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Lebensalltag, Natur und Universum Gedichte über den Lebensalltag, Universum, Pflanzen, Tiere und Jahreszeiten.

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Alt 27.07.2012, 15:13   #1
männlich Desperado
 
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Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Standard Bilder einer Ausstellung

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Zusammen die Schulbank gedrückt
in einem früheren Leben
so manches ist uns seither geglückt
so manches haben wir aufgegeben
dieses und jenes hat uns bedrückt
anderes wollt uns gen Himmel heben
ich war schon immer verrückt
du bliebst in festen Gleisen kleben

Du stehst vor meinen Bildern
zusammen mit deiner Frau
du siehst ich musste verwildern
sie kennt die Bibel genau
mein Wort kann den Schrecken nicht mildern
wer weiß schon wem ich vertrau
an Kreuzungen vollgepflastert mit Schildern
wenn träumend ich in die Wolken schau

Du findest dich darin wieder
mit deinem Söhnchen im Arm
zerbrechlich und fein seine Glieder
die Äuglein so klar und warm
bald steigt er zu uns hernieder
zu lernen Kummer und Harm
du hörtest vom Klang meiner Lieder
bist redlich vermögend und ich bleibe arm

Die Botschaft ist ziemlich simpel
der Mensch hat es nicht geschafft
er säuft aus verseuchtem Tümpel
verdorben ist seines Blutes Saft
sein Lebtag bleibt er ein Dümpel
der ratlos in blinde Spiegel gafft
was von ihm bleibt ist Gerümpel
wenn endlich er hinweggerafft

Du suchst nach Hoffnung und Trost
verrate mir was das ist
in dieser Welt von Grauen umtost
wo jeder nach seinem Maßstab misst
verwittert vermodert bemoost
den Grabstein der alten Mutter vergisst
die Seele im Glücksspiel verlost
und seine eigenen Kinder frisst

Hörst du da Schreien der Kläger
ein ungezähltes Heer
den Racheengel als Bannerträger
so schreiten sie einher
bald wird die Gerade schräger
die Seelenkammer ist leer
voll Eifer schneidet der Säger
am Ast auf dem du lastest schwer

Dein Säugling erkennt nur Farben
so willst du dich glauben machen
er schnuppert am Pilz in unseren Garben
schon morgen wird er darüber lachen
was kümmern ihn unsere Narben
wenn einmal gesättigt sein hungriger Rachen
von Sehnsucht zerfressen wir seiner darben
will er seine eignen Erfahrungen machen

So dreht sich der Kreislauf des Lebens
um unsere eigene Mitte
im Ungleichgewicht des Nehmens und Gebens
der Zwangsjacke alter und neuer Sitte
die Wurzeln all unsres Strebens
sind eine flehende Bitte
dass unser Ringen nicht sei vergebens
nicht immer sich freue der Dritte

Du willst eine Antwort finden
vergib mir- doch was ist die Frage
ich soll dir die Wahrheit verkünden
du willst dass ich ins Gesicht sie dir sage
wir zahlen für unsere Sünden
was nützt uns unsere Klage
des Leichentuchs fahle Binden
betten auch dich in deinem Sarge

Die Früchte unseres Schaffens
sind nichts als Vergeblichkeit
wir können schenken und raffen
am Ende besiegt uns die Zeit
wir müssen strecken die Waffen
und loslassen Freude wie Leid
geboren als nackte Affen
sind wir dem Tod geweiht

Die Antwort gefällt dir nicht
ich hab keine andre zu geben
wir sind die Finsternis wo ist das Licht
wir die Sterblichkeit wer ist das Leben
und wenn uns das Auge bricht
so mögen wir ihm unsre Seele geben
bin ich es der da so spricht
ich weiß es nicht doch so ist das eben

08

(Die Bilder sind im Profil zu finden)
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.07.2012, 07:03   #2
weiblich Ex-Nitribitto
abgemeldet
 
Dabei seit: 08/2011
Ort: Berlin
Beiträge: 407

Standard Bilder einer Ausstellung

Lieber Desperado,

auf Einzelheiten will ich nicht eingehen, das würde den Umfang eines Kommentars übersteigen. Wozu ich mich aber äußern will, das ist deine Weltsicht: desillusioniert, resignativ. Du glaubst, die letzte Verszeile spricht davon, dass diese Welt nicht veränderbar wäre, dass sie immer so bleiben müsse, dass sie nicht durchschaubar ist und menschengemacht, dass da ein höheres Walten wirkt, von Menschen nicht erreichbar. Ich hoffe, ich habe dein Gedicht nicht falsch rezipiert.

Dieses Denken hält jeden in seiner Unmündigkeit. Es entschuldigt Untätigkeit. Es ist, um es ungeschminkt zu sagen, ein Sklavendenken. Aber es soll ja Sklaven geben, die sich ganz wohl fühlen in ihrem Dasein. Ich mach mir nichts vor, mit diesen Sätzen bewege ich bei dir nichts, das mute ich mir auch gar nicht zu. Aber vielleicht, das ist meine Hoffnung,
veranlassen sie dich in einer stillen Stunde ein wenig zur Nachdenklichkeit.

Mit liebem Gruß
Nitribitto
Ex-Nitribitto ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.07.2012, 07:52   #3
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747

Liebe Nitribitto,

da hast Du Dich ja wirklich beschäftigt mit meinen Zeilen.

Desillusioniert und resignativ? Durchaus, hättest ruhig resigniert sagen dürfen.
Fatalistisch...? Jein, das Gedicht ist eine Art Gespräch, die Aufarbeitung von Begegnungen, die jeweils eine Geschichte haben, die Du natürlich nicht kennen kannst.

Allerdings, man kann es so verstehen wie Du, das zum Beispiel macht mich schon einmal nachdenklich, denn um unmündige Sklavenmentalität ging's mir mitnichten, im Grunde eher um's Gegenteil, um den Ausbruch aus den selbstauferlegten Zwängen und Existenzängsten, eben weil es nichts zu verlieren gibt aus angedeuteten Gründen, eben weil es weder Sicherheit, absolute Selbstbestimmung noch Gewissheit gibt.

Das ist schon wirklich interessant, wie verschieden ja gegensätzlich Worte verstanden werden können, fast wie Bilder, und so gesehen bestätigt das Gedicht wenigstens seinen Titel.

Um mich verständlicher zu machen, stell ich Dir gerne ein Kapitelchen zum Thema Sklaven bei "Erzählungen" rein, aus meinem "Federhut", der auf immerhin 570 Seiten gekommen ist, soviel zum Thema Untätigikeit.

Bewegt hast Du jedenfalls was, wie Du siehst.

Desperado
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
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