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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 25.02.2024, 22:05   #1
weiblich Ottilie
 
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Standard Über das Talent der Huren für eine stille Sprache

Die meisten Huren: brave Menschen,
die andern oft was Gutes tun.
Sie müssen, denk ich, nicht viel reden,
auch wenn ihr Mäulchen mag nicht ruhn.

Sie sprechen trotzdem – ohne Worte,
man nennt es: Körpersprache schlicht.
Sie nutzen dazu: Lippen, Brüste
oder ein Lächeln im Gesicht.

Sie fragen, fordern mit der Taille,
dem Hinterteil, dem bloßem Bein.
Sie wippen still auf den Absätzen,
und schnell und lautlos stirbt manch Nein.

Sie sprechen jene stumme Sprache,
die man die Körpersprache nennt.
Wobei wohl jede auch und bestens
die Kunden dran erkennt.
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Alt 25.02.2024, 22:30   #2
weiblich Lee Berta
 
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Beiträge: 320

Die meisten Huren: junge Frauen,
die tun was sie nicht wirklich wollen
Sie müssen, denk ich, Geld verdienen,
die Kinder füttern und nicht grollen.

Sie sprechen trotzdem – ohne Worte,
man nennt es: Ausbeutung, ganz schlicht.
Schau sie dir an: die Lippen, Brüste
das falsche Lächeln im Gesicht.

Sie fragen schüchtern in der Kälte
mit Gänsehaut auf Brust und Bein
Sie wippen still und schaun ins Leere
Sie wolln es? Red dir das nur ein.

Sie sprechen jene stumme Sprache,
die man die Körpersprache nennt.
Doch schenk ich ihnen schnell ein Lächeln
woran man mich als Mensch erkennt.
Lee Berta ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.02.2024, 21:56   #3
weiblich Ottilie
 
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Standard Schöne Variante

Liebe Lee Berta,

Du hast eine schöne Variante geschrieben! Gefällt mir sehr und - ich akzeptiere Deine Sichtweise. Ich wollte mit dem Textlein keine Bewertung von Prostitution abgeben, sondern eine Beobachtung äußern, die besondere Fähigkeiten beim Lesen von Körpersprache bemerkt zu haben meint...

LG Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.02.2024, 23:18   #4
weiblich Lee Berta
 
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Liebe Ottilie,
ich wollte dich auch nicht verärgern, aber ich kann da kein Fordern erkennen. Sie tun mir einfach leid. Die Körpersprache ist gewollt sexy und wenn kein Freier zu sehen ist, stehen sie krumm da und rauchen schnell eine.
"Gehn wir noch ne Runde anschaffen oder essen wir ne Currywurst?"
"Mir scheißegal, Hauptsach' was Warmes im Bauch."

Liebe Grüße,
Lee
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Alt 01.03.2024, 15:03   #5
männlich Feuervogel
 
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Mir gefallen beide Textvarianten gut.
In meinen Augen ergänzen sie sich dabei gerade deshalb,
weil sie sehr unterschiedliche Perspektiven skizzieren.

LG
Feuervogel
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Alt 01.03.2024, 20:46   #6
weiblich Ilka-Maria
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Eigentlich steckt in der ersten Strophe schon alles drin. Das ist Dienstleistung. die folgenden Strophen beschreiben nur das Marketing in einem heiß umkämpften Markt.

Wer frischer aus der Produktion läuft, macht das Rennen und den Umsatz. Die Brieftaschendicken mit der Wahl zwischen runderneuert und fabrikneu lassen lieber mehr für Frischlack springen lassen als für die nachlackierte Altkarosse zu Hause. Ist das Fleisch jung genug, übersehen sie locker das schmuddelige Ambiente, für das sie satte Patte hinlegen, sich vielleicht eine Geschlechtskrankheit einfangen uns in ihre Familie einschleppen. Soll mir keiner einreden, das gäbe es nicht mehr. Ich habe ein derartiges Drama im Bekanntenkreis mitbekommen.

Wenn diese Böcke irgendwann erfahren, dass ihre vermeintlich frigiden und abgetakelten Weiber es seit Jahr und Tag mit zehn Jahre jüngeren Liebhabern treiben, denen sie all das beibringen, was ihnen einst von ihren Ehemännern abverlangt worden war, fallen sie aus allen Wolken. Erst recht, wenn sie erfahren, dass alle ihre Verwandten und Bekannten es gewusst und sich über ihn lustig gemacht hatten. Sie unterschätzen nämlich die Unsicherheit junger Männer, die sich gerne mit sogenannten "reifen" Frauen einlassen, die sie behutsam in die Techniken der Liebe einweisen, aber auch loslassen können, wenn die Zeit gekommen ist, dass sich so ein junger Mann an ein Mädel seines Alters bindet und eine Familie gründet.

Meine Mutter hatte sich einmal darüber empört, dass eine ihrer Tanten gesagt hatte: "Alle Ehefrauen sind Huren." Dieses Statement hatte einen Hintergrund, festzumachen an der Lebensgeschichte dieser Tante, die ich hier nicht vertiefen will. Aber vielleicht ist ein Fünkchen Wahrheit dran.

Ist aber egal. Wenn alle Frauen Huren sind, dann sind alle Männer Hurenböcke. Topf und Deckel. Weshalb sonst werden wir immer mehr Menschen auf dieser Welt gezeugt und geboren?

Welcome in the worldwide brothel!
__________________

Workshop "Kreatives Schreiben":
http://www.poetry.de/group.php?groupid=24
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Alt 03.03.2024, 18:56   #7
männlich Benaren
 
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Beiträge: 51

Zu diesem Thema gibt es ein sehr beeindruckendes Lied von Konstantin Wecker:
"Ich liebe diese Hure"
https://www.youtube.com/watch?v=n2EHe6eQvrc

Gruß
Benaren
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Alt 04.03.2024, 13:03   #8
männlich XRayFusion
 
Dabei seit: 10/2015
Ort: Berlin
Beiträge: 122

Interessantes Thema. Prostitution ist die Verkörperung des Raubtierkapitalismus. Verträge, die auf Täuschung und pekuniärer Verklärung basieren, für ein bisschen "Blingbling" wird allzu oft Würde auf Zahl gesetzt.

Mutig die Auseinandersetzung in Reimen zu wagen, wobei immer Verzerrungen verbildert werden, sofern die eigene Erfahrung das Milieu nicht tatsächlich berührt hat.

Auf der Nachfrageseite dominiert der Mangel an Herzverbindungen - Fast Love im Imbissformat.

Ehre ohne Moral auf der Managementebene. Toleranz trübt das Geschäft.

Am Ende regeln Betäubungsmittel die Symptome der Zweifel in einem Spiel aus kognitiver Dissonanz.
XRayFusion ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.03.2024, 04:09   #9
weiblich Lee Berta
 
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Hure ist nicht Hure. Es gibt die Zwangsdienstleisterin und es gibt das Schimpfwort für selbstbewusste, freie Frauen, die ihre Bedürfnisse befriedigen.
Somit sind alle Frauen Huren, sofern sie keine Nonnen sind.

Liebe Grüße,
die Hure
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Alt 08.03.2024, 11:26   #10
männlich Feuervogel
 
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Beiträge: 25

@Lee Berta:
Zitat:
Es gibt die Zwangsdienstleisterin und es gibt das Schimpfwort für selbstbewusste, freie Frauen, die ihre Bedürfnisse befriedigen.
Danke für diese Formulierung.
So machst Du klar, dass die Zuschreibung "Hure" einem Patriachat entstammt,
das sehr viel stärker angst- und neidgesteuert ist, als sich ihre Repräsentanten
eingestehen (wollen).

LG - und schönes Wochenende
Feuervogel ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.03.2024, 12:23   #11
weiblich Lee Berta
 
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@Feuervogel:
Danke für deine treffende Zusammenfassung.
Zitat:
Zitat von Feuervogel Beitrag anzeigen
@Lee Berta:
So machst Du klar, dass die Zuschreibung "Hure" einem Patriachat entstammt,
das sehr viel stärker angst- und neidgesteuert ist, als sich ihre Repräsentanten
eingestehen
Es ist die Angst vor Machtverlust. Zum Glück sind nicht alle Männer Patriarchen, es sind ja auch nicht alle Frauen Feministinnen.

Ich finde, dass der Beruf der Sexarbeiterin höher geschätzt werden sollte, unabhängig davon, ob die Frauen gezwungen werden oder es "freiwillig" machen. Wirkliche Freiwilligkeit ist ja selten, denn es sind sehr oft alleinerziehende Mütter, die keinen richtigen Beruf gelernt haben, weil sie zu früh schwanger wurden. Manchmal auch Studentinnen. So wirklich freiwillig machen die das nicht, aber es bleibt ihnen oft keine wirkliche Wahl. Es geht um Geld und dadurch indirekt auch um faire Bezahlung in typischen "Frauenberufen".

Übrigens gibt es das Phänomen zunehmend auch umgekehrt. Meist sind es afrikanische Wirtschaftsflüchtlinge und die Kundinnen sind finanziell unabhängige, ältere Akademikerinnen. Es fließt eher kein Geld, sondern Geschenke wie Uhren oder Kleidung. Der soziale Status entscheidet letztlich, wer wem Geld/ Geschenke gibt, denn diese Frauen sind nicht unbedingt abstoßend, sondern gepflegt und sportlich und die möchten natürlich Sex mit Männern, die auch auf ihr Äußeres achten und keinen bierbäuchigen Sofa-Kommandeur, der sich die Fußnägel mit der Kneifzange schneidet.

Niemand würde auf die Idee kommen, diese "Boys" als Huren oder irgendwie abwertend zu bezeichnen, sondern auch in diesem umgekehrten Fall gelten wieder die Frauen als Huren. Das gibt mir doch zu denken.

Ein schönes Wochenende und einen schönen Frauentag!
Lee
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Alt 08.03.2024, 20:39   #12
männlich Eisenvorhang
 
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Zitat:
Zitat von Lee Berta Beitrag anzeigen

Ich finde, dass der Beruf der Sexarbeiterin höher geschätzt werden sollte, unabhängig davon, ob die Frauen gezwungen werden oder es "freiwillig" machen. Wirkliche Freiwilligkeit ist ja selten
Das wird derzeitig durch Only-Fans normalisiert. Extrem schnelles Geld und die Damen, die aufspringen werden immer jünger. Daraufhin folgen die Lockerungen der Regeln von Twitch.tv. In fast allen Streams nur noch überdimensionierte Titten.
Finanziert von einsamen und bedürftigen Männern. Ich würde auch gern monatlich mit 50k-120k einschlafen. So aber bleibts beim hart verdienten Knäckebrot mit Speckaufstrich.

Wie ich das alles finde, weiß ich nicht. Wenn es glücklich macht, wieso nicht. Frei entfalten sollte sich jeder dürfen. Ich muss ja so ein Leben nicht führen.
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Alt 08.03.2024, 21:28   #13
weiblich Lee Berta
 
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Finanziert von einsamen und bedürftigen Männern.
... und Frauen und die sollten auch nicht schief angeschaut werden. Ist jedem selbst überlassen, wofür er sein Geld ausgibt.

Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Wenn es glücklich macht, wieso nicht. Frei entfalten sollte sich jeder dürfen. Ich muss ja so ein Leben nicht führen.
Eben, es ist sicher kein einfaches Leben als Prostituierte/r, da braucht man nicht noch Diskriminierung.

Liebe Grüße,
Lee
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Alt 08.03.2024, 22:54   #14
männlich Ludwig
 
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Immerhin ist inzwischen von Sexarbeit die Rede und nicht von "Huren". Allerdings bedeutet Sexarbeit immer Freiwilligkeit sonst ist es Zwangsarbeit oder Sklaverei. Sexarbeit wird, wie fast jede Arbeit, hauptsächlich des Geldes wegen ausgeübt.
Aber es ist schon verblüffend wie intensiv die Bilder im Kopf in Bewegung geraten, wenn von Huren die Rede ist. Dabei ist die "klassische Straßenhure" natürlich eine selten gewordene Form der Sexarbeit und tatsächlich wohl oft (aber nicht immer) im Bereich der Zwangsarbeit/Sklaverei einzuordnen.

Die Sexarbeit ist ein unglaublich vielfältiger Bereich in dem häufig sehr phantasievoll und mit großem Engagement gearbeitet wird. Und wie könnte es auch nicht so sein, ist die Sexualität doch unsere vielleicht größte Maschine, unser Antrieb, an dem wir uns reiben, uns ergötzen uns in die Höhen und Höllen der Emotion stoßen und heben lassen. Das macht die Arbeit mit der Sexualität so vielschichtig, so spannend, so gefährlich.
Dabei stimmt es auch, dass Sexarbeit auch monitär verführerisch einfach erscheint, was hunderte junger Frauen veranlasst vom schnellen Onlinegeld als Findom zu träumen. Oder mit Bildern und sonstigem handelt. Aber der Markt ist kleiner als EV so meint.
Egal ob Online oder Offline Arbeit, Sexarbeit ist oft näher an normalen Beziehungen als man glaubt; die Domina hat genauso wie die Verkäuferin erotischer Hypnosen wie auch die "normale" Escort einige Stammkunden und zwischen Kunde und Anbieterin ist oft ein freundschaftliches, vertrauensvolles Verhältnis das beiden nutzt, das beiden gefällt. Das viele Menschen (Männer wie auch Frauen) in ihren Alltagsbeziehungen sexuell verkümmern, führt dazu, dass sie sexuelle Beziehungen eingehen wollen und da ist die Beziehung zu einer Sexarbeiterin oder auch Sexarbeiter viel einfacher und hat weniger Sprengstoff als die "Affäre".

Ich will auch die Gelegenheit nutzen explizit eine Lanze für den Berufsverband Sexarbeit zu brechen, der sich für die Rechte der Sexarbeiterinnen stark macht und derzeit vehement gegen die Einführung des nordischen Models stemmt. Dieses nordische Model sieht ein Sexkaufverbot vor das den Kauf von Sexarbeit verbietet (nicht das Angebot), den Kunden also kriminalisiert. Das würde und will ich als Kunde genauso ablehnen, wie auch die Sexarbeiterinnen denen es ihre Grundlage entzieht und sie zurück in die "Schmuddelecke" drängt aus der sie sich gerade emanzipiert haben. Viel besser wäre es doch Sexarbeit anzuerkennen als wichtigen Bestandteil des Zusammenlebens, als Teil unseres sozialen Seins, wie Pflege, Medizin, Wellness...

Viele Grüße an Alle,
Ludwig
Ludwig ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 08.03.2024, 22:57   #15
männlich Eisenvorhang
 
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Es gibt zu dem Thema ein wundervolles Gedicht von unseren ehemaligen User @Erich Kykal, das ich hier gern mal weiterverbreiten möchte.

https://www.poetry.de/showthread.php...namenlose+Hure

Vertont!

https://www.youtube.com/watch?v=XhXBvzS9Wkw
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Alt 08.03.2024, 23:55   #16
weiblich Lee Berta
 
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Das ist ja ein wirklich tolles Gedicht, da rieselt es mir wohlgefällig den Rücken herunter. "In mein Einsamsein ..."

Zwangsprostitution und Menschenhandel müssen härter verfolgt und bestraft werden, aber alles andere geht den Staat überhaupt nichts an, denn der Übergang zur normalen Liebesbeziehung ist fließend. Was den Staat etwas anginge, wäre, dass es eine berufliche Gleichberechtigung der Sexarbeit geben sollte. KV, SV, RV ... für Sexarbeiter wäre auch mal eine Idee.
Es wird immer argumentiert, dass das ja kein normaler Beruf sei, weil das JobCenter niemanden zwingen könne, diese Tätigkeit auszuüben.
Dabei ist ja wohl das Problem eher, dass das JobCenter überhaupt niemanden zu überhaupt irgendwas zwingen sollte.

Wenn ich keine Fleischfachverkäuferin sein will, weil ich Veganerin bin oder kein Elektriker, weil mir das nicht liegt, dann ist das doch dasselbe Problem und trotzdem stellen wir Metzger und Elektriker nicht an den Rand der Gesellschaft. Alles Ausreden. (Das JobCenter würde sich auch strafbar machen, wenn es Menschen sanktionieren würde, die keine Sexarbeit machen wollen, denn das wäre Zwangsprostitution.)

Aber wenn es eine Art Ausbildung geben würde und saubere Arbeitstätten, Betriebsärzte, Kontrollen durch das Gesundheitsamt, dann wären auch die Kunden froh. Die Arbeitgeber würden Mindestlöhne und Steuern zahlen müssen. Das wäre win-win-win für Kunden, Sexarbeiter und den Staat. Nur die Zuhälter würden hohe Lohnnebenkosten haben, aber da hält sich mein Mitleid in Grenzen.

Liebe Grüße,
Lee
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Alt 10.03.2024, 20:10   #17
weiblich Ottilie
 
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Standard Thema verfehlt...

Liebe Leser,

nun ist ja schon eine Menge zum Thema Prostitution gesagt worden - was ich an sich mit meinem Textlein gar nicht beabsichtigt hatte und auch nicht erwartet habe. Es ging mir lediglich um eine Beobachtung zu bestimmten Fähigkeiten im Bereich Deutung und Anwendung von Körpersprache. Ich fand z.B. in den Schriften von Magnus Hirschfeld Hinweise auf diese Fähigkeiten. Da "mein" Thema wohl nicht so im Fokus steht, versuche ich mich auch mal an einer Bewertung von Prostitution.

Man sagt ja, es sei das älteste Gewerbe. Ist das nicht eine Art Anerkennung eines Ewigkeitsstatus? Anders gesagt: Prostitution scheint es immer gegeben zu haben, und ich glaube, es wird sie immer geben und - geben müssen. Alle Versuche eines Verbots dürften zum Scheitern verurteilt sein. Warum ist das so? Vermutlich erfüllt P. eine wichtige Funktion in so ziemlich jeder Gesellschaft. Sie schafft Abwechslung und hebt das Gemüt, zumindest bei den Käufern der "Ware". Sie stabilisiert die Gesellschaft, baut Spannungen ab und erhält Familienstrukturen (behauptet z.B. ein bekannter französischer Romanautor).


Die "Ware" selbst kann sich in sehr unterschiedlichen Verhältnissen befinden, das Spektrum dürfte breit sein: Es gibt die gequälten, missbrauchten, ausgebeuteten Sexarbeiter und es gibt die selbstständig-selbstbestimmten. Gegen jede Form von Unfreiwilligkeit sollte man sich wenden, da besteht kein Zweifel.

Wie man an dem schönen Gedicht von Erich Kykal oder an dem tollen Lied von K. Wecker sieht, können viele der P. positive Seiten abgewinnen; die negativen sollte man nicht ausblenden. Ein Totalverbot a la A. Schwartzer halte ich für hirnrissig.

Der Kommentar von XRayFusion erinnert mich an Antworten, die ich von KI-Programmen erhielt.

Schönen Abend wünscht Ottilie
Ottilie ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.03.2024, 21:27   #18
weiblich Lee Berta
 
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Ja, du hast recht, liebe Ottilie, wir sind etwas vom Thema abgekommen, denn es ging eigentlich um Körpersprache; also um emotionale Intelligenz. Die braucht man natürlich dringend, denn der Beruf ist nicht ungefährlich.
Da landen wir aber auch wieder beim Thema Entkriminalisierung, denn niemand würde auf die Idee kommen, eine Fußpflegerin einfach so zu verprügeln und nicht zu bezahlen und wie selbstverständlich zu glauben, er würde damit davon kommen, weil die Geschädigte sich nicht traut, zur Polizei zu gehen.

Das aufreizende Benehmen hat vermutlich jede Frau im Schlafzimmer-Repertoir, aber da Hirschfeld schwul war, wusste er das nicht, denn er kannte Nicht-Prostituierte nur als "anständige" Damen und war nicht intim mit ihnen.

Liebe Grüße,
Lee
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Alt 29.03.2024, 15:51   #19
weiblich Ottilie
 
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Standard Raubtierkapitalismus

An sich ist das Thema Körpersprache ja zu Ungunsten des offenbar sehr viel interessanteren Themas Prostitution in den Hintergrund geraten, trotzdem noch eine Anmerkung: Körpersprache spielt nicht nur im Bereich der P. eine große Rolle, sie dürfte überhaupt in jeglicher Kommunikation die entscheidende Funktion bei der Klärung von Machtverhältnissen haben.

Was nun die P. angeht, noch ein Wort zum Kommentar von XRayFusion, er schreibt:

Prostitution ist die Verkörperung des Raubtierkapitalismus. Verträge, die auf Täuschung und pekuniärer Verklärung basieren, für ein bisschen "Blingbling" wird allzu oft Würde auf Zahl gesetzt.

Das ist in mehrfacher Hinsicht horrender Blödsinn. Erstens ist die P. das anerkanntermaßen älteste Gewerbe; es entstand also eine Weile vor dem "Raubtierkapitalismus". Zweitens: kann ich bei den "Verträgen" wenig Täuschung sehen. Im Gegenteil: Die Abmachungen zwischen Kunden und Dienstleistern sind ehrlicher und überschaubarer als jedes Ja zu einer Ehe. Und was soll "pekuniäre Verklärung" sein? Geld ist ein Äquivalent für so ziemlich alles. Und genauso unverzichtbar wie die P.

Wer die Welt von P. befreien will, wie es gutmeinende Feministinnen vorhaben, erzeugt neue Gefahren, ich meine die Gefahr, die aus sexueller Frustration, Triebstau und Verhinderung erwächst.

Nehmen wir an, eine bekannte Feministin namens Alwine Schwätzer ginge an einem schönen Sommerabend spazieren. Sie wird überholt von Männern, die es eilig haben. Frau A.S. ahnt: Die Männer haben ein Ziel. Ein böses Ziel. Plötzlich gewahrt sie einen Fremden neben sich. Er grüßt freundlich. Lächelt. Deutet mit dem Kopf in Richtung der eilenden Männer. Was er denn wolle, erkundigt sich Frau A.S. misstrauisch. Der Fremde erklärt ohne Umschweife, er wisse um den heißesten Wunsch von Frau A.S., er könne ihn erfüllen. Die P. besei..? Ja, klar. Der Fremde nickt.
Als die beiden an einem der bekannten Etablissements vorbeikommen, steht eine Horde Männer davor, schimpft und gestikuliert. Der Laden ist zu. Die beiden setzen ihren Weg fort. Frau A.S. ist plötzlich allein, der Fremde hat sich scheinbar in Luft aufgelöst. Dafür hört sie hinter sich Schritte. Ihr wird unbehaglich. Angst steigt in ihr auf. Eine Hand fasst sie von hinten an der Schulter, drückt und zerrt und...
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