München im Juli 2013
Im Juli ging’s rund auf dem Viktualienmarkt. Erst hatten sich zwei Dutzend verzweifelte Flüchtlinge auf den Rindermarkt hingelegt, um so lange zu hungern, bis sie eine Aufenthaltsgenehmigung bekommen würden. Es war schrecklich mitanzusehen und noch schlimmer, mitanzuhören, was sich die Parteien, die sich unter dem Publikum sofort bildeten, gegenseitig an den Kopf warfen. Schließlich wurden die armen Teufel im Morgengrauen „abgeräumt“, wie es im Polizeijargon hieß. Es geschah aber nicht grob, sondern fürsorglich. Eine neue „Bayerische Art“?
Jetzt liegt nur noch Buddha zwischen den Ständen herum und sorgt für Ärger. Eine überdimensionale, mehr als 500 kg schwere Buddhafigur hält, auf den Rücken gekippt, dem Betrachter ein auf die Bodenplatte gepinseltes „Made in Dresden“ entgegen. Die Figur stammt von dem malaysischen Künstler Han Chong und soll, so wird uns vom Münchner Kulturreferat erklärt, das seiner Meinung nach zu biedere, nur vom Lokalkolorit gefärbte Ambiente des Marktes aufpeppen. „A Space Called Public – Hoffentlich Öffentlich“, heißt das Motto der Aktion: In München lebten zwar Menschen aus 180 Nationen, im Stadtbild sei das aber kaum zu bemerken.
Die Händler des Marktes tippen sich an die Stirn. „De vom Kulturreferat san bestimmt no nia übern Markt g’laffa. Nahhand hätten’s nämlich g’seng, dass‘ bei uns ned bloß Foroinn und Renkn und Hecht aus Oberbayern gibt, sondan aa an Seedeife, Makrelen, Thunfisch, Bananen, Ananas und Drachenfrücht‘. Und dass ned bloß weiße Leit zum Kaffa kemma, die an Trachtenhuat aufham, sondern alle – Gelbe, Rote, Braune und Schwarze. Mir warn scho multikulti, da ham de von der Stadt no gar ned g’wusst, was des is und wia ma des schreibt!“
Jetzt regen sich alle auf – nicht nur die Buddhisten, die ihre Religion verhöhnt glauben, sondern auch die Einheimischen ob der missglückten, eher lächerlichen Aktion. Ich höre den Debatten zu und kaue an einer Münchner Bäckersemmel, die mit einem aus Alaska stammenden, in der Nähe von Landsberg geräucherten Lachs belegt und mit Zwiebelringen garniert ist, die aus Südfrankreich stammen. Kultur?
Ja. Alles miteinander waschechte, Münchner Kultur.
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