Dissoziation

[Meishere]

Ein Augenblick zerbricht im Spiegel
aus dem ich starrend schaue,
die Welt im Fenster ändert sich,
der Tag verläuft ins Graue.

Nicht weit entfernt ein Uhrenticken,
das erste wohl seit Stunden,
es scheint, als stünd ich zeitlos hier,
gefangen in Sekunden.

Erneut hält mich der dunkle Zauber
so fest in seinem Bann,
die Grenze meines Selbst verschwimmt,
wo bin ich hier und wann?

Und dann im nächsten Augenblick,
erwache ich erneut,
mein Geist kehrt in mich selbst zurück
und ist im Raum verstreut.

Die Zeit, die mir verloren ging,
sie scheint schon weit entfernt,
ich sammle Geist und Raum in mir
gewappnet, dass des Zaubers Gier
mich bald wieder verzehrt.

[Thing]

Deine Jugend ist beneidenswert!
Sie klingt, ob gewollt oder ungewollt aus allen Versen, wunderschön. Noch einmal so offen für Geheimnisvolles zu sein...

mich wieder ganz verzehrt

könnte mir wegen des Metrums als Schlußvers auch gefallen.

Lieben Gruß
von
Thing

[klaatu]

Sehr schön gereimt, ohne dass es gestelzt klingt. Gefällt mir richtig gut!
LG
k

[Meishere]

Lieber klaatu,
danke für dein Lob. Schön, dass es dir gefällt

Liebe Thing,
zunächst: Da ist mir tatsächlich im letzten Vers unabsichtlich ein Fehler im Metrum durchgerutscht
Danke für den Hinweis!
Zu deiner Interpretation: Interessant, dass du das darin liest, weil es tatsächlich hier ganz entgegen meiner eigenen Intention läuft
Eigentlich beschreibe ich in dem Gedicht wie ich den Zustand, der in der Medizin als "Dissoziation" bezeichnet wird, empfinde. Normalerweise mache ich meine eigenen Intentionen ja nicht so konkret, aber in dem Fall widerspricht der Satz "Deine Jugend ist beneidenswert" leider dem, was ich selbst darüber denke
Umso interessanter ist es allerdings, dass deine Interpretation in diese Richtung ging. Also natürlich ist das kein Problem!


Liebe Grüße,

Marcel

[Gylon]

Lieber Meishere,
ausdrucksstark, gefällt mir!

Liebe Grüße Gylon