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Alt 04.07.2020, 16:48   #1
weiblich DieSilbermöwe
 
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Standard Der Mann am Strand 3. Teil

In dieser Nacht konnte Tamara nicht schlafen. Leise, um Heiko nicht zu wecken, stand sie auf, trat ans Fenster, schob den Vorhang zur Seite und blickte auf das Meer hinaus. Es war ein wunderbarer Anblick. Sanft plätscherten die Wellen an den Strand, und der Mond spiegelte sich im Wasser. Natürlich, es war Vollmond! Wahrscheinlich konnte sie deshalb nicht schlafen. Oder lag es doch daran, dass ihr Heikos merkwürdiges Benehmen nicht aus dem Kopf ging? Der Tod des jungen Mannes schien ihn völlig kalt gelassen zu haben. Trotzdem war es unüberlegt und fast schon unverschämt von ihr gewesen, ihm die Frage an den Kopf zu werfen, wieso er so schnell gesehen hatte, dass der junge Mann tot war. Und weil sie das auch wusste, hatte sie so hektisch reagiert und das Weinglas umgestoßen bei der Beteuerung, dass sie ihn nicht verdächtigen würde. Eigentlich hätte Heiko sich aufregen müssen, doch er hatte wohl gar nicht daran gedacht. "Ich sollte mich schämen", dachte sie. Doch andererseits: Was wusste sie eigentlich von Heiko? Sie hatten sich erst vor drei Monaten auf der Geburtstagsparty ihrer Freundin Sylvia kennengelernt. Heiko war mit deren Mann befreundet und deswegen auch auf der Party gewesen.
"Das ist Heiko", hatte Sylvia ihn ihr lachend vorgestellt, "charmant, umwerfend, gutaussehend und ein Glücksfall für jede Frau."
Tamara hatte gelacht und Heiko war nicht im geringsten darüber verlegen gewesen, von Sylvia so beschrieben worden zu sein. Es gab gewiss Männer, denen das peinlich gewesen wäre. Heiko gehörte nicht dazu.
"Freut mich", hatte er nur gesagt und ihr lächelnd die Hand gereicht. Tamara hatte seine Art imponiert: selbstbewusst, wahrhaftig charmant und gutaussehend: schlank, einen Kopf größer als sie, dunkelhaarig, braune Augen. Auch sein Beruf schien interessant zu sein.
"Ich arbeite im Export", hatte er gesagt, "für eine größere Firma und bin meistens im Außendienst unterwegs."
Tamara war beeindruckt gewesen. "Dann kommen Sie ja viel herum." Aber sie hatte nicht mehr nach seinem Beruf fragen wollen, um nicht wie ein neugieriges Waschweib auszusehen, und schon bald drehte sich das Gespräch um private Dinge. Jetzt fiel ihr zum ersten Mal auf, dass Heiko viel mehr von ihr wusste als sie von ihm. Zwar hatte er ihr irgendwann den Namen der Firma mitgeteilt, in der er arbeitete, und ihr auch mal die Telefonnummer gegeben, allerdings hatte Tamara noch nie dort angerufen. Wozu auch? Sie fand die Kommunikation über Handy sinnvoller. Und sie würde ihrem Freund ganz bestimmt nicht nachspionieren.

Die Idee mit dem Urlaub in Portugal war von Heiko gekommen. "Was hältst du davon, wenn wir nächsten Monat Urlaub machen?" hatte er sie gefragt, während sie am Wochenende beim Abendessen auf ihrer Terrasse saßen. Tatsächlich war sie noch nie bei ihm zu Hause gewesen. Er kam immer nur zu ihr, auch wenn er ihr die Adresse seiner Wohnung und seine Festnetznummer mitgeteilt hatte.
"Du kannst natürlich probieren, dort anzurufen", hatte er gesagt, "aber ich warne dich vor. Ich bin so gut wie nie zu Hause, und wenn doch, überhöre ich das Telefon meistens. Ruf also lieber gleich auf dem Handy an." Daran hatte sie sich gehalten, auch an seinen Hinweis, nicht einfach bei ihm aufzukreuzen.
"Ich bin meistens doch nicht daheim, sondern die ganze Woche unterwegs. Zum Einkaufen komme ich so gut wie nie, jedenfalls nicht so, dass mein Kühlschrank gut gefüllt wäre. Also macht es mehr Sinn, wenn ich am Wochenende gleich zu dir komme", hatte er gesagt. "Du bist ja den ganzen Tag im Büro, hast pünktlich Dienstschluss und danach Zeit zum Einkaufen. Wäre es sehr unverschämt von mir, wenn ich dann darauf spekuliere, freitagabends direkt zu dir kommen zu können und von dir kulinarisch verwöhnt zu werden?" Er hatte sein umwerfendes Lächeln aufgesetzt. "Und natürlich verwöhnt zu werden in anderer Hinsicht." Tamara hatte geschmeichelt gelächelt und war nur zu gern bereit, ihm seine Wünsche zu erfüllen. So auch den Urlaub in Portugal. Nachdem Heiko die Idee mit dem gemeinsamen Urlaub angestoßen hatte, kam von ihm auch gleich danach der Vorschlag, an die Algarve zu fahren. Das hatte Tamara nicht nur begeistert, sondern regelrecht elektrisiert. Schließlich sprach sie Portugiesich und nach Lissabon, der Stadt, die sie immer schon hatte sehen wollen, könnten sie sicherlich auch einen Tagesausflug unternehmen. Außerdem liebte sie das Meer. Seufzend warf sie noch einen Blick darauf, ehe sie die Vorhänge wieder sachte zuzog und sich neben Heiko ins Bett legt.
Heiko hatte vielleicht Geheimnisse vor ihr, überlegte sie beim Einschlafen. Aber mit dem Toten am Strand hatten diese wohl kaum etwas zu tun.

Auch Cristina Ferreira konnte in dieser Nacht nicht schlafen. Ob es daran lag, dass Pedro sich nicht mehr bei ihr blicken ließ? Seit dem heftigen Streit vor ein paar Tagen hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Sie knipste die Nachttischlampe an, setzte sich im Bett auf und griff nach ihrem Handy. Keine neue SMS. Auch gut, sollte er sie doch in Ruhe lassen. Pedro mit seiner lächerlichen Eifersucht! Weil sie wusste, wie er reagieren würde, wenn sie ihm erzählte, dass sie jemandem angeboten hatte, bei ihr zu übernachten, hatte sie behauptet, ihr Bruder würde kommen. Das war gar nicht so weit hergeholt: Jaques, den sie eingeladen hatte, sah ihrem Bruder wirklich ähnlich, jedenfalls den Bildern nach, die er auf Facebook gepostet hatte. Aber sie hatte gar nicht vorgehabt, mit Jaques ein Verhältnis anzufangen! Jaques war ihr lediglich sympathisch gewesen, sie hatte auf Facebook öfters mit ihm geschrieben und als er ihr berichtet hatte, er wolle an die Algarve reisen und dort ein paar Tage verbringen, hatte sie ihm spontan angeboten, bei ihr zu übernachten. Einfach so aus Gefälligkeit. Eigentlich hätte Pedro in der Zeit gar nicht da sein sollen. Er war Handwerker und hätte mit seiner Firma für zwei Wochen nach Spanien für einen Auftrag reisen sollen, es war alles schon geplant, doch in letzter Minute hatte der Kunde den Auftrag storniert und es war ihr nichts anderes übrig geblieben, als Pedro von dem bevorstehenden Besuch in Kennntis zu setzen. Sie hatte zwar versucht, Jaques abzusagen, doch er hatte sich auf Facebook nicht mehr eingeloggt, seit er aufgebrochen war. Eine Handynummer von ihm hatte sie nicht. Und zu riskieren, dass er auf einmal einfach vor der Tür stand, während Pedro bei ihr zu Hause war, nein, das kam nicht in Frage. Natürlich hatte Pedro wie erwartet reagiert, er glaubte ihr kein Wort, schon gar nicht, dass sie ihren Bruder erwarten würde (wieso hatte sie denn ihren Bruder noch nie erwähnt, wenn sie so ein enges Verhältnis hatten?) und er würde sich von ihr nicht wie ein Idiot behandeln lassen.
Was wäre wohl passiert, wenn Pedro wie geplant mit seiner Firma zwei Wochen lang unterwegs gewesen wäre und Jaques wie geplant gekommen wäre? Er hätte längst da sein sollen und war bis jetzt nicht aufgetaucht, hatte sie also im Prinzip versetzt, obwohl er sich tatsächlich vor ein paar Tagen dann doch über Handy gemeldet und behauptet hatte, er sei unterwegs. Allerdings sei das Handy nicht seines und deswegen solle sie nicht darauf zurückrufen. Aber es würde nicht mehr lang dauern, dann sei er da und er sei wirklich sehr dankbar dafür, dass sie ihm einen Platz zum Schlafen geben würde. Cristina hatte ungedudig gewartet, doch er war nicht aufgetaucht. Was wäre aber passiert, wenn er gekommen wäre?Vielleicht gar nichts. Vielleicht hätten sie ein paar Tage verbracht wie Bruder und Schwester. Vielleicht auch nicht, vielleicht hätte er ihr gefallen. Und wenn, dann hätte sie das ausgenutzt. Warum auch nicht? Schließlich war sie nicht mit Pedro verheiratet. Und nur weil er ihr die Miete für den letzten Monat bezahlt hatte, müsste sie ihm nicht ewig dankbar sein, es war seine eigene Idee gewesen und sie würde es ihm ja zurückzahlen. Irgendwann.

Auf Facebook gab es nichts Neues. Gelangweilt schaute Cristina auf die Seite der lokalen Nachrichten. Vielleicht war am Wochenende eine Veranstaltung, diese wurden manchmal dort angekündigt. Doch stattdessen sprang ihr ein Bild entgegegen, mit der fettgedruckten Schlagzeile daneben: "Wer kennt diesen Mann?" Erst als sie den Text gelesen hatte, wurde ihr klar, um wen es sich handelte. Und warum Jaques niemals bei ihr aufgetaucht war.

Fortsetzung folgt

Die ersten beiden Teile finden interessierte Leser hier:

https://www.poetry.de/showthread.php?t=90589

https://www.poetry.de/showthread.php?t=90725
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Alt 10.07.2020, 09:23   #2
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Das alles läuft auf eine auktorial erzählte, längere Prosa hinaus. Für Kurzprosa wie z.B. eine Kurzgeschichte oder Erzählung eignet sich der Text nicht mehr.

In den Rückblenden wird erklärt statt "gezeigt", d.h., die Geschichte entwickelt sich nicht durch Handlung, sondern durch Berichterstattung. Das ist schade, denn bei Langprosa gäbe es genügend Raum, die Rückblenden in Handlung zu packen.
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Alt 10.07.2020, 13:36   #3
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Zitat:
.Für Kurzprosa wie z.B. eine Kurzgeschichte oder Erzählung eignet sich der Text nicht mehr.
Als ich den zweiten Teil zum ersten Mal eingestellt habe (der mittlerweile auf meinen Wunsch gelöscht wurde), hast du doch genau das moniert??? Also dass der zuerst eingestellte zweite Teil eher auf eine Kurzgeschichte hinauslief, fandest du falsch und schriebst, dass man eher so Langprosa anlegt. Jetzt mach ich Langprosa draus (was ich eigentlich von Anfang an vorhatte) und es ist auch nicht richtig?

Was denn nun?
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Alt 10.07.2020, 14:04   #4
weiblich Ilka-Maria
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Habe ich nicht geschrieben, dass es falsch ist. War nur eine Feststellung. Mir war nicht klar, dass du von der Kurzgeschichte weggkommen wolltest, der auktoriale Stil also bewusst gewählt worden ist. Also alles okay.
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Alt 10.07.2020, 17:46   #5
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Zitat:
.War nur eine Feststellung.
Ach so.

Zitat:
Mir war nicht klar, dass du von der Kurzgeschichte weggkommen wolltest, der auktoriale Stil also bewusst gewählt worden ist
Ja, normalerweise mag ich es nicht, auktorial zu erzählen. Aber einen Krimi aus einer einzigen (personalen) Perspektive zu schildern, erschien mir zu schwierig.

Ich wollte hier mal etwas Längeres ausprobieren, insgesamt ziehe ich es aber doch vor, Kurzgeschichten zu schreiben. Die Langprosa hier ist eine Ausnahme von der Regel.

Zitat:
. In den Rückblenden wird erklärt statt "gezeigt", d.h., die Geschichte entwickelt sich nicht durch Handlung, sondern durch Berichterstattung. Das ist schade, denn bei Langprosa gäbe es genügend Raum, die Rückblenden in Handlung zu packen.
Tja, das Gelbe vom Ei ist dieser Teil nicht. Das ist teils einem User aus einem anderen Forum geschuldet, der mehr Infos wollte und teilweise dem Grund, dass es ganz schön schwierig ist, einen Krimi zu schreiben, für mich jedenfalls. Mein Fokus liegt hauptsächlich darauf, die Aufklärung plausibel rüber zu bringen. Darüber geht momentan einiges andere flöten.

Wer Interesse hat, der 4. Teil ist bereits eingestellt:

https://www.poetry.de/showthread.php?t=90822
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