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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 07.10.2005, 22:08   #1
Orison
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 31

Standard Ableben

leise schwappen
Bewusstseinswogen
an mein Ufer -
sein Sand
zerrinnt
in meinen Händen

Möwen kreischen
Belebungslieder
fort vom Himmel -
Dessen Hand
greift fest
in meine Lungen

weiß beflaggtes
Seelenboot
wiegt herüber -
[...]
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Alt 07.10.2005, 22:16   #2
Orison
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 31

Standard Dies ist Neuland für mich:

Ich habe ein Gedicht mit vielen Metaphern, und einer Situation, die ich nicht erlebt habe, geschrieben. ( sonst hätte ich ja keine Gelegenheitgehabt , es zu schreiben )

Ich fände es super toll, wenn ihr mir Feedback geben würdet.

Ich bitte euch jedoch, jedes einzelne Wort genau zu beachten, da ich jedes einzelne bewusst gewählt habe, um etwas zu bewirken. Wenn euch etwas nicht ganz passend erscheint, dann bitte sagt es, damit ich diese Elemente überdenken kann. Bitte sagt mir auch, wie euch die Metapher gefallen, und ob sie einleuchten.

Ich danke schonmal im Vorraus!

Gruß an alle, Orison
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Alt 08.10.2005, 05:11   #3
StainedGlass
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 96

Standard RE: Dies ist Neuland für mich:

Hi Orison,
Also, ich versuchs mal:


Erstmal finde ich gut, dass du dem (fast) reimlosen Gedicht eine gleichmaessige Form gegeben hast. Sie unterstuetzt auf unaufdringliche Weise die Wirkung der Bilder. Auch schoen (fachbegriff kenn ich nicht) die klangliche Anlehnung von schwappen | beflaggt und wogen | boot, wie ein Nachhall.

Anm: Bezeichne im folgenden das lyrische ich vereinfachend mit "Du"

leise schwappen
Bewusstseinswogen


Erstes Ueberraschungsmoment. Bewusstseinswogen. Nicht so als wuerdest du das Bewusstsein verlieren, sondern als ob ein neues Bewusstsein auf dich einstroemt ...dass in der Form vielleicht erst jenseits des Lebens meoglich ist.

an mein Ufer –
sein Sand
zerrinnt
in meinen Händen


Ufer fuer deinen Koerper, dein Leben. Sand im Gegensatz zu Wasser ein festes, starres, und gleichzeitig angreifbares (Erosion) Material. Hier deutet sich eine Transformation an.
Haende fuer aktive Taetigkeit. Du stellst dich mir als aktiver Mensch dar, der nicht die Haende in den Schoss legt – jetzt aber nichts tun kann.

Möwen kreischen
Belebungslieder


Belebungslieder – wie Bewusstseinswogen eine positive, transformierende Wahrnehmung des nahenden Todes

fort vom Himmel –
(das kapier ich nicht.)
Dessen Hand
greift fest
in meine Lungen.

Du hauchst dein Leben aus – altbekanntes Bild, doch staerker formuliert.

weiß beflaggtes
Seelenbot
wiegt herüber –

Tod als Seelenreise, auch traditionell.
Schoen ist, dass du so konsequent beim Schauplatz Meer bleibst, so reihen sich die Bilder sehr harmonisch aneinander.

Ein irgendwie wohltuendes Gedicht...
Zum in Wahrheit sehr dramatischen Thema Tod ein wirkungsvolles Understatement.

Soweit meine Eindruecke.
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Alt 08.10.2005, 09:59   #4
Orison
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 31

Erst einmal danke für dein Kommentar und deine Deutungsversuche

Ich will fort vom Himmel erst einmal nicht erläutern...

Jedoch will ich noch etwas zum Ufer- sein Sand sagen:

Das mit dem Ufer hast du völlig gut erkannt. Er stellt das Leben dar (Symbol). Es heißt aber sein Sand, und aus was besteht ein Ufer? So, wie du gesagt hast, aus etwas festem, starrem, und gleichzeitig angreifbarem.

Nun warum sein Sand, und nicht mein, da das Leben und der Körper doch auch meine sind?

Danke nochmal, hat mir sehr gefallen, dass du dich mit meinem Gedicht beschäftigt hast

Gruß, Orison
Orison ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2005, 10:41   #5
Orison
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 31

Standard RE: Dies ist Neuland für mich:

Zitat:
Original von StainedGlass
Auch schoen (fachbegriff kenn ich nicht) die klangliche Anlehnung von schwappen | beflaggt und wogen | boot, wie ein Nachhall.
Auch Ufer | herüber

Fachbegriff: Assonanz
Orison ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2005, 10:59   #6
tagedieb
 
Dabei seit: 07/2005
Beiträge: 520

Orison!

StainedGlass' Worte zu Deinem Gedicht haben mir geholfen mich ihm zu nähern. Auch mir gefällt die inhaltliche Homogenität der Bilder. Ich werde es noch etwas nachwirken lassen.

Ich hätte einige Anmerkungen, die sich auf Deine Wortwahl beziehen.

"leise schwappen
Bewusstseinswogen
an mein Ufer"

"schwappen" ... finde ich völlig ungünstig. Es klinkt lapidar in diesem Zusammenhang.
"Bewusstseinswogen" ... Das ist schön.
"an mein Ufer" ... Ja und nein. Das Ufer ist bezeichnet aber noch nicht spezifisch genug. Die Kraft des Bildes reicht mir nicht aus.

Mir fällt hier eine Passage aus einem Kunzetitel ein: "Wenn die Brandung des Blutes sich müde am Herzufer bricht." Das ist dichter. Und gemein von mir; sollte nur als Beispiel gelten.

"Möwen kreischen
Belebungslieder
fort vom Himmel -
Dessen Hand
greift fest
in meine Lungen"

"Dessen Hand / greift fest / in meine Lungen" ... Wunderbar.
"kreischen" ... Das finde ebenfalls wieder zu lapidar und zudem nicht sehr originell. Möwen sollten auch mal anders dürfen.
"Belebungslieder" ... Das Wort funktioniert bei mir nicht. Keine Ahnung warum.

"weiß beflaggtes
Seelenbot
wiegt herüber -"

"Seelenbot" ... Mit zwei "o". Ansonsten als Bild auch eher schwach.
"wiegt" ... hm.
Trotzdem hat die Strophe eine gewisse Macht.

Ja nun. Ich hoffe meine Worte kommen nicht als besserwisserisches Gemecker herüber.
tagedieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2005, 11:48   #7
Orison
 
Dabei seit: 09/2005
Beiträge: 31

Nein ganz bestimmt nicht!

Danke für deine Anregungen! Manche haben mir geholfen, manche empfand ich nicht so wie du ( muss ja auch nicht sein, sonst wäre es ja langweilig) wie z.B. schwappen, oder Ufer

Und danke für deine Verbesserung des Wortes "Boot". Ganz schön peinlich eigentlich

Seelenboot soll eigentlich eine Paronomasie sein, d.h. ein Wortspiel.

Ich hoffe, das Gedicht hat dir trotzdem gefallen.

Wie gefällt euch eigentlich [...] am Ende? Könnt ihr damit was anfangen?

PS: Ich trenne im Gedicht den Geist(Empfinden), und den Körper(Hülle, Ort). Vielleicht hilft es euch beim Deuten von "Belebungslieder" und "fort vom Himmel"
Orison ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.10.2005, 14:25   #8
StainedGlass
 
Dabei seit: 05/2005
Beiträge: 96

Zitat:
Nun warum sein Sand, und nicht mein, da das Leben und der Körper doch auch meine sind?

PS: Ich trenne im Gedicht den Geist(Empfinden), und den Körper(Hülle, Ort). Vielleicht hilft es euch beim Deuten von "Belebungslieder" und "fort vom Himmel"
Edit: hatte oben falsch zitiert, gerade korrigiert.

Nun zieh's uns doch nicht so aus der Nase

Nein, weder "sein Sand" noch "fort vom Himmel" kann ich eine konkrete Bedeutung entnehmen. Das ist okay, denn ich denke ein Gedicht kann fuer den Leser niemals zu 100% genauso funktionieren wie fuer den Author.

Zitat:
Wie gefällt euch eigentlich [...] am Ende? Könnt ihr damit was anfangen?
Habe es ehrlich gesagt gar nicht bemerkt. Dein Gedicht ist imho auf solche Satzzeichen nicht angwiesen, die Form ist auch so stark genug. Dass es hinter dem wiegt herueber - weitergeht, ergibt sich schon aus dem Rhytmus, die die Strophe identisch mit den ersten 2 aufgebaut ist, aber 3 Zeilen fehlen.

Stained
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