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Alt 07.11.2023, 18:03   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Vierzig Jahre später

Der Zug hatte das Tempo gedrosselt und kroch aufreizend langsam über die Schwellen und den Schotter das Gleisbetts, als schrecke ihn etwas davon ab, die nächste Haltestation zu erreichen. Fast war mir, als ahne er meine heimliche Nervosität und wolle mir noch etwas Aufschub gewähren, ehe ich an meinem Ziel ankommen und den Boden der Stadt betreten würde, die ich als Dreizehnjähriger verlassen musste.

Ich sah auf die Uhr. Obwohl sich die nunmehr fast fünfminütige Bummelfahrt noch endlos hinzuziehen schien, stand ich auf, hob mein Handgepäck von der Ablage herunter und trottete die Sitzreihen entlang zum Ausstieg. Endlich tauchte das alte Stellhäuschen auf, an dessen Wand das Schild mit der Aufschrift "Mayrung" den Ort der Ankunft auswies. Hinter mir hatten sich zwei weitere Fahrgäste mit ihrem Gepäck eingefunden und warteten genauso ungeduldig wie ich auf den Stopp. Kaum dass der Zug stand, gab die Tür einen zischenden Laut von sich zum Zeichen ihrer Freigabe. Ich drückte sie auf und stieg die Stufen hinunter. Auf dem Bahngleis hielt ich kurz inne, bis die Steifheit vom langen Sitzen meinen Körper verließ, dann holte ich einmal tief Luft. Es konnte losgehen!

Am Mayrunger Bahnhof hatte sich seit mein Kindheit nichts verändert. Der Bahnsteig lag genauso trist unter meinen Füßen, wie ich ihn in Erinnerung hatte, und das Gebäude, ein schmuckloser Backsteinbau, hatte noch die gleiche Flügeltür aus durchgehenden Glasscheiben in rotbraun gestrichenen Holzrahmen. Bis auf die beiden Fahrgäste, die mit mir zusammen ausgestiegen waren und davoneilten, war die Bahnhofshalle verlassen. Das Kiosk, in dem ich früher meine Comicheftchen gekauft hatte, war stillgelegt und mit einem Gitter gesichert, und den Seitengang, wo einst der Fahrkartenschalter gewesen war, hatte man zugemauert. Offensichtlich diente er jetzt anderen Zwecken und war nur noch von außen zugänglich.

Obwohl ich mich vor Antritt meiner Reise gewappnet hatte, keine allzu hohen Erwartungen zu hegen, durchzog mich ein unangenehmes Gefühl, das ich nicht klar deuten konnte, mir aber die Option schmackhaft machen wollte, mich auf dem Absatz umzudrehen und den nächstmöglichen Zug für meine Weiterfahrt zu nehmen. Was hatte ich nach vier Jahrzehnten meiner Abwesenheit hier zu suchen? Wen oder was hatte ich mir vorgestellt, in diesem gottvergessenen Ort zu finden, der mir fremd geworden war und mir auch kein Zeichen des Willkommens entgegenbrachte? Vor wenigen Minuten hätte ich es mir anders überlegen und einfach sitzenbleiben können, dann würde ich in zwei Stunden an meinem eigentlichen Reiseziel angekommen sein, anstatt hier unnütz die Zeit totzuschlagen.

Ich kam mir grenzenlos töricht vor. Was für eine sentimentale Schnapsidee, ohne essenziellen Ansatz die Vergangenheit in ihrem behüteten Märchenschlaf zu stören! Aber nun war ich einmal da, und bevor ich sinnlos am Bahnhof herumlungerte, um stundenlang auf einen Zug zu warten, konnte ich genauso gut in Mayrung herumspazieren.

In sichtlich gedämpfter Stimmung ging ich los. Auch vor dem Bahnhofsgebäude erschienen mir die Häuser und die Straßen vertraut, nur dass früher Autos vereinzelt parkten, wo sich jetzt eine dieser Blechbüchsen hinter die andere reihte. Die beiden Eckläden auf der gegenüberliegenden Seite, zwischen denen die Straße vom Bahnhof weg schnurstracks ins Zentrum von Mayrung führte, waren noch da; aber statt eines Bäckers und einer Apotheke beherbergten sie jetzt eine Spielhalle und eine Versicherungsagentur.

Ich machte mich auf den Weg: zwei kurze Häuserblocks in Richtung Zentrum, rechts in die Wilhelmstraße und nach einem weiteren Block links in die Herrmannstraße. Schon auf halber Strecke hatte mein Herz wie wild zu schlagen begonnen. Je näher ich dem Nest meiner Kindheit kam, desto stärker wallten meine Erwartungen wieder auf, ohne dass ich sie hätte zum Teufel jagen können. Ob es noch …? Ja, es stand noch! Wie vor vierzig Jahren, zwar mit moderneren Fenstern, aber ansonsten so schlicht und unnahbar, wie es für die Häuser typisch war, die in den Fünfzigern eilig hochgezogen werden und vor allem eins sein mussten, nämlich praktisch. Denn in den Nachkriegsjahren war Wohnraum wegen der Bombarbierungen und den Flüchtlingen aus den ostdeutschen Ländern knapp geworden.

Das Haus hatte einen offenen Torbogen zum Innenhof. Mit einem mulmigen Gefühl im Magen ging ich hindurch. Hier hatte ich mit meinen Freunden Ball gespielt, was eine Riesengaudi gewesen war, weil das Schmettern des Balls gegen die Wände des Torbogens fürchterlich schallte und einen Radau machte, der den Hausbewohnern bis in den dritten Stock zusetzte. Wenn ihr Geschimpfe und Gekeife nicht mehr zu hören war, dafür umso lauter das Zuschlagen der Fenster, wussten wir Bescheid: Zeit zu verduften, bevor eines unserer Opfer in den Hof herunterkam und uns am Schlafittchen packen konnte!

Ich betrat den Hinterhof und betrachtete verwundert die schmale Parzelle, in der lediglich drei Personenkraftwagen einen Stellplatz hatten, weil er damit gut gefüllt war. Ich hatte den Hof, der vor meinen Augen zu einem Höfchen geschrumpft war, viel großräumiger in Erinnerung gehabt. Damals durften hier keine Autos stehen, was auch nicht nötig war, denn auf der Straße gab es genügend Parkmöglichkeiten. Das konnte aber nicht der Grund dafür sein, dass meine Freunde und ich uns damals wie die Herrscher über ein Königreich gefühlt hatten, wenn wir mit den Mädchen aus der Nachbarschaft im Seilhüpfen wetteiferten und Nachlaufen oder Federball spielten.

Der altehrwürdige Ahorn, der in der Ecke gestanden hatte, wo jetzt eins der Autos parkte, war verschwunden. "Blöde Benzinkannen auf Rädern!", schnaubte ich vor mich hin, selber ein passionierter Fußgänger, Radfahrer und Bahntourist mit der ätzenden Anmaßung, mich für den moralisch besseren Menschen zu halten. Die Stirn wurde mir heiß vor Zorn. Aber was half es? Der Baum war flöten gegangen, und wer weiß, seit wann.

Aus der Haustür trat ein dünner, steinalter Mann, der mich misstrauisch musterte. "Kann ich Ihnen helfen?" Ich war so überrascht, angesprochen zu werden, dass ich stotterte. "Da… danke, aber ich … es ist … ich meine … ich hab hier mal gewohnt ..."

"Kann mich nicht an Sie erinnern, obwohl ich hier schon lange lebe." Aus dem Blick des Alten stach mir jetzt erst recht Argwohn entgegen. "Wann war das denn?"

Ich hatte mich gesammelt. "Ungefähr vor vierzig Jahren. Ich war dreizehn, als meine Eltern in die Großstadt zogen. Bis dahin haben wir hier gewohnt, im zweiten Stock." Der Alte krauste die Stirn und senkte das Kinn, als müsse er angestrengt über etwas nachdenken. Schnell fügte ich hinzu: "Bis dahin ging ich in die Uhlandschule." Augenblicklich hellte sich das Gesicht meines Vernehmers auf. Er schien eine Entdeckung gemacht zu haben. "Dann bist du der kleine Jochen. Joachim Wittek! Na, was sagt man dazu?"

Er patschte mir ein paarmal seine flache Hand auf die Schulter. "Kennst mich nicht mehr, mein Junge, was? Ich bin der olle Erich Franke, den ihr immer als 'Brummbär' verspottet habt." Ich war völlig platt. Derselbe Franke, der uns damals wie ein Greis aus einer längst versunkenen Welt vorkam? Dann müsste er jetzt weit über hundert Jahre alt sein. Oder täuschte mich abermals meine Erinnerung? War er damals noch nicht so alt gewesen, wie wir gedacht hatten? Ich traute mich nicht, ihn nach seinem Alter zu fragen, weil ich es als unhöflich erachtet hätte. Aber nachdem er mich über seine Identität aufgeklärt hatte, stellte ich eine vage Ähnlichkeit zwischen dem gefurchten Gesicht vor mir und dem verblassten Portrait her, das von ihm in meinem Kopf spukte.

Er sah mein Handgepäck. "Hast du noch ein bisserl Zeit? Kannst mit reinkommen und ein Bier mit mir trinken. Und erzählen, was du in den vierzig Jahren gemacht hast."

Ich hatte noch eine Stunde und ging mit. Wir hatten viel zu plaudern. Ein paar Jahre, nachdem Frankes Frau gestorben war und seine Spannkraft erheblich nachzulassen drohte, war er ins Parterre gezogen. "Weißt du, Junge, mit fünfundneunzig muss man sehen, dass man eine Wohnung hat, die man noch erreichen kann. Wenn man den Haushalt allein führen muss, hat man genug zu schaffen, da kann ich nicht bei jedem Mal, wenn ich raus und rein muss, eine halbe Stunde lang Krieg gegen die Treppenstufen führen." Ich zuckte zusammen: Demnach war Franke damals, als ich ihn für Methusalem hielt, in seinen Vierzigern gewesen.

"Und du? Was hast du so getrieben, mein Junge?" Ich wollte es kurz machen: "Abitur, Banklehre, den Rest am Bankschalter gestanden und am Schreibtisch abgesessen. Mit fünfundzwanzig geheiratet, zwei Kinder, mit vierzig geschieden. Sozusagen das Standardprogramm." Aber Franke stellte Fragen und hakte immer wieder nach, wenn ihm meine Antworten nicht genügten. Im Nu war die Stunde vorbei, und ich saß immer noch bei ihm. "Ich glaube, ich muss mir eine Bleibe suchen", meinte ich, müde vom Bier, aber in angenehmer Stimmung. Franke war ein unterhaltsamer und humorvoller Gastgeber, bei dem ich mich wohlfühlte. "Brauchste nicht, kannst bei mir übernachten. Hildegards Bett ist noch da. Hab's nicht fertiggebracht, es wegzugeben." Er strahlte über das ganze Gesicht. "Da können wir ja noch bis in die Nacht hinein quatschen."

In der Tat: Es wurde eine lange Nacht. Als ich am nächsten Tag nach einem üppigen Frühstück aufbrach, überkam mich ein Glücksgefühl wie lange nicht mehr, und ich drückte Franke zum Abschied an mich. "Danke für alles."

"Komm mal wieder vorbei, wenn es sich einrichten lässt."

"Himmel!", dachte ich, er will wirklich alt wie Methusalem werden. Auf dem Weg zum Bahnhof summte ich fröhlich vor mich hin. Der Zwischenaufenthalt hatte sich gelohnt, ich hatte wundervolle Stunden am Ort meiner Kindheit verbracht. Aber gleichzeitig wusste ich, dass ich nicht mehr herkommen würde. Der Graben zwischen dem Jungen von damals und dem Joachim von heute war zu breit und zu tief geworden, Vergangenheit und Jetztzeit waren nicht kompatibel. Wie alles andere würde sich auch die Erinnerung an die Begegnung mit Franke nach und nach verändern, wie ein Theaterstück mit gleichem Plot, aber in immer neuen Inszenierungen. "Ja", dachte ich, "das ist ein treffender Vergleich: Erinnerungen sind Szenerien aus einem Theaterstück, die immer wieder neu gespielt werden, aber immer ein bisschen anders."
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Alt 07.11.2023, 23:03   #2
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Der Besuch wirkt wie eine Szene aus einem Theaterstück, die in der Erinnerung beständig neu inszeniert wird.
An meinem Haus stand früher eine sehr große Eiche. Ich habe noch ein altes Bild von der Mutter der Tante meines Vaters, und der Stamm war mächtig im Querschnitt.
Jetzt steht die Eiche nicht mehr. Denn die musste der Ortsentwicklung weichen, was mich mächtig nervt.

Ich finde es traurig, dass keine Wiederkehr stattfinden wird. Aber nachvollziehbar schon. Ist Material für einen Film.

Lg ev
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Alt 08.11.2023, 00:08   #3
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ist Material für einen Film.
Darüber muss ich nachdenken. Ich bin nämlich von Kindheit an ein stark visueller Typ, und ja, ich denke, ich habe meine Geschichte, wie sie mir vor Augen stand, in einem Fluss runtergeschrieben. Ich hätte sie sogar ausweiten und ein Drehbuch daraus machen können, aber natürlich nicht in diesem Forum, was den Rahmen gesprengt hätte.

Aber warum nicht? Mal gucken, ob sich daraus ein Drehbuch schneidern ließe. Immerhin: Du hast die Geschichte gelesen und mir Feedback gegeben. Viel Resonanz habe ich nicht erwartet. Dafür ist die Geschichte zu lang und enthält zu wenig Herzschmerz, aber das wir mir von vornherein klar.
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Alt 08.11.2023, 00:29   #4
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Meinst du mit Herzschmerz Dramaturgie?
Ich finde die Idee um den Text hat von „Herzschmerz“ mehr als du denkst.

Pass auf, ich formuliere den Text in ein kleines Skript um und highlighte den Inhalt etwas:

Als er (Protagonist) nach vier Dekaden wieder nach Mayrung kam, fühlte sich die Zugfahrt länger an, als hätte das Schicksal selbst die Ankunft verzögert. Seine Unruhe wuchs mit jedem langsamen Rattern auf den Schienen. Der Bahnhof, der ihn begrüßte, war der alte geblieben – verlassen zwar, aber vertraut und doch machte er ihm klar, dass er ein Fremder geworden war. Trotz des Drangs, auf dem Absatz kehrtzumachen, schlenderte er durch die Straßen seiner Kindheit. Alles schien anders und doch so gleich, bis auf das Haus, das einst sein Zuhause war.

Dort, in dem Hof, der ihm nun zu klein erschien, und wo der Ahornbaum seiner Jugend fehlte, kamen die Erinnerungen zurück. Er begegnete Erich Franke – ein Gesicht aus vergangenen Tagen, das die Zeit überdauert hatte. Franke, mit seinen 95 Jahren, erkannte ihn sofort und bot ihm einen Platz für die Nacht an. Sie redeten, lachten und als der neue Tag anbrach, machte er sich wieder auf den Weg – erfüllt von einer bittersüßen Freude. Er wusste, er würde Mayrung nicht wiedersehen, doch die Erlebnisse dort würden wie eine endlos wiederholte Theaterszene in seiner Erinnerung weiterleben.

Also… wenn das keinen elementaren Tiefgang bietet, dann weiß ich auch nicht.
Binde noch eine alte Jugendliebe ein, die er/sie widererwarten trifft, einen Dackel (Otto) der ihn an den damaligen Hund (oder Katze) des Nachbars erinnert - und in der Gegenwart - von Otto zu allem Überdruss noch permanent verfolgt wird, und du hast super Stoff für einen Film. Und du entscheidest über den Abgang. Why not?
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Alt 08.11.2023, 00:40   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Also… wenn das keinen elementaren Tiefgang bietet, dann weiß ich auch nicht.
Danke. Dann hat die Geschichte funktioniert - soweit es dich betrifft. Ich kann aber verstehen, dass Leser, die auf Mord und Totschlag aus sind oder auf verlassene Herzen und sintflutartige Tränenströme stehen, nichts damit anfangen können.

An die Ausweitung auf Jugendliebe und Dackel hatte ich bereits gedacht. Aber das hätte den Rahmen einer Kurzgeschichte und auch die Lesebereitschaft der meisten User dieses Forums gesprengt. Es wäre Stoff für einen Roman. Aber die Ära der Romanciers ist vorbei. Heute wird Literatur nicht mehr geschrieben, sondern gestampft.
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Alt 08.11.2023, 11:30   #6
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Mir fehlt in der Geschichte der Spannungsbogen. Sie plätschert vor sich hin, ohne wirklich Fahrt aufnehmen, und die Einleitung finde ich viel zu lang.

Erinnert mich an Kurzgeschichten von Alice Munro, deren Geschichten verlaufen ähnlich, und auch wenn sie 2013 den Literaturnobelpreis gewonnen hat (mir war nach dem Lesen ihrer Geschichten wahrhaftig nicht klar, warum): Ich finde Geschichten dieser Art langweilig. Es passiert doch absolut überhaupt nichts.

Und nein, das liegt daran nicht daran, dass ich auf Herzschmerz-Geschichten oder Mord- und Totschlag-Geschichten aus bin.

Man könnte diese Geschichte hier zusammenfassen:
Mann kommt in die Stadt, in der er als Kind gewohnt hat und trifft einen früheren, mittlerweile ziemlich alt gewordenen Bekannten wieder. Beide freuen sich, es wird sich an früher erinnert, und das ist alles.

Wie der Leser das interpretieren soll, wird dann auch gleich am Ende mitgeliefert:
Zitat:
. Wie alles andere würde sich auch die Erinnerung an die Begegnung mit Franke nach und nach verändern, wie ein Theaterstück mit gleichem Plot, aber in immer neuen Inszenierungen. "Ja", dachte ich, "das ist ein treffender Vergleich: Erinnerungen sind Szenerien aus einem Theaterstück, die immer wieder neu gespielt werden, aber immer ein bisschen anders."
Ich finde, die Interpretation sollte man dem Leser überlassen.
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Alt 08.11.2023, 11:46   #7
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Man könnte diese Geschichte hier zusammenfassen:
Mann kommt in die Stadt, in der er als Kind gewohnt hat und trifft einen früheren, mittlerweile ziemlich alt gewordenen Bekannten wieder. Beide freuen sich, es wird sich an früher erinnert, und das ist alles.
Man kann jede Geschichte so zusammenfassen, dass vom Plot nur noch die Prämisse in einem kurzen Satz übrigbleibt. Ich habe gerade einen Beitrag zur Technik der Filmanalyse gesehen, da hat der Moderator vorgemacht, wie das geht, und zwar am Beispiel "Kevin, allein zu Haus". Wer eine Story pitchen will, egal ob für eine literarische Geschichte oder einen Film (der immer auf einem Buch beruht, entweder nach Vorlage oder nach Originaldrehbuch), muss das können. So gesehen, ist deine Prämisse noch zu lang.

Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Ich finde, die Interpretation sollte man dem Leser überlassen.
Wieso soll das eine Interpretation der Geschichte sein? Es ist lediglich die Definition eines einzelnen Begriffs, der millionenfach vorkommt. Über das, was um ihn herum vor sich geht, sagt das gar nichts aus, das kann millionenfach anders sein.

Der Spannungsbogen fehlt? Ja, stimmt. Es ist ein Ausschnitt aus einem Leben, und zwar in einer sentimentalen Anwandlung. So etwas ist selten sensationsgeladen, sondern stellt eher auf Gefühle und unerwartete Erfahrungen ab. Es gibt immer Leser, die auf solche Themen nicht anspringen. Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen, zumal es mir in meiner Geschichte um die sprachliche Umsetzung ging, nicht um Paukenschläge.
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Alt 08.11.2023, 11:54   #8
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Zitat:
.. "Ja", dachte ich, "das ist ein treffender Vergleich: Erinnerungen sind Szenerien aus einem Theaterstück, die immer wieder neu gespielt werden, aber immer ein bisschen anders."
Also ich finde, das ist eine Interpretation und keine Definition. Sicher kann man das so sehen, aber das ist dann doch eher eine individuelle Sichtweise.
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Alt 08.11.2023, 12:00   #9
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Also ich finde, das ist eine Interpretation und keine Definition. Sicher kann man das so sehen, aber das ist dann doch eher eine individuelle Sichtweise.
So isses. Der Protagonist darf in einer Geschichte denken. Der Leser muss es nicht übernehmen, sondern darf anderer Meinung sein. Mit einer einzelnen Begriffsdefinition lässt sich dennoch keine ganze Handlung interpretieren. Ich hätte auch schreiben können "Erinnerungen sind trügerisch", eine Binsenweisheit, die als Prämisse hätte genommen werden können. Ist aber reichlich simpel und wenig interessant.

Abgesehen davon können Interpretionen bei jedem Leser anders ausfallen, keine davon ist allein nur richtig und verbindlich.
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Alt 09.11.2023, 15:29   #10
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Standard Hallo Ilka

... gern gelesen.
Ich würde es als Erzählung deklarieren und somit habe ich den fehlenden Spannungsbogen nicht vermisst.

beaux rêves
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Alt 10.11.2023, 09:40   #11
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Zitat:
Zitat von dunkler Traum Beitrag anzeigen
... somit habe ich den fehlenden Spannungsbogen nicht vermisst.
Guten Morgen, dunkler Traum,

ein Spannungsbogen ist bei einer so kurzen Geschichte nicht unbedingt notwendig, wenn es sich nicht gerade um ein einschneidendes Erlebnis, z.B. ein Verbrechen, einen Krimi, einen Ehekonflikt, ein vermisstes Kind oder sonst etwas Dramatisches handelt. Geschichten haben auch dann ihre Berechtigung, wenn sie Atmosphäre, eine Begegnung, eine Betrachtung oder Ähnliches beschreiben. Viele Erzählungen namhafter Autoren handeln von unspektakulären Begebenheiten, dennoch kann der Protagonist aus dieser Begebenheit zu einer Erkenntnis, einer neuen Erfahrung oder gar zu einem Abschluss kommen mit etwas, das noch in seinem Unterbewusstsein schlummerte.

Danke fürs Lesen und das Feedback.

LG
Ilka
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Alt 10.11.2023, 12:33   #12
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Das muss doch auch einfach und mundgerecht bleiben, oder? Wenn man die Handlung von Hollywoodfilmen herunterbricht, bleibt oft nicht viel übrig.

Andererseits führt die abnehmende Aufmerksamkeitsspanne und das sinkende Einfühlungsvermögen dazu, dass Menschen ohnehin nur noch leichte Kost benötigen.

Anstatt die Zwiebel zu schälen, damit man zum Kern kommt, erwartet heute jeder anscheinend:

Jörg aß gerne schokoeis,
leider schmeckte es nach schweiß.

Juchuuu 10 Millionen likes.

Aber mentale Arbeit jedoch, nur noch die wenigsten.

Deswegen liebte ich Filme wie Magnolia. Ich musste den Film drei mal schauen, um den Inhalt zu kapieren.

Off-Topic: Fand ich auch interessant: https://www.gamestar.de/artikel/bild...s,3403464.html
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Alt 10.11.2023, 13:24   #13
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Wenn man die Handlung von Hollywoodfilmen herunterbricht, bleibt oft nicht viel übrig.
Die Grundthemen sind immer die gleichen. Billy Wilder hatte es auf den Punkt gebracht: "Boy meets girl." Es gibt zahlreiche Filme nach gleichem Muster, und zwar genre-übergreifend: "Ein Mann ist im Kampf gegen eine Verbrecherbande auf sich allein gestellt" (Zwölf Uhr mittags, Outland, Die Hard). "Die Welt will belogen sein" (Der Mann, der Liberty Valance erschoss; Meine Geisha). Es gibt aber auch Geschichten, die mehrere Prämissen haben können: "Macht kann Freundschaft zerstören", "Liebe ist stärker als Hass", "Wer verzeihen kann, findet zum Frieden" (Ben Hur).

Ich finde, ein Rezipient darf erwarten, dass eine Geschichte, auch eine künstlerisch anspruchsvolle, unterhaltsam ist. Wenn dies jedoch nur durch Sensationsheischerei geschieht, ist etwas faul. Zu viel davon kann erschöpfen. Ich hatte mal einen Roman gelesen, in dem sich über 400 Seiten lang nur Action an Action reihte, so dass ich kaum zum Durchatmen kam. Da ziehe ich das Subtilere vor.
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Alt 10.11.2023, 18:23   #14
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Ilka,

hast du Lehrmaterial zum Thema Drehbücher?
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Alt 10.11.2023, 19:26   #15
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Zitat:
Zitat von Eisenvorhang Beitrag anzeigen
Ilka,
hast du Lehrmaterial zum Thema Drehbücher?
Jede Menge, Eisenvorhang. Natürlich die Unterrichtshefte zu meinem Lehrgang mit den jeweiligen Prüfungsaufgaben, die einzureichen waren. Aber aus Gründen des Urheberrechts und wohl auch des Wettbewerbsrechts der Studiengemeinschaft Darmstadt darf ich sie nicht weitergeben. In den Heften steht auch überall mein Name drin - no chance. Ich müsste ihn sonst aus allen PDFs entfernen, aber justitiabel wäre die Weitergabe des Materials trotzdem. Außerdem: Ich hatte festgestellt, dass dieses Unterrichtsmaterial seit über zehn Jahren nicht mehr auf einen neuen Stand gebracht wurde; außerdem sind ein paar Fehler drin, die offensichtlich nur mir als altem Filmhasen aufgefallen waren.

Was ich machen kann: Ich könnte dir meine Prüfungsaufgaben mit den Kommentaren meiner Tutorin übermitteln (das war die Schriftstellerin Helga Glaesener, findest du bei Amazon mit einer ganzen Batterie an historischen Romanen). Nur brächte das nicht viel, weil man nicht verfolgen kann, auf welcher Grundlage ich diese Aufgaben gestellt bekam und wieso ich sie so und nicht anders gelöst hatte. Ich könnte dir aber mal ein "Probeheft" schicken, dagegen kann die Studiengemeinschaft nichts haben. Das machen die auch, wenn jemand Interesse an einem Lehrgang angemeldet hat.

Ich kann dir aber Bücher empfehlen. Zunächst die Klassiker:

Syd Field: "Das Drehbuch - Die Grundlagen des Drehbuchschreibens", Autorenhaus Verlag, Berlin, 2007/2012 (vielleicht gibt es bereits eine Neuauflage).

Christopher Keane: "Schritt für Schritt zum erfolgreichen Drehbuch", Autorenhaus Verlag, Berlin, 2012/2013.

William Goldman: "Adventures in the Screen - A Personal View of Hollywood and Screenwriting", Grand Central Publishing, New York, 1983.

Michael Hauge: "Writing Screenplays that Sell - The Complete Guide to Turning Story Concepts into Movie and Televison Deals", Collins Reference, reprint, originally published: New York, 1988.

Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen der amerikanischen und der deutschen Technik des Drehbuchschreibens, aber auf dem deutschen Markt ist dazu kaum Literatur aufzutreiben. Die US-Scriptwriter bringen selber Anmerkungen in das Script mit ein, wie sie sich eine Szene vorstellen, beschreiben also z.B. den Aufbau der Mise en scène, die Kameraaufsicht und die Bewegungen des Schauspielers. Das sind allerdings nur Vorschläge, das Drehbuch wird meistens noch zigfach umgeschrieben.

Beim deutschen Film mögen der Regisseur und die Crew solche Einmischungen nicht. Sie entwickeln ihre eigenen Vorstellungen der Umsetzung. Der Drehbuchautor beschreibt nur knapp die Handlung, setzt die Dialoge und beschränkt sich ansonsten darauf, wo die Handlung stattfindet und ob sie bei Tag oder bei stattfindet.

Ich glaube, das reicht für eine erste Information.

Ach ja, extrem hilfreich ist auch das Buch "Schau mir in die Augen, Kleines" von von Oliver Schütte. Lehrbücher über das Schreiben von Dialogen sind nämlich auch Mangelware.
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Alt 10.11.2023, 19:28   #16
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Ich danke dir! Schade, dass heute alles gesetzlich so zerfugt sein muss.
Die angeratene Literatur von dir, werde ich mir zu Gemüte führen.

Lg

EV
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Alt 10.11.2023, 19:36   #17
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Am besten ist, wenn du möglichst viele Drehbücher liest. Auf der Website von script-o-rama findest du Massen davon, die Amis lassen sich da nicht lumpen (im Gegensatz zu den Europäern, die sich alles bezahlen lassen).

Ich schicke dir hier mal den Link zu "Die Hard":
http://www.script-o-rama.com/movie_s...creenplay.html
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Alt 10.11.2023, 19:40   #18
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Wohoho! Das ist ja super!
Zu meiner Schande, ich las in meinem Leben kein einziges Drehbuch.
Das aber als Vorlage (vor allem Form) beantwortet schonmal sehr viele Fragen.

Das freut mich jetzt! Greatly appreciated, thank you!
Und was Kurse angeht: Ich bin nicht so der Kurstyp. Habe in der Tat Anpassungsschwierigkeiten wenn es um solche Formate geht.
Daheim kann ich unter eigenen Bedingungen und im eigenen Tempo ungestört arbeiten und fürs Worse-Case gibt es ja noch Foren.

lg
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Alt 10.11.2023, 20:08   #19
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Zitat:
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Und was Kurse angeht: Ich bin nicht so der Kurstyp. Habe in der Tat Anpassungsschwierigkeiten wenn es um solche Formate geht.
Daheim kann ich unter eigenen Bedingungen und im eigenen Tempo ungestört arbeiten und fürs Worse-Case gibt es ja noch Foren.
Mensch, Eisenvorhang! Das war ein Fernkurs! Natürlich habe ich daheim vor mich hingewurstelt. Man kriegt das Unterrichtsmaterial für drei Monate zugeschickt, stellt sich sein Metronom ein und arbeitet in der Einsamkeit eines Einsiedlers vor sich hin. Ist man mit einer Unterrichtseinheit durch, erfüllt man die Prüfungsaufgabe und reicht sie dem Tutor ein. Zwei bis drei Tage später kommt das Ergebnis mit Kommentar. Und dann geht es an die nächste Unterrichtseinheit.

Der Knackpunkt liegt woanders: Die Sache kostet eine Kleinigkeit, nach dem Stand der Preisliste von 2021, die mir vorliegt, knapp 2.200 Euro.

Die Frage ist, welches Ziel du hast, dich mit diesem Thema zu befassen. Reines Interesse? Neugier ist immer gut, man wird nicht dümmer davon, sie zu befriedigen.

Eine berufliche Perspektive anzupeilen? Verdammt schwierig. Bevor ein Newcomer in die verschworene Gemeinschaft der Etablierten eindringen kann, fließt viel Wasser die Isar hinunter.

Ein Fehler kann es aber grundsätzlich nicht sein, sich als Autodidakt durchzubeißen. Ich habe das immer so gemacht, Lehrgänge waren nur Stützen dazu. Schon deshalb, weil ich ein hohes Tempo vorlege. Das kann ich niemand anderem zumuten.
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Alt 10.11.2023, 20:16   #20
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Die Frage ist, welches Ziel du hast, dich mit diesem Thema zu befassen. Reines Interesse? Neugier ist immer gut, man wird nicht dümmer davon sie zu befriedigen.

Eine berufliche Perspektive anzupeilen? Verdammt schwierig. Bevor in die verschworene Gemeinschaft der Etablierten ein Newcomer eindringen kann, fließt viel Wasser die Isar hinunter.

Ein Fehler kann es aber grundsätzlich nicht sein, sich als Autodidakt durchzubeißen. Ich habe das immer so gemacht, schon deshalb, weil ich ein hohes Tempo vorlege. Das kann ich niemand anderem zumuten.
Ich glaube, dass Bildung in allen Bereichen gut für die eigene Schrift ist.
Was berufliche Perspektive angeht: Es kam mal eine Anfrage aus Leipzig, die ich jedoch ablehnte, bzw es nicht das war, was mich erfüllte.

Hätte ich einen anderen Namen, würde ich vermutlich "Reine Neugier" heißen.
Die Sache ist auch, ich will meinen lyrischen Stil weiterentwickeln, und ich brauche dafür frischen Wind aus neuen Richtungen. Moderne Lyrik will ich aber nicht lesen. Vieles ist absoluter Quark und alles das, was nicht Quark ist... Kann abfärben. Also bin ich vorsichtig und vermeide diverse Einflüsse.

Einerseits will ich die Schönheit der alten Sprache erhalten, andererseits möchte ich durchaus auch zeitgenössisch schreiben. Eine Mischung wäre gut.

Ich bilde mir ein, dass Drehbücher viel Gutes in sich tragen, aus dem ich schöpfen kann.

2100€ fürn Kurs über drei Monate? Nope. Für das Geld bekomme ich fast eine Les Paul.
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Alt 10.11.2023, 20:50   #21
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2100€ fürn Kurs über drei Monate? Nope. Für das Geld bekomme ich fast eine Les Paul.
NEIN! Man bekommt das Material für drei Monate geliefert, und wenn es durch ist, kommt das Material für die drei Folgemonate usw. Wie sonst kann ein Student sein Tempo selbst bestimmen? Wenn er eher fertig wird als in drei Monaten, bekommt er das nächste Material eben schneller.

Jetzt fragst du dich natürlich: Warum schicken sie nicht das Gesamtpaket für den ganzen Lehrgang? Ganz einfach: Weil niemand ihn zu Ende machen muss, wenn er sich überfordert fühlt oder feststellt, dass er sich die Sache falsch vorgestellt hat. Wenn er aussteigt, muss er auch nichts mehr bezahlen (der Gesamtbetrag wird umgelegt und monatlich bezahlt, und bei Ausstieg ist Schluss).

Der Lehrgang hatte zwölf Unterrichtseinheiten und war entsprechend auf 12 Monate ausgeleg - Verlängerung akzeptiert, wenn man es in dieser Zeit nicht schaffte, Nachbetreuung durch den Tutor - in meinem Fall die Tutorin - auch darüber hinaus eingeschlossen. Der Chatraum steht mir heute noch zur Verfügung, ich kann mich beteiligen, wann immer ich will.

Außerdem bekommt man eine Menge an Service, z.B. Beratung in beruflichen Angelegenheiten, des weiteren Zugriff auf Statistika mit der Möglichkeit, sich ganze Studien runterzuladen (die ansonsten sündhaft teuer sind) und einen Studentenausweis, mit dem man vergünstigt Zutritt zu diversen Institutionen hat (wie andere Studenten auch).

Ich bekam den Lehrgang ohnehin vergünstigt, weil ich vorher schon andere Lehrgänge gemacht hatte. Treue wird belohnt, da gehen die Gebühren bei jeder neuen Buchung eines Lehrgangs um einige hundert Euro runter. Und für runde Geburtstage gibt es Extra-Bonus. Notfalls ist Feilschen angesagt, das mache ich furchtbar gerne, und meistens mit Erfolg - nicht nur bei der SGD. Die Anbieter solcher Lehrgänge stehen mächtig unter Konkurrenzdruck, da ist immer etwas zu machen.
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Alt 10.11.2023, 21:02   #22
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Ja, ich glaube dir das schon, dass das attraktiv ist. Sage ja gar nichts. Die 2100€ passen derzeitig aber nicht zu meinem Lebensabschnitt. Egal wie.
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Alt 10.11.2023, 21:44   #23
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Ja, ich glaube dir das schon, dass das attraktiv ist. Sage ja gar nichts. Die 2100€ passen derzeitig aber nicht zu meinem Lebensabschnitt. Egal wie.
Ist wurst. Am Ende muss jeder sowieso selber sehen, wie er sich das aneignet, was er beherrschen will.

Wenn wir aber weiter über die Kunst des Drehbuchschreibens parlieren wollen, sollte ich einen gesonderten Faden aufmachen? Ist das gewünscht? Da gäbe es noch viel zu besprechen.

Ansonsten erlaube ich mir, auf meine Story zurückzukommen. Da war an Kommentaren einerseits zu lesen "langweilig, kein Spannungsbogen", andererseits "gerne gelesen, Spannungsbogen nicht vermisst". Was mich ein wenig verwundert hat: Die Gefühlswelt eines Menschen - hier in seiner Rückversetzung in die Kindheit - ist weniger interessant als der Tod eines Menschen, dem das Signalgehäuse einer Ampel auf den Kopf fällt, wie ich es in meiner Geschichte "Ein Hund. Ein Leben." geschildert hatte. Da bekam kein Leser ein Störgefühl.

Wer von euch hat sich so eine Ampel mal eindringlich angeschaut? Na, ich! Weil ich wissen wollte, ob sich meine Story verkaufen lässt. Und ich kann euch sagen, dass die Ampelgehäuse so felsenfest verschraubt sind, dass sie selbst bei einem Erdbeben niemandem auf den Kopf fallen, weil eher der ganze Mast umfällt.

Außer meinem Protagonisten. Dem fiel das Signalgehäuse auf den Kopf und brachte ihn um. Und das wurde mir abgekauft. Eigentlicht absurd. Aber spannend.

Im Gegensatz zu einem Menschen, der sich in Sentimentalität verliert, einen Alten aus seiner Kindheit wiedertrifft und hernach das Glücksgefühlt hat, einen der schönsten Momente in seinem Leben mitnehmen zu können. Irre langweilig. Aber lebensnah.

Offen gesagt, fand ich meine Ampel-Geschichte so daneben, dass ich mir lange überlegt hatte, sie überhaupt zu veröffentlichen.

Aber letztend kann man sowieso nicht jedem das Tablet mit dem richtigen Drink reichen.
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Alt 11.11.2023, 00:07   #24
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Wenn du für den Faden genug Content hast? Why not.
Mich interessiert gerade: Müssen bei einem Drehbuch die Zeilen durchnummeriert sein?

Zum Thema Ampel. Ich glaube manchmal, dass du zu streng an irgendwelchen "Regeln" festhältst. Schau dir die Monty Python Filme an, oder A. Schmidts Hippies in Bargfeld.
So ein bisschen "Relaxations" könnten deine Stories sicher gut tun.
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Alt 11.11.2023, 12:24   #25
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Im Gegensatz zu einem Menschen, der sich in Sentimentalität verliert, einen Alten aus seiner Kindheit wiedertrifft und hernach das Glücksgefühlt hat, einen der schönsten Momente in seinem Leben mitnehmen zu können. Irre langweilig. Aber lebensnah.
Für meinen Geschmack zu lebensnah. Wen interessiert es, Geschichten zu lesen, die man selbst erleben kann? Mich nicht.

Was die Ampelgeschichte angeht, mich hatte es mehr beschäftigt, ob manche Ampeln wirklich ein Fake sind und automatisch geschaltet werden, egal, ob man auf den Kasten drückt oder nicht. Daraufhin habe ich mir die Ampeln in der Stadt näher angeschaut - hatte aber nicht Zeit genug, um das wirklich zu überprüfen. Dass einem die Ampel auf den Kopf fällt bzw. Bastian in deiner Geschichte, darüber habe ich gar nicht nachgedacht. War ja nur der Aufhänger. In der Geschichte hat mich mehr interessiert, wie es danach weitergeht, und der Rachegedanke von Bastians Sohn. So etwas kommt eben nicht unbedingt im eigenen Leben vor (Gotttseidank). Deswegen fand ich die Geschichte interessanter als diese hier.
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Alt 11.11.2023, 12:56   #26
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In der Geschichte hat mich mehr interessiert, wie es danach weitergeht, und der Rachegedanke von Bastians Sohn. So etwas kommt eben nicht unbedingt im eigenen Leben vor (Gotttseidank). Deswegen fand ich die Geschichte interessanter als diese hier.
So soll es auch sein, Silbermöwe. Ein Autor ist wie Petrus ein Menschenfänger: Es wirft sein Netz aus, und mancher Fisch lässt sich darin fangen, manch anderer nicht. Oder ein Angler setzt einen Köder: Mal beißt ein Fisch an, ein anderer nicht.

So ist es auch mit Geschichten. Das Signalgehäuse der Ampel war mein Köder, obwohl absurd. Hat aber funktioniert. Aber die ganze Geschichte ist auch vorantreibenden Handlung.

Im Gegensatz zu der betulichen Innensicht in der Geschichte, die wir hier behandeln. Das ist eben eine ganze andere Welt. Aber auch darin kann sich der eine oder andere Leser wiederfinden. Du nicht. Das ist okay.
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