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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 01.10.2018, 08:33   #1
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Standard Zwei Meter

Ich starre benommen hinauf zur Laterne,
wo lautlose Wesen sich Nachtfalter fangen.
Mein Anzug riecht muffig, ich kann mich kaum drehen,
wo sind meine Schuhe, mir frieren die Zehen.
Nach mühsamen Stunden kann ich mich erheben,
ich sehn mich nach Wärme, nur ihr gilt mein Streben.
So lenk ich die Beine wie staksige Stangen
zum frohen Gelächter beim Licht in der Ferne.

Das Lachen kommt näher, ich acht nicht die Raben
und schleppe mich weiter mit Ächzen und Stöhnen.
Im Festsaal herrscht Frohsinn, die Gläser erklingen,
das kenn ich von früher, mein Kopf will zerspringen.
Ich stolpere vorwärts mit wehenden Fetzen
und blicke in Augen voll blankem Entsetzen.
Dann treffen mich Worte, die tief in mir dröhnen:
„Zurück in die Erde, du wurdest begraben!“

Geändert von Nöck (01.10.2018 um 13:35 Uhr)
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2018, 11:42   #2
männlich MiauKuh
 
Dabei seit: 08/2017
Ort: Bei Rostock
Beiträge: 2.246

Hey Nöck,

ich habe ein paar winzige Vorschläge eingebaut, weil du dich letztens so nett dafür bedankt hast. Ein Buchstabendreher war dabei.
Und im ersten Vers fehlt dir eine Senkung, ich habe sie mal mit [x] markiert.

Wenn du Lust hast, kannst du deine Ellisionen bei sehn, lenk, acht, und kenn irgendwie ausmerzen, das schmälerte mir den Lesegenuss sprachlich ein kleines Bisschen.

Ansonsten finde ich dein Gedicht hat Spannung und Würze und ich war zum Schluss überrascht.

Liebe Grüße an dich, fleißiger Schreiberling

Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Ich starre verwirrt [x] hinauf zur Laterne,
zu gern würd ich mir einen Nachtfalter fangen.
Mein Anzug riecht muffig, ich kann mich kaum drehen,
wo sind meine Schuhe, mir frieren die Zehen.
Nach mühsamen Stunden kann ich mich erheben,
ich sehn mich nach Wärme, nur ihr gilt mein Streben.
So lenk ich die Beine wie staksige Stangen
zu[m] frohem Gelächter[, zum] Licht in der Ferne. /ohne und?\

Das Lachen kommt näher, ich acht nicht die Raben,
die über mir kreisen mit schaurigen Tönen. / krächzenden anstelle schaurigen?
Im Festsaal herrscht Frohsinn, die Gläser erklingen,
das kenn ich von früher, mein Kopf will zerspringen.
Ich stolpere vorwärts mit wehenden Fetzen
und blicke in Augen voll blankem Entsetzen. voll blanken -> gefüllt mit ?
Dann treffen mich Worte, die tief in mir dröhnen: / Doppelpunkt?
„Zurück in die Erde, du wurdest begraben!“
MiauKuh ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.10.2018, 13:43   #3
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Hei MK,

alle deine Vorschläge habe ich nicht übernommen, für die wirklichen Verbesserungen sage ich danke! Beim Ändern habe ich dann noch an ein paar Formulierungen herumgefeilt, ich hoffe mit Erfolg.

Zitat:
und blicke in Augen voll blankem Entsetzen.
Ich meine, es ist richtig. Sonst müsste es doch heißen: "Voll blanken Entsetzens".

Elisionen, finde ich, haben gerade im dichterischen Bereich schon ihre Berechtigung. Wenn ich die abstellen wollte, käme das ganze Versmaß durcheinander.

Ich freue mich, dass du dich so intensiv mit dem Gedicht beschäftigt hast und Feedback gibst, das macht nicht jeder.

Liebe Grüße
Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.10.2018, 00:09   #4
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Lieber Nöck,
Dein Gedicht - schaurig schön!
Das Reimschema hat es mir besonders angetan.
Bitte überprüf mal den Vers:
"Das Lachen kommt näher, ich acht nicht die Raben".
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach müsste erlauten:
"Das Lachen kommt näher, ich acht nicht der Raben".
Die fehlende Senkung, die MiauKuh moniert: Lass sie fehlen, es liest sich flüssig und H. Heine hat so etwas dutzendfach gemacht.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.10.2018, 23:51   #5
gasco da wama
Gast
 
Beiträge: n/a

Standard hi nöck

Auf einige Variationsmöglichkeiten in diesem feinen Text wurde von anderen hingewiesen. Dazu eine Zwischenbemerkung ... auch wenn H Heine keine solchen Versfußabweichler praktiziert hätte -- es ist schön flüssig ... natürlich ist es gut, wenn die subjektiv beste Formallösung und die subjektiv beste Spontanlösung verschmelzen, aber alles kann man nicht haben.

Mich hat die Sache mit dem Festsaal einige Minuten tormentiert. "Im Festsaal herrscht Frohsinn" ist brav und bieder, und man kann dem Zombie-lyrich keinen Vorwurf daraus machen, im früheren Leben ein Biedermann gewesen zu sein.
Indes, was soll ich machen ... dass im Festsaal Frohsinn herrscht, liegt eigentlich auf der Hand.
Hervorzuheben wäre es, wenn der plot in eine ganz andere Richtung ginge und zB die Festgäste gerade eine Schlägerei hätten.
Nach drei Minuten und noch viermal Durchlesen ist mir aber aufgefallen, dass sich das Freudenhaus schon ein paar Zeilen vorher ankündigt ...
Und damit die unbiedere Lösung

Das Licht wird zum Festsaal, die Gläser erklingen

mfg
gasco
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Alt 08.10.2018, 05:49   #6
gummibaum
 
Dabei seit: 04/2010
Alter: 70
Beiträge: 10.909

Schön, wie der Un- oder Ex-Scheintote beim Leichenschmaus stört. Der Daktylus sorgt für Schwung in der Wende zum Leben, das kunstvolle Reimschema unterstreicht die Steifigkeit der Bewegungen. So ist beides (Leben und Tod) auch formal vertreten.

Sehr gern gelesen, lieber Nöck.

Mit fröhlich-muffigen Grabgrüßen
gummibaum
gummibaum ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2018, 13:25   #7
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

hervorragendes werk - kompliment

diese form erklärt viel mehr als sie offen lässt und der daktylus unterstreicht das gesamtbild noch doppelt


beste grüße in deinen herbstag

vom
lichtsohn

ps: ein favorit
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2018, 18:24   #8
männlich Heinz
 
Benutzerbild von Heinz
 
Dabei seit: 10/2006
Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
Beiträge: 7.879

Hallo Lichtsohn,
Du lobst - mit Recht! - Nöcks Gedicht und erwähnst en passant, dass gerade das Metrum bei Dir Eindruck gemacht hat. Der Daktylus besteht, da sind wir uns gewiss einig, aus einer Hebung zu Beginn, der zwei Senkungen folgen =
Xxx........
Nöck beginnt regelmäßig mit einer Senkung und schon keimt der Verdacht auf: Das sind keine Daktylen! (Komm mir bitte nicht damit, es seien "Daktylen mit Auftakt")

Ich starre benommen hinauf zur Laterne,
xXx xXx xXx xXx

wo lautlose Wesen sich Nachtfalter fangen.
xXx xXx xXx xXx

Mein Anzug riecht muffig, ich kann mich kaum drehen,
xXx xXx xXx xXx

wo sind meine Schuhe, mir frieren die Zehen.
xXx xXx xXx xXx

Das sind fast astreine Amphibrachys, selten benutzt, aber von Nöck gut eingesetzt.

Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.10.2018, 19:30   #9
männlich Ex-Lichtsohn
abgemeldet
 
Dabei seit: 03/2015
Beiträge: 1.493

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Hallo Lichtsohn,
Du lobst - mit Recht! - Nöcks Gedicht und erwähnst en passant, dass gerade das Metrum bei Dir Eindruck gemacht hat. Der Daktylus besteht, da sind wir uns gewiss einig, aus einer Hebung zu Beginn, der zwei Senkungen folgen =
Xxx........
Nöck beginnt regelmäßig mit einer Senkung und schon keimt der Verdacht auf: Das sind keine Daktylen! (Komm mir bitte nicht damit, es seien "Daktylen mit Auftakt")

Ich starre benommen hinauf zur Laterne,
xXx xXx xXx xXx

wo lautlose Wesen sich Nachtfalter fangen.
xXx xXx xXx xXx

Mein Anzug riecht muffig, ich kann mich kaum drehen,
xXx xXx xXx xXx

wo sind meine Schuhe, mir frieren die Zehen.
xXx xXx xXx xXx

Das sind fast astreine Amphibrachys, selten benutzt, aber von Nöck gut eingesetzt.

Liebe Grüße,
Heinz
@heinz
vielen lieben dank dir für die mühen - etwas dazugelernt... und:
du hast absolut recht.

es grüßt in deine herbstnacht

der
lichtsohn
Ex-Lichtsohn ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2019, 09:38   #10
männlich Nöck
 
Benutzerbild von Nöck
 
Dabei seit: 12/2009
Ort: In den Auen des Niederrheins
Beiträge: 2.662

Lieber Heinz,

meine Antwort kommt spät (für dich), für mich steht die Zeit.

Zitat:
Zitat von Heinz
Bitte überprüf mal den Vers:
"Das Lachen kommt näher, ich acht nicht die Raben".
Meiner unmaßgeblichen Meinung nach müsste erlauten:
"Das Lachen kommt näher, ich acht nicht der Raben".
Ungekürzt heißt der Satz doch:"Ich beachte nicht die Raben", also sollte es richtig sein. Nichtsdestotrotz habe ich die Passage umformuliert:

"Das Lachen kommt näher, ich drohe den Raben,
die über mir kreisen, mich krächzend verhöhnen."


Zitat:
Zitat von Heinz
Das sind fast astreine Amphibrachys
Schon, aber ich habe sie nicht bewusst eingesetzt. Meine Stimmung beim Schreiben hat sie einfach entstehen lassen.


Ich danke dir für dein Interesse an meinem Gedicht, du hast dich ja richtig reingekniet, das finde ich prima.

Liebe Grüße
Nöck



Auch bei euch, gasco da wama, gummibaum und Lichtsohn, möchte ich mich bedanken, ihr habt euch ebenfalls mit dem Gedicht beschäftigt.

Liebe Grüße
Nöck
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
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