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Alt 22.01.2013, 12:43   #1
männlich Desperado
 
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Standard Seven Stars

„Sieben Wege muss ich gehen“,
erzählt mir die Sängerin mit den kohlrabenschwarzen Haaren und der Hakennase, „an sieben Orten sein, eine Welle bin ich, barfuß tanze ich und singe eine Hymne auf die Rache, unter der gebrochenen Flagge, wie sieht's aus mit deinen Bürgerrechten, Desperado, sag mir deinen Namen!“

„Welchen davon?“, frag ich müde zurück. „Sieben Siegel, sieben Sterne, sieben Geister:“

„Ein Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat“, sinniert der vollbärtige Quäker unter seinem flachkrempigen Hut und zieht dabei die Stirn in Falten, „der ist zu allem fähig, zu allem Bösen und allem Guten.“

„Well“, sag ich, „das steht mal fest, Reverend, ist aber nicht die Frage. Dass er zur gleichen Zeit zu beidem fähig ist und es im selben Atemzug tun kann, das ist sein Problem.“

„Vor allem das seiner Mitmenschen!“, lacht die Sängerin heiser.

„Ach wieso“, beschwichtige ich, „alles eine Frage der Entgegnung, des Umgangs miteinander, wie soll ich's erklären...
nun, nehmen wir mal an, ich mach einem scheinheiligen Spießer ein Friedensangebot, der mich für einen Bandido oder sonst was hält, entsprechend gegen mich hetzt und mir stetig auf die Pelle rücken will, gut hinter dem Mob verschanzt, den er auf seine Seite ziehen kann, versteht sich...
und der Trottel weist es spöttisch lachend zurück, dann lacht er zuletzt, weil er zum letzten Mal gelacht hat, nämlich von da ab nichts mehr zu lachen und einen Kerl im Nacken sitzen hat, von dem er sich wünscht, er sei ihm nie begegnet.

Hab mir nie Gedanken gemacht drüber, ob das nun gut ist oder böse, wozu auch?

Derlei zögerliche Erwägungen kannst du dir nicht leisten in der Wüste. Wenn da irgendein Übermensch glaubt, er müsse dir als Untermenschen dein Daseinsrecht streitig machen, dann kannst du entweder die Gegend verlassen oder bleiben und dich ihm stellen, das heißt, ihm auf Dauer nicht ausweichen, weil der nun mal keine Ruhe geben will, weil er ständig darum bemüht ist, seine Blödheit wie Klugheit erscheinen zu lassen und seine Arglist wie Lauterkeit.

Wenn aber die Dummheit sich als List tarnen will, steht sie splitternackt in der Landschaft.

Da ich nun sowieso nie was andres gekannt hab als um mein Lebensrecht kämpfen zu müssen, bin ich das zwar gewohnt und könnte ebenso gut still und heimlich verduften, mach ich ja auch oft genug, nur seh ich das grundsätzlich irgendwie nicht so recht ein, woher sich da ein Hohlkopf das Recht nimmt, mir das meine auf eigenen Gedanken abzusprechen. Und manchmal hab ich schlicht und ergreifend keine Lust, ihm nachzugeben, das ist alles, keine Ahnung wieso und warum, ist einfach so.“

„Und dann?“, will die Sängerin wissen, ihre Augen funkeln vor Neugier.

„Was dann? Dann ist er ein toter Mann, früher oder später, liegt ganz allein an ihm, auf jeden Fall aber mit Sicherheit. Was soll die dämliche Frage?“

„Ich werde für dich beten, mein Sohn“, meint der Quäker sichtlich betroffen.

„Tu'n Sie das mal ruhig, Reverend, kann ja nicht schaden.“
Die Leute in den Städten sind so begriffsstutzig manchmal, dass man nur noch seufzen möchte.
„Aber beten sie mal besser für die Selbstgerechten, Speichellecker und Arschkriecher, dass da immer jemand sein möge, der ihnen anerkennend auf die Schulter klopft, sich immer genug Bewunderer um sie scharen, die ihre Eitelkeit füttern, dass sie nur ja nie auf die Schnauze fallen mögen und sich eines Besseren besinnen, sondern in ihrer Selbstgerechtigkeit gefangen bleiben bis zum letzten Atemzug, ja um ihr Totenbett sollen sich aufschauende Bewunderer scharen und sie in Sicherheit wiegen bis zuletzt...
damit sie nur ja ganz sicher zur Hölle fahren und darin schmoren in alle Ewigkeit, Amen.“

Und da grinst er plötzlich, der aufrechte Quäker, bis über beide Ohren.

„Und außerdem, guter Mann,“ und das meine ich tatsächlich so, „werd ich den Teufel tun und mir die Hände schmutzig machen an dem Gesocks, die Wüste ist groß und weit und frei und meine Gedanken sind es auf dieselbe Weise, ich und die Wüste sind eins, ich brauche ihre Drecksnester nicht, um froh zu sein, sollen die guten Leute drin sich mal schön selber vom Joch der scheinheiligen Blender und schamlosen Lügner in ihrer Mitte oder an ihrer Spitze befreien, ich bin doch kein Mörder.“

Die Sängerin lacht gackernd und ich sattle mein Pferd.
Desperado ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.01.2013, 12:10   #2
männlich DEAD MAN
 
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Dabei seit: 11/2011
Ort: Wüste
Alter: 47
Beiträge: 74


Hallo Desperado,

bin auch mal nen Weg gegangen, ach was sag ich, mehrere, in die großen Städte, da wo das noch größere Geld liegt. Ich brauchte es, so wie es viele andere vor uns auch brauchten. Irgend einer sagte damals zu mir: „Junge, du mußt!“ Irgend einer meinte, er wisse wie das im Leben so ist: „Junge, ich weiß was gut für dich ist!

Wie auch immer, da war ich nun in meiner großen Stadt, denn man meinte, ich hätte nichts mehr zu verlieren, ich dachte eben, ich müsse. Also ging ich dahin, wo sich alles Geld der Welt traf, miteinander schlief und noch mehr Geld samt Zinsen wieder ausspieh. Natürlich war ich nicht der einzige dort, doch ich schaffte es irgendwie anzuheuern, mich zu verkaufen und zu verdingen. Ich machte gutes Geld. Eine Menge gutes Geld. Ich fragte nicht. Wieso auch? Hast du es schon einmal gerochen? Es stinkt nicht, keine Spur.

Naja, was soll ich dir sagen? Ich mußte nicht lange warten, da kam es auch schon buchstäblich um die Ecke: das Böse! Man, ich hielt das Maul in Zaum und die Fäuste in der Tasche. Schließlich war ich wegen des Geldes hier, nicht um einen neuen Weg zu finden. Ich sagte mir, alles eine Frage des Umgangs.

Und ich sollte Recht behalten. Ich machte meinen Job, machte mein Geld. Ich war der Beste, ich ließ die anderen hinter mir, ich war der Meister der Zahlen. Dabei immer dieses Böse, diese Art Aufseher, Sklaventreiber, eines, das seine Großmutter für den Hauch von Seele verkauft, im Nacken. Samt seiner Bande. Sie waren immer und überall. In den Köpfen ganz besonders.

Die Menschen rechts und links neben mir, mmmhhh, wurden immer verrückter. Sie verkrochen sich in dunklen Ecken und heulten, sie kamen zu mir und heulten: „Wir wollen nur Geld verdienen, wir brauchen es doch so dringend. Aber mit dieser Bande im Rücken … ?“ „Ich weiß“, entgegnete ich. „Doch warum lachst du nur und pfeifst dein Lied, als wenn nichts wäre?“ fragten sie mich. „Mmmhhh?“, ich zuckte mit den Schultern. „Warum lacht ihr nicht?“

„Wir müssen es loswerden, wir müssen ihn loswerden, wir müssen sie loswerden, unbedingt und so schnell wie möglich!“, zischte es aus der Masse.

Sie heckten Pläne aus, versammelten sich an geheimen Orten und beratschlagten, wie dem Bösen samt seiner Bande beizukommen wäre. So verging die Zeit und es wurd wie es kommen mußte, immer schlimmer. Es verging kein Tag an welchem kein Blut floß.

Ich derweil nur ... sah zu, machte weiter mein Geld, machte das, wofür ich unterschrieb. Traf es mich, Gründe waren nicht nötig, es wurde so drauf losgeschossen, ließ ich es bei mir bluten. Ich zählte dafür am Abend mein Geld und legte mich schlafen.

Doch die Wunden der anderen schrien in meinem Kopf, wurden lauter und lauter. Ihre Augen glotzten mich an, aufgerissen, verzweifelt. „Leichte Beute für das Böse“, dachte ich mir.

Immer und immer wieder klagten sie. Mir verging das Lachen, mir verging das Pfeifen.

„Na dann steht doch endlich auf!“, platzte es aus mir heraus. Alle schauten mich entgeistert an. „Ja, jaaaa, wir stehen auf, so lassen wir uns nicht mehr behandeln. Was soll er gegen uns schon unternehmen? Schließlich sind wir in der Überzahl und was noch viel wichtiger ist: WIR HABEN RECHT!“

„Gut“, raunte ich, „gut!“

Es war ein verregneter Morgen, ich erinnere mich noch genau, ich betrat die Bühne und stolperte fast über diese Frau, die zusammengekauert, blutend, ohnmächtig und sich zu Wehren nicht im Stande, vor mir auf dem Boden lag. Alle anderen wurzelten wie Salzsäulen im Halbkreis darum und begafften das Böse beim Verrichten seines Tagewerks. Es prügelte und schoß wild um sich.

Ich packte instinktiv das Übel am Hals und schleuderte es in die Luft: „Noch einen Schritt weiter, dann blutest DU!“ brüllte ich es an. Was dann passierte, zerbrach mich. Ich drehte mich um und sah, wie all die Menschen sich von der Szenerie abwandten und gingen, wie sie ihre Chance vergaben, ihrem Leiden ein Ende zu bereiten, wie sie … .

Zurück blieben ich, der ja nur Geld verdienen und sich aus allem heraus halten wollte und das Böse. Da standen wir nun, Aug in Aug, er, das Böse, nun mit der Bande im Rücken, ich mit diesem zur Wand. Es war ein einziges Massaker. Nachdem sie mit mir fertig waren, karrten sie meine Überreste vor die Stadt. Natürlich nicht, ohne mich vorher noch ordentlich zu Fleddern.

Es kam also auch hier, wie es früher oder später kommen mußte: ich war ein toter Mann. Ich kehrte kurz darauf noch einmal zurück, machte mein Versprechen war und ließ das Böse bluten, legte mich mit der Bande und deren Bande an, ließ sie aus allen Rohren schießen und lachte nur. „Hey, ich bin schon tot, schießt und prügelt soviel ihr wollt.“ Dann legte ich an und brachte mit nur einem einzigen Schuß das Kartenhaus zum Einstürzen. Doch was soll ich sagen, lebendiger fühlte ich mich danach auch nicht.

Ich versuchte es später noch einmal in ein paar anderen großen Städten, doch letztendlich gehört wohl ein toter Mann in die Wüste. Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Lange dachte ich nach, suchte nach Antworten, verlor dir Sinne und ein Weg zurück ins Leben schien immer unwahrscheinlicher.

Was mich irgend wann erschrecken ließ, war, daß sich so viele Menschen, mich eingeschlossen, den
Tod für das Böse wünsch[t]en. Warum wünsch[t]e ich nicht das Leben? Warum nicht die Liebe?

Ich bleibe weiterhin in der Wüste und kämpfe mit dem Bösen. In mir! Solange, bis ich es umarmen kann.


enthauptung

stumpfsinnsbomben detonieren stechen wunden tief ins sein
lassen flügel schwarz verbrennen und die träne fällt allein
fällt im schein der ersten kerze und erstickt das licht alsbald
weit im dunkel tarnt die freiheit welche ewig in uns hallt

es wird kalt

in den gängen in den tiefen der vernunft
ihre mauern rücken näher katakombengleich geschrumpft
offenbart sich blutvoll sand den die füße schmerzvoll greifen
und das herz versinkt im land singt die melodie der brandung einst verglühter falterleichen

die geboren und gestrandet ihr verlangtes leben starben
die verloren nun gelandet nie mehr das sind was sie waren
und das kind wird immer schwächer spürt der klingen sklaverei
wird erbarmungslos zum rächer bettet und begräbt den schrei

heb dich auf und bleibe stehen rücke nach in ihre reihen
laß das segel wieder wehen laß das leben uns befreien

feuer feuer feuer
feuer feuer

Staubige Grüße

Dead Man
DEAD MAN ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.01.2013, 13:59   #3
männlich Desperado
 
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Beiträge: 1.747


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enthauptung

stumpfsinnsbomben detonieren stechen wunden tief ins sein
lassen flügel schwarz verbrennen und die träne fällt allein
fällt im schein der ersten kerze und erstickt das licht alsbald
weit im dunkel tarnt die freiheit welche ewig in uns hallt

es wird kalt

in den gängen in den tiefen der vernunft
ihre mauern rücken näher katakombengleich geschrumpft
offenbart sich blutvoll sand den die füße schmerzvoll greifen
und das herz versinkt im land singt die melodie der brandung einst verglühter falterleichen

die geboren und gestrandet ihr verlangtes leben starben
die verloren nun gelandet nie mehr das sind was sie waren
und das kind wird immer schwächer spürt der klingen sklaverei
wird erbarmungslos zum rächer bettet und begräbt den schrei

heb dich auf und bleibe stehen rücke nach in ihre reihen
laß das segel wieder wehen laß das leben uns befreien

feuer feuer feuer
feuer feuer

Hi DEAD MAN,

großartiges Gedicht! Wirklich jammerschade, dass nicht mehr davon zu lesen ist. Obgleich ich Deine "Zurückhaltung" sehr gut verstehe...

Tja, was soll ich sagen? Dumm, dass ich nicht in der Nähe war seinerzeit, sonst hätt ich Dir zumindest vorhersagen können, dass Du damit rechnen musst, dem Schurken allein an der Gurgel zu hängen, wenn's drauf ankommt... eigentlich sogar fest davon ausgehen, und je mehr du dazu gedrängt worden bist, desto sicherer. So werden nun mal tragische Helden gemacht.

Da hatte es die Ameise am Hals des tobsüchtigen Elefanten noch besser, da schrien sie wenigstens von unten: Emil, würg ihn!

Aber mal ehrlich- so als toter Mann durch die Wüste zu streifen, das hat dann doch auch was! Immerhin hast Du Dich genau deswegen rächen können, weil Dir keine Kugel mehr was anhaben konnte und kein Messer im Rücken, die Unverwundbarkeit infolge von Totsein hat durchaus auch ihre guten Seiten.

Ich seh da sowieso schon lange keinen Unterschied mehr.

Wie viele gibt es, die lauthals was von Leben, Lust und Schaffenskraft grölen und längst ihre Knochen scheppernd hinter sich herschleppen? Das Böse ist oft genug genau so ein Fall, stinkende Untote, die ihr Lebensrecht einfordern und erzwingen, indem sie's den Lebendigen rauben. Eines Tages sind auch sie vergessene Grabsteine.

Eine Wüste ohne Dead Men? Gibt's nicht und darf's auch nicht geben. Sollen sie in den großen Städten ruhig glauben, dass sie leben, bis sie auch körperlich so tot sind, wie sie's in ihrer Seele schon lange gewesen, was kümmert's mich?

In der Wüste sind die Toten lebendiger, als sie es je waren. So what?

Wüste Grüße
Desperado
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