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Alt 01.04.2013, 15:34   #1
weiblich Malouna
 
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Standard Moulderflow Kapitel 2.1

Hier geht es weiter:

2.


Es war eiskalt im Zimmer, als Georgia an diesem Morgen erwachte. Sie wickelte die Bettdecke so eng wie möglich um sich, doch sie wärmte kaum. Als Georgias Zähne anfingen zu klappern, beschloss sie, aufzustehen. Sie schaltete die Nachttischlampe an und setzte sich auf. Ihr Rücken schmerzte. Sie wurde alt. Ha, dachte Georgia, du bist gerade mal siebenundzwanzig. Jammer nicht.
Als sie die schweren, mehlwurmfarbenen Vorhänge zur Seite schob, erlitt sie einen mittelschweren Schock. Die Luft draußen war von goldgelben Schwaden durchzogen, die sich sacht bewegten. Georgia konnte einen Moment nur dastehen und fassungslos nach draußen starren. Es war wunderschön. Kleine Staubpartikel glitzerten im Licht, die warme, dunstige, sanft strahlende Farbe erfüllte das ganze Tal, in dem Moulderflow lag. Bei ihrer Anreise hatte Georgia gar nicht wirklich wahrgenommen, wie Moulderflow gelegen war. Es war eingegrenzt von Bergen, die sich hoch in den Himmel erhoben. Moulderflow füllte das kleine Tal voll aus. Nur im Westen stand vor dem Berg ein kleiner Hügel, von dem ein Fluss ins Tal führte. Soweit Georgia erkennen konnte, stand auf dem Hügel eine Kapelle, bei genauem Betrachten konnte sie so etwas wie Gräber erkennen. Georgia öffnete das Fenster und hielt vorsichtig die Hand hinaus. Die Luft war feucht und klamm, aber irgendwie angenehm, als würde sie in frisch gewaschene, noch feuchte Wäsche fassen, die in der Sonne hing. Georgia streckte den Kopf hinaus. Unter ihr lag in goldenem Dunst friedlich das Dorf. Sie hatte von ihrem Zimmer aus einen guten Ausblick auf die verwinkelten Gassen und kleinen, schiefergedeckten Häuser mit ebenso kleinen, liebevoll gepflegten Gärten mit Gemüse- und Blumenbeeten. Etwas entfernt stand ein altes Gebäude, dass wahrscheinlich die Schule war, daneben ein kleiner Laden, der sichtlich noch geschlossen hatte. Als Georgia den Blick hob, bekam sie den zweiten Schock. Links von ihr war in einen Berg eine Plattform eingehauen, auf dem ein riesiges, schlossähnliches Anwesen stand. Es war unglaublich groß, sowohl in der Höhe als auch in der Breite, hatte fünf Türme und war aus dunkelgrauem Stein gebaut.
Georgia nahm sich vor, herauszufinden, wer dort wohnte.
Sie riss sich von dem Anblick des morgendlichen Moulderflow los und schloss das Fenster. Die Kälte kroch ihr wieder in alle Knochen. Georgia putzte sich die Zähne, zog sich einen grünen Pullover und eine helle Jeans an und flocht ihre langen, dunkelbraunen Haare zu einem Zopf. Dann packte sie die wenigen Dinge, die sie ausgepackt hatte, in ihren Koffer zurück, zog ihren Mantel an und verließ das Zimmer. Es war halb acht, Georgia hoffte, dass sie um diese Zeit schon auschecken konnte. Tatsächlich konnte sie problemlos und beschloss, dass sie versuchen würde, bei Clark und seinem Vater zu essen, sie betrieben ja schließlich ein Wirtshaus, also würden sie vielleicht auch morgens etwas zu Essen anbieten können. Zuerst wollte sie aber ihr Auto finden und den Koffer wieder verstauen, den sie gestern noch geholt hatte.
Die Straße sah bei Tageslicht ganz anders aus. Das Wirtshaus war ziemlich alt und hätte vielleicht mal eine Renovierung vertragen, aus terrakottafarbenem Stein und und über der Tür hing ein Schild mit der Aufschrift „Falone’s trafitionller Schnellimbiss“. Wie kreativ, dachte Georgia. Falone war dann wahrscheinlich Clarks Vater. Hinter dem Wirtshaus war ein uneigezäunter Garten und dahinter ein Grünstreifen, auf dem Georgias Kleinwagen stand. Sie lud ihren Koffer ein und kehrte dann zum Wirtshaus zurück.
Die hölzernen Fensterläden waren noch geschlossen. Georgia fand die Aussicht, ihre beiden neuen Lieblingsfeinde vielleicht sogar aus dem Bett scheuchen zu können, wahnsinnig verlockend. Die Tür war tatsächlich noch abgeschlossen. Georgia suchte eine Klingel und fand auch schnell eine. Sie lächelte und drückte gleich zweimal hintereinander darauf. Das gellende Schrillen drang bis durch die Tür zu ihr.
Doch das Haus blieb still. Georgia wartete etwas und klingelte noch einmal. Ihr war klar, dass sie sich gerade ziemlich unhöflich benahm. Aber ich bin schließlich Ausländerin, dachte sie, uns außerdem habe ich noch eine Rechnung mit ihnen offen, was gestern Nacht betrifft.
Georgia klingelte noch einige Male, sie war wild entschlossen, den längeren Atem zu haben.
Nach einer gefühlten halben Stunde hörte sie wirklich den Schlüssel im Schloss, dann wurde die Tür geöffnet und vor ihr stand – es hätte nicht besser sein können – Clark mit leicht angesäuertem Gesicht. Als er Georgia erblickte, verfinsterte es sich vollkommen.
„Morgen“, sagte Georgia betont freundlich und lächelte, „ich hab Sie doch nicht etwa aufgeweckt?“
„Du lieber Himmel, wie kommen Sie denn auf diese absurde Idee?“, erwiederte Clark sarkastisch.
„Ach, ich weiß nicht. War nur so eine kleine Vermutung. Kann man bei Ihnen auch morgens essen?“
„Bei uns können Sie überhaupt nicht essen.“
„Wie schade. Gibt es hier irgendwo einen Ort, wo ich frühstücken könnte?“
Clark öffnete den Mund, um etwas zu entgegnen, doch in diesem Moment ertönte von drinnen eine Stimme. „Clark, nur weil du müde bist, brauchst du noch lang nicht die Kundschaft vertreiben!“ Eine junge Frau, etwa in Clarks Alter, schob sich an ihm vorbei zur Tür. Sie sah Clark durchaus ähnlich, weshalb Georgia von einer weiteren Verwandten ausging. Ihre Augen waren runder und heller als Clarks und ihre schulterlangen Haare honigblond, sie war etwa so groß wie Clark (also mindestens einsachzig!) und hatte eine schlanke, muskulöse Figur. Eigentlich war sie wirklich hübsch.
„Ich wollte nur fragen, ob man bei Ihnen eventuell frühstücken könnte.“
„Aber natürlich. Kommen Sie rein. Clark, was fällt dir eigentlich ein? Willlst du Papa die Kundschaft verderben?“ Sie grinste Cark und Georgia munter an. Georgia erwiederte ihr Lächeln, Clarks Mimik zeigte keinerlei Regung.
„Mein Bruder ist kein Morgenmensch, müssen Sie wissen“, fuhr die Frau fort, während sie nach drinnen traten.
„Besonders, wenn man nachts von einer Irren vom Schlafen abgehalten wird“, knurrte Clark so leise, dass nur Georgia es hörte. Seine Schwester war sowiso damit beschäftigt, ihr die Speisekarte vorzulesen.
„Äh, Moment“, unterbrach Georgia sie, „ich hab grad nichts verstanden.“
Clark lehnte sich an die Wand, verschränkte die Arme vor der Brust und seufzte leise.
„Ich könnte Ihnen natürlich auch einfach ein Butterbrot geben“, meinte seine Schwester und grinste.
„Corale“, murmelte Clark genervt.
„Nein, das ist eigentlich schon okay“, entgegnete Georgia mit einem Seitenblick auf Clark, „ich hätte gern einfach eine Semmel oder ein Brot, was Sie eben gerade dahaben.“
„Okay. Mit Marmelade, Honig, Käse?“
„Äh...Marmelade.“
„Gut, einen Moment bitte.“ Corale verschwand in der Küche.
Einige Minuten herrschte Stille. „Setzen Sie sich doch“, sagte Clark schließlich in einem Tonfall, der besser zu „verschwinden Sie“ gepasst hätte.
Georgia setzte sich wortlos an einen Tisch.
Eine Weile sagte keiner etwas. „Sie sehen Miss Carthwright vielleicht ähnlich“, sagte er schließlich, „charakterlich stehen Sie ihr um vieles nach.“
„Wir sind immer noch nicht verwandt“, erwiederte Georgia.
„Wie heißen Sie eigentlich?“
„Georgia Clough.“
Clark schnaubte verächtlich. „Klar. Und ich bin Karl der Große.“
„Nein, Sie heißen Clark. Ihren Nachnamen kenne ich leider noch nicht.“
„Mann, das war ein Scherz. Sie heißen nie und nimmer Georgia Clough.“
„Hallo? Und warum bitte nicht?“
„Ich glaube, genau diesen Satz habe ich gestern Nacht schon einmal von Ihnen gehört.“
„Warum kann ich nicht Georgia Clough heißen? Ich kann doch nichts dafür, das ist nunmal mein Name!“
„Kann ich mal Ihren Ausweis sehen?“
„Kann ich bitte Ihre Dienstmarke sehen?“
„Wie bitte?“
„Meinen Ausweis zeige ich grundsätzlich nur der Polizei.“
Clark seufzte nur und fuhr sich durch seine dichten, zerzausten Haare.
„Sie sind verdammt anstrengend.“
„Mal eine andere Frage: Haben Sie eigentlich Verwandte in Asien?“
„Wie zum Teufel kommen Sie jetzt darauf?“
„Ach, nur so. Sie sehen so ein bisschen asiatisch aus.“
Clark wandte den Blick ab. „Meine Großmutter ist aus Thailand.“
„Wow. Wie heißen Sie denn jetzt eigentlich mit Nachnamen?“
„Townsend.“
In diesem Moment kam Corale aus der Küche und stellte Georgias Essen vor ihr auf den Tisch, außerdem noch einen Teller mit einer aufgeschnittenen Honigmelone. „Die ist noch von gestern übrig. Können Sie haben, wir müssen sie sonst wegschmeißen.“
Während sie aß, fragte sie sich, woher man in der Einöde Ostenglands, noch dazu im Herbst, Honigmelonen bekam. Fast die ganze Zeit redete niemand, da Corale in die Küche zurückgegangen war und Clark vollkommen vertieft Zeitung las. Nach einer Weile kam Corale wieder uns Clark hob ruckartig den Kopf. „Conny“, sagte er, „sie hat Miss Carthwrights Haus geerbt.“
Corale riss die Augen auf und stürzte zu Clark, besser gesagt zur Zeitung, da sie dachte, diese Information würde darin stehen. „Wer?“, fragte sie atemlos.
Clark wies mit dem Kinn auf Georgia. „Sie.“
Corale sah von ihrem Bruder zu Georgia. „Sie?“, flüsterte sie und sprach im Gegensatz zu Clark Georgia an.
„Was ist denn jetzt so besonders daran?“, rief Georgia .
Corale starrte sie einige Sekunden lang fassungslos an. „Sie scherzen.“
„Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was das für ein Haus ist. Vielleicht können Sie mich ja mal aufklären.“ Sie warf einen Seitenblick auf Clark, „Ihr Bruder scheint das nämlich nicht für nötig zu halten.“
Georgia sah, wie es in Corale arbeitete. „Ich bin mir nicht sicher, ob sie das ernst meinen, ehrlich nicht. Aber ich glaube, es ist besser, wenn Sie das Haus mit eigenen Augen sehen. Wissen Sie, wo es steht?“
„Ich habe keine Ahnung“, gab Georgia zu.
„Ich könnte Sie hinführen. Wenn Sie wollen. Denke, ich habe Zeit. Wenn nicht, kann Clark es Ihnen auch zeigen. Nicht, Clark?“
Clark murmelte etwas Unverständliches.
„Das wäre total nett von Ihnen“, erwiederte Georgia.
„Gut“, sagte Corale, „essen Sie auf, dann gehen wir. Um diese Zeit ist fast nichts los, das schafft Clark auch alleine. Nicht, Clark?“ Sie grinste.
Sie redet mit Clark wie mit einem Kind, dachte Georgia, eine wirklich symphatische Frau.

Etwa eine halbe Stunde später machten Georgia und Corale sich auf den Weg zum mysteriösen Haus.
Georgias erster Verdacht zündete bei Corales Worten: „Wir müssen eine Weile bergauf gehen. Ich hoffe, das macht Ihnen nich viel aus. Sie können nämlich nicht mit dem Auto hinauffahren. Sollen wir Ihr Gepäck gleich mitnehmen...?“ Und so weiter. Georgia merkte bald, dass Clarks Schwester gern redete. Wirklich gern. Der Verdacht wurde stärker, als Corale Georgia, jede mit einem Koffer, durch die Gassen von Moulderflow in Richtung Westen voranschritt. Georgia war jetzt schon halb k.o., sie befürchtete, den Bergaufstieg nicht zu überleben. Sollte sich ihr Verdacht bestätigen, würde sie so oder so einen Herzinfarkt erleiden.
Nach einer Weile kamen sie an den Fuß des Westberges. Entweder würde Georgia eine windschiefe, höchst einsturzgefährdete Berghütte erben, oder... der Berg war so verdammt steil, dass Georgia nach fünf Minuten asthmatische Erscheinungen hatte. Und falls sich ihr Verdacht bestätigen würde, würde sie noch eine ganze Weile gehen müssen.
Corale hingegen lief vollkommen mühelos den Abhang hinauf und trug Georgias Koffer wie eine Tüte Semmeln. Ich muss mehr Sport machen, dachte Georgia, während sie Corales durchtrainierte Wadenmuskeln betrachtete, die sich bei jedem Schritt anspannten. Aber das Schlimmste war, dass Georgia kaum Luft bekam und Corale die ganze Zeit munter vor sich hinplapperte und hin und wieder eine Antwort von Georgia erwartete. Irgendwann stieß Georgia die Frage hervor, woher der goldene Nebel kam.
„Das ist wirklich wunderschön, nicht?“ Corale wartete an einer Kurve auf Georgia. Der Pfad führte in Serpentinen den Berg hinauf. „Es hat mit den Bergen zu tun und wie die Sonne steht. Wenn sich morgens Nebel im Tal bildet, trifft die Sonne in einem solchen Winkel auf die Berge, dass sich das Licht im ganzen Tal verbreitet und durch den Nebel scheint.“
Sie liefen weiter. Georgia ignorierte Corale. Es war zu demütigend. Es war ihr irgendwann auch egal, dass sie schnaufte wie eine Dampflock – sie hatte sich entschieden, lieber als unsportlich zu gelten als den Erstickungstod zu erleiden.
Nach gefühlten drei Stunden (knappen fünfzehn Minuten) kamen sie oben an.
Georgia Verdacht bestätigte sich. Sie war zu fertig, um sich aufzuregen.
„Ist alles in Ordnung mit Ihnen?“, fragte Corale besorgt und beugte sich zu Georgia hinunter, die sich auf den Boden hatte fallen lassen.
„Ich bin mir nicht so ganz sicher“, keuchte Georgia, verschluckte sich und hustete erstmal eine Weile. Einige Minuten später war sie wieder halbwegs klar im Kopf und langsam sickerte die Nachricht in ihr Bewusstsein, dass sie ein Schloss geerbt hatte. Sie hob den Blick und betrachtete das Anwesen, das ihr gehören sollte. Aus der Nähe betrachtet, sah es noch viel größer und bedrohlicher aus mit mit seinen hohen, dunkelgrauen Steinwänden und den vielen Türmen. Um das Anwesen herum war ein Garten gehalten, der ziemlich verwildert aussah, aber mit Sicherheit einmal wuderschön gewesen war. Georgia stand mühsam auf.
Zur Eingangstür führte eine kleine, breite Steintreppe mit verschnörkeltem Geländer, zu deren beiden Seiten aufwendig gearbeitete, dreistöckige, wasserlose Springbrunnen standen. Die Eingangstür war eher ein Tor, aus Stein und mit abstrabten Blumenranken und Blättern verziehrt. Der Türklopfer hatte die Form eines Blätterkranzes und wurde von einer Steinhand gehalten.
Georgia war sprachlos. Das Haus musste mehrere Millionen wert sein.
„Können wir reingehen?“, fragte Corale leise.
Georgia antwortete nicht.
„Oh, bitte, bitte, ich möchte es so gerne einmal von innen sehen.“
Georgia suchte in ihrer Umhängetasche nach dem Schlüssel.
„Selbstverständlich können Sie es von innen sehen.“
„Wow...ich meine, das ist unglaublich. Sie müssen wissen, ich habe meine gesamte Kindheit in Moulderflow verbracht, und Neele Cartwright und ihr Haus...sie waren immer das große Geheimnis des Dorfes. Miss Cartwright habe ich nur ein paarmal gesehen und ihr Haus nur aus der Ferne. Wir hatten als Kinder die wildesten Vermutungen, was sich im Inneren des Hauses verbarg. War immer sehr lustig. Meine Freundin Faith war davon überzeugt, dass die Cartwright in ihrem Haus Monster züchtete oder Menschenroboter baute, die eines Tages unser Dorf zerstören würden.“
„Lustig“, murmelte Georgia, während sie den Schlüssel vorsichtig ins Schloss schob.
„Mann, das ist unglaublich.“ Corale biss sich auf die Unterlippe.
Der Schlüssel knackte im Schloss und die Tür sprang ohne Vorwarnung einen Spalt auf. Georgia schob ihre Finger in den Spalt und zog an der Tür. Sie bewegte sich kaum einen Zentimeter. Georgia stemmte sich mit aller Kraft dagegen, jedoch ohne Erfolg. Keuchend trat sie einige Schritte zurück.
„Darf ich?“, fragte Corale.
„Versuchen Sie es.“
Corale stemmte die Tür fast mühelos auf.
„Danke“, nuschelte Georgia, als Corale einen Schritt zurücktrat, um ihr den Vortritt zu lassen.
Zuerst sah sie gar nichts. Corale trat hinter ihr ein und begann die Wand nach einem Lichtschalter abzusuchen.
Georgia räusperte sich. „Halten Sie es für möglich, dass es hier kein elektrisches Licht gibt?“
In diesem Moment flammte das Licht auf.
„Möglich wäre es schon“, erwiederte Corale.
Das Licht ging von einem riesigen Kronleuchter in der Mitte des Raumes aus. Er war schwarz und mit dunkelroten Bändern umwickelt, geschwungen und verschnörkelt. Der Saal (Raum oder Zimmer wäre maßlose Untertreibung) war hoch wie eine Kirche und hatte etwa so viele Quadratmeter wie Georgias ganze Wohnung. In der Mitte lag ein dicker, dunkelgrüner Teppich mit goldenen Bestickungen, der dreimal so groß war wie Georgias Küche. An beiden Seiten des Raumes führten zwei geschwungene Treppen aus dunklem, edel aussehenden Holz nach oben auf eine offene Empore, wahrscheinlich begann dahinter das zweite Stockwerk. Die Geländer waren detaillvoll geschnitzt, Georgia konnte Figuren darin erkennen. Bei genauerem Hinsehen waren es Vögel, die mit weit ausgebreiteten Schwingen aus dem Holz heraustraten.
In einer Ecke des Raumes stand eine Pflanze, die Georgia einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Sie hatte einen langen, dünnen Stiel, der so blass und farblos schien, als wäre er aus Glas. Georgia erschien es wie ein Wunder, dass er die Blüte tragen konnte. Sie war riesig und hatte unzählige gräuliche Blätter, deren Enden ausgefranst, verwelkt und krank aussahen.
Corale hatte die Pflanze auch bemerkt. Georgia bemerkte leicht irritiert, dass ihre Augen begeistert glänzten, als sie zügig auf die Blume zuging.
Georgia folgte ihr zögernd. „Wissen Sie, was das für eine Pflanze ist?“, fragte sie.
Corale ging in die Hocke. „Nein“, erwiederte sie leise, „aber sie ist wunderschön, finden Sie nicht?“
Nein. Definitiv nicht. „Beeindruckend, ja.“
Corale streckte vorsichtig und langsam ihre langen, schmalen Finger aus. Kurz vor der Pflanze hielt sie in der Bewegung inne.
Georgia hatte plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Sie wollte sich gerade umsehen, da zog Corale ruckartig ihre Hand zurück, stemmte sich wieder in den Stand und räusperte sich. Das Geräusch hallte in der riesigen Halle wieder. Corale drehte sich zu Georgia um. Ihre Augen suchten blitzschnell den Raum ab.
Georgia bekam beim Anblick ihrer rasenden Pupillen leichte Panik. „Gehen wir weiter?“, fragte sie unsicher.
Corale fixierte ihren Blick auf Georgia.
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