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30.10.2015, 22:44 | #1 |
Forumsleitung
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Die Leiche im Wald
Nachdem sich im Dorf die Kunde wie ein Lauffeuer verbreitet hatte, die Polizei habe im nahegelegenen Wald eine erhängte Leiche vom Baum geschnitten, deren Identität noch nicht feststehe, waren am nächsten Morgen zum Karfreitagsgottesdienst die Bänke der Kirche bis auf den letzten Platz besetzt.
Die Gemeindeschäfchen hatten sich ungewöhnlich früh auf dem Kirchplatz eingefunden in der Hoffnung, es sei etwas durchgesickert über den Fall. Doch sie wurden enttäuscht, und angefüllt mit Spekulationen nahmen sie missgelaunt ihre Plätze in der Kirche ein, insgeheim die Hoffnung tragend, der Pfarrer habe eine Enthüllung parat. Er genoss von allen Bewohnern des Dorfes das höchste Ansehen, und wenn jemand zuerst Bescheid wusste, dann er. Der Pfarrer ging tatsächlich auf den Fall ein. Aber anders, als seine Schäfchen erwartet hatten: Er nahm ihn als Aufhänger, um über das Gebot „Du sollst nicht töten“ zu predigen und anschließend auf das Referat überzugehen, ob Suizid tolerierbar oder der direkte Weg in die Hölle sei. Das brachte manchen Schafskopf so heiß zum Nachdenken, dass ihm die Gehirndecke zu rauchen begann und ihm die Stimme beim Mitsingen versagte: Wie kam die Leiche an den Ast? War es Mord oder Selbsttötung? Diese Frage hätte eine Chance gehabt, beantwortet zu werden, wenn die Ermittler die Identität der Leiche offenbart hätten. Doch die Kripo ließ kein Wort raus, schon gar nicht an die Presse. Sie gab nicht einmal bekannt, ob es sich um eine männliche oder weibliche Leiche handelte. Als Grund nannte sie, die Ermittlungen seien noch nicht abgeschlossen. So blieb das Dorf in einem stillen Aufruhr. Jeder dachte an den Fall, aber niemand sprach mehr davon. Nach zwei Monaten war er verdrängt, aber nicht vergessen, denn in den Wald ging mindestens ein Jahr lang kein Dorfbewohner mehr. Auch hatte sich die Atmosphäre verändert: Latentes Misstrauen prägte den Umgang miteinander. Niemand im Dorf wusste, wer der oder die Tote war, niemand wusste, ob jemand im Dorf mit dem oder der Toten zu tun hatte oder ob er selbst in einem Zusammenhang mit dem oder der Toten stand. Es war einmal ein warmes Dorf. Ein Dorf der scheinbaren Gemeinschaft, des scheinbaren Kennens und des scheinbaren Vertrauens. Dann brach ein Unglück herein, das wie ein flüchtiger Vogel alles mit sich nahm, was dieses Dorf einst scheinbar stark machte. Bis heute weiß niemand, wovor und wohin dieser Vogel floh. Aber jeder weiß, was er mitnahm. |
31.10.2015, 00:13 | #2 |
abgemeldet
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Weswegen die Schweinehälften beim Transport auch so rumpeln, weil da dieser Vogel sich verirrt hat.
MFG! |
31.10.2015, 03:03 | #3 |
Die Kurzgeschichte hat doch einige Schwächen, auch wenn sie recht flott erzählt ist.
- es wird keiner aus dem Dorf oder der Dorfumgebung vermißt - Aufruhr ist ein zu starker Begriff, worauf stützt er sich? - unglaubwürdige Folge des Mißtrauens, wenn keiner vermißt wird @Poesieger Dosenfleisch brauchen wir hier unbedingt, damit wir diesen Vogel nicht verscheuchen müssen. |
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31.10.2015, 06:43 | #4 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Es handelt sich nicht um einen Aufruhr, sondern um einen stillen (also inneren) Aufruhr: Unter den Einheimischen könnte ein Mörder sein. Ungewissheit erzeugt Zweifel, Unruhe und Misstrauen. Das ist das zentrale Thema der Geschichte. |
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31.10.2015, 10:38 | #5 |
R.I.P.
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Liebe Ilka-Maria -
Ich ließe den Aufruhr stumm statt still sein.
Der Stoff ergäbe in geschickten Händen einen sehr guten Film. LG Thing |
31.10.2015, 10:52 | #6 |
Dabei seit: 07/2015
Ort: Zwischen den Ostseewellen ertrunken
Alter: 41
Beiträge: 5.467
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Ein Haus weiter von mir wurde schon mal jemand umgebracht und der Typ hat sich aufm Balkon erhängt, wegen Eifersucht, die Frau war dabei und musste alles mit ankucken. Die hat sich dann irgendwie befreit und ist durchgeknallt übern Acker gerannt. Der Typ hat den anderen mit nem übelsten Jagdmesser niedergemeuchelt. Aber die Geschichte war ganz schnell vergessen, durch viel spannendere Nachrichten im Fernsehn, die Wirklichkeit intressiert die Leute nicht.
Also muss es eine Geschichte von Früher sein, dann ist das vorstellbar. Gabs da schon eine Kripo? Son Typ mit Pfeife und Karomantel: Sehen sie sich das mal an! |
31.10.2015, 17:16 | #7 | |
Zitat:
- Das Argument von dr. Frankenstein ist glaube ich auch meins. Wenn im Dorf niemand vermisst wird und der Tote also ein Unbekannter war, dann gibt es allenfalls Angst, dass da ein Mörder noch frei rumläuft, ist es aber jemand aus dem Dorf gewesen und andere decken ihn, würde eine Dynamik entstehen, welche der Geschichte entgegenstehen. In einem Dorf spricht jeder über alles, das ist es sehr untypisches Verhalten, dass dann alle schweigen. |
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31.10.2015, 17:41 | #8 | |
Forumsleitung
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Zitat:
Es gibt jedoch immer die Möglichkeit, eine Geschichte aufzulösen oder sie offen zu lassen. Außer den von Dir genannten Punkte wäre es möglich, dass nicht nur die Leiche, sondern auch der Täter (falls es ihn gibt) nicht aus dem Dorf oder einem Nachbarort stammen. Ungewissheit schürt immer die Angst, darin hast Du vollkommen recht. Ich sollte diesen psychologischen Aspekt dem Aufruhr (womit ich eigentlich eher innere Unruhe bzw. Unsicherheit meinte) vorziehen. Danke für Deine hilfreichen Kommentare. VG u. ein schönes Wochenende, Ilka |
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