Anders als gedacht bei Poetry.de

Isabel Seifried · 20.11.2011, 02:22

Tausendfach zerfetzt, zerschlissen
hat dein Anblick offeriert,
suchte ich dich auch, verbissen,
jahrelang ist nichts passiert.

Aber jetzt, so schlabbrig, düster
stehst du da, in deinem Look,
schwarz gekleidet, wie ein Priester,
nur ein Blick, ein Händedruck.

Und schon wallen alle Geister,
brechen auf, und brechen ab.
Oh du größter aller Meister,
auch wenn du so herrlich schlapp,

vor mir stehst, dich nicht verbeugst,
lächelst, doch den Blick nicht hältst,
auch wenn du dich nicht verneigst,
und nicht vor Lust in Ohnmacht fälltst.

Heute hab ich dich gefunden
und ich habe es erkannt!
Schon nach wenig, ein, zwei Stunden,
bin ich auf dich zugerannt.

Hab dich sanft und tief umwoben,
mit der Welle aus Gefühl,
ewiglich will ich dich loben,
wenn auch nicht den Kleidungsstil,

nein die Blicke reichen wirklich
bis hinab, bis auf den Grund,
und da innen, spür ich merklich,
machst du meine Welt erst rund.

Ilka-Maria · 20.11.2011, 04:51

Das ist stark!

Und läßt viele Interpretationsmöglichkeiten zu. Ich wähle die morbide.

Hier eröffnet sich ein Potential, das in Deinen bisherigen Gedichten nur zaghaft um die Ecke guckte. Du kannst mehr, das zeigt dieser grandiose Text.

LG
Ilka

Isabel Seifried · 20.11.2011, 11:39

Vielen Dank, Ilka, für diese positive Kritik!

Kurier · 20.11.2011, 17:05

Liebe Isabel,
bei einem vierhebigen Trochäus lässt sich, besonders bei einem längeren Gedicht, obwohl nach großem Vorbild „Glocke“ (Schiller), ein etwas leiernder Eindruck nicht absolut vermeiden..
Du hast Deine Aufgabe aber gut gelöst:
… offeriert … vermutlich aus Reimzwang, finde ich etwas sehr, sehr unglücklich gewählt.
Ein vierhebiger Trochäus (4. Vers = nur männliche Endungen) im Kreuzreim, einige davon (sehr) unrein.
Ein starker Inhalt, zwei vorbildliche Enjambements, insgesamt ein beachtenswertes schönes Gedicht.
LG Dieter

Thing · 20.11.2011, 17:33

Halli Hallo, Isabel -

ich schließe mich Ilka-Maria im Großen und Ganzen an.
Der Titel ist herrlich mehrdeutig.
Wer mag der Schwarzgewandete sein? Ich hab da auch so meine feste Vorstellung.

Aber die zweite Zeile kommt mir sehr unvollständig vor.
W a s wurde denn vom Anblick offeriert?

LG
Thing

Kurier · 20.11.2011, 20:03

Zitat:

Zitat von Thing

Aber die zweite Zeile kommt mir sehr unvollständig vor.

Das "Aber" verrät - hier wird das selbständige Erkennen einer Schwachstelle scheinheilig vorgetäuscht.

Thing · 20.11.2011, 20:17

Halli Hallo, Isabel -

Aber die zweite Zeile kommt mir sehr unvollständig vor.
W a s wurde denn vom Anblick offeriert?

nix da mit scheinheiliger Vortäuschung, wie das D.L. zu nennen beliebt:
Es könnte ja sein, daß sich der Dichter gerade diese Formulierung ausgedacht hat und damit glücklich ist.
Für mich ist die Zeile nach wie vor unvollkommen, aber es nicht m e i n Gedicht.

Scheinheilig .... da muß ich mein greises Haupt schütteln.

LG
Thing

20.11.2011, 02:22	#1
Isabel Seifried Dabei seit: 03/2011 Ort: Deutschland Beiträge: 616 Meine Gedichte	Anders als gedacht Tausendfach zerfetzt, zerschlissen hat dein Anblick offeriert, suchte ich dich auch, verbissen, jahrelang ist nichts passiert. Aber jetzt, so schlabbrig, düster stehst du da, in deinem Look, schwarz gekleidet, wie ein Priester, nur ein Blick, ein Händedruck. Und schon wallen alle Geister, brechen auf, und brechen ab. Oh du größter aller Meister, auch wenn du so herrlich schlapp, vor mir stehst, dich nicht verbeugst, lächelst, doch den Blick nicht hältst, auch wenn du dich nicht verneigst, und nicht vor Lust in Ohnmacht fälltst. Heute hab ich dich gefunden und ich habe es erkannt! Schon nach wenig, ein, zwei Stunden, bin ich auf dich zugerannt. Hab dich sanft und tief umwoben, mit der Welle aus Gefühl, ewiglich will ich dich loben, wenn auch nicht den Kleidungsstil, nein die Blicke reichen wirklich bis hinab, bis auf den Grund, und da innen, spür ich merklich, machst du meine Welt erst rund.

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20.11.2011, 04:51	#2
Ilka-Maria Forumsleitung Dabei seit: 07/2009 Ort: Arrival City Beiträge: 31.111 Meine Gedichte Meine Favoriten	Das ist stark! Und läßt viele Interpretationsmöglichkeiten zu. Ich wähle die morbide. Hier eröffnet sich ein Potential, das in Deinen bisherigen Gedichten nur zaghaft um die Ecke guckte. Du kannst mehr, das zeigt dieser grandiose Text. LG Ilka

20.11.2011, 11:39	#3
Isabel Seifried Dabei seit: 03/2011 Ort: Deutschland Beiträge: 616 Meine Gedichte	Vielen Dank, Ilka, für diese positive Kritik!

20.11.2011, 17:05	#4
Kurier R.I.P. Dabei seit: 06/2010 Beiträge: 701 Meine Gedichte Meine Favoriten	Liebe Isabel, bei einem vierhebigen Trochäus lässt sich, besonders bei einem längeren Gedicht, obwohl nach großem Vorbild „Glocke“ (Schiller), ein etwas leiernder Eindruck nicht absolut vermeiden.. Du hast Deine Aufgabe aber gut gelöst: … offeriert … vermutlich aus Reimzwang, finde ich etwas sehr, sehr unglücklich gewählt. Ein vierhebiger Trochäus (4. Vers = nur männliche Endungen) im Kreuzreim, einige davon (sehr) unrein. Ein starker Inhalt, zwei vorbildliche Enjambements, insgesamt ein beachtenswertes schönes Gedicht. LG Dieter

20.11.2011, 17:33	#5
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Halli Hallo, Isabel - ich schließe mich Ilka-Maria im Großen und Ganzen an. Der Titel ist herrlich mehrdeutig. Wer mag der Schwarzgewandete sein? Ich hab da auch so meine feste Vorstellung. Aber die zweite Zeile kommt mir sehr unvollständig vor. W a s wurde denn vom Anblick offeriert? LG Thing

20.11.2011, 20:17	#7
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Halli Hallo, Isabel - Aber die zweite Zeile kommt mir sehr unvollständig vor. W a s wurde denn vom Anblick offeriert? nix da mit scheinheiliger Vortäuschung, wie das D.L. zu nennen beliebt: Es könnte ja sein, daß sich der Dichter gerade diese Formulierung ausgedacht hat und damit glücklich ist. Für mich ist die Zeile nach wie vor unvollkommen, aber es nicht m e i n Gedicht. Scheinheilig .... da muß ich mein greises Haupt schütteln. LG Thing