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Alt 24.06.2017, 16:20   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Teil 6, Wie klingt ein Name - Tina sucht die Liebe

Tina sah Christian an und grinste. „Kein Wunder, dass er so schnell abgehauen ist. Dich wollte ich auch nicht kennen wollen.“
„Pfft“, schnaubte Christian, „du hast ja sowieso keine Ahnung.“ Aber Tina gab darauf keine Antwort. Aus irgendeinem Grund war sie auf einmal gutgelaunt. Warum auch nicht? In knapp vier Wochen standen die Sommerferien vor der Tür, es war wunderschönes Wetter, abends war es lange hell, die schlimmsten Prüfungen waren vorbei und sie selbst war jung und – hübsch? An diesem Abend betrachtete sie sich ausgiebig in dem großen Standspiegel im Schlafzimmer ihrer Eltern, den ihre Mutter mal unbedingt als Ankleidespiegel hatte haben wollen, und gab achselzuckend vor sich selbst zu, dass sie pummelig war. Na und? Katrin aus der Theatergruppe war auch nicht gerade schlank und hatte einen Freund, der überdies schlank und sportlich war, eigentlich das genaue Gegenteil von Katrin. Also dürfte das keine allzu große Rolle spielen. Eine Freundin von Tinas Mutter war schon mehr als vollschlank und ihr Mann schien noch immer wahnsinnig in sie verliebt zu sein. Es gab also auch Jungen und Männer, die auf „Pummelige“, „Mollige“ oder gar „Dicke“ standen. Tina sah sich im Spiegel an und dachte, dass sie doch rein optisch einige Vorzüge hatte – lange glatte braune Haare, hellblaue Augen und einen Teint, den man fast sonnengebräunt nennen konnte, obwohl sie sich nie in die Sonne legte, er war einfach von Natur aus so. Ihre Mutter hatte ihr mal erzählt, dass die Kombination hellblaue Augen mit braunen Haaren relativ selten sei. Damals war Tina 12 gewesen und das Gerede darüber hatte sie nicht weiter interessiert. Jetzt fiel ihr das Gespräch wieder ein. Es stimmte, die Kombination war selten und es fiel noch mehr auf, wenn sie ihre Augen mit dem blauen Lidschatten betonte, den ihr die Verkäuferin in der Drogerie empfohlen hatte. Sie lächelte sich selber im Spiegel zu. „Nur schade, dass kein Junge in Sicht ist, der in Frage kommt“, dachte sie dann und ein Schatten fiel auf ihre gute Laune.

Zwei Tage später stand wieder der Geschichte-Leistungskurs auf dem Plan. Tina trödelte auf dem Weg zur Schule, da sie sicher war, dass die zwei Stunden sowieso wieder ausfallen würden, denn für Frau Kloppmann war bestimmt noch kein Ersatz gefunden worden. Sie traf zehn Minuten nach acht ein, was den Vorteil hatte, dass sie nicht über knutschende Pärchen auf irgendeiner Treppe oder in irgendeinem Winkel stolpern konnte, da alle anderen Schüler schon in den Unterrichtsräumen waren. Leider hatte es den Nachteil, dass sie die Einzige zu sein schien, die zu spät dran war, denn auch die anderen Teilnehmer des Geschichte-Leistungskurses waren nirgends zu sehen. Tina hatte damit gerechnet, dass alle vor dem Unterrichtsraum auf der Treppe herumlungerten, da weder Frau Kloppmann noch ein Aushilfslehrer unterrichten würden und stellte nun verärgert fest, dass sie sich geirrt hatte. Zudem drang aus dem Unterrichtsraum eine Stimme, die sich sehr nach dozierendem Lehrer anhörte. „Verdammt!“, dachte sie, klopfte an und trat auf das „Herein“ rasch in den Unterrichtsraum, wobei sie leise „Entschuldigung“ sagte und dabei versuchte, so schnell wie möglich am Aushilfslehrer vorbeizuhuschen und sich auf ihren gewöhnlichen Platz in der hinteren Reihe am Fenster zu setzen. Dies war allerdings nicht möglich, denn dieser Platz war bereits besetzt – von einem Jungen, den Tina nicht kannte, allerdings glaubte sie sich zu erinnern, ihn vor kurzem schon einmal gesehen zu haben. Wer war das? Egal, wichtiger war, ihn von ihrem Platz zu verscheuchen. „Heh, das ist mein Platz!“ Sie blieb verärgert vor dem Jungen stehen. Doch ehe er antworten konnte – er schaute sie belustigt an und schien nicht bereit zu sein, aufzustehen – ließ sich die Stimme des Aushilfslehrers vernehmen: „Darf ich fragen, warum Sie zu spät kommen?“
„Ich …. äh …. hab den Bus verpasst und musste warten“, sagte Tina. „Außerdem wusste ich gar nicht, dass Geschichte wieder stattfindet. Frau Kloppmann ist doch krank. Ich dachte, die erste Stunde fällt aus.“
„Wie Sie sehen, findet der Unterricht statt und Sie haben einen Aushilfslehrer, nämlich mich, frisch von der Universität ausgeliehen“, sagte der Lehrer, ohne eine Miene zu verziehen. „Wären Sie pünktlich gewesen, hätten Sie meine Einführung nicht versäumt. Leider kann ich nicht für Zuspätkommer alles noch einmal wiederholen, das müssen Sie also bei den anderen Schülern nachfragen. Und jetzt setzen Sie sich bitte, ich mag es ganz und gar nicht, wenn sich der Unterricht aus unwichtigen Gründen verzögert.“
„Aber das hier ist mein Platz!“ Trotzig blieb Tina stehen, obwohl sie merkte, dass einige der Schüler kicherten und sicher hinterher blöde Bemerkungen machen würden.
„Dann hätten Sie früher aufstehen müssen“, antwortete der Lehrer lakonisch.
„Ach, ist schon gut“, sagte der Junge, der auf Tinas Platz saß, da. „Ich bin auch neu und wusste nicht, dass der Platz schon besetzt war.“ Er stand auf und lächelte. Dabei fiel Tina auf, dass er groß, schlank und dunkelhaarig war. Natürlich, das war der neue Schüler, der vor ein paar Tagen auf der Treppe an ihr und den anderen vorbeigelaufen und sie mit der Schultasche gestreift hatte! Aber wie auch immer, den Platz ließ sie sich deswegen noch lange nicht wegnehmen, auch wenn er das nicht hatte wissen können. Allerdings räumte er ihn ja freiwillig. „Bist ein echter Kavalier!“ rief eines der Mädchen und alle klatschten Beifall und johlten, als der Junge sich auf einen freien Platz weiter vorne setzte.
„Danke“, sagte Tina erleichtert und setzte sich nun ebenfalls.
„So“, sagte der Lehrer, „nachdem Sie uns solange aufgehalten haben, haben Sie sicher nichts dagegen, dass wir fünf Minuten Unterricht dran hängen. Mein Name ist Dr. Winter, und wie heißen Sie?“
„Tina“, murmelte Tina., „Tina Klamm.“
„Gut, Frau Klamm. Ich würde Sie dann bitten, das nächste Mal pünktlich zu erscheinen“, sagte Dr. Winter, wieder ohne eine Miene zu verziehen. Mit Humor schien der Mann nicht gesegnet zu sein.
„Sie wollen ja sicher nicht, dass alle jedes Mal länger bleiben müssen, weil Sie zu spät sind?“
„Nein, natürlich nicht!“ Tina gelang es, fast entrüstet zu klingen. Der Lehrer nickte und meinte dann: „Darauf werde ich mich hoffentlich verlassen können.“
Tina lag eine freche Antwort auf der Zunge, aber sie unterdrückte sie. Es lohnte sich nicht, sich noch mehr Ärger einzuhandeln. Jetzt hatte dieser Dr. Winter sie sowieso schon auf dem Kieker, und noch mehr auffallen musste sie wirklich nicht. Außerdem hatte sie ihren Platz zurückerobert, das war das Wichtigste. Für den Rest der zwei Stunden plus der fünf Minuten, die Dr. Winter pflichtbewusst länger unterrichtete, versuchte sie, sich zu konzentrieren.

Als die Schüler nach dem Unterricht den Raum verließen, traf sie auf Benjamin, der sie angrinste und sagte: „Seit wann fährst du denn mit dem Bus?“
„Seit heute!“ antwortete Tina schlagfertig.
Benjamin nahm ihre Erwiderung todernst. „Ich wusste gar nicht, dass ihr umgezogen seid“, sagte er.
Tina winkte ab. „Sind wir auch nicht. War nur eine Ausrede für diesen Dr. Winter. Was für ein Blödmann.“
„Naja, hättest schon pünktlich sein können“, sagte Benjamin, „es wurde ja gesagt, dass ein Ersatz für Frau Kloppmann kommt.“
„Wer war das eigentlich, der auf meinem Platz gesessen hat?“ fragte Tina.
„Der Neue, der ist doch neulich schon mal an uns vorbeigelaufen. Hendrik heißt er, Hendrik Michels. Mehr weiß ich auch nicht. Dr. Winter hat sich von allen die Namen aufgeschrieben am Anfang der Stunde, da hab ich's mitgekriegt. Hab selber noch nicht mit ihm geredet.“
„Ah“, sagte Tina, „Hendrik.“ Merkwürdig, wie schön weich der Name auf der Zunge zerging. „Hendrik, Hendrik“, hallte der Klang in ihrem Kopf nach.

- Fortsetzung folgt -
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Alt 25.06.2017, 12:58   #2
weiblich Ilka-Maria
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Hmm ...

Wie ich sehe, hast du den Verlauf der Geschichte gut im Griff. Das ist wichtig, wenn zwischen den Teilen eine Woche vergangen ist, weil die Gefahr besteht, den Zusammenhang zu verlieren. Bis jetzt ist aber Kontinuität vorhanden.

Ich habe zwei Kritikpunkte:

Wenn Tina mit zwei Stunden Ausfall rechnet, weshalb begnügt sie sich mit Trödelei? Sie könnte einfach zwei Stunden später in die Schule kommen und für den Fall einer Nachfrage einen Arztbesuch oder etwas ähnliches vortäuschen.

Der gewichtigere Kritikpunkt ist der Dialog zwischen Tina und dem Aushilfslehrer. Es erscheint mir als unrealistisch, dass ein Lehrer sich verpflichtet fühlt, einer Schülerin derart umfassend Informationen zu liefern oder nach Gründen für ihr Zuspätkommen zu fragen. Lehrer haben einen Zeitplan, den sie einhalten müssen, und weichen davon nur soweit ab, wie es unbedingt nötig ist. Jede Störung des Unterrichts ist ihnen unbequem, und sie versuchen, so schnell es geht wieder zur Tagesordnung zu kommen. Weshalb Tina zu spät erscheint, kann ihm völlig egal sein. Es kann ihm ebenso egal sein, ob Tina künftig pünktlich sein wird, denn er hilft ja nur aus und wird mit ihr nichts mehr zu tun haben.

Kurz gesagt: Die Dialoge könnten knackiger sein.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 25.06.2017, 13:28   #3
weiblich DieSilbermöwe
 
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Liebe Ilka-Maria,

danke für deinen Kommentar! Ich hatte schon letzte Woche weitergeschrieben, auch als ich die Geschichte da
noch nicht einstellen konnte, eben um den Faden nicht zu verlieren. Außerdem schaue ich immer mal wieder in unserem zusammen ausgearbeiteten Exposé nach und orientiere mich daran, auch wenn ich mich nicht mehr ganz exakt daran halte. Ich muss sagen, das Exposé ist wirklich eine große Hilfe beim Schreiben. Ich möchte mich einfach mal dafür bedanken.

Was nun die Situation mit dem Aushilfslehrer angeht: Mag sein, dass es im wahren Leben anders läuft und Lehrer anders reagieren. Aber wer riet mir denn, nicht nach dem wahren Leben zu schreiben, weil niemand das lesen will?

LG DieSilbermöwe
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Alt 26.06.2017, 17:21   #4
männlich mcblie
 
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Liebe Silbermöwe!
Bin gespannt, was sich da weiter entwickelt mit Hendrik.
Zum Verhalten des Lehrers: Viele erkundigen sich schon nach dem Grund für die Verspätung. Die Dialoge im entsprechenden Teil könnten vielleicht aber doch etwas flotter sein; der Lehrer muss nicht so oft auf die Folgen hinweisen (Tina und auch die Leser haben's schon kapiert, dass er ziemlich unsympathisch ist )
LG
mcblie
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Alt 27.06.2017, 06:58   #5
weiblich DieSilbermöwe
 
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Lieber mobile,

vielen Dank für deine Rückmeldung!

Ich werde mich bemühen, die Dialoge besser zu entwickeln . Die Ausarbeitung fällt mir zwar nicht so schwer, aber doch schwerer als einfach zu erzählen.
Das muss daran liegen, dass ich Dialoge in Büchern auch nicht gerne lese.

LG DieSilbermöwe
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Alt 27.06.2017, 07:23   #6
männlich mcblie
 
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Beiträge: 58


Ich schreib gerne Dialoge, arbeite derzeit auch vorwiegend im dramatischen Bereich.
Liebe Grüße
mcblie
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Alt 27.06.2017, 10:30   #7
männlich Pit Bull
 
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Beiträge: 1.878


Schöne und vor allem unterhaltsame Geschichte *Daumen hoch*
Hie und da werde ich auch an meine Schulzeit erinnert.

Kritik hab ich keine.

Bin gespannt, ob sich zwischen Tina und Hendrik etwas entwickelt ...

VG Pitti
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