Raupe und Meckergeiß

[Fridolin]

Die Raupe spricht zur Meckergeiß:
„Hör mal, du meckerst ja mit Fleiß
und kritisierst, was soll das frommen?
So wirst du nie nach oben kommen.“

„Ich strebe“, mäht die Geiß, „nach Klarheit,
denn über allem steht die Wahrheit.
Ich sage meine Meinung offen
und hab ins Schwarze stets getroffen.“

„Was du nicht sagst“, schleimt drauf die Raupe,
„so zeigt sich dein naiver Glaube!“
„Nun“, ruft die Geiß, „so lass uns proben,
wer von uns zuerst ist oben.“

Gesagt, getan. Der Startschuss knallt,
die Geiß, sie meckert mit Gewalt,
und weil sie ständig widerspricht,
sie lässt das Meckern eben nicht,

befindet sich die Meckergeiß
schon bald auf einem Abstellgleis.
Die Raupe buckelt sich durchs Leben.
Sie kriecht und dienert ganz ergeben

und geht nach alter Raupenart
gekonnt den Leuten um den Bart
und wird zuerst Magister
und später gar Minister!

So kriecht und dienert mancher Mann
und kommt im Leben schnell voran.

[Thing]

Fa-bel-haft!

Danke
von
Thing

[Ex-Jack]

Ich bin von dem Gedicht nicht ganz so begeisterst.
Es ist gut gereimt, zweifellos.
Doch inhaltlich finde ich es zumindest bedenkenswert, dass das Gedicht, so wie es da steht, meiner Ansicht nach, nicht die Abgrenzung zieht, zwischen dem Schleimer und dem Ehrlichen, sondern dem Schleimer und dem ewigen Krittler, der (im Allgemeinen) eher aus eigener Unzufriedenheit oder Trotz gegen alles meckert.
Und das legt dann ein wenig den Schluss nahe, als sei dieser ewige Krittler dem Schleimer vorzuziehen und mir würde es besser gefallen, du würdest Dich von der Meckergeiß genauso distanzieren.
Ewiges Gegenan ist doch nicht erstrebenswert, sondern zeugt von eingefahrenen Denkmustern...
Ist vielleicht ja auch Ansichtssache...

Liebe Grüße
Jack (der grade an sein Gedicht "Fische" denken muss...)

[Ex-Jack]

Entschuldigung!
Ich vergaß es zu untermauern:

Die Geiß sagt von sich zwar:

„Ich strebe“, mäht die Geiß, „nach Klarheit,
denn über allem steht die Wahrheit.
Ich sage meine Meinung offen
und hab ins Schwarze stets getroffen.“

Aber was einer von sich selber denkt ist eine Sache, was er sagt, die andere, und was wir als "objektiv" bekommen, ein Drittes:

und weil sie ständig widerspricht,
sie lässt das Meckern eben nicht,

Sie widerspricht ständig, sie unterscheidet eben nicht.

Sollte noch dazu...

Liebe Grüße
Jack

[Fridolin]

Lieber Jack,

vielen meiner Reimereien, auch dieser, liegen Erfahrungen aus meinem nun doch schon recht langen Leben zugrunde. Vom autoritär bestimmten Elternhaus über die in der Nachkriegszeit nicht weniger autoritäre Schule und über weite Teile des Berufslebens musste ich die Erfahrung machen, dass es Menschen mit einem kritischen Geist besonders schwer hatten. Kritik war nicht nur nicht erwünscht, Widerspruch wurde nicht geduldet. Es geht hier nicht um ewige Nörgler, die gab es auch, aber letztlich wurden Typen präferiert, die schließlich in ihrer Anpassung an die vorgegebene Ausrichtung in vorauseilendem Gehorsam nicht selten übers Ziel hinausschossen.

Die Meckergeiß hat diese Erfahrungen eben noch nicht gemacht. Sie befindet sich noch zu Anfang in dem Irrglauben, ihre Meinung offen sagen zu können, gelangt aber schon bald, wie nicht anders zu erwarten, auf das für sie vorgesehene Abstellgleis. Aus keiner Zeile meines Gedichts kannst du entnehmen, dass sie mit ihrem Gemecker nicht recht hat. Dass sie ständig widerspricht, weist sie noch lange nicht als Nörgler aus, die Herrschenden stellen sie aber mit Wonne in diese Ecke. Sie ist ja auch selbst schuld, denn in einem solchen System kann man ohne Anpassung nur scheitern. Ich muss aufhören, sonst geht mir das Messer im Sack auf, wenn ich dran denke, was ich alles erlebt habe.

Liebe Grüße
Fridolin

[Ex-Jack]

Lieber Fridolin,

ich zweifle keineswegs Deine Erfahrungen an, oder stelle sie diesbezüglich in Frage. Ich stimme Dir in dem, was Du eben geschrieben hast, auch hundertprozentig zu.
Ich gehöre selbst zu denen, die nicht nur auf das Abstellgleis geschoben wurden, sondern auch noch kräftig für ihre eigene Meinung leiden mussten.
Ich bin jemand, der seine Seele nicht verkauft.
Ich denke, wir sehen das gleich.

Mir ging es nur um die Abgrenzung zu den Dauernörglern, die sich auch gerne in einem edlen Kritikermantel sehen wollen, aber tatsächlich, ohne irgendeine moralische Grundlage oder mit einem konstruktiven Gedanken behaftet, überall draufschlagen, wo sich etwas bewegt.
Und die sähe ich einfach ungern in ihrem unfruchtbaren Treiben bestärkt...
Vielleicht ist es mein Problem, dass ich in Dein Gedicht hineinlas und ich sah vielleicht, was ich sehen wollte.
Es war nicht böse gemeint.
Ich möchte nur beide Egoisten, den zerstörerischen Dauernörgler und den widerwärtigen Opportunisten, angeklagt sehen, ich mag sie beide nicht...

Liebe Grüße
Jack

[Fridolin]

Lieber Jack,

ich habe die von dir genannte Passage:

und weil sie ständig widerspricht,
sie lässt das Meckern eben nicht,

so gefasst:

und weil sie heftig widerspricht
(sie kuscht vor Obrigkeiten nicht!)

befindet sich....

Ich denke, damit sind meine Intentionen noch klarer ausgedrückt. Da ich die Meckergeiß nicht als Nörgler sehe, kann ich sie auch nicht anklagen.

Liebe Grüße
Fridolin

[Ex-Jack]

Ich weiß jetzt gar nicht, was ich sagen soll...

Aber aller Einwand ist weggewischt, wenn es für Dich noch stimmig ist, für mich ists jetzt auf jeden Fall!

Liebe Grüße

Jack (verblüfft über die Änderung...)