte ich mir das gedacht. Im Allgemeinen geht es um einen Diener, der seinem alten Leben beraubt ist. Die angesprochene Mutter ist durchaus seine leibliche. Früher war es schließlich üblich, dass auch Bedienste ihr persönliches "Thronerbe" an die nächste Generation weitergaben, zumal sie ja auch oftmals auf den Anwesen lebten. Hoheit ist ebenfalls wörtlich gemeint. Metrisch betrachtet ist das Gedicht nicht kettenfrei, doch sicherlich etwas experimentell, ja. Auch hat sich für die dritte Strophe eine alternative Version ergeben. Ich würde mich freuen, wenn ihr mich wissen lasst, welche euch besser gefällt. Hier ist sie: Nun sitz ich sinnend im Trophäenzimmer: Einstmalen hangen hier im Sonnenschimmer Gemälde von Pinazo und van Gogh. Die Werke sind gerettet und versinken in andrer Kammerdiener Augen, doch nie werden sie die meinen wieder zinken. So lasset, Hoheit, mich zumindest noch den alten Cognac aus dem Glasschrank trinken… Ein kleiner Wermutstropfen ist der Verlust der Klinkenmetapher, die mir eigentlich sehr am Herzen liegt, doch irgendwie etwas aus dem Sinngefüge brach. Vielleicht kann ich sie noch in einem anderen Gedicht unterbringen. Also dann, herzlichen Dank für eure Worte und beste Grüße vom Glasbleistift |
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22.07.2010, 20:01 | #6 |
Ich finde die ursprüngliche Fassung besser. Die Klinkenmetapher gefiel mir auch wo sie war. Jetzt ist auch mein Lieblingsvers weg
Liebe Grüße, Aquaria |
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22.07.2010, 20:22 | #7 |
R.I.P.
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Halli Hallo,
ich schließe mich Aquaria an. Die Zeilen mit der Klinkenmetapher fand ich auch sehr reizvoll. Jetzt hat in meinen Augen das Gedicht an Substanz verloren. Nix für ungut. Thing |
22.07.2010, 22:21 | #8 |
Hey Leute,
vielen Dank für eure Meinungen. Aus diesem Grunde habe ich sie ja auch nicht ersetzt, sondern nur als alternative Variante eingestellt. So wird es auch bleiben, soll sich jeder die ihm liebere Version aussuchen. Also dann, Grüße vom Glasbleistift |
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25.07.2010, 22:16 | #9 |
abgemeldet
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Wunderbar! Ich mag besonders die kreative Wortwahl, das Metrum und wie die Strophen "anschwellen", vor allem in der Bedeutungsschwere. Aquarias Lieblingsvers ist übrigens auch der Meine. Der Neologismus "vielbetürt" ist sehr schön und die goldenen Klinken sind eine geniale, auf mehreren Ebenen interpretierbare Metapher.
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25.07.2010, 22:26 | #10 |
Forumsleitung
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Die neue Strophe ist kraftvoller, aber nicht besser als die erste, sondern gleichwertig. Du solltest einfach beide Versionen behalten. Es ist vielleicht eine Sache der Stimmung, ob man einmal diese oder jene Version lesen möchte. Laß einfach beide zu. Das haben Dichter zu allen Zeiten gemacht.
Ist das nicht schön? Im Gegensatz zur Ehe mußt Du Dich nicht für nur ein Liebchen entscheiden. Liebe Grüße und eine variationsschmusige Nacht, Ilka-M. |
25.07.2010, 22:48 | #11 |
abgemeldet
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Das seh ich auch so. Es kann manchmal ganz interessant sein, mehrere Versionen eines Werkes aufzubewahren. Wenn Du Dir das Gedicht nach einiger Zeit wieder durchliest, setzt sich vielleicht sogar eine der Versionen durch.
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26.07.2010, 22:42 | #12 |
Hallo Ilka,
ja, das ist schon ein Luxus, den ich mir nicht allzu oft gewähren möchte, doch werde ich es in diesem Falle tun. Es freut mich, dass dir auch die alternative Strophe gefallen kann. Hallo Hephaistos, erst einmal herzlich willkommen hier im Forum. Du bist ja, wie ich so sehe, noch nicht lange dabei. Es freut mich, dass dir mein Gedicht gefallen mag. Vielen Dank für deinen Kommentar und deine lobenden Worte. Wir werden uns sicherlich noch öfter über den Weg laufen. Zweigleisige Grüße vom Glasbleistift |
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