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Düstere Welten und Abgründiges Gedichte über düstere Welten, dunkle und abgründige Gedanken.

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Alt 24.11.2013, 13:33   #1
weiblich Merith
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Standard Tod eines Bettlers

Ich gehe allein in den Tagen
Verstoßen von stinkender Brut
Umgeben von müßigen Klagen
Gehüllt in Schmutz und Blut.

Könnt' ich sie sehen,
könnt' ich sie fassen
Im eigenen Dreck würde ich sie kriechen lassen.

Ich fühle ihren Spott
Und bewein' ihn nicht
Ich höre ihr Lachen
und beachte es nicht

Sie schlagen in mein heißes Gesicht
Ich spüre es nicht.

Ich klopfe an Türen und bitte um Brot
Sie gaffen und glotzen
Und spucken vor meine Füße hin.

Ich lenke die Schritte zum Brunnen
einen Schluck Wasser will ich nur
da kommen sie alle , ein gieriges Heer
Und schöpfen keifend den Brunnen leer.

Ich falle und liege im Schmutz
Ein weinender Tor
da stürzen sie schreiend auf mein Fleisch
Und setzen es ihren Kindern vor.
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Alt 24.11.2013, 14:28   #2
männlich Jeronimo
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Hallo Merith,

du bist immer sehr engagiert, mutig und couragiert.
Und, wie zur Verteidigung, kommt sicher bald ein Hinweis, dass bei uns niemand verhungern muss, weil ja niemand weiß, wie
es so einem Bettler wirklich geht.
Aber wozu auch, er dürfte ohnehin selbst schuld haben, und zu Weihnachten spenden wir ja auch unsere Gewissensbisse weg, damit wir uns in Ruhe dem Luxus zuwenden können.

Deshalb ist dein Gedicht auch wichtig, nicht so rührselig, sondern auf den Punkt gebracht, den man gerne immer bestreitet.
Das hat mir sehr gefallen!

Jeronimo
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Alt 24.11.2013, 15:07   #3
Thing
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Beiträge: 34.998

Standard Hallo, Merith -

das ist eine sehr blutrünstige (AN)Klage und wenn ich mir vorstelle, daß Bettler auch noch als Mahlzeit zubereitet werden...
Die Szenerie vermute ich in sehr viel früheren Zeiten; es gibt m.E. keine Brunnen mehr, von denen Bettler vertrieben werden.
Ich habe auch noch niemals sehen können, daß ein Bettler ins Gesicht geschlagen oder angespuckt wurde.
Hier bei mir (Kleinstadt) sitzen die Bettler in der Hauptstraße, vorwiegend vor Lidl und Aldi oder Ekeda, oft in Begleitung ihres Hundes.
Selbstverständlich gibt nicht jeder Passant, aber ich glaube, die Bettler kommen zurecht, denn ich habe auf Ehre und Gewissen noch keinen gesehen, an dem man die Rippen zählen kann.
Was viel schlimmer ist, daß viele sog. Wohnsitzlosen im Winter keine Bleibe haben. Um die kalte Zeit liest man leider immer wieder von Erfrorenen.
Daß nicht mehr Schlafplätze geschaffen werden, zeugt nicht gerade von Nächstenliebe.
An meine Tür hat noch keiner geklopft. Er hätte auch ziemlich weit bergauf zu gehen und müßte erst einmal 3 Treppen hochsteigen, bis er anklopfen könnte.

Was Du in der Ich-Form beschreibst, ist sehr blutig. Wer oder was ist denn die stinkende Brut? Und wieso ist ein Bettler in Blut und Schmutz gehüllt?

Ich kann mir auch vorstellen, daß das Gedicht eine Art Metapher ist, die aufrütteln soll.
Aktuelle Zustände beschreibt es gewiß nicht.

Herzlichen Gruß
von
Thing
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Alt 25.11.2013, 11:55   #4
weiblich BABSvomKUTSCHI
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Dabei seit: 03/2011
Beiträge: 3.095

Hat mir sehr gefallen. Besonders die letzte Strophe. Erinnert mich an den Negeraufstand:

In den Bäumen hängen Leiber
Und darunter stehen Weiber
Und sie denken wie besessen
An das nächste Menschenfressen

LG
Babsi
BABSvomKUTSCHI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 17:30   #5
weiblich Merith
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Lieber Jeromino,
ich danke Dir sehr für Deine ermutigenden Worte, wie immer gehst Du pfleglich mit meiner Dichtkunst und mir um . Eine Mahnung für uns alle sollte es sein, vielleicht ein bisschen zu radikal. aber es war mir gerade nicht nach Schönreden. Liebe Grüße Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 17:41   #6
weiblich Merith
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Beiträge: 3.380

Hallo babsi,

denke mir schon, dass Dir die letzte Strophe am besten gefällt, Dein "Anhängsel" setzt natürlich allem die Krone auf und ist mir in meiner momentanen düsteren Stimmung nur willkommen.
Übrigens apropos burn-out , bist Du schon wieder auf freiem Fuß ?
Gruß Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 18:17   #7
weiblich BABSvomKUTSCHI
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Beiträge: 3.095

Zitat:
Zitat von Merith Beitrag anzeigen
Hallo babsi,


Übrigens apropos burn-out , bist Du schon wieder auf freiem Fuß ?
Gruß Merith
Haben mich gar nicht erst reingelassen. Sagten fuck off.
BABSvomKUTSCHI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 20:10   #8
weiblich Merith
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Lieber Thing,

ich als heillose Romantikerin traue mich mal in die Abgründe und da erschütterst Du mich mit Deinem Pragmatismus Ja freilich ist mein Gedicht eine "Art Metapher" , wahrscheinlich eher misslungen.
"In Blut und Schmutz gehüllt", jetzt werde ich pragmatisch: Wahrscheinlich ist er
in eine Schlägerei geraten, hat eins auf die Nase bekommen und mangels einer Packung Tempotaschentücher in seiner Aldi-Plastiktüte, hat er sich das Blut mit dem Ärmel seines Pullovers weggewischt.
Mit "ins Gesicht geschlagen" meine ich die allgemeine Entehrung , Ich hätte auch schreiben können, ein Dolchstoß trifft sein Herz, doch verspürt er keinen Schmerz. Wenn Dir der Dolch zu pathetisch ist, dann probier's doch mal mit Tomatenmesser.
Unter der "stinkenden Brut" verstehe ich die Heuchler, die 50 Cent in die Tasse werfen und sich abends in ihrer Kneipe mit einer Spende groß tun.
Und Deine drei Treppen bewahren Dich vor dem "Anklopfen": Dabei hatte ich eigentlich auch an die vorweihnachtliche Herbergssuche gedacht und das Liedchen, das wir bei Weihnachtsaufführungen gesungen haben "Wer klopfet an ?"


Retrospektiv erkenne ich, dass der Titel irreführend ist, er muss heißen "Tod eines Narren" , ein Mensch, der vergeblich bittet, vergeblich anklopft, vergeblich hofft, bis er folgerichtig aufgefressen wird.

Mein Gedicht, nichts weiter als der gefühlsmäßige Wirrwarr einer Irren !

Herzliche Grüße Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 20:17   #9
weiblich BABSvomKUTSCHI
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Mensch Merith, so haben es doch Alle verstanden. Und Thing sowieso. Der wollte bloß mal wieder ´n bissken kitzeln.
BABSvomKUTSCHI ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 26.11.2013, 21:32   #10
Thing
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Nein, nein!

Ich habe wirklich ein mittelalterliches, trostloses Bild vor Augen gehabt,
oder etwas später, nach dem 30jährigen Krieg, als wirklich große Not herrschte.

Auf die Vergleiche, die Du mir jetzt gezeigt hast, wäre ich gar nicht gekommen.
Ich habe wohl allzu wortwörtlich interpretiert.
Es mangelt mir leider an Umsetzungsphantasie.

Schade, daß mein Mittelalterbild jetzt futsch ist!

Herzlichen Gruß
von
Thing
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Alt 26.11.2013, 22:11   #11
weiblich Merith
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Passt' scho, wie wir Bayern sagen (alles klar oder noch prägnanter alles o.k.), lieber Thing.

Dir liebe Babsi noch ein Dankeschön

Merith
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Alt 01.12.2013, 13:13   #12
männlich Kurier
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Liebe Merith,
ein Gedicht, das seitenlanger Erklärungen bedarf, weil dies so, und das andere so gemeint ist, scheint mir kein gutes zu sein; du hast es ja selbst erkannt.
Zitat:
Zitat von Merith Beitrag anzeigen
Mein Gedicht, nichts weiter als der gefühlsmäßige Wirrwarr einer Irren !
HG Kurier
Kurier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.12.2013, 13:41   #13
männlich Jeronimo
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Das Gedicht bedarf keinerlei Erklärungen, nur für Poesie-Beamten.
Einzig ein wenig Intelligenz ist hilfreich.

Jeronimo

Geändert von Jeronimo (01.12.2013 um 18:10 Uhr)
Jeronimo ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.12.2013, 18:05   #14
weiblich Merith
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Danke Jeromino
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Alt 01.12.2013, 18:44   #15
männlich Kurier
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Jeronimo,
hast du denn diesen Beitrag vom 28.11. - 19.10 Uhr - gelesen, und, da du die Intelligenz angesprochen, vielleicht nicht erfasst, dass dies Erklärungen sind?
Zitat:
Zitat von Merith Beitrag anzeigen
Ja freilich ist mein Gedicht eine "Art Metapher" , wahrscheinlich eher misslungen.
"In Blut und Schmutz gehüllt", jetzt werde ich pragmatisch: Wahrscheinlich ist er
in eine Schlägerei geraten, hat eins auf die Nase bekommen und mangels einer Packung Tempotaschentücher in seiner Aldi-Plastiktüte, hat er sich das Blut mit dem Ärmel seines Pullovers weggewischt.
Mit "ins Gesicht geschlagen" meine ich die allgemeine Entehrung , Ich hätte auch schreiben können, ein Dolchstoß trifft sein Herz, doch verspürt er keinen Schmerz. Wenn Dir der Dolch zu pathetisch ist, dann probier's doch mal mit Tomatenmesser.
Unter der "stinkenden Brut" verstehe ich die Heuchler, die 50 Cent in die Tasse werfen und sich abends in ihrer Kneipe mit einer Spende groß tun.
Und Deine drei Treppen bewahren Dich vor dem "Anklopfen": Dabei hatte ich eigentlich auch an die vorweihnachtliche Herbergssuche gedacht und das Liedchen, das wir bei Weihnachtsaufführungen gesungen haben "Wer klopfet an ?"
Kurier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 01.12.2013, 19:04   #16
männlich Jeronimo
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Beiträge: 4.237

Aber ja. Weil es in der Interpretation zeitliche Differenzen gab. Und weil man Metaphern halt sehr vielschichtig auslegen kann. Aber deswegen ist man ja nicht irre, weil man Euphorie, Herzblut oder Abscheu in seine Zeilen verarbeitet, und nicht immer ist alles so bierernst gemeint, und die Selbsteinschätzung war ja nur Spott (die mit dem "irre sein").
Man muss einen Text als Mensch mit Gefühl sehen, nicht als Lehrer mit dem Rotstift, man muss Träumer sein und Zuschauer, Begleiter und Freund, dann kann man jeden Text verstehen.

Jeronimo
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Alt 01.12.2013, 19:50   #17
männlich Kurier
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Dabei seit: 06/2010
Beiträge: 701

Zitat:
Zitat von Jeronimo Beitrag anzeigen
man muss Träumer sein und Zuschauer, Begleiter und Freund, dann kann man jeden Text verstehen.
Ja, da stimme ich dir uneingeschränkt (ohne Häme) zu.
Man sollte aber auch den Schreiber sachlicher Kritik nicht nur ablehnend als Lehrer mit dem Rotstift sehen; so schaukeln sich doch beide Seiten nur hoch.
Kurier
Kurier ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 02.12.2013, 03:11   #18
weiblich Merith
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Dabei seit: 10/2013
Ort: Im Isental
Alter: 83
Beiträge: 3.380

Ach Jeromino,

ich bin ja schier überwältigt von Deiner Anteilnahme am Tod meines Bettlers und ich bin Dir zutiefst dankbar, dass Du nicht an meinem Verstand zweifelst, auch wenn ich mich, wie Du wieder mal richtig interpretiert hast, als "Irre" ausgegeben habe.

Einen guten neuen Tag für Dich ! Merith
Merith ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 16.12.2013, 19:44   #19
männlich curd belesos
 
Benutzerbild von curd belesos
 
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Ort: Lübeck
Alter: 78
Beiträge: 1.303

Zitat:
Zitat von Jeronimo Beitrag anzeigen
man muss Träumer sein und Zuschauer, Begleiter und Freund, dann kann man jeden Text verstehen.
wenn man will.
curd belesos ist offline   Mit Zitat antworten
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