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Alt 03.08.2012, 23:45   #1
weiblich JumpingJolly
 
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Standard Storyline

Prolog

Immer wieder kam seine Stimme hoch. Ich versuchte sie zu unterdrücken, doch es erwies sich als erfolgloser Versuch. Langsam sank ich auf einen Stuhl in der Ecke des Ladens nieder. Ich kramte in meiner Tasche nach einem Stift und dem Papierblock. Die Tasche war jedoch mit so viel sinnlosem Kram überfüllt, dass ich den Stift nicht fand.
„Brauchen Sie so etwas?“, hörte ich eine unbekannte Stimme über mir. Ich sah hoch und ein freundlich aussehender Mann streckte mir einen Stift hin. Wieder blitzte die Stimme in meinem Kopf hoch. Verzweifelt sah ich mich nach meiner Betreuerin um. Sie war in der Drama-Abteilung des Buchladens. Sie hatte mich hier allein sitzen gelassen, ohne dass ich etwas merkte.
„Keine Sorge, Sie können den Stift auch behalten“, lächelte der Fremde mich an. Ich nahm all meinen Mut zusammen und schüttelte den Kopf. Das Lächeln verschwand von seinem Gesicht, er drehte sich um und ging.
Erleichtert schloss ich meine Augen und liess die Tränen laufen. Ich sass nur da und weinte. Es kam vor, als würde ich endlose Stunden hier sitzen und der Stimme in meinem Kopf zuhören. Wie sie mir sagte, dass ich schreiben sollte. Ich musste schreiben, ich musste unbedingt für ihn schreiben. Es kostete meine Seele, doch ich konnte nicht anders. Mein Körper begann zu zittern und sich zu verkrampfen, bis sich ein Schluchzer aus mir raus kämpfte. Die Stimme wurde immer lauter, ich dachte ihn vor mir zu sehen. Er griff nach meinem Arm, dass es weh tat. Er fügte mir Schmerzen zu, immer und immer wieder. Ich schlug um mich, doch er war stärker. Doch dann verschwand es. Die Stimme war weg, er ging. Stattdessen sass meine Betreuerin vor mir.
„Liz, ist schon gut. Ich bin bei dir, es ist alles okay.“ Sie stand auf und drehte sich um. „Die Show ist vorbei. Kauft euch eure Bücher und verschwindet.“
Schwer atmend realisierte ich, dass ein Beruhigungsmittel anfing zu wirken.
„Nora? Was ist passiert?“, flüsterte ich. Sie drehte sich wieder zu mir, griff nach meiner Hand und zog mich auf die Beine.
„Es ist doch zu früh. Es tut mir leid, ich hätte es wissen müssen. Lass uns zurück zur Klinik.“
Ich riss mich von ihr los und schüttelte den Kopf. Obwohl mir klar war, dass ich keine andere Wahl hatte, wollte ich nicht weg. Ich wollte nicht wieder eingeschlossen werden, wollte nicht mehr zu diesen Sitzungen, in denen sie mich zum reden zwangen.
„Liz, tu das nicht. Ich möchte dir nicht noch eine Dosis geben. Wir wissen beide was dann passieren wird. Tu mir das nicht an.“ Nora streckte mir ihre Hand hin.
Ich fügte mich dem Geschehen. Das Beruhigungsmittel breitete sich in meinem ganzen Körper aus und ich wollte nur noch ins Bett.

Ich strich über das braune Leder der Couch und bemühte mich nicht hochzusehen. Mein grösster Wunsch war nur, dass die Therapeutin verschwinden würde und ich mich auf diese Couch hinlegen konnte. Dennoch sass ich nur da und starrte auf das Leder.
„Nun, ich habe von Nora gehört was passiert ist. Wir können Sie auf keinen Fall aus der Klinik lassen, nicht einmal für eine Stunde.“
Ich sah nun trotzdem hoch und blickte in ihre nussbraunen Augen. Ihre Haare waren zu einem strengen Knoten gebunden und sie presste ihre Lippen zusammen. Das typische Klischee einer wütend aussehenden Frau. Ihr Name war Caroline Johnson und sie wurde mir nach einigen gescheiterten Psychologen als Therapeutin vorgestellt.
„Ich weiss, dass Nora die einzige Person ist, mit der Sie reden. Doch wenn Sie über ihres Erlebnis hinwegkommen möchten, müssen Sie sich mir anvertrauen.“
Ich blickte nun wieder die Couch an. Alles drehte sich und ich schloss die Augen. Das einzige was ich mir jetzt wünschte, war ein Bett.
Ich hörte wie der Stuhl von Ms Johnson sich verschob und wie sie nach dem Telefon, welches sich hinter ihr auf einem Bürotisch befand, griff.
„Nora? Bitte bringen Sie Liz in ihre Zimmer. Sie scheint das Beruhigungsmittel nicht zu vertragen. Sie soll sich bis zum Abendessen hinlegen.“
Während ich mir alle Mühe gab nicht einzuschlafen, hörte ich wie Ms Johnson ihre alltägliche Arbeit wieder aufnahm und mich ignorierte. Vermutlich kam Nora nach fünf Minuten, mir kam es jedoch wie fünf Jahre vor. Sie half mir aufzustehen und brachte mich in mein Zimmer. Ich hielt die ganze Zeit meine Augen zu, aus Angst dass sich sonst alles verschlimmern konnte. Nora half mir mich hinzulegen und deckte mich liebevoll zu.
„Du musst uns sagen was vorgefallen ist, Liz“, sagte sie während sie ein Handtuch befeuchtete. „Ich kann es verstehen, wenn es schwer ist. Aber du musst es irgendwie sagen.“
Nora kam zu mir zurück und presste das eiskalte Handtuch auf meine Stirn.
„Ich wollte es“, flüsterte ich ihr zu. „Aber ich kann es nicht. Darum wollte ich in diesen Buchladen. Ich wollte alles aufschreiben. Aber da waren so viele Männer... Einer hat mit mir geredet.“
Ich blinzelte für einen Augenblick und erkannte Noras besorgten Gesichtsausdruck. Sie fing an zu reden, doch ich hörte sie nicht mehr. Ich glitt sanft in den traumlosen Schlaf.

Nora weckte mich als sie mit einem Tablett in mein Zimmer kam. Ich setzte mich auf und realisierte, dass es Zeit für das Abendessen war. Nora stellte das Tablett auf den Tisch, der sich auf der anderen Seite des Zimmers befand. Wieder unterdrückte ich die Stimme, die in mir aufkam.
„Dein Lieblingsessen“, murmelte sie lächelnd und zog einen Stuhl an mein Bett. Sie setzte sich hin und hielt meine Hand.
„Nora, es tut mir Leid.“
Sie schüttelte ihren Kopf und streichelte meine Hand. Nur diese eine Berührung beruhigte mich bereits. Das war Noras spezielle Gabe. Sie wusste wie man Menschen beruhigte, sie wusste in jeder Situation wie sie damit umgehen musste, damit es dem Betroffenen besser ging. Darum wurde sie Pflegerin und Betreuerin in dieser Nervenklinik.
„Mach dir keinen Kopf, Liz. Wir versuchen hier alle dir zu helfen. Doch wenn du nicht sagst was passiert ist, können wir das nicht tun. Es erklärt sich wohl von selbst, dass ich die Ärzte und Psychologen nicht wieder zu einem kleinen Ausflug überreden kann. Ich sehe welche Qualen du hast. Warum erzählst du nicht, was vorgefallen ist?“
Ich stand auf und lief zum Tisch, um das Tablett genauer zu betrachten. Darauf befanden sich Kartoffelbrei, ein Chilisteak und glasierte Karotten. Es kamen wieder Bilder von den vergangenen Monaten in mir hoch und die Stimme schienen lauter zu werden. Doch ich atmete tief ein und versuchte alles zu unterdrücken.
„Danke für das Essen, Nora. Kannst du mir einen Stift besorgen? Ich werde danach direkt anfangen zu schreiben.“
Ich setzte mich hin und fing an das ganze Menü langsam kauend zu essen, während ich mir überlegte, wie ich mit meiner Geschichte anfangen sollte. Nora hatte Recht, es quälte mich. Wenn das der einzige Weg war, um mir die Qual zu nehmen, würde ich es tun. Für mein Wohl und auch für meine Freundin. Als der Teller leer war, nahm Nora ihn mit und stellte mir den Stift und einen Papierblock hin.
„Ich hab Feierabend. Ruf die Nachtschwester, wenn du Beruhigungsmittel benötigst. Wenn irgendetwas ist, kann sie mich auf meinem Handy erreichen.“
Nora strich mir übers Haar und verliess mein Zimmer. Ich schnappte mir den Stift, überlegte kurz und fing an zu schreiben. Die ganze Nacht...
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