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Alt 17.11.2012, 17:00   #1
männlich Desperado
 
Benutzerbild von Desperado
 
Dabei seit: 03/2012
Ort: Erde, Europa, Deutschland, Bayern
Beiträge: 1.747


Standard Greenhorn

Die Leute rätseln rum und zerbrechen sich die Köpfe, warum ein missratenes Greenhorn so sein kann, wie es ist, und woher das wohl kommen mag. Das hab ich schon lange aufgegeben, irgendwann zwischen den Gezeiten, weil es keine schlüssige Antwort gibt.

Da kannst du mit ein paar Leuten gesellig im Saloon über den Rätseln des Lebens grübeln und spintisieren, plötzlich kommt so eine Jahrmarktsfigur reingestelzt auf hochhackigen Sternchenstiefeln, mit weißer Fransenjacke um die Hühnerbrust und riesigem Hut auf dem Lockenkopf, rundum mit silbernen Colts bestückt und mit Patronengurten behangen, aufgemotzt wie frisch dem Buffalo Bill Zirkus entsprungen, der ohne Ankündigung und Zögern drauflos poltert, dass er nach wildem abenteuerlichem Leben der Sinnsuche alle Antworten auf die Fragen des Seins gefunden habe.

Er kennt die Gefahren und Geheimnisse der Wüste und das erbarmungslose Gesetz der Wildnis, das ewige „Fressen und gefressen werden“, das unermüdliche „Jeder gegen jeden“, den täglichen Kampf ums nackte Überleben, den nur der gewinnen könne, der stärker und cleverer ist als alle andern, die da erfolglos kämpfen. Einer wie er versteht sich, wenn es überhaupt im ganzen Westen und dem Rest der Welt noch einen geben könnte, der ansatzweise mit ihm zu vergleichen sei.

In Wahrheit hat ihm seine afrikanische Amme noch den Hintern geputzt, als er bereits die Schulbank drückte, und ob er sich ein Butterbrot schmieren oder mit einer Zahnbürste umgehen kann, dürfte mal ganz bescheiden in Zweifel gezogen werden. Fest steht jedenfalls, dass er noch nie die Bitterkeit eines Sieges geschmeckt hat. Das elende und beschämende Gefühl, sich benommen zu haben wie ein wildes Raubtier, das keinen unnötigen Gedanken daran zu verschwenden braucht, wenn es seiner Beute die Kehle aufreißt, ob das nun gut oder böse, rechtens oder unrecht sei.

Was für ein unschätzbarer Dusel, dass er zu uns hernieder gestiegen ist, uns die Augen zu öffnen über unsere wahre Unnatur und unsere Wesenart der Bestie, die uns nicht anders denken, fühlen und handeln lässt wie eben den Silberlöwen, der mit Pranken und Krallen einen Rivalen aus seinem Revier verjagt. Weil der Wolf des Menschen Wolf sei und nur die Stärksten überleben können. Da draußen und wo auch immer.

Mag ja sein, dass es einem ab und zu wirklich so vorkommen mag, aber die ganze Wahrheit ist das deshalb noch lange nicht.

Wenn du den nun fragst, ob er überhaupt eine Ahnung hat davon, wie so ein Wolf wirklich tickt, vor allem in Bezug auf seine Artgenossen, ob er schon mal ein Wolfsrudel beobachtet hat, wenn die zum Beispiel Junge haben oder einer von ihnen krank ist, wie fürsorglich aufmerksam fair und unbedingt solidarisch der verrufene Isegrim sich benimmt gegenüber Seinesgleichen... dann tönt er nur was von, dass er in erbitterten Kämpfen mit dem bloßen Messer schon Horden dieser blutrünstigen Biester niedergemetzelt hat im einsamen Kampf überlegener Mensch gegen tumbe Natur.

Was etwas widersinnig klingt, wie will er, der er wie wir alle mit der tumben Natur der Tierchen ausgerüstet ist und willenlos willig ihren Befehlen und ehernen Gesetzen folgt, gleichzeitig seine Überlegenheit als denkender und planender Mensch hervorkramen und ins Spiel bringen, wenn es darum geht, deren triebhaft feindliche Kräfte zu bezwingen? Ganz einfach, weil er es noch nie mit der gewieften Schläue eines echten Wolfes zu tun hatte, der dich zum Narren hält, bevor du ihn überhaupt zu Gesicht bekommen hast.

Aber die Kerle glauben an ihre eigenen Lügen wie eine alte Zigeunerin an ihre Zauberei, da kommst du nicht gegen an, sie sind die Größten und damit ist der Käse gegessen, und wer das nicht kapieren will ist ihr erklärter Todfeind, ja ein Feind der Wahrheit, des Lebens und der gesamten Menschheit schlechthin. Es findet sich zum Glück immer wer, der die Großmäuler vor die Tür befördert, manch einer lässt sie draußen noch ein wenig das Tanzbein schwingen zum Rhythmus seiner untergelegten Kugeln, wenn er der nicht ganz abwegigen Meinung ist, sich eine Gratisvorstellung des Burschen redlich verdient zu haben.

Das Dumme ist nur, dass diese Hochstapler mitunter keinerlei Skrupel kennen, einem Jesse James in den Rücken zu ballern, nachdem sie sich gerissen in sein Vertrauen geschlichen haben. Nicht dass man einen irren Killer wie James einer war nicht zur rechten Zeit seiner gerechten Strafe zuführen sollte wenn die Gelegenheit sich ergibt, aber ihm als eingeschworener Kumpel und Mitstreiter von hinten das Licht auszublasen, das gehört sich einfach nicht.

Da kann der Vollstrecker noch so lauthals mit seiner Heldentat prahlen, irgendwann kommen die faulen Eier und Tomaten geflogen und völlig zu Recht. Der Feigling muss es sich wohl gefallen lassen, wenn ein Schmählied über seine hinterhältige Moritat durch sämtliche Saloons im Lande tingelt, das sein Opfer zum Helden stilisiert und ihn als gewissenlosen Killer dastehen lässt.

Aber der bleibt in seiner Verblendung lieber bis zum Tode- ebenfalls durch eine unerwartete Kugel- der verkannte Held und verfolgte Streiter für die Freiheit des Westens, der die undankbare Welt selbstlos und unter Einsatz seines Lebens von dieser gefährlichen Landplage erlöst hat.

Ich werde diese Typen nie verstehen, aber ich denke das muss ich auch nicht.


niedergeschrieben August 2011
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