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Alt 23.01.2017, 18:37   #1
männlich andaristan
 
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Ort: Aschbach-Markt, wo alle Säufer der Welt einst geboren wurden und wohin sie auch wieder zurückkehren.
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Und wieder wurde ihm ganz flauschig um die Birne. Nun, er war sich dessen schon bewusst, dass er in wenigen Minuten vor allen Mitschülern, der Professorin eingeschlossen, wegtreten würde, aber das kratzte ihn nicht mal an seinem eitrigen Sack, oder besser, nicht mehr. Wie? Erstaunt von der Wortwahl? Etwas peinlich berührt vielleicht? Ja, wenn Besagter etwas erreicht hat, dann, wie man die Bastardisierung der deutschen Sprache regelrecht zur Kunstform macht und das konnte ein Mädchen seines Alters schon durchaus peinlich berühren. Besagter war schließlich Meister darin, den Menschen in seiner Umgebung, wie er sagen würde, ein Gefühl von Unbehagen um die Klöten zu schmieren, das einem vermeintlich den Sack und den Bart verknoten könnte. Aber wir weichen vom Geschehnis ab…

Ach! Da liegt er schon! Ein Mitschüler versuchte ihn mit behutsamen Versuchen zu wecken, wie er so verdrehten Auges dahindämmerte, im Halbschlafe nicht im geringsten von einer irischen Prinzessin zu unterscheiden, die in grünen Filz gekleidet gar friedvoll und maienselig mit dem wohlgelockten Haupt auf dem Lärchenholztisch lag, der Sabber und Rotz die Fressluke befeuchteten, als hätte sie ihre eigene Fotze ausgeleckt. Hoch lebe die Pharmaindustrie!
Er reagierte erst, als der Direktor vor ihm stand und Besagten um ein Gespräch auf dem Schulgang zu bitten, wenn möglich sofort. Und natürlich konnte Besagter seinem Drang nicht nachgeben, die Unterredung mit einer Wortmeldung zu initiieren, die der Bastardsohn von einem Bauern, dessen Eltern vermutlich Geschwister sind, wie es sie auf dem Land vor der Klosterschule zuhauf gab, nicht besser hinbringen hätte können. Warum musste er nur so viel Mist von sich geben? Er war kein Einfaltpinsel, keineswegs. Möglicherweise bereiteten ihm die Reaktionen und Gesichtsausdrücke seiner Gesprächspartner einfach ein Ergetzen, dass all die unantastbare Abgeschissenheit seines allmorgendlichen Gemütsbefindens etwas auflockern konnte. Es war einfach so seine lebensmüde Art, obgleich er seinem Direktor gegenüber größte Ehrfurcht empfand. Ich möchte vorwegnehmen, dass Besagter trotz jahrelanger katholischer Schulbildung keineswegs eine Verbindung zu einem höheren Wesen wie dem Herrgott mehr wahrzunehmen imstande war, nicht mehr. Doch wie oben beschrieben, Besagter war kein Einfaltspinsel und er konnte sehr wohl unterscheiden zwischen Priestern, die sich beim Vögeln an Schultaschen festhalten und seinem Direktor, der die Reinkarnation von einem Heiligen sein musste. Manchmal bewunderte Besagter seinen Direktor für seinen tiefen Glauben und vor allem, wie er ihn lebte. Denn hätte jener Direktor nicht all das Verständnis und die Geduld und Nächstenliebe einer gnadenreichen Jungfrau Maria von klein an in sich aufgesogen, wäre Besagter schon vor Jahren von der Schule gewiesen worden. Ja, für Besagten war sein geschätzter Direktor eine Jungfrau Maria, er war schon etwas wie der gutmütige Abt Daniel aus dem Goldmund. Schon klar, manchmal belächelte Besagter die warmherzige und fromme Art seines Direktors, aber der Mann hatte Charisma. Er war jemand. Er war nicht wie Besagter, der dem Heil eines Erlösers noch nicht anheimgefallen war, der in seiner Manier eher, um es gewählter auszudrücken, den Geschöpfen glich, die sich auf den Feldern regen.

Armer Besagter, nicht mal einen Namen hat er, nicht in dieser Welt. Gut, das Gespräch hatte er hinter sich gebracht und im Allgemeinen war er froh, dass es ihm endlich vergönnt war seinen Kater auszuschlafen.

Am Abend war die Wirkung der Tabletten endgültig ausgeklungen. Vielerlei Erinnerungen plagten ihn, Erinnerungen vom letzten Ball, dessen Aufräumarbeiten noch nicht einmal vorübergegangen waren. Eine Morddrohung im Suff..Nein..Zwei Morddrohungen im Suff..Ein Rauswurf..Und eine Weisung meines Klassenvorstandes, wie ich dem Pfad der Erleichterung, also der Toilette, näherkomme. Sein Vater saß anbei. Natürlich gerieten beide in Wortgefechte, zusammengefügt mit einem Mörtel aus Demütigung und Anschuldigung, bis Besagtem ein neues Problem vor den Schädel stieß. Er begann nervös zu werden, da die Entzugserscheinungen anscheinend wieder einsetzten und er wusste nur zu gut, dass die Werkstatt seines Vaters mehr Bier und Schnaps beherbergte als der gesamte Wiener Prater. Sein Wille war wie zu oft in seinem kümmerlichen Leben nur allzu dünn und schwach, er ging nach draußen, packte zwei Bier am Flaschenhals und sprang draußen über den Zaun, schließlich durfte er nicht gesehen werden. Der Toleranzgrenze seines Umfeldes wurde schon zu oft Gewalt angetan. Als er so in der frühherbstlichen Abendfinsternis saß, musste er mit Unbill feststellen, dass die hohe Medikamentensteigerung in Kombination mit dem Bier eine durch und durch eigentümliche Wirkung auf ihn hatte. Besagter kam sich beinahe schon etwas verfolgt vor und zwar vom Leben. Ja, er trug so einen entsetzlichen Frust in sich, dass ein beinloser Vietnamveteran im Rollstuhl schon einen wohltuenderen Anblick dargestellt hätte. Er war so jung und so müde. Als er mal wieder vor seinem wutentbrannten Vater aufgeflogen war, rief er wie immer seine Mutter an um ihn abzuholen, er selber hatte ja keinen Führerschein.
Seine Mutter schwieg zum Wohlgefallen von Besagtem still und er tat dem gleich. Angekommen in dieser Scheißstadt ging sie zu Bett, Besagter rauchte im Wintergarten noch einige Zigaretten, dem einzigen Ort, an dem er sich in jener Scheißstadt wohlfühlte. Beim Rauchen stiegen noch einige seltsame Empfindungen auf. Dieses leidige Spiel mit dem Gedanken, wie schnell alles vorbeigehen könnte..mit ein bisschen Mumm. Es regnete in dichtem Schwalle. Besagter legte sich auf sein Zimmer. Gott ist tot. Er hörte etwas Richard Wagner, der zu dieser Zeit sein Lieblingskomponist war. Isoldes Liebestod. Wie sanft und friedlich sie nur in die Dunkelheit sinken musste, geradezu wie eine Schneeflocke fällt und sich in ein Nichts auflöst. Diese Musik stellte ihm die Sackhaare auf. Er packte sein Jagdmesser, mit dem er seinerzeit erstmals ein Reh ausgeweidet hatte und setzte sich erneut in den Wintergarten. Das Wasser preschte gegen die milchigen Fenstergläser. Was ist das letzte, was du tust? Er beschloss, noch eine zu rauchen. Beim letzten Zug floss die erste Träne, obgleich er es hasste zu weinen. Besagter fühlte mit der einen Hand seinen Puls auf der Linken und setzte das Messer an. Er drückte leicht nach unten, dann kräftiger und fühlte den Rausch seines Blutes impulsiver werden. Je mehr er die Klinge nach unten presste, umso heftiger wehrte sich der Blutstrom. Dann wetzte er sie leicht hin und her, auf dass sie endlich biss! Dann kamen die Bilder. Ein Mädchen..eine gute Freundin die ihm viel bedeutete. Mittlerweile weinte er heftig. Mit Glück wird niemand aus dem Haus kommen, ehe es vorbei ist. Was tue ich den anderen damit an? Es kann dir jetzt egal sein. Ein Aufschrei. Er warf das Messer gegen den Spiegel. Seine Hand blutete und er rief nach seiner Mutter. „Kannst Du Wichser nicht anklopfen“, kam es von drinnen. Sie wirkte nicht sonderlich schockiert, zudem war der Schnitt nicht tief, die Ader blieb weitgehend unverletzt. Dann legte sie ihm noch eine Tablette ins Maul und eigenartigerweise schlief Besagter rasch, tief und lange.
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