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Alt 30.08.2006, 20:46   #1
Trisha
 
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 21


Standard Geschichten einer Kriegerin (Fantasy)

Prolog

"Spanne deinen Körper an und lasse die Kraft deines Geistes durch deinen
Körper strömen. Bei jedem Schlag, bei jedem Tritt halte die Spannung an. Konzentriere dich. Du darfst deinen Gegner nicht sehen, du mußt ihn spüren. In deinem Geiste sehen, wann er eine angreifbare Stelle offen läßt. Und jetzt SCHLAG ZU!"



Ich sah das Holzbrett nicht mehr, das meiner Faust immer näher kam. Es war eine fließende Bewegung. Immer und immer wieder. Der Schall von zersplitterndem Holz drang an mein Ohr. Es war ein Geräusch, das von weiter her zu stammen schien. Nur vage spürte ich, wie meine Haut aufriß, und das warme Blut, das an meinen Armen herunterlief, schien unwirklich zu sein. Mir war, als wäre ich nicht mehr in meinem Körper. Mein Geist löste sich von mir. Von den Schmerzen, von der Anstrengung. Ich stand neben mir selbst. Sah, wie ich immer und immer wieder mit einer schnellen Bewegung gegen das Brett schlug. Schweißüberströmt und blutbefleckt war mein weißer Trainingsanzug. Und plötzlich spürte ich alles wieder.
Der nächste Schlag ließ mich aufschreien. Ich hielt mir in gekrümmter Haltung meine gebrochene Hand. Schwindel überkam mich und ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten.
Das einzige Gefühl war Angst!
Das Gefühl eines Feiglings. Das Gefühl, welches ich nie mehr verspüren wollte. Ich verlor die Kontrolle und sah noch meinem Mentor in die Augen bevor ich alle Sinne verlor.
Dies war der Moment, in dem ich zum Solar wurde.

Kapitel 1
Nächtelang schlief sie unruhig. Beunruhigende Träume hielten sie wach. Träume von einer Person die sie nicht kannte, der sie sich jedoch aus irgendeinem Grund sehr verbunden fühlte. Sie sah eine Person, die ihr sehr ähnlich war, nur viel jünger.
Ein Mädchen mit hellem, rotem Haar, durchzogen von schimmernden blonden Strähnen. Das leicht gebräunte Gesicht hatte noch die feinen Züge der Jugend, jedoch blickten die
Augen stets traurig. Ihr Körper war zartgliedrig und doch sehr durchtrainiert. Die Kleidung dagegen war schlicht – so wie ihre eigene.
Das Leben, das die träumende Frau führte, war gekennzeichnet von harter Arbeit. Das Leben einer einfachen Frau, die ihre Familie versorgte. Sie lebte auf einer Lichtung im Wald, in einem einfachen Holzhaus, und nur zum Handel kam sie aus ihrer gewohnten Umgebung heraus. Sie erfüllte ihre alltäglichen Arbeiten ohne Gram, denn auch ihre Mutter hatte schon solch ein Leben geführt. Doch spürte sie, daß zumindest ein Teil von ihr zu etwas Höherem berufen war. War sie nur beunruhigt, weil sie in den nächsten Tagen ein Kind gebären würde oder hatten ihre Träume wirklich etwas zu bedeuten?
Es waren keine klaren Bilder, denn sie wußte nicht genau was mit diesem Mädchen
passieren würde, aber das, was sie sah, war tiefes Leid, Schmerz und Verfolgung. Die junge Frau war auf der Flucht, gehetzt wie ein Tier und Schmerz zeichnete ihr Gesicht und ihren Körper. Und dann diese Verbundenheit. Es schmerzte die Frau, dieses einsame Mädchen so sehen zu müssen.
Sie hatte schon damals Träume gehabt, als sie in eine tiefe Krise geraten waren, weil
ein schlechter Sommer eine unzureichende Ernte bedeutet hatte.
Dieses Jahr war hart und sie hatte vorhergesehen, dass ihr jüngstes Kind sterben würde. So passierte es auch. Was sollten dann diese Träume bedeuten?
Dieses Mädchen sah ihr so ähnlich, dass sie auf den Gedanken kam, dass es vielleicht
ein Kind von ihr sein könnte. Vielleicht dieses das sie gerade unter ihrem Herzen trug.
Irgend etwas würde mit ihrem Kind passieren, und sie wußte, dass sie etwas tun mußte
um es zu schützen!

Die Geburt war die schwerste, die sie bisher hatte ertragen müssen. Die Blutungen waren stark und sie fürchtete, dass sie diese Nacht nicht überleben würde. Doch sie mußte. Ihre Gedanken schweiften immer wieder zu dem Mädchen in ihren Träumen und es zu schützen war nun ihr innigster Wunsch. Kein anderer hätte es tun können, denn keiner glaubte ihr und ihren Vorhersagen. Mit jeder Wehe wurde die Angst immer größer, doch der eiserne Wille der Frau zu Überleben wuchs.

Es war ein schönes Kind. Hellrote feine Haare bedeckten den Kopf, der auf ihrer Brust weilte. Sie spürte den langsamen Atem diese kleinen Geschöpfes, die kleinen Finger in ihrer großen Hand. Schon jetzt wusste sie, dass dieser Moment nicht lange anhalten würde, denn sie hatte einen Entschluss gefasst: Sie musste das Kind in eine sichere Umgebung bringen. Sie wünschte ihm ein besseres Leben. Nicht das einer hart arbeitenden Frau, die Kinder gebärt und das Feld bestellt. Nur ein paar Tage. Bis sie wieder kräftiger wäre, um den langen Weg auf sich zu nehmen.
„Verzeih mir“, sagte sie flüsternd zu ihrer Tochter und spürte wie eine einsame Träne über ihre Wange lief.

Es war früh am Morgen als Andrew seinen gewohnten Gang durch den Klostergarten machte. Es war Herbst und die Bäume hatten schon ihre gelben Blätter fallen lassen. Der Weg war mit warmen Farben gepflastert. Die Luft war frisch an diesem Morgen und er atmete tief ein und streckte seinen Körper, als er plötzlich inne hielt, weil er ein Geräusch wahrnahm. Ein Weinen, aber nicht von einem erwachsenen Menschen. Nein, das konnte doch nicht sein. Er folgte dem Schluchzen und entdeckte zwischen zwei Bäumen einen kleinen Korb, bedeckt mit einem dicken Schafsfell. Fast schon traute er sich nicht näher heran zu gehen, denn er ahnte was er sehen würde. Es kam nicht oft vor, dass junge Mütter aus Angst ihre Kinder dem Kloster anvertrauten. Und diese wurden dann auch nicht im Kloster behalten, denn es wurden nur ausersehende Kinder aufgenommen, um die Ausbildung zu beginnen. Er würde dieses arme, kleine Wesen den Ratsherren übergeben müssen. Keine Ahnung, in welchen Händen dieses Kind landen werden würde.
Er trat nun näher an den Korb, hob das Fell hoch und war überwältigt von dem Anblick. Dieses Kind war nicht anders als alle anderen auch, hatte aber eine außergewöhnliche Ausstrahlung. In dem Moment, in dem das Kind Andrew anblickte, hörte es auf zu weinen und die tiefgrünen Augen blickten in die seinen. Nein, er konnte es nicht weggeben. Er würde es bei sich behalten und aufziehen. Und wenn es alt genug sein würde, um den Einstufungstest zu absolvieren, würde er wieder hoffen, dass sie die Kraft einer Kriegerin in sich hätte.
Doch er ahnte schon, dass sie ihn nicht enttäuschen würde.

Sie sah, wie der groß gewachsene Mann, der die Kleidung eines Mönchs trug, ihr kleines Mädchen in seinen Mantel wickelte. Sie konnte auch den zärtlichen Blick sehen, als er das Kind angesehen hatte. Nun wusste sie, dass es das Richtige war.
Trisha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.08.2006, 21:13   #2
Trisha
 
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 21


Das ist schon mal der Anfang einer Story, die sich während einer Rollenspielsitzung ergeben hat. Hoffe ihr mögt es und ich habe für Kritiken und Verbesserungsvorschläge ein offenes Ohr. Insgesamt habe ich schon zehn Kapitel geschrieben.
Trisha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2006, 21:15   #3
Eileen la Faye
Gast
 
Beiträge: n/a

Das ist auf fast unerklärliche Weise spannend. Ich finde es lässt genau die richtige Spanne an eigener Fantasie zu, die den Leser erst zum Lesen animiert.

Ich wäre wirklich interessiert davon mal etwas mehr zu lesen.
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Alt 15.10.2006, 15:54   #4
Trisha
 
Dabei seit: 02/2005
Beiträge: 21


danke

ich weiß nicht wie das gehandhabt wird hier. also ich kann ja einfach die nächsten zwei kapitel hier rein posten und wenn dann immer noch Interesse besteht, dann verschicke ich die weiteren gerne per Mail

lg Trisha
Trisha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.10.2006, 18:41   #5
Trisha
 
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Beiträge: 21


2 Kapitel

So lang ich mich erinnern konnte, wurde ich von der Morgenglocke geweckt. Mit ihr begann der lange Tag und endete wieder. Ich lag mit sieben weiteren Mädchen in einem Zimmer, doch wir wuschen und kleideten uns wortlos an. Zu erschöpft waren unsere Glieder und Köpfe, vom täglichen harten Training und den weisen Worten unserer Gelehrten.
Dann gingen wir leise durch die langen Gänge, die geschmückt waren mit den Bildern der Götter. Farbenfroh und ermunternd wirkten sie. Und wie jeden morgen atmete ich auch diesmal tief ein und spürte die frische Luft, die durch meine Lungen floss und meinen Körper mit Energie erfüllte. Ich sah hinaus und ließ die Natur auf mich wirken. Hier um das Kloster herum war alles geordnet. Die Beete in einer perfekten Anordnung und die Wege geebnet. Doch draußen, außerhalb des Gebietes war tiefer, dunkler Wald, der uns einhüllte. Man warnte uns tagtäglich vor den Gefahren, die dieser mysteriöse Ort beinhalten sollte, doch ich hielt ihn für ein Geschenk der Götter. Er schützte uns und gab uns jeden Tag neue Rätsel auf, denn jeden Abend klangen seltsame Geräusche aus ihm heraus und ließen uns erschauern. Die anderen vor Furcht, mich vor Freude.
Irgendwann würde ich von hier weggehen. Ich wusste, ich würde nicht jeden Tag meines Lebens hier verbringen, betend, älterwerdend, ohne etwas erlebt zu haben. Mich zog es hinaus in die Welt und mit jedem Tag wurde dieses Gefühl stärker. Meine Ausbildung hatte ich mit dem zwölften Lebensjahr begonnen. Davor lebte ich behütet unter den Mönchen. Sie zogen mich auf, als wäre ich eine Art Tochter für sie. Und besonders Andrew, mein Freund, Ziehvater und Mentor sorgte für mich und versuchte mir die Gebete und dieses Leben in Abgeschiedenheit und Ruhe nahe zu bringen. Doch meine unbändige Natur ließ ihn oft zornig werden und so lernte ich auch früh, was es bedeutete zu büßen. Er war es, der versuchte mich an diesem Ort zu halten. Doch ich wollte gehen. Jedes Jahr sah ich die fertig ausgebildeten Kämpfer, die aus diesen Toren hinaus marschierten und jedes Mal wollte ich mit ihnen gehen. Doch er versuchte mich zu halten. Ich wollte zwar zunächst meine Ausbildung beenden, doch er wünschte sich das Leben einer „Vertreterin des Ordens“ für mich. Im Kloster verweilend, zurückgezogen von der Welt.
Draußen auf dem großen Platz trafen sich die Mädchen als auch die Jungen. Wir stellten uns auf wie wir es gelernt hatten. Wir spannten unsere Körper an, atmeten flach und warteten. Die Augen geschlossen, versuchte ich zur Ruhe zu kommen. Mich zu konzentrieren, darauf was dieser Tag bringen könnte, welche Fehler ich am letzten getan hatte und wie ich sie ändern konnte. Doch mir fiel es immer schwer, die Ruhe zu bewahren. Ich spürte die unbändige Energie durch meinen Körper strömen und wie jedes Mal wollte ich alles andere tun, nur nicht auf Kommando-wartend in einer Reihe stehen. Unser Lehrmeister kam, wir knieten uns hin und nun begannen wir mit dem Morgengebet. Worte, es waren immer nur Worte. Ich hörte sie den ganzen Tag. In meinem Kopf zeigten sich Bilder von abenteuerlichen Taten.
Daraufhin begann das Training. Wir trainierten zusammen, denn in einem richtigen Kampf wurde auch kein Unterschied gemacht ob man gegen eine Frau oder einen Mann kämpfte.
Ich war nicht sehr beliebt, da keiner etwas über meine Herkunft wusste. Ich war ein Findelkind, nicht aus reichem Hause und deshalb dachten viele, dass ich dieser Ausbildung nicht würdig war. Doch dies stärkte meinen Willen und meine Kraft, weil ich mich jeden Tag neu behaupten musste. Verbunden fühlte ich mich nur zu meinem Mentor, der mir zwar immer stets streng begegnete, aber manchmal, wenn wir alleine waren, einen zärtlichen Blick schenkte.
Nach dem Training und dem Unterricht, wo ich lesen, schreiben und über die Lehren der Götter lernte, nahmen wir unsere erste Mahlzeit ein. Das Haupt gebeugt, nur dem Klang der Musik lauschend, welche die andere Mönche spielten, bemerkte ich plötzlich, dass mich jemand beobachtete. Narthon, zwei Jahre älter als ich und fast fertig mit seiner Ausbildung, sah mich mit seinen dunkelbraunen Augen an. Er war mindestens einen ganzen Kopf größer als ich, sein Körper war stark und die Züge in seinem Gesicht hart. Es kam mir vor, als würde er durch mich hindurchblicken wollen und mit einem leichten Schauern wendete ich mich ab. Was wollte er von mir? Niemals zuvor hatte jemand gewagt mich so anzublicken und ich wusste, dass dies auch nichts Gutes bedeutete. Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter und erschrocken blickte ich mich um. Andrew stand hinter mir und nickte mir zu.
„Komme bitte nach dem Essen in den Lesesaal“, sagte er leise und entfernte sich wieder. Erleichtert atmete ich auf. Hatte er etwas bemerkt, hatte er meine Erschrockenheit gesehen? Ich fühlte mich plötzlich für etwas schuldig, wobei ich nichts getan hatte. Als wir aufstanden und gingen, schaute ich noch mal kurz zu Narthon.
Und da war er wieder. Dieser Blick voller Gier.

„Wie fühlst Du Dich Jade?“, fragte Andrew.
„Warum fragst Du mich das?“, entgegnete ich ihm, denn ich wusste nicht worauf er hinaus wollte.
„Ich beobachte Dich, in so fern es mir möglich ist. Du trainierst sehr hart, doch Du musst versuchen, Dich zu sammeln, Deine Gedanken zusammenzuführen und zur Ruhe kommen.“
Ich ließ ihn weiter reden, denn es tat gut eine Stimme zu hören. Ich ertrug diese Stille nicht mehr.
„Ich sehe Deine Verbissenheit, Deinen Zorn der in Dir heranwächst und ich mache mir Sorgen um Dich.“
„Das ist nicht nötig, Meister.“
„Oh doch, das ist es. Jade, Du hast so viel Potential. Du wirst einmal eine würdige Vertreterin unseres Ordens sein.“, sagte er und blickte mir mit Bestimmtheit in die Augen.
„Ich will Dir nicht widersprechen Meister, aber ich glaube, dass für mich ein anderes Leben bestimmt ist als dieses hier.“
Dabei versuchte ich so entschlossen zu klingen, wie es mir in diem Moment nur möglich war.
„Wie willst Du das wissen? Du bist erst achtzehn Jahre alt. Und Du hast noch ein ganzes Leben vor Dir. Du kannst noch nicht wissen, was du einmal tun wirst und was gut für Dich ist. Beende Deine Ausbildung und Du wirst klarer sehen“, erwiderte er nun in einem sanfteren Ton.
„Dies will ich auch tun. Aber dann will ich mit den anderen gehen. Ich will eine Kriegerin sein. Warum soll ich lernen zu kämpfen, wenn ich nicht irgendwann einen Gegner habe?“
„Schluss jetzt! Erkennst Du denn nicht, dass Du Dein eigener Gegner bist, wenn Du nicht endlich lernst zur Ruhe zu kommen?! Dein Hochmut wird Dich noch mal schwer verletzen und dann wird niemand da sein, der Dich beschützen kann“, sagte er energisch. Mit gesengtem Kopf stand ich nun da. Tränen strömten mir in meine zornigen Augen, doch ich versuchte sie aufzuhalten. Ich musste ihm sagen, was mich beschäftigte. Nur er konnte es verstehen.
„Aber ich habe es gesehen. In meinen Träumen. Ich werde einmal eine ganz große Kriegerin sein und Abenteuer bestehen“, entgegnete ich, richtete mich auf und blickte ihn entschlossen an. Er seufzte und wendete sich ab, tief getroffen von meinen Worten.
„Ich hoffe du wirst irgendwann verstehen. Deine Träume können Dir keine Antwort auf Deine Fragen geben. Wo Du herkommst und wo Du einmal hingehen wirst. Sie sind nur Trugbilder Deiner Phantasie. Und in der Zwischenzeit will ich, dass Du trotz deines üblichen Trainings zu mir kommst. Ich will Dich Weiteres lehren. Es wird hart, aber es wird Dir helfen, Deine Unbändigkeit zu zähmen. Und jetzt geh.“
Ich wußte, dass das Gespräch nun beendet war und nach einer tiefen Verbeugung ging ich aus dem Raum.

Traurig blickte Andrew ihr nach.
Er hatte geahnt, dass er sie nicht halten konnte. Er sagte ihr zwar immer, dass ihre Träume nichts zu bedeuten hatten, doch er wusste es besser. Es gab Unerklärliches auf dieser Welt und wenn sie beschloss diese sicheren Mauern verlassen zu müssen, würde er sie nicht daran hindern können. Aber darauf vorbereiten konnte er sie.

Ich ging den von Fackeln erleuchteten Gang entlang. Die Statuen warfen lange Schatten. Auf dem Weg ins gemeinsame Schlafgemach begegnete ich niemandem, da es schon spät am Abend war. Ich mußte nachdenken, denn das was Andrew mir gesagt hatte, ging mir nicht mehr aus dem Kopf.
Ich wusste, dass Träume nicht real waren, aber die Bilder die ich gesehen hatte, waren so echt. Als wäre ich wirklich an diesen Orten gewesen. Und er wollte mir nicht glauben.
Dem einzigen dem ich vertrauen konnte. Eine Veränderung ging in mir vor und ich konnte sie nicht deuten. Ich spürte schon seit Monaten eine mächtige Energie in mir, die unaufhaltsam wuchs. Plötzlich hörte ich ein knirschendes Geräusch hinter mir und ich blieb abrupt stehen. Ich lauschte in den Gang hinein. Mein Körper spannte sich an und ich versuchte, das Geräusch zu orten, doch es gelang mir nicht und unruhig ging ich weiter.
Mein Arm schmerzte als sich eine Hand um ihn schloss und fest zudrückte. Mein Körper wurde in einen Nebengang gezogen, an die Wand gepreßt und erst jetzt sah ich ihn: Narthon. Immer noch meinen Arm festhaltend drückte er sich an mich. Seinen Atem an meinem Ohr spürend, versuchte ich ihn von mir zu drängen. Doch gegen seine Kraft kam ich nicht an. Ich musste auf einen richtigen Moment warten, um ihn zu überwältigen.
Scham und Angst überkamen mich und er hörte nicht auf sich mit seiner anderen Hand einen Weg durch meine Kleidung zu finden.
„Na komm schon. Wehre dich nicht“, stöhnte er in mein Ohr und plötzlicher Ekel überkam mich.
„Laß mich los, Du Scheusal!“ flüsterte ich und versuchte ihn wieder von mir wegzustoßen.
„Ach stell Dich doch nicht so an. Deine Mutter war bestimmt nicht so zimperlich. Sonst wäre doch nicht so ein kleiner Bastard wie Du herausgekommen.“
Als er sprach, beging er einen Fehler. Er wendete sich so, dass ich an der Seite sein Messer zu fassen bekam. Schnell ergriff ich es und hielt das Messer an seine Kehle. Nur einen kleinen Moment sah er erschrocken aus, dann verzog sich sein Gesicht zu einem hämischen Grinsen und er fing an zu lachen.
„Wenn Du mich jetzt nicht losläßt, werde ich davon Gebrauch machen. Ich schwöre es!“ zischte ich doch ganz unerwartet ergriff er meinen Hals. So standen wir nun da: Kopf an Kopf, die blitzende Klinge zwischen uns.
„Na los, tu es doch“, sagte er, seine freie Hand unter meinem Gewand. Ich spürte wie er hart an meiner Haut entlang fuhr, meine Brust packte und sich dann seinen Weg weiter nach unten bahnte.
Ich spürte, wie mein Magen sich zuschnürte. Ich war angeekelt von seinem Geruch und von dem, was er tat. Immer noch das Messer in der Hand versuchte ich, nicht die Nerven zu verlieren. Ich durfte mich nicht der Angst hingeben. Ich durfte dies nicht zulassen. Als ich schon dachte aufgeben zu müssen, spürte ich es wieder. Mein Körper füllte sich mit Wärme und die Angst wurde jetzt verdrängt von Zorn. Ich wurde überwältigt von der Macht, die nun durch meine Adern floss. Und dann tat ich es. Seine dunklen, weit aufgerissenen Augen blickten nun in die meinen. Ich sah wie sein Leben aus ihnen wich. Sie wurden bleich und sein Körper begann zu zittern. Er löste sich endlich von mir und sackte zu Boden. Ein letzter Atem und dann war er tot. Vor Schrecken über meine Tat ließ ich das Messer fallen. Blutbefleckt war meine Hand, mein Gewand, mein Gesicht. Ich fing an unaufhörlich zu schreien. Verzweifelt über das was geschehen war, verzweifelt über das, was ich getan hatte. Ich konnte mich dann erst wieder an etwas erinnern, als mich die Hohepriester für meine Tat bestraften.

Fünf Wochen wurde ich eingesperrt in einen dunklen, feuchten Raum und vorher musste ich Buße tun. Meine Haut war immer noch wund von den Stöcken, mit denen sie mich geschlagen hatten. Meine Arme und Füße voller blauer Flecken, von den Seilen, die um sie gebunden waren.
Ich hörte immer noch die Worte, die sie sprachen um mir den Dämon auszutreiben, den ich angeblich in mir haben sollte. Ich ließ es mit mir geschehen. Ich hatte einfach keine Kraft mehr, um mich zu wehren. Gebrochen lag ich da, auf feuchtem Heu. Gebrochen war mein Körper aber auch mein Wille. Doch das was am meisten schmerzte war, dass Andrew, mein Mentor und mein Freund nicht zu mir kam.
Nach dem dreiundzwanzigsten Tag kam er endlich. Wir sprachen kein Wort als er meine Wunden versorgte und meine gekürzten Haare wusch, die sie abgeschnitten hatten. Als es mir wieder besser ging, fing er an zu sprechen. Und das, was er sagte erfüllte mich mit Angst. Aber ich verstand ihn. Das erste Mal in meinem Leben, nachdem ich mir schon etliche Ratschläge habe anhören müssen, wusste ich, was er meinte.
„Ich werde Dir helfen, Deinen Zorn zu kontrollieren, sonst wirst Du immer von ihm kontrolliert werden. Und dann wirst Du die nächste sein, die sterben wird.“
Trisha ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.10.2006, 21:52   #6
Nothingness
 
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Ich... hab des mal verschoben.
Nothingness ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.10.2006, 20:09   #7
Trisha
 
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3. Kapitel


„Andrew, Du weißt dass sie eine Gefahr für uns ist.“
Andrew saß mit den Hohepriestern im großen Sitzungssaal.
Der Raum war rund mit einer hohen Decke, die verziert war mit Bildern der Geschichte der Götter. Die Wände, der Boden und die Säulen waren aus hellem Marmor und die Fenster fluteten den Raum mit sanftem Morgenlicht. Andrew wurde an diesem Tag ein weiteres Mal zu ihnen gerufen, um über die Zukunft der jungen Jade zu entscheiden.
„Ich fürchte, dass sie nun ein wenig übertreiben. Sie hat einen Fehler begangen, aber sie ist nicht gefährlich“, sagte er und hoffte, daß seine Worte Anklang fanden.
„Sie hat einen Mord begangen!“
„Aber nur weil sie angegriffen wurde. Und dass auf die schamloseste Art, auf die man eine Frau angreifen kann.“
„Das wollen wir nicht leugnen, aber dennoch bleibt es ein Mord.“
Nun hatte der Älteste das Wort: „Jemand der so eine Tat begeht muss einen gewaltigen Zorn in sich tragen und vielleicht sogar das Böse.“
„Sie musste dafür büßen. Die Rituale wurden durchgeführt und ich glaube nicht, dass so etwas wieder passieren wird“, entgegnete Andrew.
„Dies ist keine Garantie. Sie wissen, wir bilden nur die besten, nur die reinsten jungen Menschen aus, die von den Göttern auserwählt wurden. Wir haben schon den Fehler gemacht und dieses Kind aufgenommen, ohne zu wissen, woher es stammt. Wir dürfen nun nicht zulassen, dass sie jenes zerstört, an das wir glauben.“
„Aber wie soll ein junges Mädchen, wie Jade es ist, das denn erreichen?!“, sagte Andrew und rutschte nun unruhig auf seinem Stuhl hin und her.
„Die Macht der Solar ist stark geworden in unserer Zeit. Es sind immer mehr und sie zu entdecken wird immer schwerer. Sie wissen, dass ein Ereignis wie dieses einen Menschen verändern kann. Und ich habe das Leuchten gesehen“, sagte der Älteste und schaute nun ernst. Die anderen nickten ihm zustimmend zu.
„Da war rein gar nichts. Sie hat sich nur zu verteidigen versucht.“ Andrews Stimme wurde nun lauter und hallte durch den Raum.
„Ich sehe in Ihr immer noch eine gute Vertreterin des Ordens und ich werde persönlich dafür sorgen, dass Sie ihre Ausbildung beenden kann.“
„Wir teilen ihren Optimismus ganz und gar nicht.“
„Und was soll nun geschehen?“ fragte Andrew, doch er wollte die Antwort gar nicht hören, denn er wusste worauf es hinauslaufen würde.
„Abwarten“, sagte der Älteste, stand auf und umkreiste den runden Tisch, „Wir werden abwarten und beobachten. Und wenn der Fall eintreffen sollte, den wir befürchten, werden wir das Böse im Keim ersticken. Ich denke wir alle verstehen, was dies bedeutet.“
Der Älteste blieb nun stehen, nickte jedem zu und blickte dann Andrew tief in die Augen: „Tun Sie Ihre Pflicht Andrew! Der Orden zählt auf Sie!“

Das Training mit Andrew war hart, aber er achtete darauf, dass ich mich niemals übernahm. Die Meditationen wurden länger und es half mir wirklich, mich endlich zu kontrollieren. Ich spürte jeden Tag deutlich meinen Atem und mein Kopf wurde immer häufiger frei von jeglichen Gedanken. Das erste Mal in meinem Leben spürte ich nur mich und die Umgebung um mich herum. Die Welt begann sich langsamer zu bewegen. Ein Augenzwinkern dauerte scheinbar ewige Sekunden und das Flattern eines Flügels konnte ich deutlich erkennen. War diese Zeit die Wirklichkeit?!
Es wurde still in meinem Herzen. Kein Hass, keine unbändige Lust hinauszustürmen und mich zu verausgaben bis ich nicht mehr konnte, wie ich sie zuvor verspürt hatte. Meine Wunden waren bereits nicht mehr zu sehen, was mich zwar wunderte, doch ich bezog es auf die Tatsache, dass ich nun versuchte bewusster zu leben.
Es kam nun nicht mehr darauf an, die Beste zu sein. Ich trainierte nämlich nicht mehr mit den anderen und ich durfte mein altes Zimmer aus Kindertagen bewohnen. Zwar sagte Andrew mir nicht den Grund dafür, aber ich ahnte schon, wieso ich plötzlich den Luxus des Alleinseins genießen durfte.
Die anderen fürchteten mich. Jedesmal wenn ich in den Garten trat oder mir jemand auf dem Gang begegnete, spürte ich die Ablehnung. Es war keine Unhöflichkeit, denn die gegenseitige Verbeugung bei einem Treffen war Pflicht. Das war es, was mich beunruhigte. Sie taten es aus Pflichtgefühl und nicht aus Freundschaft. Doch eigentlich hatte ich nie Freunde gehabt, und nun legte ich auch keinen Wert mehr darauf, welche zu bekommen.
Es gab nur mich und die Natur, die ich jeden Tag intensiver empfand. Manchmal gingen wir bis fast an die Grenzen des Waldes. Ich lauschte den Stimmen der Tiere und nach und nach konnte ich an den Lauten erkennen, um welches Tier es sich handelte, das mir Andrew dann in Büchern zeigte oder es stellte sich persönlich vor, indem es aus dem Wald trat uns vorsichtig beäugte, um dann wieder davon zu laufen. Ich lernte, mich nicht vor der Dunkelheit zu fürchten, sondern sie als geeignetes Versteck anzusehen.
„Denk daran, Jade. Wenn du deine Umgebung kennst und es dunkel ist, hast Du einen gewaltigen Vorteil Deinem Gegner gegenüber, der die Umgebung nicht kennt.“, sagte Andrew. Und dann traten wir in den Wald hinein. Das weiche Moos ließ mich ein wenig einsacken und Feuchtigkeit benetzte meine Kleidung.
„Versuche, Dir alles zu merken. Jeden Baum, jedes Fallholz. Nimm soviel auf wie Du nur kannst. Nicht nur jetzt, sondern immer wenn Du Dich an einem fremden Ort befindest“, sprach er und wir gingen weiter und weiter in den Wald hinein, „Wenn Du Durst hast, dann sammle das Wasser auf den Laubblättern auf, wenn es keinen Fluss in der Nähe gibt. Drehe jeden Stein um, denn dort leben kleine Geschöpfe, die Dir als Nahrung dienen können.“
Dabei kniete er sich zu einem hinunter und zeigte es mir. Kleine Krebse, Würmer – im Untergrund wimmelte es von ihnen. Mein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse; Andrew sah es und tadelte mich.
„Ekel Dich nicht. Wenn Du fast vor Hunger stirbst, wirst Du ihnen dankbar sein. Bedanke Dich stets, wenn Du etwas nimmst, was die Götter uns geschenkt haben.“
Ich nickte meinem Meister zu, aber wusste nicht warum er mir das alles erzählte, doch es faszinierte mich und ich versuchte mir jedes Wort zu merken.
„Da, hörst du ihn?“
Ein Jaulen durchstieß den ruhigen Abend. Ein Wolf.
„Das ist das Zeichen, dass wir nun langsam aufbrechen sollten.“
Ich sog den Geruch des Harzes noch einmal regelrecht auf und ließ den Wind durch mein Haar streifen, das nun auch wieder zu wachsen begann. Ich war nie eitel gewesen, doch der Verlust meiner Haare schmerzte mich schon, denn dies war das einzige Weibliche, das im Kloster herrschen durfte.
Oft dachte ich über das Ereignis nach. Man hatte mich nicht auf so etwas vorbereitet. Zwar hatten wir gelernt, was Frau und Mann taten wenn sie sich liebten, doch hier im Kloster durfte es nicht ausgelebt werden.
Wir mussten rein sein, wenn wir uns vielleicht entschließen würden fest in den Orden einzutreten. Und doch dachte ich darüber nach, ob es mir vielleicht gefallen hätte, wenn es nicht Narthon gewesen wäre, der mich so überfallen hatte. Was wäre gewesen, wenn jemand Einfühlsames, der mir gefiel, Annäherungen versucht hätte. Da mich diese Gedanken einholten, glaubte ich nun weiterhin nicht das Leben einer Vertreterin des Ordens leben führen zu können. Irgendwann würde ich mit den anderen los ziehen und für mein Volk kämpfen, wenn es bedroht würde. Doch würde ich jemals jemandem wieder vertrauen können?! Ich vertraute Andrew. Jeden Tag spürte ich seinen Ehrgeiz, mich wieder auf die Beine zu bringen und meine gequälte Seele zu reinigen. Denn oft wachte ich nachts auf und spürte wieder die Hiebe der Stöcke und hörte die Stimmen von vermummten Gestalten, die um mich herum standen. Ich liebte ihn wie man einen Vater liebte, aber ich ließ es ihn nie wissen, denn dies hätte den Respekt ihm gegenüber verletzt. Aus Angst dann wieder zurückzufallen in meine Unbändigkeit, schwieg ich, meditierte und trainierte. Tag für Tag.
Wieder vergingen Monate und jeden Tag steigerte Andrew das Pensum an körperlichem Training, doch auch an Wissenswertem. Ich lernte zu Angeln, Brennholz zu finden, um dann Feuer zu machen. Alles unter Ausschluss der anderen. Und keiner fragte nach mir, doch manchmal fühlte ich mich beobachtet, wenn ich mich im Kloster aufhielt. Es kam wir vor als hätten die Wände Augen, die mir nachblickten und Ohren, die meinem Gang lauschten. In mir war es zwar ruhig geworden, aber ich empfand an diesem Ort eine gewisse Anspannung und ich freute mich immer darauf, wieder in den Wald zurückkehren zu dürfen.

Auch Andrew schlief unruhig und warf sich immer wieder von einer Seite zur anderen. Er konnte die Worte der Hohepriester nicht vergessen.
„Wir wissen, was zu tun ist, wenn das Unvermeidliche eintrifft.“, hörte er sie immer und immer wieder sagen.
„Warum Jade? Warum sie?“ fragte er sich dann. Hatte er einen Fehler begangen? Er war sich keinem bewusst. Immer deutlicher wurde ihm, dass sie nicht mehr hierher gehörte. Er hatte sie beobachtet. Die Wunden, die so schnell verheilt waren, ließen die Zeichen erkennen. Und auch die Vorsicht, mit denen die Menschen auf sie zutraten, beobachtete er mit Sorge. Sie würde nie ein Teil dieses Ordens werden können, doch sie sollte vorbereitet sein wenn der Tag eintreffen würde, vor dem er sich fürchtete. Es waren Feinde. Feinde der Überzeugungen und des Glaubens, den sie versuchten aufrecht zu erhalten. Doch er würde sie immer wie eine Tochter lieben. Das schwor er sich. Daher stahl er sich Tag für Tag mit ihr hinaus in den Wald und versuchte ihr das Überleben in der Wildnis nahe zu bringen. Sie würde es brauchen, wenn der Tag kommen sollte.

An jenem Tag stellte Andrew ein Holzbrett vor mich und sagte ich sollte es jeweils nur an einer Stelle treffen.
„Stell Dir vor, dass hinter diesem Brett deine Zukunft liegt. Und dieses Brett versperrt sie Dir. Bahne Dir einen Weg hindurch. Aber kontrolliert. Nur dadurch wirst Du Dein Ziel erreichen.“
Ich atmete tief durch. Stellte mich in Position und sah, wie meine Faust aus einer schnellen Bewegung heraus das Brett traf. Den nächsten Schlag plazierte ich zielgenau und viele weitere folgten.
„Und nun spüre das Holz, spüre wie es Dich blockiert. Es ist Dein Gegner, Dein Feind.“
Ich spürte, wie es unter meinen Fäusten zersplitterte.
„Ja, gut so. Lasse Deinen Atem durch Deine Lungen fließen. Er soll wandern, wandern durch Deinen Körper und deinen Arm entlang.“
Schlag für Schlag traf meine Faust immer präziser und die Welt um mich herum schien stehenzubleiben. Ich konnte sehen, wie meine Faust dem Brett in Zeitlupe näher kam, es letztlich traf und die Splitter langsam um mich herum flogen. Ich wusste nicht, ob es die Konzentration oder Wirklichkeit war, aber ich ließ es geschehen. Das Holz gab immer weiter nach, doch mit einem Mal konnte ich es nicht mehr sehen. Um mich herum begann es dunkel zu werden. Diese Düsternis hüllte mich vollständig ein und ich bekam Bilder zu sehen, vor denen ich Angst hatte. Doch ich wollte keine Angst mehr haben und somit schlug ich weiter und weiter gegen das Brett, als ob ich mich in Trance befände.
Und dann zerbrach etwas in mir. Meine Ruhe, meine Konzentration. Alles wofür ich die letzten Monate so hart gearbeitet hatte. Ich sah Narthon vor mir. Ganz deutlich. Sein hämisches Grinsen und sein schamloses Lachen dröhnten durch meine Ohren. Angst. Es war wieder dieses Gefühl, dass mich durchströmte bei dem Anblick. Doch ich würde ihm trotzen. Er würde nicht wieder die Chance bekommen, mir zu nahe zu kommen.
"Vorsicht Jade. Spanne Deinen Körper an und lasse die Kraft deines Geistes durch ihn hindurch strömen. Bei jedem Schlag, bei jedem Tritt, halte die Spannung an. Konzentriere dich. Du darfst Deinen Gegner nicht sehen, Du musst ihn spüren. In Deinem Geiste sehen, wann er eine angreifbare Stelle offen lässt. Und jetzt SCHLAG!"
Ja, ich spürte ihn. Sein unbändiges Verlangen, seinen abgestandenen Atem. Seine Berührungen. Es waren nur noch er und ich in der Dunkelheit. Und ich schlug zu. Immer und immer wieder. Dann wechselten die Bilder und ich sah die vermummten Gesichter der Personen, die mir Schmerz zugefügt hatten. Und ich schlug wieder zu. Immer und immer wieder. Ich bemerkte nicht, mit welcher Wucht ich nun gegen das Brett schlug. Meine Haut platzte auf und Blut lief an meinen Armen entlang.
„Hör auf Jade. Es reicht“, rief Andrew. Doch ich hörte ihn nicht. Seine Worte waren wie in weiter Ferne. Ich war gefangen in der Dunkelheit, mit den Menschen, die mir zu „helfen“ versucht haben. Ich schlug und schlug.
„Hör auf!“, schrie Andrew nun, doch seine Worte holten mich nicht zurück in die Realität. Es war ein lautes Krachen und ein furchtbarer Schmerz, der meinen Körper erzittern ließ.
Ein großes Loch befand sich nun im Brett. Mein Magen verkrampfte sich und ich spürte die Verletzlichkeit, die Angst in mir. Das Gefühl eines Feiglings. Meine Hände pochten und ich sah auf sie herab. Ich konnte nicht glauben, was ich zu sehen bekam. Sie waren zwar voller Blut aber ein Leuchten umgab sie. Ein goldenes, helles Leuchten. Es hüllte mich vollständig ein und die Dunkelheit wich. Dann spürte ich es wieder. Aber viel stärker als jemals zuvor. Ein Energieschwall durchfloss mich und raubte mir fast den Atem. Mir kam dieser Zustand wie eine Ewigkeit vor, und dann war alles vorbei. Ich sank auf die Knie und versuchte, wieder Luft in meine Lungen zu pumpen. Als ich aufblickte, sah ich Andrew. Angespannt und mit einem besorgten Ausdruck im Gesicht. Doch auch eine tiefe Traurigkeit zeichnete sein ganzes Wesen.
„Jetzt habe ich es auch gesehen!“ sagte er und trat auf mich zu.
„Was hast Du gesehen?“ fragte ich, immer noch nach Luft ringend.
„Dich. Das, was Du geworden bist. Genau in diesem Moment. Sie wussten, dass es passieren würde, aber ich habe ihnen nicht glauben wollen“, stammelte er und drehte sich von mir weg, damit ich seinen Blick nicht sehen konnte. Aber ich hatte ihn schon gesehen. Er war voller Abscheu und Mitleid.
„Was meinst du? Wer hat was gewußt? Meister bitte, sag mir was los ist“, flehte ich, denn ich hatte ihn noch nie so gesehen. Er hatte noch nie die Kontrolle verloren, war immer in meinen Augen stark gewesen. Doch nun erschien mein Meister klein und hilflos.
„Ich bin noch bereit, es zu tun“, sagte er wieder und immer wieder und ich wusste nicht, wer in diesem Moment den Verstand verlor, er oder ich.
„Bitte Andrew. Sag mir was los ist“, begann ich zu schluchzen. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr beim Namen genannt, aber jetzt war er nicht mehr mein Meister. Jetzt wollte ich, dass er wieder mein Ziehvater war. Dieser Zustand hielt eine Weile an. Ich lag auf dem Boden, wimmernd wie ein kleines Kind. Er stand mit dem Rücken zu mir, fassungslos, den Kopf schüttelnd. Doch dann gewann seine Fassung zurück und drehte sich um. Wieder gestärkt in seiner Haltung trat er zu mir und hob mich auf.
„Du bist hier in Gefahr, Jade. Du hattest Recht. Du mußt von hier weg gehen. Doch dass es so früh sein würde, damit hatte ich nicht gerechnet.“
„Ich verstehe immer noch nicht“, sagte ich, ebenfalls um meine Fassung ringend.
„Was geschieht mit mir, Andrew?“
„Das wirst Du erfahren. Aber nicht von mir. Du musst gehen. Ich werde Dir helfen.
Du bist in Gefahr, Jade. Sie wollen Deinen Tod.“
Mit diesen Worten nahm er mich in seine Arme, wie er es vor langer Zeit getan hatte.
Mit einem gepackten Beutel saß ich nun von Unruhe erfasst auf meinem Bett und wartete auf ihn. Ich würde diese Nacht aufbrechen. Weg von meiner Heimat, weg von dem einzigen Ort, den ich kannte. Er hatte mir nicht gesagt, was mit mir geschehen war und warum, aber dass ich diesen Ort so schnell wie möglich verlassen sollte. Heute Nacht würde er mich wieder einmal durch die heiligen Pforten schleusen. Aber diesmal für immer und dann würde ich auf mich allein gestellt sein. So langsam verstand ich, warum er mich all die Dinge gelehrt hatte. Ich würde in den dunklen Wald gehen müssen, dessen düstere Geschichten mir bekannt waren. Doch vor ihm fürchtete ich mich nicht. Nur vor dem, was geschehen könnte, wenn ich es nicht tun würde. Dafür hatte Andrew gesorgt. Ein leises Klopfen an meiner Tür riss mich aus meiner Gedankenwelt. Ich öffnete die Tür und Andrew stand vor mir, tief eingehüllt in seinem Mantel.
„Bist du fertig, Jade?“ fragte er, sah meinen gepackten Beutel und nickte mir dann zu. Ich folgte ihm durch Gänge, die mir unbekannt waren. Immer weiter bewegten wir uns. Diese Gänge waren nicht verziert mit Wandteppichen, sondern harte, graue und kalte Mauern. Unser Weg war lang und endlich sah ich am Ende das Leuchten des Mondes. Er leuchtete durch ein Fenster, welches in eine Tür eingelassen war.
„So, hier trennen sich unsere Wege“, sagte er und reichte mir einen schweren dunklen Mantel, den ich mir überstreifte.
„Lauf so schnell Du kannst, denn sie werden schnell bemerken, dass Du nicht mehr hier bist.“
„Was wird mit Dir geschehen, Andrew?!“, fragte ich bekümmert, denn auch er hatte sich hiermit in Gefahr begeben.
„Mach Dir um mich keine Gedanken. Jade“, Mit diesen Worten legte er seine Hand auf meine Schulter, „verstecke Dich so gut Du kannst. Denn die Gefahr, die dich umgibt, befindet sich nicht nur hinter diesen Mauern, sondern überall in der Welt. Du wirst eine Gejagte sein. Sei vorsichtig und zeige niemandem Deine Kräfte.“
„Aber...“, versuchte ich zu entgegnen.
„Nein. Du hast nicht mehr viel Zeit. Geh jetzt und denke stets daran, was ich Dir gesagt habe.“
Ich nickte ihm zu, warf mir meinen Beutel über und trat durch die Tür. Hinter mir hörte ich, wie er sie wieder verschloß. Einen kurzen Augenblick blieb ich noch stehen, zog die Kapuze des Mantels über den Kopf und sah hinauf zum Mond.
„Du sollst mir scheinen und den Weg zeigen. Dafür danke ich Dir“, sagte ich beschwörend und begann zu laufen.
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Alt 23.10.2006, 20:45   #8
Trisha
 
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Ich lief und lief immer weiter in den Wald hinein. Jetzt bemerkte ich, daß Andrew und ich damals waren schon sehr weit vorgedrungen waren, denn mir kam noch alles bekannt vor, obwohl es dunkel war. Der Mond spendete mir genug Licht und als ich glaubte lange genug gelaufen zu sein, verlangsamte ich mein Tempo. Der Wind wehte durch die grauen Wipfel der Bäume und manchmal fiel ein Zweig vor meine Füße. Unter mir knirschte es und ich versuchte, leisere Schritte zu machen. Die anderen würden bald hinter mir her sein. Doch wer waren sie? Ging die Bedrohung tatsächlich vom Kloster aus? Laut Andrew schon. Ich musste nun an die Krieger dort denken. Viele waren ausgebildet worden, schnell zu sein, den Feind zu jagen und ihn dann zu bekämpfen. In diesem Fall war ich der Feind und sie würden mir bald auf den Fersen sein. Endlich kam ich an den Fluss. Ich blieb am Ufer stehen und verharrte eine Weile. Der Fluss war breit und stark und sein Rauschen dröhnte in meinen Ohren. Um meine Spuren zu verwischen sollte ich hineingehen und am Ufer weiter entlang gehen, dachte ich mir. Noch einmal tief ein- und ausatmend, betrat ich das kühle Wasser. Meine Schuhe waren bald durchnässt und die Kälte stieg an meinen Beinen hinauf. Bald war ich bis zu den Schenkeln im Wasser, und musste aufpassen, dass ich jeden Fuß genau auf die rutschige Oberfläche der Steine setzte, sonst würde ich von der starken Strömung mitgerissen werden. Es ging nur langsam vorwärts, doch dies war die einzige Möglichkeit unbemerkt zu bleiben. Mir war bitter kalt, meine Füße und Beine waren eisig. Die Feuchtigkeit stieg nun meinen gesamten Körper hinauf. Bald wurde es hell. Langsam stieg die Sonne und erfüllte das ganze Land mit einem goldigroten Glanz.
Ich musste aus dem Wasser heraus sonst würde ich erfrieren. Ich brauchte ein Versteck, um meine Kleidung zu trocknen und mich auszuruhen. Ich watete aus dem Wasser heraus und ging wieder in den Wald hinein. Dabei versuchte ich so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen.
Auf einmal erblickte ich einen felsigen Berg. Aufeinandergetürmte Steine, die eine kleine Höhle bildeten. Vorsichtig näherte ich mich ihr, denn ich hatte gelernt, dass Raubtiere solche Höhlen bewohnten. Ich betete zu den Göttern, dass diese leer war. Am Eingang versuchte ich durch die Dunkelheit zu blicken, irgend etwas zu erkennen. Es dauerte eine Weile bis sich meine Augen an das Dunkel gewöhnt hatten. Nichts – ich atmete vor Erleichterung aus. Hier sollte für ein paar Stunden meine Unterkunft sein. Ich legte meine Kleidung ab und legte sie weit ausgebreitet auf den Boden. Dann legte ich mich hin, bedeckt mit dem trockenen Teil meines Mantels schlief ich erschöpft ein.
In meinen Träumen hörte ich ein helles, langgezogenes Geräusch, einer Schleuder gleich, wenn man sie heftig dreht. Es kam näher und näher. Und dann hörte ich ganz weit in der Ferne Stimmen. Keine Worte, nur Rufe.
„Du träumst nicht. Jade, wach auf“, sagte eine Stimme in meinem Kopf und ich schlug erschrocken die Augen auf. Starr und immer noch schlaftrunken lauschte ich.
„Nein, Du träumst wirklich nicht“, sagte ich zu mir und begann mich schnell anzuziehen und meine Sachen zusammen zu packen.
„Du Dummkopf! Du bist noch nicht weit genug gegangen.“
Ich fragte mich wie lange ich wohl geschlafen hatte, denn ich hätte nicht gedacht, dass die Krieger des Ordens schon so weit gekommen sein konnten. Doch sie waren es. Mit den tierähnlichen Lauten und den Hörnern, die diesen hellen Laut verursachten, kommunizierten sie miteinander, denn sie würden großflächig suchen. Ich kannte diese Geräusche, denn ich war schließlich einmal eine von ihnen gewesen. Ich durfte nicht wieder zum Fluss, denn vom Wald aus würden sie mich entdecken. Ich schaute mich um und suchte eine Stelle, an der die Sträucher dicht wuchsen. Nun würde ich durch dornige Sträucher kriechen müssen. Ganz vorsichtig, damit man nicht das Knacken der Äste hören konnte. Ich zog meinen Mantel aus und steckte ihn in meinen Beutel, bevor ich mich in den dichten Teil des Waldes begab.
Das Knacken der Äste kam mir vor, als würde es durch den ganzen Wald hallen.
„Was hast Du Dir nur dabei gedacht?“ fragte ich mich. In diesem Moment ärgerte es mich, dass ich die letzten Jahre meiner Ausbildung nicht mehr erleben konnte. Da hätte ich wohl gelernt, mich vor Feinden in wildem Terrain unbemerkt zu verstecken. Doch das hatte Andrew mir nicht gezeigt.
Plötzlich hörte ich etwas! Hinter mir vernahm ich ein lautes Knacken von einem niedergetretenen Zweig. Sie waren ganz dicht hinter mir. Ich musste mich schneller fortbewegen, doch das würde ich nicht in kriechendem Zustand können. Ich musste meine Deckung aufgeben und wieder laufen. Vorsichtig stand ich auf und lauschte noch mal in den Wald hinein. Vielleicht war es vorhin nur ein Tier gewesen. Und dann wieder. Ein Knacken und ein Ruf.
„Lauf Jade, jetzt lauf doch endlich!“ schrie es in meinem Kopf und ich lief los. Hinter mir wurden die Laute immer deutlicher. Sie kamen näher. Sie hatten mich entdeckt.
Ich lief und lief, achtete nicht auf die Zweige, die mich streiften und sich durch meine Haut bohrten. Sie waren nun ganz nah.
„Bleib kontrolliert, gerate nicht in Panik!“ sagte ich mir wieder und wieder und plötzlich war ich schneller. Ich lief so schnell wie noch nie zuvor. Meine Beine schienen den Boden nur wage zu berühren und die Sträucher waren kein Hindernis mehr. Doch ich lief eindeutig zu schnell! Plötzlich endete der Weg vor meinen Füssen. Ein Abgrund befand sich dahinter und ich hörte das Rauschen des Flusses. Ich geriet ins Wanken. Zu schnell hatte ich versucht zum Stehen zu kommen.
Keine Balanceübungen, die ich jeden Tag trainiert hatte, konnten mich jetzt noch retten. Ich fiel kopfüber in den Fluss. Als ich in das kalte Wasser eintauchte, versuchte ich nicht bewusstlos zu werden.
„Du musst an die Oberfläche.“
Doch ich sank immer tiefer in das Wasser. Mit aller Kraft kämpfte ich dagegen an, strampelte mit Armen und Beinen. Ich spürte wie mir die Luft entwich. Wenn ich nicht bald an die Oberfläche käme, würde ich ertrinken. Ich strampelte weiter, nie das Ziel aus den Augen verlierend und dann endlich gelang es mir. Ich atmete tief ein und nun vom Fluss davongetragen. Meinen Beutel an mich klammernd ließ ich es geschehen und versuchte nur nicht wieder von den Wellen unter Wasser gedrückt zu werden.
Meine Kraft wich. Ich spürte es ganz deutlich. Meine Anstrengungen waren zu groß und dann wurde es langsam dunkel vor meinen Augen. Das Letzte, an das ich mich erinnern konnte war ein heftiger Zug an meinem Kragen.
„Sie haben dich!“ hörte ich die Stimme in meinem Kopf sagen, bevor es ganz dunkel wurde.
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Alt 22.12.2006, 19:50   #9
Trisha
 
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Standard 4. Kapitel :)

4. Kapitel

Nur ganz langsam öffnete ich meine Augen. Mein Kopf hämmerte und meine Ohren rauschten. Zunächst konnte ich nur vage und verschwommene Umrisse erkennen. Meine Hand suchte sich einen Weg zum Kopf, an die Stelle an dem er besonders schmerzte. Ich ertastete sie und bemerkte, dass meine Hand von frischem Blut benetzt wurde. Erschöpft ließ ich sie zurücksacken.
Wo befand ich mich? Was war geschehen? Doch bevor ich mir darüber Gedanken machen konnte, klärte sich mein Blick und zwei gelbe Augen beobachteten mich, eingerahmt von einem grauen, pelzigen Gesicht.
„Wenn Du einem wilden Tier begegnest, verhalte Dich ruhig“, hörte ich Andrews Stimme sagen. Also blieb ich ruhig liegen und versuchte den Blick des Tieres zu deuten. Es war nicht angespannt. Sein Fell lag flach am Körper und seine Ohren drehten sich neugierig ab. Es war ein großes Tier, hatte flauschiges Fell, lange, schlanke Gliedmaßen und einen buschigen Schwanz. Und seine Augen leuchteten, sahen aber nicht gefährlich aus. Ein Wolf.
Nun bewegte er sich vorsichtig von mir weg, ging ein paar Meter und setzte sich dann auf sein Hinterteil. Er legte seinen Kopf schief und schaute mich einfach nur an. Ich konnte schließlich nicht ewig so liegen bleiben und daher entschloss ich, mich aufzurichten. Im selben Moment bedauerte ich meinen Entschluss, denn mein Körper schmerzte bei jeder Bewegung und mein Kopf fing wieder heftig an zu pochen. Immer den Wolf im Blickfeld schaute ich mich langsam um. Ich befand mich in einer großen, trockenen Höhle. Meine immer noch nasse Kleidung klebte an mir und ich fing an zu zittern. Von weit her konnte ich das Rauschen des Flusses höre, und plötzlich kamen die Erinnerungen zurück.
Ich war auf der Flucht, die Krieger, die Sträucher, der Abgrund und dann das kalte Wasser. Doch wer hatte mich aus dem Fluss geholt? Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, es mit eigener Kraft geschafft zu haben. Der Wolf schnaubte und kam auf mich zu. War er es etwa gewesen? Hatte mich dieses Geschöpf gerettet? Ich konnte es mir nicht vorstellen, aber eine andere Erklärung kam mir nicht in den Sinn.
Die Krieger! Waren sie noch in der Nähe? Ich lauschte, konnte aber nur das Rauschen des Flusses und der Baumwipfel wahrnehmen. Friedlich wirkte dieser Ort auf mich und der Wolf, der vor mir saß und mich mit sanften Augen ansah, schien auch keine Gefahr zu sein. Ich begann, meine Kleidung auszuziehen, denn erst jetzt bemerkte ich, dass sie blutverschmiert war und meine Haut darunter tiefe Einschnitte aufwies. Ich nahm einen Lappen aus meinen Beutel und ein kleines Fläschchen, dass zum Glück nicht zerbrochen war und welches Medizin gegen offene Wunden enthielt. Sie brannte furchtbar, aber ich war an die Art von Schmerz gewöhnt, da das harte Training auch schon seine Spuren hinterlassen hatte. Zunächst säuberte ich die Wunden mit Wasser, das mein Trinkschlauch noch enthielt, bevor ich sie mit der Medizin beträufelte. Der Wolf legte sich derweil hin, legte den Kopf zwischen seine Pfoten und beobachtete mich neugierig bei dem was ich tat. Dann nahm ich mir meinen Kopf vor, der zwar immer noch sehr schmerzte und erkannte, dass es nur eine Platzwunde war. Somit dankte ich den Göttern, dass mir bei dem Sturz nicht mehr zugestoßen war.
Es dauerte lange meine Wunden zu versorgen, da es nicht einfach gewesen war jede Stelle allein zu erreichen. Beim letzten Mal hatte Andrew mich versorgt und bei diesen Gedanken spürte ich eine Traurigkeit, die mein Herz umfing. Würde ich ihn jemals wieder sehen? Dann sah ich erschöpft meine Kleidung genauer an. Sie war zum Teil zerrissen und schmutzig. Gegen den Schmutz konnte ich momentan nichts tun, denn ich wollte nicht jetzt schon meinen Unterschlupf verlassen, um an den Fluss zu gehen. Aber zum Glück hatte ich Nadel und Faden eingepackt.
„Danke Andrew.“
Er hatte mir an jenem Tag eine Liste geschrieben, worauf die Dinge standen, die ich mitnehmen sollte. Als ich fertig war, bemerkte ich erst richtig wie erschöpft ich war und ich gab dem Wunsch meines Körpers nach, mich auf die Seite zu legen. Der Wolf und ich sahen uns noch eine Weile in die Augen. Doch auch er schien müde zu sein, denn seine Augen begannen sich langsam zu schließen. Ich tat es ihm gleich und schlief wieder ein.
Als ich aufwachte war der Wolf weg. Erschrocken schnellte ich auf, da in meinem Kopf der Gedanke aufkam, wieder unvorsichtig gewesen zu sein. Jedoch konnte ich nichts hören. Keine Rufe, keine Hörner. Sie waren nicht mehr in der Nähe. Wie weit war ich von dem Strom mitgerissen worden? Ich schaute in meinen Beutel und schätzte, dass ich noch genug Nahrung und Wasser für drei Tage haben würde, doch spätestens dann würde ich hinausgehen müssen. Am Morgen des nächsten Tages kam der Wolf wieder. Er blieb am Eingang stehen, schaute mich lange an und legte sich dann in eine Ecke. Hatte er mich in seinen Unterschlupf gebracht? Warum? Warum tat ein Tier so etwas? Aber auf jeden Fall würde ihm keiner in seine Höhle folgen. Ich war hier sicher.
Fragen, ich hatte so viele Fragen, die mir im Kopf herumgeisterten aber keine Antworten waren in Sicht. In diesen Tagen machte ich kein Feuer aus Angst mich somit zu verraten und in den Nächten war es kalt, so dass ich keinen festen Schlaf finden konnte, denn mein ganzer Körper schlotterte. Auch die endlich getrocknete Kleidung und der Mantel hielten mich nicht warm. Ich denke, es lag daran, weil sich die Höhle tief im Boden befand, was ich bemerkt hatte, als ich zum Eingang gegangen war, um hinaus zu spähen. Dabei bemerkte ich, dass der Eingang, ein kleiner, enger Spalt, von einem niedergefallenen Ast und Pflanzen bedeckt wurde.
Der Wolf kam jeden Morgen und ging wieder am Abend, worauf später in der Nacht sein Heulen zu hören war, welches die Stille durchschnitt. Er war also immer stets in der Nähe.
Als mir am dritten Tag die Nahrung ausging, entschied ich trotzdem noch länger in meinem Versteck zu verharren. Zwei weitere Tage hielt ich aus, dann war der Hunger zu groß und ich begab mich auf die Suche nach etwas Eßbarem. Als ich aufstand und mich dem Ausgang näherte, stand der Wolf ebenfalls auf, verhielt sich aber ruhig. Die Pflanzen beiseite schiebend, blendeten mich die Sonnenstrahlen und ich kniff die Augen zu, da die Sonne nie in die Höhle hatte eindringen können und ich mich tagelang im Dunkeln befunden hatte. Erinnerungen an meine Tage in Gefangenschaft wurden wieder wach und es hatte sich im Grunde nichts geändert. Ich war immer noch eine Gefangene, denn ich musste diesen Ort nur wegen ihnen bewohnen. Sie zwangen mich also ein weiteres Mal, mich nicht frei bewegen zu können. Nach einer Weile gewöhnte ich mich an das Licht und ich ließ die Sonnenstrahlen meinen ausgekühlten Körper wärmen. Vom Hunger getrieben machte ich mich langsam auf den Weg.
Ich drehte jeden Stein um, sammelte Käfer und Würmer ein, so wie es Andrew mir gezeigt hatte. Zum Glück fand ich auch ein paar Beeren, die ich sofort gierig aß.
Ich bemerkte erst nach einer Weile, dass mir der Wolf folgte. Er hielt sich im Hintergrund, aber immer in wachsamer Haltung. Er hob den Kopf, schnupperte, lauschte und als er nichts Verdächtiges bemerkte, ging er weiter. Als ich einiges gesammelt hatte, ging ich zum Fluss, füllte meine Trinkschläuche und ging wieder schnell in Richtung Höhle. Vergewissernd keine Spuren hinterlassen zu haben, kletterte ich wieder hinein.
Dies tat ich nun Tag für Tag. Ich hörte nichts mehr von den Kriegern.
Hatten sie die Suche eingestellt? Nein, sie würden nicht so schnell aufgeben, da war ich mir sicher. Langsam wurde ich jedoch unruhig. Ich würde doch nicht mein ganzes Leben hier in dieser Höhle verbringen können und mich von Käfern ernähren. Ich entschloß mich dazu, noch ein paar Tage zu warten, um dann meine Flucht fortzusetzen. Mein seltsamer Gastgeber näherte sich nun bei unseren kleinen gemeinsamen Spaziergängen, bis er schließlich neben mir hertrottete. Ich stellte mir das Bild vor, das wir wohl abgaben. Eine junge Frau mit einem Wolf. Er hatte sich an mich und ich mich an ihn gewöhnt und eines Abends machte er mir ein weiteres Geschenk. Mit einem erlegten Hasen kam er in die Höhle und legte die Beute vor mich hin. Ich war dankbar für eine richtige Mahlzeit, obwohl ich meinen Ekel überwinden musste, um es auszunehmen und zu häuten.
Ich schnitt mit einem kleinen Messer Portionen zurecht und reichte ihm das rohe Fleisch. Aber konnte ich es schon wagen Feuer zu machen? Wie viele Tage waren nun schon verstrichen? Ich wusste es nicht, doch ich tat es. Ich suchte ein paar trockene Äste zusammen und machte draußen ein kleines Feuer, um das Fleisch anzubraten. Es war köstlich. Besser als alle Würmer es jemals sein könnten. Danach löschte ich schnell das Feuer und legte Gestrüpp darüber, damit man die Feuerstelle nicht mehr erkennen konnte. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war mir erstaunlicherweise nicht mehr kalt. Ich spürte wie sich ein Körper neben mir hob und wieder senkte vom Atmen. Es war mein gutmütiger Gastgeber, der sich neben mich gelegt hatte, um mir Wärme zu spenden. „Ein wirklich seltsames Geschöpf“, sagte ich zu mir. Morgen würde ich gehen. Weiter. Ich hatte keine Ahnung wohin mich mein Weg führen würde, aber hier bleiben konnte ich auch nicht.
Sehr früh am morgen, mein Beutel war wieder gepackt, stand ich am Eingang der Höhle.
„So mein pelziger Freund. Ich muss weiter. Ich danke Dir für Deine Gastfreundschaft. Sei nicht zu allen Menschen so zahm“, sagte ich zum Wolf und zum ersten mal seit langer Zeit konnte ich wieder lächeln.
Ich ging waldeinwärts und nicht mehr am Fluss entlang. Am Stand der Sonne erkannte ich, dass ich vom Westen in den Osten ging. Doch ich war nicht mehr allein unterwegs. Aus irgendeinem mir nicht erkennbaren Grund folgte mir der Wolf wieder. Er war meine Augen und mein Ohren, denn jedes Mal wenn er eine Gefahr witterte, konnten wir uns rechtzeitig verstecken und so entkam ich immer und immer wieder den Kämpfern, bis ich ihnen eines Tages nicht mehr begegnete.
Ich weiß nicht, wie viele Monate wir so nebeneinander herwanderten. Erstaunlicherweise schien sich der Wald zu verändern, je weiter ich ging. Der Mischwald wurde von Kiefernwäldern abgelöst. Es waren große, hohe Bäume, seltsam präzise angeordnet, so dass sich kein Strauch mir in den Weg stellte. Das Rauschen der Baumkronen im Wind veränderte sich. Die Bäume heulten regelrecht und oft hörte ich von hoch oben ein Knacken. Es schien mir als ob sie eine eigene Sprache sprechen würden. Beunruhigt gingen wir aber weiter, denn auch mein pelziger Freund schien angespannt zu sein. Beunruhigend war auch die Tatsache, schon lange keinen Fluss oder ein kleines Bächlein zu finden, an dem ich meine Trinkschläuche hätte auffüllen können, denn das Wasser wurde langsam knapp. Denn hier befanden sich nun auch keine Laubbäume mehr, dessen Blätter auf der Oberseite hätten feucht sein können. Jedes mal wenn es regnete breitete ich meinen Mantel aus, damit er sich mit Regenwasser voll saugen konnte, um es dann auszupressen. Dies linderte nur ein wenig unseren Durst, denn die Baumkronen schienen immer an der Stelle, an der ich mich befand so dicht zu sein, dass sie den Regen nicht ganz zu uns durchließen. Auch der Versuch etwas zu fangen misslang uns häufig, obwohl der Wolf schnell und gewitzt war. Doch die Tiere in diesem Wald waren schneller oder verschwanden plötzlich vor unseren Augen. Nur langsam kam mir der Gedanke, warum mir schon lange keiner mehr gefolgt war. Die ausgebildeten Krieger kannten die Geschichten des Waldes besser. Vielleicht fürchteten sich vor diesem Teil. Vielleicht war er verflucht und ich Dummkopf befand mich mittendrin.
Ich musste umkehren. Also entschloss ich meine Richtung zu ändern und ging wieder zurück Richtung Westen. Doch der Wald änderte sich nicht wieder. Immer und immer nur die Baumreihen, präzise angeordnet, sah ich und es wurde nicht heller sondern immer dunkler. Hatte ich mich getäuscht? Aber die Sonne zeigte mir an, dass ich mich eigentlich auf dem richtigen Weg befand. Es gab aber auch keine Bezugspunkte, denn alles sah so furchtbar gleich aus und als ich schon verzweifelt aufgeben wollte, sah ich wieder nach langer Zeit einen Menschen. Seine Kleidung war abgewetzt, sein Gesicht leichenblass und abgemagert. Wie sah ich eigentlich aus? Ich war mir sicher, keinen besseren Eindruck zu machen, denn auch meine Kleidung wurde immer dünner und rissiger und meine Schuhe hatten schon die ersten Löcher. Meine Haare waren zwar wieder lang, aber ganz ausgedünnt und ich spürte schon die Knochen, die sich an meinem hungernden Körper abzeichneten.
Ziellos lief der anderen Mensch durch den Wald, immer wieder über seine eigenen Füße stolpernd, zu erschöpft um sich richtig aufrecht zu bewegen. Er erblickte mich und ein erleichtertes Lächeln war zu erkennen. Zunächst kam er näher, doch als er den Wolf sah, wich er erschrocken zurück.
„Ein Tier der Dämonen!“ schrie er und zeigte wild mit seinem Finger auf meinen Begleiter. Sich rückwärts bewegend stolperte er schon wieder und fiel unsanft zu Boden.
„Nein, bleibt fern von mir!“, schrie er als ich mich auf ihn zu bewegte.
„Ihr könnt nicht echt sein. Ihr seid nur ein Hirngespenst. Ihr wollt mich wahnsinnig machen. Stimmt doch! Ihr wollt, dass ich meinen Verstand nun vollkommen verliere!“ rief er in die Luft. Oder sprach er mit den Bäumen?
„Beruhigt euch“, sagte ich sanft und versuchte mich ihm weiter zu nähern, „Ich bin wirklich hier. Ich bin echt“, beteuerte ich ihm, doch er kroch immer wieder von mir weg.
„Ich habe mich verlaufen und versuche nun auch wieder aus diesem Wald hinauszukommen“, sagte ich und dann blieb er abrupt stehen.
Sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse und nun sah ich, daß er verrückt zu sein schien.
„Ihr kommt hier nicht mehr raus. Keiner kann dem Wald entfliehen. Keiner!“ brüllte er mich an, ließ es aber zu, dass ich nun neben ihm zu stehen kam.
„Es muss aber doch einen Weg geben. Wir sind auch hier hereingekommen. Dann führt auch wieder ein Weg zurück“, sagte ich und kniete mich zu ihm hinunter.
„Ihr könnt nicht echt sein. Wer außer mir kommt auf die Idee in den verwunschenen Wald zu gehen?!“ stammelte er und seine Augen wurden feucht von Tränen.
„Doch ich bin Wirklichkeit. Hier, berühren Sie meinen Arm und dann werden sie sehen, dass ich kein Geist bin“, sagte ich und streckte ihm meine Hand entgegen.
„Dämonen und Geister können beliebig ihre Form wechseln“, lachte er.
Er war wirklich verrückt geworden, doch es wunderte mich nicht. Wie lange war er nun schon in diesem Wald, der zu jeder Zeit mit einem sprach und den Kopf vernebelte. Auch ich begann es zu spüren. Ich hatte angefangen, mich wie in Trance zu bewegen, konnte keinen klaren Gedanken fassen, und wenn ich nicht jeden Tag meditiert hätte, wäre ich wahrscheinlich jetzt genauso verrückt. Er stand nun langsam auf, schaute mich nur kurz an und ging dann wieder seinen Weg, als ob er mich niemals gesehen hätte.
„Wohin wollen Sie denn jetzt?“ rief ich ihm nach.
„Weiter. Einfach nur weiter“, sagte er ohne sich umzudrehen.
„Aber Sie können doch nicht ziellos durch die Gegend irren. Lassen Sie uns gemeinsam einen Weg hier hinaus finden“, rief ich wieder und begann hinter ihm herzulaufen.
„Bleibt fort von mir mit eurem dämonischen Tier“, sagte er und ging unbeirrt weiter.
„Jetzt bleibt doch mal stehen“, rief ich. Es half alles nichts. Er ging und ging, genauso ziellos, wie ich ihn hatte kommen sehen. Sollte ich ihn ziehen lassen? Ich konnte es doch nicht zulassen, dass er sich vollkommen verirrte? Ich holte ihn ein und warf ihn zu Boden.
„So, jetzt werden wir erst mal Feuer machen, uns unterhalten und dann eine gemeinsame Lösung für dieses Problem finden!“ sagte ich hart. Eingeschüchtert blieb er nun an dieser Stelle sitzen und beobachtete mich, wie ich ein kleines Lager aufschlug.
„Geh, Wolf und versuche bitte etwas zu fangen. Aber geh nicht allzu weit weg.“
Zum Glück kam er mit einem Hasen im Maul zurück. Der Mann schaute uns erstaunt an und stammelte: „Wie konnte er? Ich habe schon lange nichts mehr fangen können!“
Ich sagte nichts und schweigend saßen wir nun am Feuer, dass Licht und Wärme spendete und wir aßen gemeinsam das erlegte Tier. Er war derjenige, der das Schweigen brach.
„Ich war nicht immer so, wie ich jetzt bin“, sagte er, „Ich war einmal ein geschätzter Mann. Hatte das Geschäft meiner Mutter übernommen und hatte sogar eine lange Laufbahn als Abgeordneter in der Regierung vor mir.“
„Woher kommt Ihr?“ fragte ich, denn meine Neugier war entfacht. Ich wusste nichts von der Welt außerhalb, denn ich hatte nie zuvor die Klostermauern verlassen.
„Ich komme aus dem mittleren Osten. Wart ihr schon einmal dort?“ fragte er mich und ich musste verneinen.
„Ach, es ist herrlich dort. Der Boden fruchtbar und die Städte groß. Natürlich nicht so groß wie die wirklichen großen Städte im weiteren Westen“, ich hörte ihm gespannt zu und ließ ihn weiter reden, „Natürlich waren sie einmal mächtiger gewesen, bevor diese große Sache war, aber so langsam bekommen wir unsere Schwierigleiten in den Griff und unser Wohlstand beginnt wieder zu wachsen. Es sind viele unterschiedliche Menschen bei uns. Sie kommen zum Handeln und jeden Tag lernt man etwas Neues. Verfahrenstechniken für die Schmiede. Ich hatte eine Schmiede müsst ihr wissen.“
„Welche große Sache?“ unterbrach ich ihn.
„Nein, darüber redet nun wirklich keiner. Wir müssen im Hier und Jetzt leben und nicht in der Vergangenheit, habe ich immer gesagt. Ja, das habe ich immer gesagt.“
„Ja, aber im Hier und Jetzt befinden wir uns nun in diesem Wald und nicht in eurer Stadt.“
„Ich weiß. Aber ich kann sie jeden Tag aufs Neue sehen. Meine Frau, wie sie lachend auf mich zuläuft, mit offenen Armen“, halluzinierte er.
„Was ist geschehen? Warum sind Sie hier?“ fragte ich hart, um ihn aus seinen Träumereien zurückzuholen.
„Ach. Habe ich gesagt, dass ich ein Abgeordneter war?“, fragte er und ich nickte ihm zustimmend zu.
„Das war ein Leben. Ich habe meinem Volk gedient, Gesetze erlassen, wurde dabei immer wohlhabender und konnte mein Geschäft bald untervermieten.“
„Und dann?“
„Ja und dann kamen sie. Die Vertreter der alten Welt. Sie wollten alles wieder für sich beanspruchen. Uns alles nehmen, wofür wir so hart gearbeitet haben. Sie stürzten unsere Regierung und verfolgten mich und die anderen Abgeordneten. Meine Familie konnte ich in Sicherheit bringen, indem sie in eine andere, kleinere Stadt umsiedelten, aber ich befinde mich seither auf der Flucht und bin dann in diesen verdammten Wald geraten!“
Verbittert war sein Gesicht, still saß er nun da und blickte ins Feuer. Ich war froh, dass er mir keine Fragen stellte, denn ich hätte ihm nichts anvertrauen können. Das wäre zu gefährlich.
„Und hat die Wolfsfrau schon eine Idee wie wir hier wieder hinaus kommen?“ fragte er mich plötzlich und schaute mir tief in Augen.
„Nein, aber wir werden morgen weiter Richtung Westen gehen und dann müssen wir weiter sehen“, sagte ich nicht gerade überzeugt.
„Das bringt doch alles nichts“, sagte er leise und mit diesen Worten legte er sich hin und schlief ein. Ich tat es ihm gleich. Der Wolf würde einen Teil der Nacht wachen und mich dann wecken, damit er die restliche Nacht ruhen konnte. So wie wir es Nacht für Nacht getan hatten.
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Alt 22.12.2006, 20:45   #10
Trisha
 
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Standard 4. Kapitel - Teil2

„Jade. Jade. Jade“, hörte ich eine Stimme, die von weit her zu mir sprach.
„Komm zu mir, Jade“, durch diese Worte erwachte ich. Das Feuer war ausgegangen und ich sah den Fremden immer noch schlafen. Mein Wolf war weg, wahrscheinlich erkundete er die Gegend, um nach Gefahren auszuschauen.
„Jade, komm zu mir“, hörte ich wieder die Stimme. Doch ich konnte sie nicht orten. Existierte sie oder war sie nur eine Einbildung? Mir war erstaunlicherweise nicht kalt, trotz des erloschenen Feuers und ich rappelte mich noch schlaftrunken von meinem harten Nachtlager auf.
„Jade“, die Stimme schien näher zu kommen und ich bewegte mich nun auf sie zu.
Der Vernunft trotzend ging ich immer weiter, mich vom Lager entfernend, auf die Stimme zu, bis ich in weiter Ferne ein Leuchten wahrnahm.
Ich folgte diesem Leuchten, dass immer größer zu werden schien und ich mich plötzlich in seinem vollem Schein wiederfand.
Nun sah ich das Wesen, welches mich gerufen hatte. Es war eine Gestalt, die vollkommen aus Licht zu bestehen zu schien. Eine Frau mit weißem Haar, das das Gesicht umspielte als ob Wind wehte. Ich schloss die Augen und öffnete sie wieder, hoffte mich zu irren, weil dies eigentlich nicht wirklich sein konnte. Spielte mir nun der Wald einen Streich oder verlor ich meinen Verstand? Die Gestalt trug ein langes Gewand, das bis zum Boden reichte und sie kam nun näher auf mich zu, ohne den Boden zu berühren. Sie schwebte.
„Fürchte dich nicht, junge Jade“, sagte sie.
„Wer bist Du? Woher weißt Du meinen Namen?“, fragte ich ungläubig.
„Ich weiß viel über Dich. Über Deine Flucht, über Dein Sein, über Dein Schicksal“, sagte sie ohne den Mund zu bewegen. Ich hörte ihre Worte in meinem Kopf.
„Aber...“, stammelte ich.
„Fürchte Dich nicht. Du wirst nicht mehr lange in diesem Wald verweilen. Dein Leben wird nicht hier beendet werden. Dein Schicksal hält noch viele Aufgaben für Dich bereit.“
„Du bist nicht wirklich“, sagte ich und sah in das Gesicht, das keinen Makel zu haben schien. Rein und wunderschön und eine große Güte strahlten ihre Augen aus.
„Für euch Menschen bin ich das vielleicht nicht, aber ich existiere genauso wie ihr. Ihr könnt mich nicht sehen, weil wir Geschöpfe des Waldes uns nicht zeigen, aber ich habe Deine Zukunft gesehen und deshalb muss ich eingreifen. Ich werde Dir einen Weg heraus zeigen“, sagte sie und plötzlich dröhnte es laut in meinem Kopf. Er schmerzte fürchterlich und ich musste mich auf den Boden setzen, da ich fürchtete, den Halt zu verlieren. Ein Strudel von Bildern erfasste mich und ich sah den Wald ganz deutlich vor mir. Ich sah jeden Baum, jeden Weg und plötzlich auch Anhaltspunkte, nach denen ich schon die ganze Zeit gesucht hatte. Mit einem Mal war alles vorbei und ich erwachte. Ich schreckte auf, doch außer dem Heulen der Bäume konnte ich nichts hören. Die Stimme war weg und ich lag wieder auf meinem Schlafplatz vor dem erloschenen Feuer. Ein Traum. Ich hatte nur geträumt, aber die Bilder konnte ich immer noch in meinem Kopf sehen. Ich stand auf, sammelte wieder Holz ein und entfachte das Feuer neu. Dann erblickte ich meinen Wolf und gab ihm ein Zeichen, dass er an der Reihe war sich auszuruhen.
Die restliche Nacht, in die Flammen blickend, dachte ich über meinen Traum nach. War es überhaupt einer gewesen? Ich hatte doch den Boden deutlich bei jedem Schritt gespürt als ich der Stimme gefolgt war. Und dann die Bilder. Sie waren immer noch tief in meinem Kopf verwurzelt. Nach langem hin und her entschloss ich, dass wir den Weg nehmen würden, den ich gesehen hatte. Hatten wir denn eine Wahl?!
„Woher wisst ihr denn plötzlich, dass wir den richtigen Weg nehmen?“ fragte mich der Fremde immer und immer wieder.
„Ich weiß es einfach“, sagte ich und folgte unbeirrt den Bildern in meinem Kopf. Unterschiedliche Gefühle konnte ich wahrnehmen. Das Vertrauen des Wolfes, welches er mir entgegenbrachte und das Misstrauen dieses Mannes, der mir nun langsam auf die Nerven ging.
„Du spürst es auch langsam. Stimmt’s! Sie spielen uns einen Streich diese verdammten Bäume! Du hast keine Ahnung, wo wir hingehen sollen und ich Trottel folge dir und deinem Geschöpf der Nacht.“
„Haben Sie denn eine Wahl? Entweder folgen Sie mir oder Sie werden hier sterben“, sagte ich.
Tagelang gingen wir. Meine Reserven wurden nun noch knapper, da wir jetzt einen Trinker und Esser mehr versorgen mußten. Und dankbar war dieser Mensch nun wirklich nicht. Aber was wäre, wenn ich wirklich nur geträumt hatte und wir einen falschen Weg nahmen, denn es kam mir eher vor, als ob wir uns im Kreis bewegten.
Nein, ich durfte meine Zuversicht nicht verlieren und würde weiter gehen. Doch wir kamen nicht gerade schnell voran, weil der Fremde oft schnell erschöpft von unserem Marsch war und sich die Pausen häuften. Eines Tages entdeckten wir mitten im Wald einen Strauch, voller roter, großer Beeren. Verwundert blickten wir ihn an und an der angespannten Haltung meines Wolfes, konnte ich erkennen, dass sie uns nicht als Nahrung dienen sollten. Hatte ich den Strauch in meinem Traum gesehen? Ich konnte mich nicht an ihn erinnern und auch sein plötzliches Erscheinen kam mir seltsam vor. Der Fremde allerdings stürmte auf den Strauch zu und begann, sich die prallen Beeren in den Mund zu stopfen.
„Nein, tut es nicht. Esst nicht weiter diese Beeren. Sie könnten giftig sein!“ schrie ich und lief auf ihn zu. Ich versuchte ihm die Beeren aus der Hand zu schlagen, doch er verteidigte sie, als ginge es um sein Leben.
„Wir sind am Verhungern, und du verbietest mir sie zu essen. Genauso wie ihr mich zwingt, euch auf eurem unsinnigen Weg zu folgen“, sagte er mit vollem Mund und der Beerensaft lief ihm an den Mundwinkeln herunter.
„Ich zwinge Euch zu nichts! Nur bitte hört auf sie zu essen.“
„Ich werde mir jetzt den Bauch voll schlagen. Sollt ihr doch elendig verrecken. Was kümmert es mich. Ich kenne mich auch ein wenig aus, junge Frau. Und anhand der Sonne sehe ich doch, dass wir uns im Kreis drehen. Ich werde hier bleiben. Nicht weiter gehen. Es gibt Nahrung in diesem Teil des Waldes und ich werde nun mein Leben hier verbringen“, sagte er von seinen Worten überzeugt.
„Gut, dann werden wir jetzt Rast machen und morgen weiter sehen.“
Doch einen nächsten Morgen gab es für den armen Fremden nicht mehr. Nur ein paar Stunden nach dem Verzehr machten sich die Anzeichen des wirkenden Giftes bemerkbar. Er lag verkrampft auf dem Boden und wand sich. Sein Gesicht wurde noch blasser und seine Augen waren weit aufgerissen. Ich zwang ihn, sich mehrmals zu übergeben, bis nur noch Magensaft der roten Flüssigkeit Platz machte. Auch der Tee, den ich braute, verschaffte ihm keine Linderung. Meine medizinischen Kenntnisse waren einfach zu begrenzt. Die ganze Nacht kämpfte ich um sein Leben, doch als die Sonne aufging wich das Leben aus ihm. Kurz vor seinem Tod sagte er noch etwas zu mir, dass mich erschauern ließ.
„Gehe nicht in den Westen, meide die Städte, junge Kriegerin. Auferstandene Solar.“
Tage und Tage vergingen und dann endlich änderte sich die Umgebung. Der Wald wurde nun zwar wieder dichter, aber die Präzision in seiner Anordnung verschwand. Laubbäume und Sträucher waren nun wieder zu sehen und die Dunkelheit wich. Ich war dem Himmel wieder ein Stück näher, weil die Baumwipfel nicht so dicht waren und wieder die Sonne durchließen. Ich erfreute mich an der Farbenvielfalt und wäre, wenn sich die Erschöpfung nicht breit gemacht hätte, wie ein kleines Kind umher gesprungen. Endlich, endlich war ich dem verwunschenen Wald entkommen.
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Alt 15.01.2007, 17:34   #11
Trisha
 
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Standard 5.Kapitel Teil I

5. Kapitel

Noch immer hörte ich in meinen Träumen das Heulen des Windes, welcher die Baumkronen gefährlich von rechts nach links bewegte, wodurch einige Äste durchknickten und mit tosendem Lärm zu Boden fielen. Die Stimmen der Bäume hallten nun wieder durch meine Gedanken, doch ich konnte keinen Sinn in ihnen entdecken und nur das leichte Wehen meines Umhangs ließ mich erkennen, dass ich mich zwar inmitten des Sturms befand, aber auch gleichzeitig außerhalb des Geschehens stand und nur zuhörte und beobachtete. Denn kein Ast traf mich und keine Windböe konnte mich zu fassen bekommen und mich von diesem Ort fortbringen. „Wach auf, wach endlich auf.“, hörte ich jede Nacht meine eigene Stimme.
Beim Erwachen erblickte ich dann immer eine andere Welt, als die in meinen Träumen. Vögel sangen und die Lichtstrahlen der aufgehenden Sonne bahnten sich einen Weg durch die saftig grünen Laubbäume, bis sie an einigen Stellen den Erdboden, der vollkommen mit Moos bewachsen war, erreichten und ihn aufheizten. Das Klima war sehr mild in der Gegend in der ich mich nun befand und es regnete kaum, so dass ich mich nicht um einen überdachten Schlafplatz kümmern musste. Es hätte so schön sein können, wenn mich nicht nach dieser Erfahrung in dem verwunschenen Wald jede Nacht Alpträume geplagt hätten. Oder waren sie einfach nur Warnungen, um mich nicht allzu früh sicher zu fühlen?
Wie jeden Morgen begrüßte ich meinen pelzigen Begleiter, der sich nun zufrieden zusammenrollte, um den Schlaf nachzuholen, denn jede Nacht wachte er fürsorglich. Wir ergänzten uns gut, denn seine Augen dienten mir in der Nacht und meine ihm am Tage. Ich wollte mein Erlerntes nicht aufgeben und daher meditierte ich nun jeden Morgen. Diesen Vorgang den ich im Kloster nicht ausstehen konnte, erschien mir nun in der Abwesenheit jeglicher Menschen als sinnvoll, denn ich konnte meine Gedanken ordnen, um meinem Tag ein wenig Struktur zu verleihen und um niemals zu vergessen, dass ich mich immer noch auf der Flucht befand, obwohl ich nichts mehr von den Kriegern des Ordens gehört hatte, nachdem ich in den verwunschenen Wald gegangen war.
Zeit hatte zwar keine Bedeutung in meinem momentanen Leben, aber ich versuchte danach die Nahrungssuche rasch zu erledigen, was sich in diesem Teil des Landes nicht als schwierig erwies, denn die Laubbäume gaben eine Vielfalt an Früchten her und auch der Wolf fand reichlich Beute. Noch nie hatte ich solch frisches Wasser getrunken, dass aus kleinen Bächen stammte und dafür dankte ich jeden Tag erneut den Göttern, dass sie mir Nahrung gaben und mich nun endlich für die Strapazen belohnten. Mein Kampftraining musste ich jedoch alleine absolvieren und ich hoffte inständig, dass wenn die Situation kommen würde, meine Kampfkunst unter Beweis zu stellen, ich nicht erkennen müsste, dass sie wirkungslos geworden wäre. Dies war vorerst meine einzige Sorge, denn ich hatte in meinem bisherigen Leben nichts anderes getan als das Kämpfen zu lernen und eine unaufhaltsame Angst wuchs in mir heran, einer Niederlage in einem Kampf zu erliegen, da ich nichts mehr dazu lernen konnte. In diesen Momenten versuchte ich mir Andrews Worte in Gedanken zu rufen, was er während des Trainings gesagt hatte, worauf ich achten sollte und was ich noch verbessern konnte. Aber würde es reichen?
Diese Frage sollte an einem Tage wie diesem beantwortet werden.
Wenn sich die Sonne am höchsten Punkt am Himmel befand, weckte ich den Wolf, um unsere Reise fort zusetzten. Wir gingen weiter Richtung Süden und ich erkannte, dass wieder Strassen unseren Weg kreuzten, die ich zwar mied, aber folgte, denn die Sehnsucht nach menschlicher Nähe wurde immer größer. Zum Trotz gegen Andrews Warnungen ging ich immer weiter leicht abseits dieser Straßen entlang und hoffte irgendwann jemanden zu begegnen, der nicht das in mir sah, vor dem sich die Hohepriester gefürchtet hatten. Ich war doch immer noch ich selber. Was hatte sich denn verändert? Diese Frage hämmerte durch meinen Kopf und ich wusste, dass sie niemals beantwortet werden könnte, wenn ich weiterhin weglaufen würde.
Tief versunken in meinen Gedanken, bemerkte ich erst ein wenig später, dass sich das Verhalten des Wolfes geändert hatte. Er war stehen geblieben und lauschte angestrengt in die Ferne. Sein Fell stellte sich nun langsam auf und sein Schnuppern wurde intensiver. Dann schaute er mich an und ich wusste, dass es Zeit war sich zu verstecken. Unter einem Busch verkroch ich mich, achtete aber weiterhin darauf die Strasse sehen zu können.
Plötzlich konnte ich das Geklapper von Hufen, das Heranrollen von Kutschen und die Schritte von einer Vielzahl von Menschen hören, die sich mir näherten.
Stimmen, ganz viele Stimmen mischten sich und ich versuchte auszumachen, ob sie in der gleichen Sprache redeten wie ich. Doch ich musste noch ausharren, da sie zu weit weg waren. Dann ein herzhaftes Lachen, das hell und freundlich klang und nicht von einem Erwachsenen stammen konnte. Es waren nicht die Krieger, den Göttern sei dank.
Irgendwann hatten sie meinen Busch erreicht und ich sah viele Wagen, Füße von Menschen und Tieren und die freundliche Atmosphäre erreichte mich in meinem Versteck. Sollte ich es wagen, mich zu zeigen?
Neben mir hörte ich ein Knurren und ich erkannte, dass es der Wolf war, der sich mit mir zurück gezogen hatte. „Sind diese Menschen etwa gefährlich? Es scheint mir nicht so zu sein.“, flüsterte ich ihm zu, doch dann erkannte ich, warum sich der Wolf so verhielt. Laute, schnell herankommende Hufe hallten durch das Dickicht und erschütterten den Boden, dazwischen boshafte und aggressive Rufe, die immer näher kamen. Nun begannen auch die Menschen der Gruppe um ihre Wagen herumzulaufen und ich konnte es mir nicht nehmen weiter aus meinem Versteck zu kriechen, um zu sehen, was da passierte. Ich konnte jetzt Männer und Frauen sehen, die Kinder auf die Wagen packten und sie mit Laken bedeckten. Die Männer nahmen alles, was sie finden konnten und so standen sie nun da mit Stöcken, Kochgeschirr und einigen Waffen in den Händen, abwartend auf das was sie nun erreichen sollte.
Nach einer kurzen Zeit sah man Gestalten, die den Weg entlang galoppiert kamen, immer näher auf die Gruppe, ohne die Geschwindigkeit zu verlangsam, zu. Ihre Gesichter waren dunkel bemalt, auf ihren Häuptern ragten wild zerzaust ihre Haare in alle Richtungen und ihre Körper waren nur knapp bedeckt mit Lederhäuten. Sie begannen ihre Waffen routiniert zu kreisen und die Angst der Menschen, die sich nun notdürftig mit ihren Habseligkeiten verteidigen sollten, ließ sie erbleichen.
„Warum greift denn jemand diese Menschen an?“, fragte ich mich selber.
Ungeduldig rutschte ich auf dem Moos herum. Was sollte ich jetzt tun? Diese Menschen konnten sich definitiv nicht selber helfen, aber sollte ich es wirklich tun? Mich zeigen, nicht mehr fliehen, sondern angreifen?
Ich war mir sicher, dass Andrew meinen Entschluss für falsch angesehen hätte, aber ich konnte nicht anders. Nun war der Moment gekommen, mein Wissen und meine Kraft anzuwenden.
Das Versteckspiel hatte hiermit ein Ende.

Auf die Angreifer wartend, gab ich meine liegende Position auf und machte mich bereit zum Kampf. Als sie nun fast die Menschen erreicht hatten, sprang ich mit einem Satz aus meinem Versteck und befand mich nun vor der Gruppe, den Feind im Blickfeld. Es waren vier Gestalten und obwohl sie gekonnt mit ihren Waffen umgingen, war ich mir sicher diesen Kampf gewinnen zu können. Die Gestalt auf dem Pferd, die mir nun am Nächsten war, erschien über mein Auftauchen zwar verwundert zu sein, jedoch nur für einen kurzen Augenblick, denn er holte schon siegessicher aus und ich sah die Klinge in seiner Hand nun näher auf mich zurasen. Obwohl das Pferd auf dem er gesessen hatte sehr schnell war, konnte ich seine Hand zu packen bekommen, als das Schwert mich schon fast erwischt hätte, und mit meiner ganzen Kraft zog ich ihn von seiner vorteilhaften Position herunter, wodurch er aus Schreck über seinen Sturz das Schwert fallen ließ. Doch er rappelte sich schnell auf und wir standen uns nun beide in Kampfposition gegenüber. Mit einem wütenden Schrei griff er an, doch seine Schläge und Tritte waren unpräzise und unkontrolliert und somit hatte ich leichtes Spiel ihn außer Gefecht zu setzten und nur nach kurzer Zeit lag er schon bewusstlos am Boden. Die anderen hatten in der Zwischenzeit die Menschen erreicht und schmerzerfüllte Schreie wurden unterbrochen von dem angsterfüllten Weinen der Kinder. Ich musste auch die anderen von ihren Pferden holen, sonst würde ich sie nicht angreifen können. Über mir sah ich dann die Gelegenheit. Ich sprang in die Höhe und bekam einen Ast zu packen und mit ein paar Schwüngen saß ich dann auf ihm. Ein Anderer der Angreifer ritt fast im selben Moment unter diesem Ast her und ich ließ mich zugleich herunter hinter ihm auf das Pferd fallen. Irritiert versuchte er sich umzudrehen, doch die Verwirrung ausnutzend, war ich schneller und konnte ihn vom Pferd stoßen und sah noch wie einige Frauen und Männer mit Stöcken den Rest erledigten. Schnell ergriff ich die Zügel und ritt zum Nächsten. Dieser machte es mir jedoch nicht so einfach, denn er hatte mich kommen sehen und hielt siegessicher eine Axt in die Höhe. Warum hatte ich nur das Schwert liegen lassen? Ich schaute mich um und sah in einer Ecke des Wagens ein junges Mädchen kauern, in ihren Händen eine Pfanne haltend. Das würde vorerst reichen müssen. „Wirf die Pfanne her!“, rief ich ihr zu. Verwirrt sah sie mich an und schien nicht wirklich zu verstehen und unterdessen kam der Angreifer mit der Axt immer näher und ein widerliches Lachen aus seinem Mund erreichte mich.
„Jetzt mach schon! Die Pfanne!“, schrie ich und endlich schien sie zu begreifen. Der Wurf war nicht schlecht und mit der Pfanne in der Hand ritt ich auf ihn zu. Als er mich so sah, wurde sein Lachen noch lauter und heftiger und Zorn wuchs in mir, denn ich mochte es ganz und gar nicht von jemanden ausgelacht zu werden und der Entschluss es ihm zu zeigen wurde dadurch nur größer. Ich parierte der nieder sausenden Axt, wich aus und wartete auf den Moment, an dem er unvorsichtig werden würde, denn sein Atem ging schon schwerer, da er seine Kräfte nicht einteilen konnte und von der Anstrengung wurde er nun deutlich schwächer. Mit einem gewaltigen Krachen hatte ich ihn am Kopf getroffen, Blut spritzte, und ich sah wie er vom Pferd herunter sackte. So nur noch einer? Doch dieser war nicht mehr da. Er hatte vermutlich dann doch die Flucht ergriffen. Ich stieg vom Pferd ab und bemerkte erst dann, dass sich die Menschen der Gruppe um mich herum versammelt hatten und mich mit großen, verblüfften Augen anschauten. Während der ganzen Zeit der Wanderung hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht, wie ich wohl wirken würde, wenn ich einem Menschen begegnete. Ich sah an mir herunter und meine Sachen erschienen mir abgenutzter als in meiner Erinnerung, meine Schuhe waren abgetragen und ich wollte gar nicht erst wissen, wie mein Gesicht aussah, da ich keinen Spiegel mitgenommen hatte. Meine Haare bekam ich auch nur sehr schwierig gepflegt, da der Kamm schon fast all seine Zacken verloren hatte. Ich musste mich also in einem grauenvollen Zustand befinden, der mir ziemlich unangenehm war.
Eine alte Frau trat hervor und kam nun näher auf mich zu. „Wir danken dir für deine Hilfe!“, sagte sie und nahm meine Hand in die ihre. Erschrocken zog ich sie zurück, da solch eine Geste mir nicht bekannt war. Doch sie lächelte freundlich und drehte sich zu den anderen um.
„Was steht ihr denn da so rum. Weiter geht es. Wir müssen für heute Nacht noch ein Lager finden.“, rief sie und sofort begannen sie, alles wieder einzupacken, um ihren Weg fort zusetzten. „Und nun werden wir dir helfen, du armes Geschöpf. Wüst siehst du aus. Mal sehen, was sich darunter verbirgt.“, sagte sie zu mir, strich mir eine wilde Haarsträhne aus dem Gesicht und diesmal ließ ich sie gewähren.
Als wir nun so nebeneinander hergingen, fragte ich mich ob es überhaupt richtig war, mit ihnen zu folgen. Außerdem dröhnte es in meinen Ohren, denn ich war es nicht mehr gewöhnt, so viele Stimmen auf einmal zu hören. Manchmal kamen Kinder angelaufen, blieben kurz vor mir stehen und fingen dann an zu kichern. Beschämt schaute ich nach unten, ärgerte mich aber zugleich über dieses Gefühl. Warum war ich nicht im Wald geblieben? Ich hätte so schnell wie möglich verschwinden sollen?
Ein plötzliches Rascheln im Dickicht ließ alle verstummen und aufhorchen. Auch ich sah in die Richtung und erkannte die funkelnden Augen. Mit einem Satz kam mein pelziger Freund herausgesprungen und ich lief ihm entgegen. Doch schon wurde ich zurückgehalten. Ich drehte mich um und musste erkennen, dass die Menschen sich vor dem Wolf fürchteten.
„Habt keine Angst. Er ist mein Begleiter und hat mir schon in schweren Zeiten beigestanden.“, bedeutete ich und war erschrocken meine Stimme zu hören, die rau und leise war. Wie lange hatte ich schon nicht mehr gesprochen? Wie lange war das Erlebnis mit dem Mann im Wald schon her?
Doch meine Worte schienen keine Wirkung zu zeigen und nun begannen sie drohend auf den Wolf zuzugehen. „Hört auf! Er gehört zu mir und ihr werdet ihm nichts tun, sonst...“, rief ich, doch die alte Frau schnitt mir das Wort ab. „Lasst das Tier in Ruhe. Es darf uns begleiten, denn ich glaube der jungen Frau, die uns gerettet hat.“
Daraufhin trottete der Wolf immer noch vorsichtig neben mir her bis der Abend kam.
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Alt 15.01.2007, 17:57   #12
Trisha
 
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Standard 5.Kapitel Teil II

Ich spürte wie mein Atem ganz flach wurde und ich eine absolute Entspannung empfang, als ich am späten Abend mit meinen Gastgebern vor dem Feuer saß und in das Flackern des Feuers blickte. Viele Farbe waren zu erkennen, wenn man genau hinsah und das Knistern im Innern der Scheite wirkte beruhigend. Ich bekam die meisten Dinge gar nicht mit. Männer spielten auf Instrumenten und sangen dazu und die Frauen tanzten ausgelassen um das Feuer herum, so dass ihre bunt bestickten Röcke flatterten und ihre Gesichter vor Vergnügung glühten. Die Kinder schliefen schon längst in den Zelten und ließen sich nicht von dem Tumult stören. Von fernen Welten handelten die Lieder und durch diese lernte ich auch viel von diesen Menschen kennen, denn sie handelten auch von ihnen, von ihren Erlebnissen und ihren Abenteuern. Sie waren Zigeuner, die durch die Lande reisten und in Städten auf Märkten selbst gemachte Sachen verkauften oder Kunststücke vorführten. Sie bekamen nicht viel dafür, aber genug um glücklich und satt zu werden. Für sie war die Gemeinschaft das Wichtigste und diese Tag für Tag erleben zu dürfen, dafür dankten sie ihren Göttern. Denn jeder von ihnen erfüllte seine Aufgabe. Darunter gab es Schmiede, Näherinnen, einen Mediziner und viele die handwerklich begabt waren. Andere zeigten ihre körperlichen Fähigkeiten, mit denen sie ihr städtisches Publikum verzauberten, indem sie ihre Körper bis ins gänzliche verbogen oder mit allem was sie in die Hände bekamen jonglierten. Es war also ein ausgelassener Abend und die Feier, die sie mir zu ehren gaben, sollte noch bis in die frühen Morgenstunden anhalten. Daher waren sie schon ein wenig enttäuscht, dass ich mich der Feierlichkeiten nicht anschloss, sondern alleine, tief in Gedanken versunken, am Feuer saß.
Nachdem wir das Lager in der Nähe eines Flusses aufgebaut hatten, gingen wir Frauen baden. Sie machten sich einen Spaß daraus mir Seifen und Öle zu geben, von dessen Düften ich schon fast benommen wurde, da sie sehr intensiv rochen, sich aber herrlich auf der Haut anfühlten. Im Kloster hatte es solche Dinge nicht gegeben, da alles auf Einfachheit abgezielt hatte. Danach kämmte jemand meine Haare und steckte sie mit Spangen zurecht. Das Kleid, welches sie mir zeigten wollte ich allerdings nicht anziehen und prompt lief eine der Frauen zu ihrem Sohn und gab mir eine von seinen Hosen. Eine andere gab mir Stiefel, ein Oberteil, dass sehr schön anzusehen war, da es mit kostbaren Broschen zusammengehalten wurde, und einen neuen Umhang. Ich hatte zwar energisch protestiert die Sachen anzunehmen, doch sie sollten ein Geschenk für mich sein, da ich zu ihrer Rettung beigetragen hatte und letztlich konnte ich mich nicht gegen ihre Argumente wehren. Meine alten Sachen flickte schon eine der Näherinnen geschickt zusammen, so dass sie fast wie neu wirkten.
„Ich hatte dich für älter gehalten.“, hörte ich jemanden neben mir sagen, drehte mich zu der Person um und blickte in das Gesicht der älteren Frau, die ich schon nach dem Kampf kennen gelernt hatte. Freundlich blickte sie mich an, ihre Augen leuchteten und ihre Falten um den Mund herum spannten sich zu einem Lächeln an.
„Aber unter dem ganzen Schmutz steckt ja doch eine hübsche junge Frau. Ich bin Dalia.“, sagte sie und setzte sich neben mich.
„Jade.“, entgegnete ich kurz.
„Was macht so ein junges Ding wie du eigentlich an einem solchen Ort wie diesen?“, fragte sie und als sie merkte, dass ich nach einer geeigneten Antwort suchte sagte sie ganz schnell: „Entschuldige bitte, aber mit dem Alter wird man ein wenig neugierig, nein, eigentlich war ich schon immer sehr neugierig.“ Nun musste auch ich über ihre Ehrlichkeit schmunzeln. „Ich bin auf einer Reise von der ich allerdings noch nicht weiß wohin sie mich hinführen wird.“, erklärte ich.
„Genau wie wir, ja genauso wie wir.“, sagte sie und wurde nachdenklich, sackte ein wenig in ihrer Körperhaltung zusammen und wir starrten gemeinsam in das Feuer ohne weiteres zu erklären. Es war angenehm ihre Anwesenheit zu spüren ohne jedoch ein Wort zu sagen.
Mein pelziger Freund legte sich neben sie und ich konnte sehen, wie sie ohne zu zögern sein geschmeidiges Fell streichelte. Nein diese Menschen waren keine Gefahr für mich, denn wenn dieses Tier ihnen vertraute, konnte ich es auch.
Langsam wurde es ruhiger und die tanzbaren Lieder machten nun Balladen Platz, die von Liebenden handelten. Eins ging um zwei Liebende, die beschlossen hatten ohne der Gemeinschaft ein eigenes Leben zu führen, wurden jedoch bitter enttäuscht und fanden letztlich einen grausamen Tod.
Wein wurde gereicht und ich nahm einen Becher an, bemerkte allerdings, dass der Alkohol schnell seine Wirkung entfaltete, da ich diesen nicht gewohnt war. Verschwommen wurde alles um mich herum und die züngelnden Flammen nahmen weitere Konturen und Farben an.
„Ich muss gestehen, da war nicht nur Wein in deinem Becher.“, sagte Dalia als sie meinen Zustand bemerkte. „Aber fürchte dich nicht. Lass dich einfach gehen und vielleicht wirst du sehen, wohin dich dein Schicksal verschlagen wird.“
Zunächst war ich ein wenig schockiert, da sie mir ohne meines Wissens scheinbar eine Droge untergeschoben hatten, doch nach einer Weile ließ ich die neuen Gefühle zu. Eine Wärme machte sich in meinem Körper breit, die mich umschlang wie eine Decke und meine Augen wurden schwerer bis sie mir fast zufielen. Mein ganzer Körper schien schwer aber entspannt zu sein und plötzlich zeigten sich in meinem Kopf Bilder. Träumte ich? War ich am schlafen? Doch die Bilder schienen real und doch wieder nicht, denn sie handelten von Orten die ich bisher nie zuvor gesehen hatte und es kam mir vor, als ob ich wie ein Vogel, von weit oben im Flug auf sie hinuntersehen würde. Felder, weite Felder konnte ich erblicken, als auch kleine Siedlungen, die dazwischen lagen. Und dann erblickte ich eine Stadt. Von ihrem Umfang riesig. Zwei große Türme ragten empor, welche die Größe und Erhabenheit dieser Stadt widerspiegelten.
Als ich aufwachte, war die Sonne schon aufgegangen, das Feuer erloschen und beschäftigte Menschen liefen um mich herum.

Zwei Wochen lebten sie in diesem Lager und in der Zeit blieb ich bei ihnen und gewöhnte mich langsam an ihre Anwesenheit. Zunächst schauten mich die Kinder belustigt an, wenn ich meine morgendliche Meditation abhielt, doch die jungen Männer bewunderten mein Kampftraining und baten mich, ihnen ein paar Techniken zu zeigen und letzten Endes trainierten sie fleißig mit mir. Ich fühlte mich wie einer der Trainer im Kloster und erwischte mich, wie ich die gleichen Dinge zu ihnen sagte, die auch ich mir immer und immer habe anhören müssen. Trotzdem blieb ich die meiste Zeit in meinem Zelt, welches sie für mich errichtet hatten, denn an Einsamkeit war ich schon immer gewöhnt gewesen und so konnte ich neugierigen Fragen zu meiner Person aus dem Weg gehen. Die einzige, mit der ich gerne zusammen war, war Dalia, mit der ich ausgedehnte Spaziergänge durch den Wald unternahm und jedes Mal ihre Ausdauer für ihr Alter bewunderte, denn sie ging keinen Schritt langsamer als ich und legte auch keine Pausen ein.
„Ich denke, dass du nicht mit uns gehen wirst.“, bemerkte sie während wir so nebeneinander hergingen.
„Nein.“, erwiderte ich. „Ich bin euch sehr dankbar, für eure Geschenke und Anwesenheit, aber ich kann nicht.“
Sie nickte verstehend zu und nahm nun eine andere Abbiegung als sonst.
„Ich will dir etwas zeigen.“, sagte sie und führte mich weiter in den Wald hinein, der nun dichter wurde.
Plötzlich konnte ich durch das Geäst ein kleines Haus erkennen und sah verwundert zu ihr runter. Sie ging unbeirrt weiter darauf zu, bis wir an dessen Tür standen.
„Dies soll mein Domizil sein, wenn ich so alt sein werde, dass ich mit den anderen nicht mehr mitgehen kann.“, sagte sie und wir betraten das Haus.
Überall war Staub und Spinweben, doch das Haus besaß einen Kamin, der auch als Kochnische diente und es waren schon ein paar spartanische Möbel darin enthalten.
„Wenn du willst und noch bleiben magst, kannst du es bewohnen.“, sagte sie und lächelte mich an.
„Aber das kann ich doch nicht annehmen.“, protestierte ich.
„Doch das kannst du. Du musst dich nur damit abfinden, dass wir jedes Jahr hier vorbei kommen und dich mit unserer Anwesenheit stören werden.“
„Das tut ihr doch nicht.“
„Hier ist es abgelegen, weit von der Straße entfernt, aber der Wald bietet dir all seine Gaben an. Schau dich ein wenig um, ich werde zu den anderen gehen.“

Ich nahm ihr Angebot dankbar an und winkte der Gruppe noch ein letztes Mal zu als sie mit samt ihren Habseligkeiten hinter der Biegung verschwanden.
Sie hatten mir aber noch weitere Gegenstände da gelassen. Töpfe, Decken, Stoffe für neue Kleidung, Grundnahrungsmittel und vieles andere. Noch nie war ich so großzügigen Menschen begegnet. Ich richtete mir mein neues Heim gemütlich ein und auch der Wolf schien mit seiner neuen Umgebung zufrieden zu sein.
Zwei mal sah ich sie wieder, woran ich erkennen konnte, dass schon zwei Jahre vergangen waren und jedes mal ließen sie mir wieder nützliche Sachen da und erzählten mir ihre Geschichten.
In der ganzen Zeit hatte ich nichts mehr von den Kriegern gehört und gesehen. Eigentlich ab dem Moment, wo ich in dem verwunschenen Wald gewesen bin. Dachten sie vielleicht, ich wäre darin gestorben? Aber man konnte niemals sicher genug sein, und daher stellte ich in der Umgebung kleine Fallen auf, die nur der Wolf und die Zigeuner kannten.
Ich hätte an diesem Ort glücklich werden können.
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Alt 19.02.2007, 12:38   #13
Trisha
 
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6. Kapitel

Oft stand er einfach nur da und schaute in den tiefen Wald, der vor ihm lag und hoffte immer aufs Neue die vergangenen Ereignisse rückgängig machen zu können. Doch dazu war er und noch nicht einmal die Götter fähig, an denen er zu zweifeln begonnen hatte, nachdem Jade ihn verlassen musste, da sie zum Feind geworden war. Er konnte nicht verstehen, warum man ihr so viel Hass entgegenbrachte, insbesondere die Hohepriester, da er sie besser kannte und nicht daran glaubte, dass sie nun zu einem anderen Menschen geworden war, obwohl sie ihm versucht hatten, dies oft genug zu verdeutlichen. Einen Grund den sie ihm nannten, war der Mord an dem menschlichen Sohn einer angesehenen Familie von Dragonblooded, den Jade begangen hatte. Narthon, der genau wie viele der Anderen, die in das Kloster weit entfernt von der „Blessed Isle“ gebracht wurden, war ein gerissenes, arrogantes und verzogenes Bürschchen gewesen, der sich selber mit seiner Art in den Tod katapultiert hatte. Dies war immer noch Andrews Ansicht und egal was sie ihm noch sagen würden, er versuchte dies niemals zu vergessen. Doch auch er musste sich vorsehen, denn er würde als gewöhnlicher Mensch, sein gesamtes Leben in diesem Orden verbringen, unter den scharfen Augen der Ausbilder, die Dragonblooded waren und Hohepriestern, die sich zum Ziel gemacht hatten Anathemas zu verfolgen und zu töten. Sich gegen diese zu stellen, indem er Jade weiterhin in Schutz nahm, könnte auch seinen Tod bedeuten. Der winterliche Wind, der nun stark an seiner Kleidung zerrte ließ ihn erschauern und eine tiefe Traurigkeit machte sich in ihm breit.
Doch war sie wirklich gestorben? Hatte sie selber ihr Schicksal besiegelt, indem sie in den Wald der bösen Geister gegangen war?
Ein tiefes Seufzen entwich ihm, als er darüber nachdachte und er musste sich abwenden , da er nicht mehr in den Wald blicken konnte, in den er sie geschickt hatte.
Da war doch noch etwas. Tief in seinem Herzen spürte er die Verbundenheit zu Jade und sie wurde auch nicht mit jedem Tag schwächer. Doch die Krieger, die sie geschickt hatten, unter ihnen einfache Menschen als auch Krieger der Wyld Hunt, beteuerten, dass Jade nicht wieder aus dem Wald herausgekommen war. Im ganzen Umkreis hatten sie gesucht und letztlich waren sie genau für diese Zwecke geschult worden.
Dies waren die Dinge, die er ihr noch nicht erzählt hatte. Schließlich war sie noch nicht so weit gewesen, weder in ihrer Überzeugung, noch in ihrer kämpferischen Ausbildung. Den Ort für dieses Kloster hatten die Hohepriester, die zu einer Ordensgruppe der Immaculated Order gehörten, sorgfältig geplant. Er sollte außerhalb von jeglichem kulturellen Geschehen liegen und auch für die Allgemeinheit nicht auffindbar sein, denn die Angesehenen aus den Riegen der Dragonblooded wollten oft die Tatsache vertuschen, dass auch sie menschliche Nachfahren besaßen. Daher wurden diese Kinder ausgebildet, um die Armee der Wyld Hunt zu verstärken, um doch noch einen Platz in der Welt der Dragonblooded zu erhalten. Auch die ganz Störrischen kamen hier her, um abgeschieden von der Welt, Demut und Disziplin zu erlernen. Eher gesagt, es wurde ihnen eingeprügelt und auch Jade hatte die Konsequenzen für ihr unbändiges Verhalten zu spüren bekommen. Nun dachte er über ihre Mutter nach. Sie hatte sich für ihre Tochter wahrscheinlich nur das Beste gewünscht, als sie Jade abgegeben hatte. In seine Hände. Und was hatte er ihr angetan! Er hatte sie für seine Überzeugungen opfern wollen. Ausgebildet zu einer Kämpferin mit starkem Glauben an ihre Dogmen hätte sie andere Anathemas umgebracht, zu welcher sie nun auch geworden war. Doch er hatte einen dieser Solars kennen gelernt: Jade. Und sie war nichts von dem, dass er Jahre lang zu bekämpfen versucht hatte. Zu viele Generationen hatte er schon in diesen für ihn sinnlos gewordenen Kampf geschickt und in diesem Moment kam ihm sein bisheriges Leben absurd vor.
Nein, sie war nicht tot. Da war er sich gewiss und er würde einen Weg finden, ihr weiterhin zu helfen.

Wieder war ein Jahr vergangen und die Zigeuner ließen mich abermals allein. Ihr Aufenthalt war jedoch länger als die Vorherigen gewesen und ich hatte mir viele ihrer neuen Geschichten erzählen lassen. Dalia, deren Alter man ihr nun ansah, entschloss sich allerdings nochmals mit ihnen zu gehen, obwohl sie nun nicht mehr so einfach während unserer Spaziergänge Schritt halten konnte und ihr heftiges Husten beunruhigte mich. Doch diese Frau war starrsinniger als jeder Esel und so winkte ich auch ihr wieder zum Abschied. Die Erinnerungen an unsere Gespräche blieben aber und mit jedem Tag dachte ich nun intensiver über ihre Worte nach.
„Jade du bist doch zu jung um für ewig hier zu bleiben.“
„Dalia, du weißt das ich hier am sichersten bin.“
„Jaja, ich weiß du hast deine Gründe, die du mir nicht nennen willst, aber schau, die Welt hält noch viele Orte wie diesen bereit.“, sagte sie und ein erneuter Hustenanfall ließ sie erbeben.
„Ich glaube ich bin aber noch nicht bereit dafür.“, flüsterte ich und blieb stehen, um ihr eine Rast zu ermöglichen.
„Vier Jahre sind schon vergangen. Wenn nicht jetzt, wann dann.“ Es war nicht als Frage gemeint, dass wusste ich und ich empfand auch nicht den Wunsch ihr darauf zu entgegnen.
„Du hast Mut und Kraft. Was soll dann schon geschehen? Und was ist mit der Liebe? So wirst du ihr auf jeden Fall nicht begegnen.“, plauderte sie und ein breites Grinsen entblößte ihre immer noch weißen Zähne.
„Ach Dalia. Die Liebe ist nichts für mich. Körperliche Nähe ist mir fremd und der einzige Mann der mir in der Art begegnet ist, den habe ich..., der hatte mich enttäuscht.“ Bei diesem Satz war ich lauter geworden, denn der erneute Zorn kam über mich, den ich bei dem Gedanken an Narthon empfand. Aber auch über mich selber wurde ich wütend, da ich Dalia fast von meiner Vergangenheit zu viel erzählt hätte.
„Ja Enttäuschungen schmerzen. Aber du wirst sehen. Überleg es dir noch einmal.“, sagte sie und wir begannen nun den Rückweg zu meinem Heim.
„Du weißt, du kannst mit uns mitkommen, aber ich wäre auch nicht böse, wenn ich eines Tages an dieser Tür stehen würde und du sie mir nicht öffnest, da du hinaus in die Welt gegangen bist, um neue Abenteuer zu bestreiten.“ Und da war wieder dieses Lächeln, dessen Wärme mich erfüllte und das ich vermissen würde.
Wenn ich ginge, hätte ich eine weitere Freundin verloren.
Eines Abends verhielt sich mein pelziger Freund seltsam. Er blieb an der Tür stehen und fixierte sie. Dann begann er heftig zu schnuppern und als sich dann sein Fell aufrichtete und er somit höchste Alarmbereitschaft signalisierte, sprang ich auch vom meinem Sessel auf und schaute aus dem Fenster. Doch ich konnte nichts erkennen. Auch meine Warnsignale hätten erläuten müssen, wenn sich jemand dem Haus genähert hätte. Also setzte ich mich wieder, lauschte aber angestrengt und beobachtete weiterhin das Verhalten des Wolfes.
Immer noch stand er vor der Tür und als er begann zu knurren, wusste ich, dass ein Fremder im Anmarsch war. Und da hörte ich auch schon die Glocke, die ich an einem dünnen Seil befestigt hatte. Jemand war gegen das Seil gekommen und hatte die Glocke zum Läuten gebracht. Ich musste mich zur Ruhe zwingen, doch mein Herzschlag schien in meinen Ohren zu dröhnen und ich spürte wie mein Atem unkontrolliert und einfach zu schnell ging.
Dann ein lautes Klopfen an der Tür. Nach einem tiefen Atemzug ging ich vorsichtig ans Fenster, welches sich direkt neben der Tür befand und spähte hinaus.
Eine große, stämmige Gestalt war sichtbar, eingehüllt in einen langen Mantel und wieder erhob sie die Hand um zu klopfen. Dann hielt sie jedoch inne und ich sah in schlitzförmige Augen, die sich zu mir umgedreht hatten. Der Kopf war kahl und jetzt erst konnte ich erkennen, dass es sich um einen Kopf einer Schlange handelte. Die Zigeuner hatten mir von solchen Wesen erzählt, doch ich hatte niemals zuvor einen Schlangenmenschen gesehen.
Dann nickte er mir zu als Zeichen mich gesehen zu haben. Was wollte er von mir? Doch weglaufen konnte ich ohnehin nicht und wenn es zu einem Kampf kommen würde, wäre ich bereit. Ich gab dem Wolf ein Zeichen, sich verfügbar zu halten, vorerst aber nicht anzugreifen und nahm eine Fackel, die ich am Kamin entfachte. Hatten die Zigeuner nicht erwähnt, dass sich Schlangenmenschen vor Feuer fürchteten?
Vorsichtig öffnete ich die Tür und bewegte mich schnell, rückwärts gehend von ihr weg, die Gestalt anvisierend.
Er trat mit großen Schritten ein und ein Zischen entwich ihm, wobei ich seine gespaltene Zunge sehen konnte, als er die Fackel in meiner Hand erblickte.
„Was wollt Ihr?“, fragte ich ihn mit lauter Stimme.
„Ich bin wegen dir hier. Ich scheine dich ja sehr zu beunruhigen.“, sagte er und deutete auf die Fackel.
„Sollte ich denn beunruhigt sein?“, fragte ich mit fester Stimme.
„Ich bin nicht hier, um zu kämpfen.“, sagte er und bewegte sich auf den Sessel zu. Mit einem weiteren Zischen ließ er sich in diesen fallen, legte entspannt die Arme auf die Lehnen und schaute mich unbeirrt an.
„Ich will dir ein Angebot machen.“, sagte er gelassen. Ich muss zugeben, dass ich irritiert war und scheinbar bemerkte er es auch.
„Ich habe gehört, dass hier ein gute Kämpferin lebt und ich will das du für mich kämpfst.“, erklärte er nun. Die Verwirrung wurde ersetzt durch Wut. Hatten die Zigeuner getratscht? Hatten sie von mir erzählt, so wie sie auch mir von anderen Geschichten erzählt hatten? Doch sie konnten im Grunde nichts dafür, denn das lag in ihrer Natur. Wie hatte ich mich nur sicher fühlen können? Und jetzt ärgerte ich mich mehr über mich selber, als über die Zigeuner.
„Ähm nachdem wir das geklärt haben. Muss das da sein?“, fragte er und zeigte auf die Fackel.
„Ich kämpfe für niemanden!“, sagte ich, ging zum Wassertrog und löschte sie, schaute zu meinem pelzigen Freund, der nun wieder etwas entspannter in einer Ecke saß, jedoch immer bereit war, dem arroganten Wesen die Kehle durchzubeißen.
„Hm. Ich weiß warum du dich versteckst.“, sagte er ruhig, legte seine Fingerspitzen zusammen und stellte seinen Kopf schräg.
„Du weißt gar nichts über mich.“, erwiderte ich wütend.
„Ich weiß, dass mit dir seltsame Dinge geschehen sind, die du dir nicht erklären kannst. Ich könnte es vermutlich.“
Wusste er wirklich etwas über mich? Und wenn, von wem? Langsam mäßigte sich meine Wut und Aufregung und machte der Neugierde Platz. Ich hatte mit niemanden über mich zu reden gewagt und er schien mir einiges erzählen zu können. Es hatte zwar seinen Preis, aber man konnte sich ja zumindest sein Angebot anhören.
„Wenn du für mich kämpfst und siegst, kann ich dir zeigen, was mit dir geschehen ist und warum du gejagt wirst und dir etwas geben, nachdem du schon lange suchst.“
Mit einem Male dachte ich wieder an die Worte von Dalia: „Wenn nicht jetzt, wann dann.“
Ich hatte mich wirklich schon zu lange versteckt und wofür das Alles. Von meinem Heim hatte schon dieser Schlangenmann erfahren und es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis die Krieger auch auf diese Spur kommen würden. Ja ich war mutig und ich hatte verdammt viel Kraft und vor allem sehr viele Fragen. Fort gehen müsste ich sowieso, warum dann nicht um einen Kampf zu bestreiten. Kämpfen konnte ich und dann würden hoffentlich einige der Fragen beantwortet werden, die mir schon seit mehr als vier Jahren durch den Kopf gingen.
„Gut ich willige ein.“, sagte ich entschlossen, worauf er sich erhob, mir sagte ich sollte für eine lange Reise packen und dass es am nächsten Morgen los gehen würde. So schnell wie er erschienen war, war er dann auch wieder weg und ich stand noch eine Weile im Raum, immer noch verwirrt über meinen plötzlichen Sinneswandel. Ich war aber auch fest entschlossen diese Sache durchzuziehen.
„Leb wohl Dalia, und danke für alles.“

Das Pferd, welches mir die Zigeuner da gelassen hatten, erfüllte nun seinen Nutzen und bepackt mit weiteren Kleidungsstücken, Proviant und etwas Geld, folgte ich diesem seltsamen Geschöpf, dessen Anwesenheit mich jeden Tag beunruhigte, denn seine schlitzförmigen Augen musterten mich und die Worte, die er sprach, wobei jedes mal seine Zunge zum Vorschein kam, fand ich einfach widerwärtig, da sie keine Klarheit brachten und mir dieser Schlangenmensch somit einfach falsch und gerissen vorkam.
Wir folgten dem Fluss, welcher mir die ganzen Jahre Wasser gespendet hatte und so langsam begann sich die Gegend zu verändern. Die Bäume standen weniger dicht beieinander und so strahlte die Sonne mit ihrer ganzen Kraft auf uns nieder und wärmte meine blasse Haut. Es war Frühling und die Lichtungen übersät mit Blumen, die in allen Farben schimmerten. Auch die Laubbäume trugen ihre Blüten, um im Sommer ihre Früchte darbieten zu können. Die Luft war frisch und bei jeder morgendlichen Meditation, die ich mir nicht nehmen lassen wollte, klärte sie meinen Kopf und erfüllte meinen Körper mit neuer Energie. Immer größer wurden die Lichtungen, bis die Bäume fast verschwunden waren und vor mir tat sich ein Bild auf, dessen Anblick mich vor Aufregung und Freude frösteln ließ. Das Land, war weit und ich konnte zum ersten mal in meinem Leben in die Ferne blicken. Mit einem satten Grün war der Boden bedeckt, durchbrochen von kleinen Straßen, die in alle Richtungen führten und die Sonne am Himmel war in ihrer gesamten Pracht zu sehen. Ich genoss jeden Morgen, wenn sie mit ihrer Kraft aus dem Boden zu kommen schien und das Land in ein wärmendes Rot hüllte, genau wie sie am Abend wieder niederging und dem Mond Platz machte, um uns mal mehr und mal weniger Licht zu spenden.
Der Fluss zu unserer linken Seite nahm nun auch an Gewalt zu und wurde breiter, so dass ich kaum noch das andere Ufer erblicken konnte. Die Ferne dieses Landes erfüllte mich mit einer noch nie da gewesenen Freiheit und ich war froh, diesem Weg zu folgen, obwohl wir wachsam sein mussten, da die Krieger nun ein Leichtes hatten uns zu entdecken.
Doch der Schlangenmensch schien von diesem Gedanken nicht beunruhigt zu sein, denn er ritt unbeirrt weiter. Auch diesmal lief der Wolf neben mir her und ließ mich nicht allein ziehen, obwohl er seine Heimat, den für ihn sicheren Wald, verlassen musste.
Eines Nachts hörte ich die Hörner der Krieger, die nicht weit von uns zu sein schienen und wir ritten fortan nur noch Nachts, denn der Mond hatte seine Form verändert und überließ der Dunkelheit das Land. Ein paar Mal entkamen wir somit den wachsamen Augen der Späher, doch Missmut machte sich in mir breit, da ich erkennen musste, dass sie die Jagd nach so langer Zeit nicht eingestellt hatten.
„Wir werden bald die Fähre erreichen, die uns in eine Stadt auf der anderen Seite des Flusses bringen wird.“, sagte der Schlangenmensch und bei dem Wort Stadt wurde meine Stimmung noch schlechter, da ich den Gedanken an Menschenmassen nicht ertragen konnte.
An der Fähre angekommen zahlte er einem zerzausten, alten Mann für unsere Überfahrt, der uns eingehend beobachtete, während er das große Floß über den Fluss steuerte. Die Kapuze meines Mantels hatte ich tief ins Gesicht gezogen, doch ich konnte seinen bohrenden Blick wahrnehmen.
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Alt 19.02.2007, 14:14   #14
Trisha
 
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Standard 6.Kapitel - 2.Teil

Eine große Mauer, durchbrochen von Toren erblickte ich am nächsten Morgen vor uns.
„Das ist Great Forks. Hier werden wir in einem Gasthaus Rast machen, da ich noch einige Dinge zu erledigen habe.“, hörte ich die zischelnden Worte des Schlangenmenschen. Die Tore waren weit geöffnet, womit uns das Eintreten keine Probleme bereitete. Schon am Eingang kamen uns Menschen entgegen, die wild durcheinander in die Stadt ein und ausliefen, mit Taschen bepackt oder mit großen Karren, welche von Ochsen gezogen wurden. Darauf befanden sich große Fässer und Beutel, dessen Inhalt ich nicht erkennen konnte. Verwundernd sahen sie zu uns herauf, denn wir gaben in ihren Augen eine seltsame Gruppe ab, doch diese Aufmerksamkeit die sie uns schenkten war nicht von langer Dauer und somit drangen wir ohne Probleme weiter in die Stadt hinein. Da die Straßen nun noch belebter wurden, stiegen wir von unseren Pferden ab und zogen sie durch die Straßen. Die Häuser, welche sehr schlicht waren standen nah beieinander und ich konnte Frauen sehen, die aus den Fenstern Unrat auf die Straße kippten, so dass man sich vorsehen musste, nicht von ihnen getroffen zu werden. An einem kleinen, sehr mit genommenen Gebäude machten wir Halt, welches das Gasthof sein sollte und übergaben unsere Pferde einem kleinen Jungen, der aus dem Haus hinausgestürmt kam, um sie in den Stall zu bringen, der sich dahinter befand. Er freute sich über die Münzen, die er vom Schlangenmenschen bekam und wir konnten sicher sein, dass er sich um die Tiere sorgsam kümmern würde.
Wir traten ein und durch die Dunkelheit in den Räumlichkeiten, konnte ich zunächst nicht viel erkennen. Doch als sich meine Augen langsam an diese gewöhnt hatten, sah ich dass wir uns in einer Stube befanden, an deren schlichten Holztischen Menschen saßen, die lautstark, vom Wein benebelt, miteinander sprachen und den Rauch von ihren Zigarren in den Raum bliesen.
Über einem Feuer im hinteren Teil des Raumes drehte sich ein Spanferkel, dessen Fett, welches in die Flammen tropfte, diese zum Zischen brachten. Hier nahm jedoch keiner Notiz von unserer Anwesenheit, außer der Wirt, der aufgeregt auf uns zulief und uns nach einem kurzen Wortwechsel mit dem Schlangenmenschen unsere Zimmer zeigte.
„Ruh dich ein wenig aus. Ich werde noch meine Besorgungen machen und dann können wir gemeinsam essen.“, zischelte der Schlangenmensch und ich befand mich nun endlich wieder alleine mit dem Wolf in meinem Zimmer. Wohin hatte mich dieser widerliche Kerl nur hingeschleppt? Und unsere Reise schien auch nicht zu Ende zu sein, denn er wollte hier nur für eine Nacht verweilen, dies hatte er mir gesagt. Gegen wen würde ich wohl kämpfen müssen? Lauter Fragen schossen mir wieder durch den Kopf, doch der Gedanke mich einem Gegner stellen zu müssen, gefiel mir langsam, denn so konnte ich nun endlich meine Kräfte unter Beweis stellen. Statt mich auszuruhen, ging ich aufgeregt im Zimmer auf und ab und als meine Ungeduld zu groß wurde, beschloss ich hinunter zu gehen, um mich noch ein wenig umzusehen. Ich setzte mich an einen kleinen Tisch, welcher in einer Ecke stand und von dem ich das Geschehen gut beobachten konnte. Schnell kam eine fröhliche Frau zu mir, deren blonde Haare zwar von Klammern gehalten wurden, jedoch viele gelöste Strähne ihre rot glühende Wangen umrahmten und während sie sprach hüpften ihre prallen Brüste, denn das Kleid vermochte sie nicht vollkommen zu bedecken.
„Willkommen in Great Forks! Ihr scheint neu hier zu sein. Was wollt Ihr trinken?“, fragte sie mich und ich musste beschämt weg sehen als ein betrunkener Kerl an ihr vorbei ging und sie in ihren Hintern zwickte. Doch ihr schien diese Grobheit nichts auszumachen, lachte nur und stieß den Kerl von sich weg. Andere die dies mitbekommen hatten, grölten und halfen ihm wieder auf die Beine. Dann wandte sie sich wieder zu mir: “Ah, ich weiß schon, ich bringe euch die Spezialität unserer Stadt, unseren Wein.“ Noch bevor ich antworten konnte, war sie wieder verschwunden und kam mit einem Becher wieder, den sie vor mich stellte.
„Wollt ihr vielleicht auch eine Zigarre. Wir haben welche da, welche die besten Kräuter enthalten, die man hier zu kaufen bekommen kann?“, fragte sie und wieder wurde ich unterbrochen, diesmal jedoch von dem Schlangenmenschen der plötzlich neben mir stand.
„Nein danke. Und jetzt geh!“, sagte er und wedelte mit seiner Hand, als ob der Lufthauch sie hätte fort schieben können. Er setzte sich neben mich und fing an spöttisch zu lächeln.
„Dafür, dass du unerkannt bleiben willst, tust du aber nicht sehr viel dafür.“
„Ich hatte es einfach nicht ausgehalten in meinem Zimmer.“, erwiderte ich.
„Deine Unbändigkeit gefällt mir. Werden wir sehen, ob sie dir in deinen Kampf behilflich sein wird.“
„Gegen wen soll ich denn kämpfen?“, fragte ich entnervt, da er immer über den Kampf sprach aber nicht näher darauf einging.
„Warte ab. Du wirst überrascht sein.“, zischelte er und trank von seinem Wein, den die Frau ihm gebracht hatte.
„In welcher Stadt befinden wir uns hier eigentlich?“, versuchte ich nun ein anderes Thema.
„Der Name ist dir ja bekannt. Sie ist nichts besonderes. Auf jeden Fall im Gegensatz zu Nexus, wohin wir morgen reiten werden. Great Forks wird von drei Geistern regiert und hier wird bevorzugt mit Wein, Tabak und Kraut gehandelt.“
„Götter?“, fragte ich ungläubig.
„Ja warte ab, du wirst noch viel mehr zu sehen bekommen, wenn wir in Nexus ankommen werden. Und dann werde ich, wenn du siegst, mein Wort halten.“
Damit endete mal wieder unser Gespräch und wir bestellten Essen, welches wir schweigend zu uns nahmen.
Plötzlich wurde der Wolf, der sich unter den Tisch gekauert hatte wieder unruhig und ich folgte seinem Blick zur Tür. Drei Menschen, in edler Kleidung kamen die Tür herein, bewaffnet mit einem Bogen und ich konnte auf dem Hemd, das Abzeichen des Ordens erkennen. Das Fleisch blieb mir im Halse stecken und ich versuchte nicht in ihre Richtung zu sehen, um unauffällig zu bleiben. Der Schlangenmensch erblickte sie nun auch und deutete auf die Treppe zu meiner Seite. Wir versuchten unbemerkt zu bleiben, als wir aufstanden und uns dieser näherten, um in die Schlafgemächer nach oben zu gehen. Ich weiß nicht, ob sie uns gesehen hatten, aber ich fühlte durchdringende Blicke als wir die Treppen hinaufstiegen.

Wir würden sehr früh am Morgen aufbrechen, um so schnell wie möglich nach Nexus zu gelangen und um den Kriegern des Ordens zu entkommen, denn ein sofortiger, hastiger Aufbruch wäre auffällig gewesen. Wir saßen in dem Zimmer des Schlangenmenschen, um abwechselnd in der Nacht wachen zu können. Zunächst wollte es nicht ruhig werden in dieser Stadt, doch als die Letzten in der Gaststube hinaustorkelten und keiner mehr auf den Straßen zu sehen war, hatte die Stadt endlich zu schlafen begonnen. Ich mochte die Stille, denn so konnte ich mich auf sämtliche Geräusche konzentrieren, die verdächtig klangen und sie besser ausfindig machen. Und da war das Geräusch das ich gefürchtet hatte. Ich weckte den Wolf und den Schlangenmenschen und deutete auf den Gang hinter der Tür. Das Holz der Treppe knarrte bei jedem Schritt, den die Krieger machten und als dieses nicht mehr zu vernehmen war, wusste ich das sie vor der Tür standen. Nur noch wenige Meter trennten uns und ich hatte das Gefühl ihr Atmen zu hören. Nein sie würden mich nicht bekommen! Das würde ich zu verhindern wissen! Der Tag an dem ich Sterben würde, war nicht heute! Ich hatte nicht bemerkt, dass es hell in dem Raum geworden war, so angespannt war ich jetzt, tief der Wille des Überlebens in mir verwurzelt. Ich stellte mich in Kampfposition und schon flog die Tür mit einem lauten Krachen auf. Einer der Krieger kam nun in den Raum getreten und musste durch die Helligkeit, die ihn erfasste blinzeln. Nun bemerkte ich es auch und erkannte irritiert, dass das Licht von mir stammte. Ich leuchtete in einem hellen Licht!
Doch ich musste diese Situation jetzt schnell ausnutzen und nicht weiter darüber nachdenken.
Ich sprang auf ihn zu und schmetterte ihn durch einen Tritt zu Boden. Schnell rappelte er sich aber wieder auf und hielt nun ein Messer in seinen Händen. Der Schlangenmensch warf mir seinen Dolch zu und der Kampf begann. Dieser Gegner war nicht leicht zu besiegen, denn er war von den gleichen Trainern geschult worden, die auch mir das Kämpfen gezeigt hatten. Doch ich spürte eine immense Energie und mit dieser Kraft brachte ich ihn zu Fall. Kurz zögerte ich, doch dann rammte ich ihm den Dolch in seine Brust und sah wie der letzte Lebensfunke aus ihm wich. Kurz darauf stürmten die anderen zwei Krieger in den Raum und während ich gegen einen von ihnen kämpfte, warf sich der Wolf mit einem Sprung auf den Anderen, wodurch er zu Boden gerissen wurde und versuchte das Tier von seiner Kehle fern zu halten. Tritte folgten Schlägen, kontrolliert und mit keinerlei Angst wich ich aus und schlug zu. Nicht mehr meiner selbst rannte ich auf eine Wand zu, lief sie hoch, sprang und fand mich hinter meinem Gegner wieder, den ich am Kopf packte und dessen Kehle mit dem Dolch durchschnitt. Immer noch kämpfte der Wolf mit dem Dritten, doch als er mich kommen sah, ließ er von ihm ab und ich stieß mit einem Lauten Schrei, das tief aus meinem Innern entwich, in sein Herz. Der Kampf war vorbei und die Dunkelheit der Nacht umhüllte uns wieder.
„Gut gemacht junge Kriegerin. Einen Vorgeschmack auf deine Kräfte zu erhalten hat mir gefallen!“, sagte der Schlangenmensch, der während dem ganzen Kampf nur in einer Ecke gestanden und amüsiert zugesehen hatte. Sofort brachen wir auf, zu der verheißungsvollen Stadt Nexus.

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