Der Sängerkrieg im Alten Schloss/Dichter/innen-Treffen

[Heinz]

Die Gastgeberin, Schlossherrin

Seid mir gegrüßt, ihr edlen Frauen,
ihr wackren, stolzen Männer auch,
die aus Europens schönsten Auen
nach Baden kamen, um den Brauch
des Sängerwettstreits zu beleben,
der Poesie in ihren Lorbeerkranz
gar bunte Blumen einzuweben
und Monden-, Sternen-, Sonnenglanz.

Weil sie im Vorspiel gut erprobt,
solln Männerstimmen gleich erklingen;
sie sollen hier als erste singen
und hoffen, dass ihr sie recht lobt.
Ich bitte Walter höflich ans Katheder,
er möge sein Willkommen lauthals schmettern.
Mit hübschen Versen aus der kölschen Feder
bewähre Michel sich auf diesen Brettern.
Zuletzt der Älteste in dieser Runde,
ich bin gespannt was seinem losen Munde
zu unserem Pläsier an Versen dann entflieht!
En garde! Wir sind gespannt was nun geschieht!


Der erste Minnesänger, Walter vom Rütli

Sirenenklänge lockten mich gen Norden,
ich schau mich um und grüße alle Gäste
und frage nur: Was ist da nur aus uns geworden -
paar Männlein, tausend Frauen hier bei diesem Feste!

Was bleibt uns Kerls zu tun, dass wir mit unsern Liedern
im Blumenkranz der Damen mit den maskulinen Tönen
mit Not zu hören sind im Kreis der Schönen?
Ich seufze: Lasst uns sein ein einig Volk von Brüdern -
in keiner Not uns trennen und Gefahr,
den holden Damen unsre Referenz erweisen,
sie sind so zart und fein und schön und einfach wunderbar,
versorgen uns mit Tränken, Obst und Speisen...

Der zweite Minnesänger aus Colonia Agrippina

Waltera, ich komm grad aus Kölle, der Stadt mit dem Dom an den Ufern des Rheins,
und dort ist es Sitte, dass Männer die Frauen mit Anmut verwöhnen
mit Nougatpralinen und Schlückchen des lebenerschaffenden, funkelnden Weins.
Wir wollen den Damen die kommenden Stunden gar prächig verschönen
und schicken jetzt Armin zuerst in die Bütt
versagt er, dann lächelt der Kölner: Et kütt wie et kütt!


Der dritte Minnesänger aus dem Land der Hermunduren

So sei es denn, der Reigen der Gedichte mag beginnen!
Wir alle wollen nach und nach mit frohen Sinnen
Gereimtes, Ungereimtes oder Prosa in die Ohren flüstern,
heroisch tönen, hin und wieder Liebesworte wispern.
Die Muse sei uns hold und soll uns alle küssen,
ich fange an und gebe euch zu wissen:

Gedichte sind gemalte Fensterscheiben, (Goethe)
schaut man vom Markt in die Kirche hinein,
da ist alles ... usw.

Es folgen in loser Reihenfolge die anderen Dichter/innen mit ihren Gedichten oder Prosawerken.

[Thing]

Hallo, Heinz -

das nenn ich gute Kost.
Du setzest uns einen köstlichen Braten vor, keine halbgare Brühe.

Es muß in Baden sehr anregend gewesen sein.



Thing

[Heinz]

Hallo Thing,
Baden-Baden war eine Bombe! Ich habe eine Menge guter Schreiberlinge kennen gelernt, die so ganz nebenbei noch andere Talente (Gitarren- und Klavierspiel vom Feinsten, Kompositionen zu eigenen Gedichten, ein ungeahntes Entertaiment-Genie aus der Schweiz, Rezitationskünstler, begnadete Köche) entfalteten - es waren vier Tage des reinsten Vergnügens.
Heinz

[Heinz]

Hallo Thing,
ich danke für das Kompliment!
Der Auiforderung des letzten "Minnesängers" im Eröffnungsgedicht folgten Darbietungen, mit denen ich nicht gerechnet hatte: Eine Dichterin glänzte z.B. mit einer Eigenkomposition, die von einem anderen Dichter auf dem Klavier gespielt wurde, eine Dichterin (den Namen verrate ich nicht), die ich immer für eine strenge, fast allwissende Dame mit grauen Haaren und mindestns 1,90m Körpergröße vor dem geistigen Auge hatte, entpuppte sich als ein Entertaiment-Genie mit Mutterwitz, reizendem Akzent und mitreißenden Rezitationen, das "Küchenpersonal" kredenzte fantastische Abendmahlzeiten, Flamenco auf der Gitarre vom Feinsten, eine wunderschöne Landschaft und Sonne aus allen Richtungen, der Besuch des Badener Theaters mit "Carmen", Wanderungen auf einem Höhenweg zum Alten Schloss, von Touristen mit Beifall bedachte Rezitationen zu Füßen einer Windharfe in einem ehemals wohl großen Rittersaal - ich komm aus dem Schwärmen überhaupt nicht heraus.
Heinz

[DieSilbermöwe]

Lieber Heinz,

das Gedicht ist fantastisch und es freut mich, dass euer Dichtertreffen ein so großer Erfolg war. Allerdings bin ich jetzt fast froh, dass aus dem Treffen in meiner Stadt nichts geworden ist, denn mit solch exquisitem Entertainment hätte man hier wohl nicht mithalten können, ich zumindest nicht. (Beim Poetry-Treffen dachte ich auch eher an ein zwangloses Beisammensein zum Kennenlernen, mehr nicht).

[Heinz]

Liebe Silbermöwe,
danke für das "fantastisch"! Vor einem exquisitem Entertainment hätte ich auch Angst gehabt. Versammelt waren tatsächlich völlig unkomplizierte Leute mit allerdings nicht voraus zu ahnenden Talenten. Genau das, was Du Dir gewünscht hättest, wurde Realität: Ein ungezwungenes gegenseitiges Kennenlernen, viel Heiterkeit, einer Wanderung durch eine romantische Landschaft und der allgemeine Wunsch, so ein Treffen im nächsten Jahr mit noch mehr Teilnehmer/innen am gleichen Ort (wahrscheinlich zu Pfingsten) zu organisieren. Dieselben Bedenken wie Du hatten auch Teilnehmer/innen des diesjährigen Treffens und - sie zerstoben im Wind (vielleicht hat die Champagnerspende eines Teilnehmers und mein armenischer Brandy evtl. vorhandene Hemmschwellen ganz niedrig werden lassen). Meine "Ehrfurcht" vor hochkarätigen Poeten/Poetinnen war nach zehn Minuten vom Winde verweht.
Liebe Grüße,
Heinz