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Alt 28.10.2012, 11:40   #1
weiblich MuschelIch
 
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Standard Von Drachen und Steinen

Von Drachen und Steinen

Ich bin bei meiner Freundin und seit zwei Stunden schon sitzen wir in ihrer Küche und "ratschen". Dann kommt er, ihr Mann.
Er kommt wie eine Zäsur, wie ein plötzlicher Donnerschlag, wie ein Störenfried. Etwas bricht ein in die gemeinsame Raum-Zeit-Kugel, die M. und ich uns geschaffen haben. Er nimmt das Glas mit den Kefir-Pilzen, die er seit Wochen für mich aufbewahrt hat.
Ich freu mich und bedanke mich.
Erst in diesem Moment nehme ich wahr, daß quer durch die Küche Seile gespannt worden sind: Auf der einen Seite sind wir; auf der anderen hat er sein Häuschen.

Wir reden weiterhin miteinander, während das Licht abnimmt, so als zögen draußen Wolken auf oder M. hätte einen Dimmer bedient.

Unruhig die Atmosphäre abcheckend nehme ich plötzlich die Gewitterfront wahr, die sich zwischen den Hängeschränken aufgebaut hat. Mit einem leisen Knall verwandelt sich M. in einen Drachen und speit Feuer gegen ihren Mann.

Er weicht getroffen hinter die Absperrungslinie zurück und lächelt, obwohl in seiner Mitte eine Brandwunde glüht.

Da schickt sie nochmals einen Feuerstoß aus und er krümmt sich zusammen und wird zum Stein.

Tapfer lächelt er noch und tut weitere fünf Minuten so, als sei er noch lebendig.
Ich versuche mit hilflosen Worten ihn zu reanimieren, vergebens.

Wie wandelbar meine Freundin ist: Nun wird sie plötzlich zum Bulldozerfahrer und entsorgt ihren Mann zusammen mit den schweren Kuchenkrümeln des Nachmittags.

Als ich nach Hause fahre, schäme ich mich.
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Alt 28.10.2012, 17:07   #2
Ex-zonkeye
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Ich komme abgehetzt von der Arbeit nach Hause; es dämmert bereits. Als ich das Gartentor öffne, sehe ich durch das unverhängte Küchenfenster meine Frau und die Nachbarin am Tisch sitzen, vor sich Teetassen, Kuchenreste und eine Wachskerze.

„Verdammtes Miststück!“, geht es mir beim Aufsperren durch den Kopf. Das Weib hängt jeden Tag bei meiner Frau ab, richtet die Nachbarschaft aus und hetzt die Ehepaare aufeinander. Selber hat sie nie einen abbekommen; jetzt versucht sie, mit ihrem Sozio-Getue alle erst hintereinander und dann auseinanderzubringen.

„Heute mache ich es!“, denke ich mir, als ich in der Diele den Mantel ausziehe und an die Garderobe hänge. „Heute ist der Tag!“

Als ich die überhitzte Küche betrete, verstummen die beiden sofort.

Ich bin sicher, dass es um etwas ging, das gegen mich oder meine Freunde gerichtet war, mit denen ich an den Wochenenden und an den Feiertagen immer viel Spaß habe. Wir spielen Fußball und helfen uns mit unseren Motorrädern, leihen uns gegenseitig Werkzeuge aus und wenn einer sein Dach reparieren muss, steigen wir mit hinauf. Unsere Frauen mögen das nicht, aber das ist uns ziemlich egal. Wat mutt, dat mutt!

„Wieso kommst Du so spät?“, fragt meine Frau, „und warum hast du nicht Bescheid gesagt? Seit zwei Stunden warte ich mit dem Essen auf dich!“

Die Nachbarin blickt mich triumphierend an und sagt dann zu meiner Frau: „So sind sie nun mal. Man schafft sich ab, und sie schätzen es nicht einmal. Ist ja alles so selbstverständlich!“ Sie hat plötzlich eine Rolle Nato-Draht in ihren behandschuhten Händen und beginnt, ihn quer durch die Küche zu verlegen, sie mit meiner Frau auf der einen, ich auf der anderen Seite.

„Wenn Du es überhaupt noch machen kannst, dann jetzt, jetzt sofort!“ denke ich.

„Halloo, Frau Piepenbrück! Wie schön, dass sie gleich heute wieder da sind!“, sag ich mit der freundlichsten Stimme, die auf meiner Sprechplatte gespeichert ist. „Ich hab an sie gedacht und an ihre Vorliebe für Gerichte aus der Heimat meiner Eltern. Schauen sie mal, was ich da für sie habe!“

Ich beuge mich über den Stacheldraht hinüber, drücke meiner Frau einen flüchtigen Kuss in das vorwurfsvolle Gesicht und wende mich um zur Küchenzeile, öffne den Kühlschrank und entnehme ihm das Einmachglas. „Kefirpilze! Maronenröhrlinge und Schafchampignons in Kefir, einem Schuss Olivenöl, Koriander und Nelken eingelegt!“

Als ich das Glas vor die Nachbarin hinstelle, ist der Draht plötzlich fort und das Gesicht meiner Frau noch bitterer als vorhin schon. „Du bist das Letzte!“, höre ich sie sagen, „das Allerletzte!“. Die Augen der Nachbarin glänzen. „Danke!“, haucht sie, „danke, wie lieb von Ihnen und wie aufmerksam.“ Bevor sie ihre Handschuhe wieder anziehen und mit dem Stacheldraht weitermachen kann, verlasse ich die Küche. „Ich geh geschwind noch eine Runde mit dem Hund!“, rufe ich in der Haustür.

Draußen ist es inzwischen ganz finster geworden; der Mond steht im dritten Viertel. Ich laufe mit Eichendorff (so heißt mein Labrador) die paar hundert Meter bis zum Waldrand. Eichendorff hat sofort eine Spur in der Nase und verschwindet im Dickicht. Ich zünde mir eine Zigarette an und lass ihn machen. Er soll heute auch seine Freude haben, denke ich. Nicht nur sein Herrchen.

Nach fünf Minuten pfeif ich ihm und er prasselt mir aus dem Unterholz entgegen. „Na, was gefunden?“ frag ich ihn und fahr ihm im Dunkel über den Schmutz, den er mitgebracht hat. Er stößt einen hohen Ton aus. Es klingt wie Fiepen, aber ich weiß, dass er lacht.

Er war dabei, als ich den Knollenblätterpilz gefunden habe, letzte Woche. „Komm heim!“ sag ich, und wir trotten beide vergnügt zurück.




Nichts für ungut!

lg z
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Alt 02.11.2012, 21:46   #3
Ex-zonkeye
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Du wirst doch nicht wirklich an dem winzigen Knolli gestorben sein, Muschel-Ich?

Bitte gib Eichendorff und mir ein Lebenszeichen!

lg z

Geändert von Ex-zonkeye (03.11.2012 um 01:30 Uhr)
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Alt 04.11.2012, 19:53   #4
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Tag Eichendorff, Tag zonkeye,

der Knollenpilz war nicht so doll, das stimmt.
Übrigens hat ja die Freundin des LI im obigen Text die Küche verzäunt, nicht das LI.

Hier für Eichendorff, falls er musikalisch ist und für Dich natürlich auch, zonkeye.

http://www.youtube.com/watch?v=eAbCq...eature=related
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Alt 04.11.2012, 20:21   #5
Ex-zonkeye
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Sorry, liebe MuschelIch, wenn ich Dir widerspreche - in Deiner Geschichte sitzt das lyrische Ich seit zwei Stunden ratschend in der Küche und schafft somit unweigerlich dicke Luft. Wer sich nicht in einen Ehemann hineinfühlen kann, der müde von der Maloche in diesen "Mief" heimkommt, hat keine Fantasie. Den Stacheldraht, den das lyrische Ich da mit ausrollt, erkennt der einfühlsame Leser eigentlich schon durchs Küchenfenster, noch bevor die Alte ihrem Gespons eine Szene macht.

Ich hab mich mit der Geschichte wirklich vergnügt und ihr geschwind eine andere Sicht verliehen. Was mir an der Deinen auffällt, ist, dass das Dein Lyrich die Pilze so bedenkenlos nimmt. Ich an ihrer Stelle wäre da wesentlich vorsichtiger gewesen.

Weißt Du was? Ich schenk Dir meine Version. Häng sie an die Deine und lies sie immer im Doppelpack. Wirst sehen, beides kommt an. Am besten natürlich der Labrador.

Danke für den Link. Trotz der schlechten Aufnahmequalität ist erkennbar, dass die Gitarre stimmt und gut gespielt wird, sowie, dass das Duo einwandfrei intoniert. Respekt! Die Melodie ist leider nicht so dolle, nur die übliche a-mollige Gitarrennummer halt. Da ist noch eine Menge Luft drin!

Grüße von Eichendorff!

lg z
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Alt 05.11.2012, 10:29   #6
weiblich MuschelIch
 
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Sorry lieber zonkeye
aber : Ich kann mich durchaus in müde arbeitende Männer einfühlen und in diesen o.g. insbesondere.
Vllt. habe ich das LI mit zu wenig Attributen dieser Empathiefähigkeit ausgestattet? Und nicht dazu geschrieben, daß dieses LI eigentlich nicht über Männer herzieht? Dazu ist es sich viel zu sehr seiner eigenen Schwächen bewußt.
Aber es wird wenig Sinn haben, dies hier weiterhin zu beteuern; vllt. hat auch das LI von zonkeye zu wenig Phantasie sich vorzustellen, daß Zeit-Raum-Kugeln und deren Grenzen nur von einem Menschen aufgebaut werden können und dennoch zwei darinnen sitzen können ...
LG und Danke für Eichendorffs Lied. Sag ihm schöne Grüße von mir.

nuschelnde MuschelIche, die übrigens im Real Life vor ca. vier Tagen ein Glas mit Wasserkefirpilzen angetragen bekommen hat. Und noch nicht genommen . You see , your story works °°
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Alt 05.11.2012, 17:03   #7
Ex-zonkeye
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Tu's auch weiterhin nicht - bei Pilzen hört der Spaß auf!

Dass Raumkugeln beim kaffeegetränkten Müßiggang von NachbarInnen eine Rolle spielen könnten, war mir bis dato unklar. Ich wusste nur von Rumkugeln.

lg z
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