Im Hotel an Herengracht

[Friedrich]

Im Hotel an Herengracht


Ostern, neunzehnzweiundsiebzig,
Reiseziel ist Amsterdam,
zwei Verliebte fahren Kreise,
hoffen anfangs wohlgemut,
eine Unterkunft zu finden,
auf Enttäuschung folgt bald Wut.

Allzuviele sind gekommen,
um gleich uns die Stadt zu sehn,
hie und da an Tür und Fenster
prangen Schilder, die uns sagen:
full, complet und Keine Zimmer,
zwecklos also nachzufragen.

Regen wäscht die Windschutzscheibe,
Wischer schlagen emsig Takt,
schwere Wolken schweben düster,
trist sehn alle Straßen aus,
frierende Passanten hasten
unterm Regenschirm nach Haus.

Herengracht, nicht weit vom Bahnhof,
plötzlich ist ein Zimmer frei,
Raum, so schmal, daß man mit Händen
beide Wände tasten kann,
lose hängt ein Licht am Kabel; –
doch nur bleiben! – Nicht mehr fahrn!

Einzelzimmer für uns beide,
eisern kalt das Bettgestell,
und zu zwei'n wird’s eng darinnen,
kaum daß man sich rühren kann.
Nachts dringt Kichern durch die Wände,
jemand stellt sein Radio an.

Morgens früh schon Dielen knarren,
Wasserspülung rauscht im Rohr,
Nachbar kämpft mit hartem Husten,
polternd fällt ein schwerer Schuh,
stumm im Flur die Leute stehen,
Tür zum Bad bleibt lange zu.

Steile Treppe zu den Duschen
führt hinauf zum vierten Stock,
Blick fällt durch das Lukenfenster
auf die Gracht so träg und braun,
flache weiße Boote treiben,
Menschen ernst zu Ufern schaun.

Ostern, neunzehnzweiundsiebzig,
sorglos zwei Verliebte dachten,
Schönes fiele ihnen zu,
doch dann Regen, karge Bleibe
im Hotel an Herengracht,
Amsterdam und Jugendliebe,
euch sei dieses Lied gemacht.