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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 14.08.2014, 22:21   #1
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Standard 27.7.- 14.8.

Mit dir versteinern
« am: Juli 27, 2014, 17:34:56 »
________________________________________
Noch halb im Stein, am Rand des Schlafes säumend,
doch sich des eignen Reizes schon bewusst,
berühren deine Hände Kopf und Brust,
liegt Männlichkeit in deinen Schenkeln träumend.

Man spricht von deinem Tod. Die Brust verbunden,
mit schwindenden Gedanken sänkst du hin,
ein Grabmal so zu zieren sei dein Sinn,
vom Tode zeugend, der dich überwunden.

Ein solcher Tod könnt leichthin mich beflügeln,
mit dir, wie du zu sterben, ganz verzückt.
Und mein Verlangen wäre nicht zu zügeln,

vereint mit dir in Schönheit und entrückt,
zu Stein zu werden, der in weichen Hügeln
den einen Körper formt, der uns beglückt.


Nach Michelangelo: Sterbender Sklave
http://www.skulpturhalle.ch/sammlung...09/sklave.html
Mit Unterstützung von Rosenblüte


Baum und Kind
« am: August 10, 2014, 10:06:54 »
________________________________________
Schmiegst du dich an meine Rinde,
fühlst du ihre Rauigkeit
mit der zarten Wange, finde
ich zurück in deine Zeit.

Schenkt dir meine Kraft ein Lachen,
streichelt mich dein weiches Haar,
möchte ich dich glücklich machen,
so, wie ich es meistens war.

Breite über dich die Äste,
flüstere mit jedem Blatt:
Wachse Seele, such das Beste,
was dein Leben für dich hat.


http://blickpunkt-familie.net/


Die Wand
« am: August 08, 2014, 14:03:51 »
________________________________________
Ich kannte sie seit langen Zeiten
und doch nicht. Plötzlich ist sie neu.
Als ob sich meine Lider weiten,
erscheint die alte Anfangsscheu.

Die Wand ist wunderbar durchbrochen,
ein Fenster, das ich niemals sah,
zieht mich heran, und wie versprochen
ist jenseits etwas andres da.

Welche eine Farbe, nie gekostet,
erfüllt den einsehbaren Raum!
Wie war mein Blick doch früh verrostet,
beachtete, was nah war, kaum.


Zweitfassung:

Die Wand

Wir flochten uns dereinst ein enges Band.
Doch ging die Liebe irgendwann verloren.
Es keimte Hass, und gegen uns verschworen
versteinerten wir immer mehr zur Wand.

Wir merkten gar nicht, wo die Jahre blieben.
Wir stellten uns tagtäglich an die Wand,
um uns mit gnadenlos geübter Hand
für den Verlust der Liebe zu durchsieben.

Doch endlich waren wir nur noch Gespenster,
umkreisten hilflos uns im fahlen Licht
und sahen uns voll Trauer ins Gesicht.
Da zeigten unsre Wände plötzlich Fenster.

Und hinter ihnen lag ein großes Leid.
Doch tiefer war beim Einblick das Erbarmen.
Wir lagen uns ganz plötzlich in den Armen
und trugen uns in eine neue Zeit.


Wandel
« am: August 13, 2014, 10:51:53 »
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Der Sommer ist nach Regentagen
verfallen, und schon fortgetragen
sind seine weichen, warmen Glieder,
der Hang zum Wandel zeigt sich wieder.

Das Ahornblatt formt braune Ränder,
und welkes Gras trägt die Gewänder
aus nassen, leeren Spinnennetzen,
zum Teil verschlissen und in Fetzen.

Das Obst reift aus, verstummtes Blühen
ersetzt der Früchte sattes Glühen.
Der Schwarm zieht bald davon ins Weite.
Es tönt in mir die dunkle Saite.


Karawane
« am: August 12, 2014, 20:52:49 »
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Ich sah dich still vorüberziehen
so lebensecht in heißer Ferne.
Mein Durst war maßlos, und so gerne
wär ich gefolgt, den Tod zu fliehen.

Doch hatte oft die Luft gespiegelt.
Im Zweifel, ob du wirklich bist,
versäumte ich die letzte Frist.
Dein Schwinden hat mein Los besiegelt.

Nun spielt das Lied der Ewigkeit
in meinen ausgebleichten Knochen.
Der Lebensdurst aus alter Zeit
hat sich, als ich verschied, verkrochen
und lauert unter einem Stein
im Schatten auf ein neues Sein.


Geirrt
« am: August 09, 2014, 11:28:33 »
________________________________________
Als ich heute früh erwachte,
wurde mir gleich sonderbar,
weil die Sonne, die schon lachte,
unter mir am Himmel war.

Häuser hingen von der Straße,
die ich auf den Händen trug,
und am Acker, so zum Spaße
baumelte ein Mann im Pflug.

Leute klebten an den Sohlen,
froh, dass man‘s kopfüber kann. -
„Soll sie doch der Teufel holen“,
fluchte ich, „es strengt mich an!“

Tat ein Schütteln, sie zu strafen,
wachte nochmals auf und fand:
Ich war gestern eingeschlafen,
als ich auf den Händen stand...


Trabis neue Hupe
« am: August 07, 2014, 15:34:25 »
________________________________________
Dass sich mein Trabi nicht für Zwergwuchs schäme,
hab ich ihm heut die Hupe ausgetauscht.
Er schien nach Spott und Snob-Karossen-Häme
vom Drang sich zu verletzen wie berauscht.

Er zog, um sich für Winzigkeit zu rächen,
nach links hinüber, wurde überrollt.
Ergebnis: Die Antenne abzubrechen,
hat er geschafft und voller Wut geschmollt.

Doch jetzt (ich schenkte ihm die Schiffssirene
des Luxersliners) zittern Stadt und Land.
Er hupt wie wild nach seiner Unglückssträhne
und scheucht die andern an den Straßenrand…


Notlüge
« am: Heute um 09:10:28 »
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Den Ochsen sah ich willig pflügen.
Ich kannte ihn als wilden Stier.
Sprach ihm zum Trost, um nicht zu lügen:
Was bist du doch ein gutes Tier!



Sommerregen
« am: August 03, 2014, 14:07:00 »
________________________________________
Heute fällt ein Regen leise
durch gestaute Sommerluft,
säubert sie auf seiner Reise
von verwelktem Erdenduft.

Kühlt die Stirn der heißen Erde
mit des Wassers frischer Hand,
und die Matte fühlt, ich werde
von geweckter Kraft entspannt


Tinnitus
am August 04, 2014, 23:07:03

Zu Hause war ich stets allein
und hasste freie Zeiten,
ich konnte mir, zog Leere ein,
nicht helfen, nur entgleiten.

Ich band mir Arbeit an das Bein,
ging spät erst in die Wohnung,
und dieses Maus-im-Laufrad-Sein
war Segen und Belohnung.

Doch fand sich eines Tags im Ohr
ein Ton, der mich begleitet
von Angst vor Einsamkeit zuvor
zu Wahnsinn, der mich reitet…
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2014, 22:48   #2
männlich Ex Pedroburla
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2013
Beiträge: 1.359

WOW! Du hast die Zeit relativer "Foren-Abstinenz" sehr gut genutzt, lieber "gummibaum"! *

* Die KANN man garnicht alle hintereinander lesen; da steht jedes für sich! Ich habe mir erlaubt, sie bei mir abzuspeichern > alles zu seiner Zeit, je nach Stimmung ...


LG. Pedro
Ex Pedroburla ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 14.08.2014, 23:24   #3
männlich bipolar
 
Benutzerbild von bipolar
 
Dabei seit: 02/2014
Ort: Neuss
Alter: 35
Beiträge: 611

Ich sag ja, NIE ohne Gummi

bipolar ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.08.2014, 11:25   #4
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Danke, ihr beiden.

Einen schönen Tag wünscht euch
gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.08.2014, 19:36   #5
weiblich simbaladung
 
Dabei seit: 07/2012
Alter: 67
Beiträge: 3.073

Zitat:
Zitat von gummibaum Beitrag anzeigen
Mit dir versteinern
« am: Juli 27, 2014, 17:34:56 »
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Noch halb im Stein, am Rand des Schlafes säumend,
doch sich des eignen Reizes schon bewusst,
berühren deine Hände Kopf und Brust,
liegt Männlichkeit in deinen Schenkeln träumend.

Man spricht von deinem Tod. Die Brust verbunden,
mit schwindenden Gedanken sänkst du hin,
ein Grabmal so zu zieren sei dein Sinn,
vom Tode zeugend, der dich überwunden.

Ein solcher Tod könnt leichthin mich beflügeln,
mit dir, wie du zu sterben, ganz verzückt.
Und mein Verlangen wäre nicht zu zügeln,

vereint mit dir in Schönheit und entrückt,
zu Stein zu werden, der in weichen Hügeln
den einen Körper formt, der uns beglückt.


Nach Michelangelo: Sterbender Sklave
http://www.skulpturhalle.ch/sammlung...09/sklave.html
Mit Unterstützung von Rosenblüte
Hallo, lieber gummibaum,

Ich bin froh, dass du deine Gedichte hier weiterhin einstellst.
Dieses hier ist das, was mich am meisten beeindruckt hat.
Hoffentlich stellst du es auch noch extra ein.

Was soll ich sagen? Ich finde es grandios, wie die Skulptur des großen Meisters. Was waren Michelangelos Gedanken bei diesem Werk?
Wir können es nicht wissen, aber deinem Gedankengang zu folgen war mir ein ganz besonderer Genuss. Danke dafür.

ganz herzlichen Gruß,
simba
simbaladung ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 17.08.2014, 21:10   #6
weiblich shoshin
gesperrt
 
Dabei seit: 02/2014
Beiträge: 1.073

Lieber Gummibaum,

Was für ein großartiger Poesier(s)egen!
Zuviel des Guten auf einmal.
Ich bin noch immer versteinert!
Aber als nächstes werde ich meine Wange an den
rauhen Stamm legen, mich wandeln und wieder zu Leben erwachen.

LG
shoshin
shoshin ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 18.08.2014, 09:25   #7
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo simba und shoshin,

solche besondere Kommentare, wie diese, freuen mich riesig.

Den Sklaven stelle nochmals ein und tausche eine Präposition aus.

LG gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 27.08.2014, 22:45   #8
weiblich Ex-Letreo71
abgemeldet
 
Dabei seit: 01/2014
Ort: Niedersachsen
Beiträge: 4.032

Standard 27.7.- 14.8.

Lieber Gummibaum,

ich habe eben und auch schon ein paar Tage zuvor alle Deine Gedichte gelesen.
Ich bin sehr beeindruckt. Deine Ideen und Deine Kreativität - umwerfend!

Baum und Kind und Geirrt finde ich am Schönsten.

Freundliche Grüße Letreo
Ex-Letreo71 ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2014, 10:19   #9
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Hallo letrero 71,

ich freue mich, dass du, obwohl du ja viel zu tun hast, doch wachsam durch die kleine Sammlung geschritten bist. Ich füge gerade die nächste zusammen.

Einen schönen Tag wünscht dir
gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.08.2014, 10:36   #10
männlich Ex Pedroburla
abgemeldet
 
Dabei seit: 11/2013
Beiträge: 1.359

Dann füg mal schön, lieber "gummibaum"!
Ex Pedroburla ist offline   Mit Zitat antworten
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