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Alt 25.05.2009, 19:45   #1
männlich ChaosG
 
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Standard Schmerzenskind

Hallöchen alle zusammen!
Nach so einem Forum, noch dazu einem aktiven, habe ich jahrelang gesucht!

Naja, nachdem es hier kein "Über mich" gibt, habe ich hier nur mal ein paar Eckdaten:

- Schüler (7. Klasse Gymnasium)
- begeisterter Hobbyhistoriker (v. allen Dingen Naturreligionen aus Europa)
- Geschichtenschreiber

Am liebsten habe ich traurige, schwarze Geschichte, und deswegen habe ich mich entschlossen, gleich eine neue Anzufangen

Also:

Schmerzenskind
Prolog

Der Regen preschte unaufhörlich gegen die Scheibe. Der Luft im Keller war stickig, erfüllt vom Rauch unzähliger Zigaretten und der alten Möbel, die hier lagerten. Der Schmutz, in jeder Ecke lauernd, wurde von gnädiger Dunkelheit verschluckt.
Er saß einfach nur da. Vor ihm, auf dem kalten, nackten Boden, da lag sie, die Frau seiner Träume. Sie war tot. Erschlagen, von einer leeren Flasche besten Champagners. Die Splitter der Flasche lagen neben ihr, das Blut war schon lange verkrustet.
Kein Ton drang in den Keller. Alleine, wie eine versteinerte Figur, saß er da und genoß die Trauer, die ihm das Gefühl verlieh, mehr zu sein. ER war es gewesen, ER hatte sie erschlagen. Sie war nicht mit dem Lächeln gestorben, dass er erwartet hatte. Ihr Gesicht spiegelte ihren Schmerz wieder, und die unsägliche Furcht, die von ihren grünen Augen Besitz ergriffen und sie in ausdruckslose Bälle verwandelt hatte.
Das Messer sah sehr verführerisch aus. Ursprünglich war es für Brot gedacht gewesen, doch er hatte die einzige Nahrung, die seinem verarmten Geist geblieben war, zunichte gemacht. Brot brauchte er nun nicht mehr. Bald würde er bei ihr sein. Doch davor, davor wollte er sich rächen.
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Alt 25.05.2009, 20:56   #2
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Kapitel I.

Der Junge versuchte verzweifelt, sich die Ohren zuzuhalten. Das Geschrei seiner Eltern erweckte das Verlangen, zu kreischen, zu zerstören... jemandem weh zu tun. Er wusste, sie würden ihm nicht sagen, worum es ging. Er wusste dass sein Vater sich betrinken würde, seine Mutter aber würde weinen und das Mitleid hochkochen lassen, dass der Junge in den letzten 7 Jahren dauernd hatte. Und es gab keinen Ausweg! Für immer würde sein Geist gefangen sein. Sein Leben war die Hölle!

Der Anruf kam im beschissensten Moment, den sich Michael Müllner vostellen konnte. Wie sollte er auch ein Telefon abheben, während er versuchte, einen Döner zu besiegen? Das war sein typisches Pech. Und ein typischer Tag. Draußen schüttete es, er hatte sein Notebook gecrasht und seine Frau hatte ihm geschworen, ihn zu verlassen. Und, als ob das alles nicht genug wäre, war ihm auch noch Knoblauchsoße aufs Hmend getropft.
Seine Tiefe, samtene Stimme meldete sich, doch sie hörte sich so an, als sei sein Mund beschäftigt.
„Detektivbüro Müller&Rehmaier, Hasenbergl, Müller am Apparat.“
Nach dem Gespräch packte Müller seinen Mantel, setzte sich in seinen Golf, und warf den großen Putendöner fluchend auf die Straße, Auch noch Flecken auf dem Sacko!
Die Leiche lag im Keller. Der Detektiv hatte das Gefühl, er müsse sich übergeben! Welcher Psychopath richtete so etwas an?!
Vor ihm lag eine Frau, nackt bis auf die Unterwäsche, mit zerkratzen Armen und Glasplittern im Gesicht. Die Glassplitter waren überall verteilt. Und auf dem Bauch der toten Frau lagen einige Zigarettenstummel.
Er wandte sich an die Frau.
„Warum haben sie die Polizei nicht gerufen?“
Sie, eine – etwas pummelige – Frau in den Mittvierzigern, rauchend an einer selbstgedrehten Zigarette, im gelben Morgenmantel starrte ihn perplex an.
„Polizei? Dann würd ich hier nich' mehr wohnen, Junge!“
„Dieses Risiko wäre einzugehen, wenn eine Leiche im Keller liegt.“
„Pff, Die Bulln' haben' mich aufm' Kiker! Die können mich ma'!“

Die Frau hatte nicht damit gerechnet, dass er die Polizei anrufen würde. Sie hatte ihn gelockt, mit 500€ zum Schweigen bringen wollen, doch er war ein rechtschaffener Mann. Die Polizei kam nach 20 Minuten, und sein Bereich war damit übernommen. Es war wohl klar, dass er nichts unternehmen würde, wenn es gegen die Regeln war... Dachte er.
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Alt 25.05.2009, 21:34   #3
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Denn, gerade als er in seinen Wagen einstieg, fiel es ihm vor Augen. Die Tote im Keller, sie war die Freundin eines Kollegen.
Als er aus der Parkbucht ausbog, fing es wieder an, zu schütten. Graue, schwere Tropfen fielen auf die große Scheibe, untermalten sie seine Laune? Egal. Einige Blitze zuckten über den Himmel, gefolgt vom schweren Donnern eines Frontgewitters. Am liebsten am Wetter hatte er den Wind, der Wind war stiller Bote des Unwetters, und er gab einem das Gefühl, frei zu sein. Als Kind hatte er oft seine Schuhe angezogen, und war herausgegangen, wenn ein Unwetter aufzog. Die Blitze und der Regen, der Wind, der durch die Blätter der Bäume rauschte, dass alles war dem hässlichen, sonnigen Wetter mit den heißen, stickigen Tagen im Sommer eindeutig vorzuziehen. Müller kurbelte das Fenster herunter, und blieb an den gelben Ampeln stehen, ohne vorrüber zu fahren. Eigentlich hatte er das Bedürfniss, auszusteigen und zu tanzen, um den Sturm willkommen zu heißen, so wie früher immer. Trotz seiner Lüste fuhr er weiter. Sein Kollege war vermutlich schon beim zusammenpacken, als Müller den Mann anfuhr.

Nach 3 Stunden und einem netten Streit mit dem Mann, dessen Bein gebrochen war, kam Müller im Büro an. Zu seiner Überraschung war der Kollege noch da. Und, wie es schien, wusste er von seiner toten Freundin. Der starke Geruch nach Erbrochenem und der beisende Dunst von Alkohol vermischten sich zu einer... etwas unapetitlichen Mischung. Die geröteten Augen des Mannes und die starre Wut, die sich ein Ziel suchte, waren abschreckend.
Müller hielt es für das beste, sich einfach dazu zu setzen, Trost zu spenden und stillen Beistand, denn sein Freund brauchte ihn nun am meisten.
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Alt 26.05.2009, 18:41   #4
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Die Dunkelheit war schön. Er genoss es, seinem stummen Schmerz lauf zu lassen, die Tränen auf seiner Backe zu fühlen. Der Regen, der Sturm, sie waren ein grandioses Element in einem Theaterstück namens Leben, einem Stück ohne Pointe, ohne Sinn, nur dazu da, das Individuum von Geburt bis zum Tod zu quälen und auf Trab zu halten. Unwetter waren das schönste an allem. Sie machten ihm Hoffnung, sie ließen ihn aufleben und fröhlich sein. Bis jetzt. Sein Messer hatte er weggeworfen, er hatte etwas besseres gefunden, als kaltes Metall. Das Messer steckte in den Eingeweiden eines Mannes, eines Mannes, welcher sein Leben zerstört hatte.Es steckte im Bauch seines Vaters.
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Alt 26.05.2009, 18:58   #5
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Der Morgen veränderte Müllers Leben. Im Büro war niemand zugegen, auf dem Handy war er nicht zu erreichen. Seine Frau wusste nichts von ihm, sie war in Kalifornien, und der Kollege öffnete die Türe bei sich zuhause nicht. Als Müller die Polizei rief, sagte man ihm, man würde sich gleich darum kümmern, doch die faulen Typen waren nicht fähig, ihre fetten Hinterteile aus dem Revier zu schaffen und einzusteigen. So viel zum Thema Polizeikompetenz. Während er wartete, betrachte Müller sich im Spiegel des Hausflures. Er sah nicht gut aus. Doch, entgegen der meisten anderen Männer hatte er keinen Bauch, seine grauen Haare waren gepflegt und gekämmt, seine Brille und sein Sacko saßen perfekt.
Es lag nicht an den Kleidern. Sie waren perfekt. Müllers Augen jedoch sahen so aus, als hätten sie im Leben zu viel gesehen. Sie wirkten traurig, gebrochen und erschöpft, gehezt in einem Leben, dass nur danach trachtete, erfolgreich zu sein. Er war ein Wrack. Trozdem tat er seinen Job weiter, nur um von sich behaupten zu können, etwas geschafft zu haben, während seinen 55 Jahren als Münchner. Seine Frau hätte zu ihm gesagt, er solle Urlaub machen. Vor 8 Jahren hatte sie ihn verlassen, am Geburtstag. Zurückgelassen hatte sie einen Text, eine kleine, verletzende Ansammlung von Zeilen und einen Sohn, der sich 2 Jahre nach der Trennung seiner Eltern das Leben nahm.
Den Brief führte er immer bei sich, ein Erinnerungsstück an seinen trotzigen Schwur, sich gegen die Welt aufzulehnen und keine Frau mehr zu wollen. Seinen Schwur hatte er schon bald gebrochen, mit einigen 2-Wochen-Beziehungen hatte er sein krankes Ego wieder aufgeputzt, sich besser gefühlt. Müller packte das den Brief aus, und las die Zeilen:

Lieber Michael

Du hast dich immer bemüht, mir eine Wand zu sein, eine Stütze. Doch ich war unglücklich. Nein, ich bin unglücklich. Mein Leben wurde von einem Herrn Müller zerstört, der sein eigenes Leben gab, um nach dem Profit zu hechten, um seine Triebe zu befriedigen, indem er anderen das Leben zerstört. Lebe wohl, und lebe lange, und versuche, dich zu ändern.

In verblasster Liebe
.
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Alt 26.05.2009, 21:41   #6
männlich ChaosG
 
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Kapitel II

Dann, irgendwann an einem heißen Junitag sah er seine Mutter. Sie hatte ein weißes Pulver auf dem Tisch ausgebreitet, zusammengeschippt und durch eine 5€-Note in die Nase gezogen. Er hatte schon davon gehört. Koks. Seine Mutter nahm Drogen. Er konnte es ihr nicht verübeln, mit diesem Mann in der kleinen Plattenbauwohnung eingepfercht zwischen den ganzen Müllsäcken und dem täglichen Streit, brauchte sie etwas, womit sie Leben konnte! Sein Vater war schuld. Sein Vater würde büsen.

Geändert von ChaosG (27.05.2009 um 15:02 Uhr)
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Alt 27.05.2009, 14:06   #7
männlich Ex-Eisigerhauch
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Schmacht, ich möchte mehr! Gefällt mir sehr gut, wenn ich wieder mehr Zeit habe dann sollte ich wieder Psychothriller lesen
Dank dir habe ich wieder Lust drauf bekommen.
Eisigerhauch
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Alt 27.05.2009, 15:01   #8
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Danke vielmals!
Das ist mein "Spezialgebiet"...
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Alt 05.06.2009, 15:37   #9
weiblich Wolkenkind
 
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Lieber ChaosG,
Ich bin beeindruckt. Und ich will unbedingt mehr lesen. Diese Verwobenheit von mehreren Geschichten, die sich dann kreuzen, finde ich sehr reizvoll.
Go on like this,

dein Wolkenkind
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Alt 11.06.2009, 20:50   #10
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30 Minuten waren vergangen. Längst hatte Müllner die Hoffnung aufgegeben, herein gelassen zu werden. Sein Kollege hob nicht ab, er reagerte nicht auf das Klingeln. Kurzerhand nahm er Anlauf, trat mit voller Kraft gegen die Türe, deren Sicherheitsschloss, alterschwach und abgneutzt, aufsprang.
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Alt 13.06.2009, 18:35   #11
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Die Wohnung war eingerichtet, wie der Kollege war: Schwarze Designermöbel, Unordnung, leere Bierflaschen auf dem Tisch. An der Wand erotische Bilder, die den Eindruck eines Casanovas vermitteln sollten. Es roch nach Gas, und nach dem Geruch von toten Vögeln, die an heißen Sommertagen im Gebüsch lagen.
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Alt 13.06.2009, 22:14   #12
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Und hinter dem Couchtisch, altmodisch gebaut, lag er. Aus seinem Kopf strömte Blut, neben ihm lag ein Flasche. Champagner. Zerbrochen, blutverkrustet. Das schöne, gleichmäßige Wohnzimmerparkett war aufgequollen, unschöne Flecken auf dem reinen Boden des Lebens.
Also war sein Kollege tot. Erst dessen Freundinn, dann er. Müllner war klar, die Champagnerflasche war ein Zeichen. Der Mann war gestorben, umgebracht von einem unbekannten Täter, der bewusst seine Spuren hinterlassen hatte.
Was brachte eine desinterressierte Polizei nun noch? Müllner war an der Reihe.
Er würde den Täter finden, ihn zur Rede stellen, seinen Freund rächen...
Oder mehr als seinen Freund? Die Frau... sie war immer so lebendig gewesen. So froh, so unschuldig.

Der Wagen bog quietschend in die Straße ein, umgeben von Hochhäusern kam er zum stehen. Der Mann mit dunklem Mantel eilte, ohne sich umzusehen, in das Haus. Das Haus seiner unechten Mutter!
Von seinem Versteck aus konnte der Junge ihn sehen, und er wusste, wer das war! Ihn wollte er haben, sich rächen und den Frust ablassen, Blut mit Blut wegwaschen, um dem Leben endgültig das Ende zu setzen.
Und bis jetzt war dieser Mann auf dem besten Weg, in die Falle zu tappen.
Endlich kannte er das Gesicht seines Gegners! Endlich war es klar!

"Sie haben doch die Frau gefunden", fragte der Privatdetektiv, sich an einer Kaffeetasse wärmend.
"Ja. Sie lag da. Und nichts zu sehen vom Mörder. Es war mir sofort klar, es war Mord. Doch, weshalb fragen sie mich das?"
Müllner sah sein Gegenüber an. Die Frau war gekleidet wie eine typische Frau aus den Häuserblöcken. Blaue Jogginghose mit weißen Streifen, graues, eng sitzendes T-Shirt. Die Schuhe kamen aus der Altkleiderspende, waren ausgetreten und eindeutig für Männer gedacht. Und die Haare waren nicht gewaschen, sie waren strähnig vor Fett. Zu alldem kam der perverse, süße Geruch billigen Parfüms, eilig aufgesprüht, um den Schweiß zu verdecken, welcher doch allzu deutlich im Raum stand, dazu.
"Die Frau- Ich habe sie gekannt. Sie war die Freundin meines Kollegen. Und mein Kollege wurde heute morgen tot aufgefunden, von mir. Beide erschlagen mit Chmpagnerflaschen, dem Getränk der Reichen. Nun suche ich nach Möglichkeiten, den Täter ausfindig zu machen, und ganz persöhnlich Rache zu üben. Innerhalb von 2 Tagen 2 Menschen zu verlieren, ist für jemanden wie mich sehr schwierig. Und ich fühle, dass ich den ;örder fassen muss. Gegen ihn klagen. Ihm sein Leben zu zerstören."
"Minderjährige können nicht ins Gefängniss."
Ihre Stimme hörte sich urplötzlich zerbrechlich, verletzt an.
"Kannten sie den Mörder? Wenn sie von Minderjährigen sprechen..."
Müllner sah tief in ihre Augen und konnte fühlen, wie in ihr ein alter, vergessener Schmerz hochkochte.
"Kennen? Ja, ich kenne ihn!", meinte sie, den Tränen nahe,"Ich kenne ihn. Er ist mein Sohn."

Viele Minuten vergingen, schweigend standen sie im Raum, machten eine Wiederaufnahme des Gesprächs schwierig. Jede Minute, die verstrich, ließen die beiden schweigsammer werden, obwohl sie eh kein Wort mehr tauschten. Es war das Gefühl, nicht zu wissen, wie man es schaffen konnte, weiter zu reden. Beide saßen da, und dachten still an das gehörte.
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Alt 13.06.2009, 22:40   #13
männlich ChaosG
 
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Nach einer Ewigkeit, so schien es, erhob Müllner seine Stimme, und bevor er sprechen konnte, musste er seinen Mund wieder befeuchten. Der kalte Kaffee rann die Kelhe hinunter, und machte es endlich wieder möglich, die Stille zu brechen.
"Ihr Sohn?"
Sie sah ihn an, getrocknete Tränen auf ihrer Wange.
"Ja. Mein Sohn. Adoptiert, von einer Prostituierten, die nicht wusste, was sie anfangen sollte. Ich habe Jahre gebraucht, um ihn gescheit zu erziehen. Wusste nichts vom Schmerz, der sich in ihm breitmachte. Aber, bevor ers getan hat, hat er mir nen' Abschiedsbrief hinterlassen. Er sagt, es läge nicht an mir, sondern an seinem leiblichen Vater. Den habe ich nie gekannt. Sagt, er wolle sich umbringen, bevor er sich förmlich verabschiedet. Von seiner eigenen Mutter. Wissen sie, es ist nicht leicht, so was zu akzeptieren." Das erste mal ließ sie ihre Trauer hören, sie zog geräuschvoll rauf, bevor sie mit einer Stimme, aus der pure Verzweiflung sprach, weiterfuhr:
"Mein Mann, er war der Auslöser der Trauer, der Schmerz kam, weil sich mein Junge einen anderen wünschte. Wir sind seit 3 Jahren geschieden, er ist chronischer Alkoholiker, lebt von Hartz. Unternimmt des öfteren Turen durch die Rotlicht-Szene, säuft sich seinen inneren Schmerz und seine Zweifel an sich selbst weg, lenkt sich mit leichten Mädchen ab. Ich ließ mich scheiden, nachdem er in einem der - die Trinkturen begleitenden- Wutanfälle einen Fernseher nach mir warf. Er hat die Nachbarn auf uns aufmerksam gemacht, er hat mich und meinen Sohn geschlagen, er hat es geschafft, uns zu zerbrechen. Und ich war so auf mich selbst versiert, dass ichs' nicht geschafft habe, meinen Sohn zu beschützen. Kennen sie die Trauer, die Trauer ums eigene Leben?"
"Ich denke, ich habe genügend Bekanntschaft damit gemacht, ja."
"Gut. Mein Mann hat mir erst einmal gedroht, dann hat er sich losgerissen und eine Frau gefunden. Mein Sohn hat sie gemocht, obwohl er seinen Vater nicht ausstehen konnte. Sie hat ihn gewissermaßen erlöst."
"Sie hat ihm den Vater endlich genommen, damit er das Leid nicht mehr ausstehen musste?"
"Genau. Jahrelang sah es so aus, als wäre mein Sohn gut gelungen. Freundlich. fröhlich, hilfsbereit. Doch dann fing sein Vater, der Arbeit beraubt, eben an, sich zu besaufen. Damit ging alles bergab. Immer öfter geriet er außer Kontrolle, zerstörte die, totz allen Umständen, heile Welt des Kindes.
Ich schätze, er wird sich rächen wollen."
"Wissen sie, wer die Frau im Keller war?"
"Gesehen habe ich sie nie, aber ich glaub', sie war die neue Frau vom Ex."
"Dann war ihr Ex-Mann mein Freund? Er hat nie so ausgesehen, als trinke er viel Alkohol oder ließe sich sonst irgendwie gehen."
"Wie gesagt, bei ihr hat er sich gebessert."
"Mein Beileid. Dann, da ich nun einige Anheitspunkte habe, mache ich mich auf die Suche nach ihrem Sohn." Mit diesen Worten erhob sich Müllner, beendete die lange Unterhaltung, die der Frau sichtbar gut getan hatte.

An der frischen Luft schnaufte er erst einmal aus. Der Gestank der Wohnung war unaushaltbar. Noch dazu konnte man in solchen Wohnblöcken keine Fenster öffnen, damit niemand aus dem Fenster stürzte.
Egal. In ganz Hasenbergl kannte Müllner nur eine Bordsteinischwalbe, und die war in ganz München berühmt.
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Alt 13.06.2009, 23:00   #14
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Alleen saß auf dem Sitz ihres Jaguar XK-7, genoss den teuren Champagner und wartete auf Kundschaft. Sie war reich, ihr Bussines hatte sie nach oben gebracht. Mittlerweile betrieb sie 2 Etablissements in ganz München. "Rote Nacht" und "Casanova", 32 Mitarbeiterinnen, 4 Mitarbeiter.
Doch, als dieser 7ner' BMW vorfuhr, machte sie sich auf ein gutes Geschäft gefasst. Aus stieg ein älterer Mann, krauses schwarzgraues Haar, traurige Augen, doch ein entschlossener, forscher Gesichtsausruck. Der wollte gewiss nur reden.
"Hallo, Süßer. Was kann ich für dich tun?"
"Gib' mir ein paar Informationen."
"Okay."
"Gut. Wie viele Söhne hattest du in den letzen 14 Jahren?"
"Puuh. 3."
"Und vor exakt 12 Jahren?"
"Von Juni 1995 bis März 96 einen, danach leider noch einen."
"Gut. Wurde einer deiner Söhne am 4.4.1996 geboren?"
"Nää, achter."
"Mist. Kennst du noch andre' hier, die vielleicht ihr Gewerbe aufgegeben haben?"
"Da gabs noch die Illis, aber die is' dann bei nem' Verkehrsunfall gestorben."
"Hatte sie um die Zeit Kinder?"
"Ja, eins. Von so nem' Typen, der lieber anonym bleiben wollte. Gabs' etliche davon. Frag mich, warum sie ohne Gummi gemacht hat."
"Egal. Danke."

Zuhause nahm Müllner erst einmal eine schöne, heiße Dusche. Scheißtag! Heute freute er sich einfach nur aus Bett, auf das Gefühl, die Socken auszuziehen und abzuschalten, den Tag bewusst beenden, die Wärme und Geborgenheit genießen, zuhause fühlen.
Im Bett dachte er nach. Auch er war vor langer Zeit mal da gewesen, wo er heute wieder gewesen war. Das Rotlicht vor 15 Jahren war ihm wohlbekannt. Doch er hatte nie nach dem Namen der Mädchen gefragt, er hatte dann immer das Gefühl, in ihre Privatsphäre einzudringen. Lächerlich.
Und die Frau heute, sie tat ihm aufrichtig leid.
Warum schaffte er es nur nicht, sich den Fall abzustreifen wie das Hemd vorhin? Hatte es ihn wirklich so berührt. Ja, sein Kollege war tot. Und diese Frau. Woher kannte er sie nur?
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Alt 19.06.2009, 21:06   #15
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Der nächste Morgen war regnerisch. Durch das gekippte Fenster drangen die Geräusche der nassen Flut, die gereinigte Luft ebenfalls. Wasser tropfte von den Blättern der großen, alten Eiche gegenüber Müllners Haus.
Er stand auf und bewegte sich, ohne groß nachzudenken in die kleine Küche und öffnete den Kühlschrank. Außer altem Naturjogurt, seit 2 Monaten über deas Verfallsdatum, und einigen kleinen Döschen mit alter Salami in Stangen. Stress und viele Abendessen außer Haus hatten ihn nicht ans einkaufen denken lassen. Wenigstens etwas Kaffee war noch da. Und ein Apfel. Mit einer solchen, behelfsmäßigen Mahlzeit setzte er sich vor den Computer und öffnete Firefox.
Mails... Ja, außer dem üblichen Spam war noch eine da. Absender unbekannt.
Müllner öffnete sie, laß sich den Quelltext- die grafische Form konnte nicht dargestellt werden- durch. Nichts interressantes. Resignierend klappte er das Notebook zu, machte sich auf den Weg zum Briefkasten. Außer seinem Münchner Merkur war nichts zu sehen. Wahllos las der Privatdetektiv in den Artikel, brach mitten in den Zeilen ab und sprang in andere, bis er bei den Totesanzeigen ankam.

Klaus Frankesson
Gestorben durch unbekannte Hand, wirst du uns immer als fröhlicher und freundlicher Mann in Erinnerung bleiben. Wir werden dich vermissen.

[I]Nadja Rikratsnjibe
Gestorben durch unbekannte Hand, wirst du uns immer als fröhliche und freundliche Frau in Erinnerung bleiben. Wir werden dich vermissen[/I
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Alt 20.06.2009, 21:19   #16
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Da sieht man's mal wieder:

ICh habe einen Fehler drinne und kann ihn net ändern!!
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Alt 23.06.2009, 21:19   #17
männlich movfaltin
 
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Hi,

bis jetzt habe ich alleine den Prolog gelesen; er ist recht gut gelungen.
Der Pedant in mir hat ihm on the fly auch nur drei Orthographie-/Morphologiefehler entlocken können ("Die Luft", "widerspiegeln", "das_ er erwartet hatte").

Aber halt auch Semantisches, was mir nicht zusammenpassen will: Wenn der Regen gegen die Scheibe (des Kellers?) "prescht", dann dringt halt doch ein Ton hinein.
Das vom Brotmesser hin zum Brot kommt mir etwas konstruiert vor, auch die Bälle, naja, im Englischen halt eyeballs, aber normalerweise würde ich etwas Kleineres präferieren, Murmeln oder so. Am besten irgendwas, was auch was Iris- oder Pupillenähnliches aufzubieten hat.
Und: Es ist mit dem "verarmten Geist" ein Wandel von der autodiegetischen Erzählperspektive (Genette) hin zu einer auktorialen (diesmal nach Stanzel, weil's so schön ist) auszumachen. Damit meine ich den Wechsel der Perspektive des "Kellerkindes" (er würde dies und das schon machen) hin zu der Aussage, er sei eines verarmten Geists (was er sich selbst wohl eher nicht attestieren würde, sondern eine externe Erzählinstanz).
Letztlich: rauchen alte Möbel?! (Sofern man sie nicht angesteckt hat, heißt das...)

Ansonsten: sehr schön. Wenn man das zur düsteren Atmosphäre sagen kann. Und danke, dass Du das Forum bereicherst :-)

Cheers,
MovFaltin

Zitat:
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Hallöchen alle zusammen!
Prolog

Der Regen preschte unaufhörlich gegen die Scheibe. Der Luft im Keller war stickig, erfüllt vom Rauch unzähliger Zigaretten und der alten Möbel, die hier lagerten. Der Schmutz, in jeder Ecke lauernd, wurde von gnädiger Dunkelheit verschluckt.
Er saß einfach nur da. Vor ihm, auf dem kalten, nackten Boden, da lag sie, die Frau seiner Träume. Sie war tot. Erschlagen, von einer leeren Flasche besten Champagners. Die Splitter der Flasche lagen neben ihr, das Blut war schon lange verkrustet.
Kein Ton drang in den Keller. Alleine, wie eine versteinerte Figur, saß er da und genoß die Trauer, die ihm das Gefühl verlieh, mehr zu sein. ER war es gewesen, ER hatte sie erschlagen. Sie war nicht mit dem Lächeln gestorben, dass er erwartet hatte. Ihr Gesicht spiegelte ihren Schmerz wieder, und die unsägliche Furcht, die von ihren grünen Augen Besitz ergriffen und sie in ausdruckslose Bälle verwandelt hatte.
Das Messer sah sehr verführerisch aus. Ursprünglich war es für Brot gedacht gewesen, doch er hatte die einzige Nahrung, die seinem verarmten Geist geblieben war, zunichte gemacht. Brot brauchte er nun nicht mehr. Bald würde er bei ihr sein. Doch davor, davor wollte er sich rächen.
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Alt 23.06.2009, 21:31   #18
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Danke erstmal für die umfangreiche Kritik.
Ich würde die Rechtschreibfehler gerne... NEIN! Ich fange nicht an.
Hmm, das mit dem Brotmesser stimmt, aber daran habe ich beim schreiben meines Textes leider nicht gedacht . Letztendlich bleiben noch die Bälle. Ich dachte im Augenblick des Schreibens, dass die Augen jetzt, nach dem Tod plump aussehen sollen, störend. Würde ich schreiben "der ihre Augen zu ausruckslosen Murmeln gemacht hatte", würde das nicht einen Wiederspruch in sich bilden?! Ausdruckslose Murmeln habe ich noch nie gesehen.

Vielen Dank, die überarbeitete Version sollte das Forum nicht unübersichtlicher machen, deswegen schreibe ich keine, den Ändern-Buttons trauere ich nach wie vor nach.

Das Forum gefällt mir, meine Posts kommen auch weiter
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