Poetry.de - das Gedichte-Forum
 kostenlos registrieren Letzte Beiträge

Zurück   Poetry.de > Geschichten und sonstiges Textwerk > Geschichten, Märchen und Legenden

Geschichten, Märchen und Legenden Geschichten aller Art, Märchen, Legenden, Dramen, Krimis, usw.

Antwort
 
Themen-Optionen Thema durchsuchen
Alt 05.08.2013, 18:36   #1
männlich Thomasluebeck
 
Benutzerbild von Thomasluebeck
 
Dabei seit: 08/2013
Ort: Hansestadt Lübeck
Alter: 61
Beiträge: 9


Standard Seelen in schwerer See

Hallo,

ich habe angefangen über meine Reha einen Roman zu schreiben und würde gerne mal wissen was Ihr von den ersten Zeilen haltet......

Kranke Seelen in schwerer See – Ein Erlebnisbericht von einer psychosomatischen Reha.
Thomas P.E. Höft 2013

Vorwort

Können zwölf Wochen in einer Reha ein Leben verändern? Vielleicht.......

Thomas war eine lange Zeit in einem Burnout-Syndrom gefangen und in eine Depression gerutscht und und auch heute noch in ihr gefangen. Drei Schicksalsschläge innerhalb weniger Monate haben dazu geführt, dass Thomas keinen Sinn mehr darin sah, weiter leben zu müssen.

Nach vielen Monaten des Leidens wurde er in einer stationären Reha-Massnahme behandelt. Die acht Wochen dort haben vieles bewirkt, aber nicht alles geheilt

In diesem autobiographischen Roman wird einmal mehr deutlich, wie sehr das Leben heutzutage durch die Krankheiten Depressionen und Burn Out beeinflusst wird. Wie sehr diese Krankheiten Menschen, und auch ihre Angehörigen und Freunde , an den Rand ihrer persönlichen Leidensfähigkeit treiben können – und im Zweifelsfall sogar Leben beenden ..........

Diese Geschichte zeigt, dass die heutigen therapeutischen Möglichkeiten oftmals sehr begrenzt sind. Und auch, wie hilfreich, gerade bei stationären Maßnahmen, die Hilfe und der Kontakt zu den „Kollegen“, die ein Patient in einer derartigen Maßnahme kennen lernt, sein können.
Die Geschichte erzählt von echten Freundschaften, von Menschen, die sich im „normalen“ Leben wahrscheinlich nie kennen gelernt hätten, und wie diese Menschen versuchen, ihre Freundschaften
ins reale Leben hinein zu retten.
Letztendlich auch davon wie sich durch derartige zufällige Begegnungen, komplette Lebensentwürfe verändern, bzw. ein Leben völlig auf den Kopf gestellt wird.

Vorwort zweiter Teil

An dieser Stelle vielen lieben Dank, an all diejenigen, die mich während der Reha begleitet, mir auch sehr viel geholfen haben, jedoch in den folgenden Zeilen nicht vorkommen. Insbesondere sind dies Kirsten, Sandra, Chris, Jörg, Daria , Silvia, sowie alle Patienten in meiner Gesprächsgruppe.

Diesen Liedertext schrieb ich kurz vor meiner
Reha-Maßnahme
I Did it my Way
Der Bart ungepflegt die Haare zottelig lang
Grüble mich um den Verstand
Hab Therapeuten und Tabletten
Doch die können mich auch nicht retten
Ein helles Licht von irgendwo her
Ich weiß genau ich will nicht mehr
Vielleicht ein letzter Schuss
Das wäre für mich ein schöner Schluss
I Did it my way

Am Auto die Airbag-Sicherung gezogen
Habe mich und Euch zu lang belogen
Der Horizont sich bald erhellt
Ich geh bald in eine bessere Welt
Mein Auto findet bald „seinen“ Baum
Das ist mein größter Traum
Das ist jetzt mein Weg

Ich finde gewiss ne Gelegenheit
Ihr fragt „Bist DU denn noch gescheit?“
Das ist mir alles so egal
Dieses Leben ist ne Höllen-Qual
Drum Schluss jetzt aus und Deckel zu
Ich finde endlich meine Ruh
Das ist jetzt mein Weg

Dieses kleine Abschiedslied
Dass etwas von mir blieb
Ich sehe für mich keine Wende
Finde bald meinen Frieden und mein Ende
Behaltet mich in guter Erinnerung
Denn das war mein Weg…….



Man man man.........was mach ich hier überhaupt? …..meine Gedanken waren kurz davor Amok zu laufen. Ich war seit einigen Stunden auf dem Weg zu meiner Reha in Frankenhausen....... schaute erneut auf mein Navi.....noch knapp 150 km.

Ich war in den letzten Stunden mehrmals drauf und dran umzukehren und hatte unzählige Pfeifen in meinem kleinen Auto geraucht und eine Thermoskanne Kaffee, die ich mir am frühen Morgen in meiner klitzekleinen Wohnung noch gekocht und mitgenommen hatte, diese Kanne, die war längst leer. An einer Raststätte hatte hatte ich mir für teures Geld Nachschub in Form eines Bechers „Coffee to go“ besorgt..........Coffee to go.......das heißt ja nichts anderes als „nimm den Kaffee und geh“........das ist doch irgendwie menschenverachtend, über manche Bezeichnungen durfte man eigentlich gar nicht nachdenken.....

Einfach umzukehren war noch der harmloseste Gedanken den ich hatte. Meine Gedanken gingen soweit, einfach mein Auto, und damit auch mich, gegen irgendeinen Brückenpfeiler zu lenken und damit mein unseliges Leben einfach so zu beenden. Es würde niemand auf mich warten. Niemand würde mich vermissen. Ok, ich hatte zwei Schwestern nebst Anhang und eine Mutter die, im Falle meines Freitodes, wahrscheinlich daran zu Grunde gehen würde. Aber das war in den letzten Monaten für mich von keinerlei Bedeutung mehr.
Was macht der Idiot denn da? Ich fuhr inzwischen eine kurvenreiche Strecke zum Kyffhäuser-Gebirge hinauf, und einige übermütige Motorradfahrer kamen mir auf der sehr kurvenreiche Strecke entgegen. Zum Großen Teil lehnten sich diese mit ihrem Oberkörper bis auf Gegenfahrbahn hinüber. Wenn ich auf so nem Bock sitzen würde, ich wüsste was ich mache, ging mir gerade durch den Kopf......
Nach all den Geschehnissen der letzten Monate wäre ich lieber heute als morgen einfach so gestorben...ich bekam diese extremen Gedanken einfach nicht aus meinem Kopf. Aber der „liebe Gott“ hatte mich einfach im Stich gelassen und ich war immer noch am Leben. Schon seit langem hatte ich an meinem Auto die Sicherung vom Airbag herausgenommen und hatte mich beim Autofahren auch nicht mehr angeschnallt. Bewusst Selbstmord machen, auch das hatte ich schon lange im Hinterkopf, aber es fehlte mit der letzte Rest an Mut dazu. So wuchs der Wunsch in mir heran, dass eine höhere Macht mir meinen Todeswunsch erfüllen sollte.......aber diese höhere Macht tat mir den den Gefallen nicht....sie hatte anscheinend etwas anderes mit mir vor.

Es ging immer weiter bergauf durch die engen Kurven. Ich wollte doch gar nicht in die Alpen, dachte ich bei mir und erinnerte mich daran, wie es früher war, als ich jedes Jahr mit meinen Eltern und später auch mit meiner ersten Frau Inge für 3 Wochen nach Ruhpolding in Bayern gefahren bin. Die Fahrten zum Großglockner, zu den Krimmler Wasserfällen und zum Stauwerk Kaprun.......schöne Zeiten waren das damals. Warum kann man das nicht zurück holen, warum nur ist die Zeit, das Feuer in dem wir verbrennen...es ging nicht anders, fuhr kurz rechts ran, weil ich in diesem Moment die Tränen nicht mehr zurück halten konnte. Ich konnte mich kaum beruhigen.

Es dauerte knapp 10 Minuten, bevor ich weiter fahren konnte. Mein Navi zeigte noch 11 km an. Jetzt ging es in vielen Kurven wieder bergab. Eigentlich ne schöne Gegend hier.........bevor ich weiter meinen Gedanken nachhängen konnte, sah ich schon das Ortsschild. Ich legte meine Pfeife bei Seite damit ich mich besser konzentrieren konnte. Nach kurzer Zeit fand ich den Weg zur Klinik und stand vor einer Schranke mit so einem kleinen Lautsprecheranlagen. Ich nannte meinen Namen und wurde von einer netten Stimme gebeten, zum Eingang zu fahren. Nachdem ich dorthin gefahren war, stieg ich mit leicht zitternden Knien aus dem Auto aus und musterte gründlich den vor mir liegenden Gebäudekomplex.........das ist also für die nächsten Wochen mein „zu Hause“.........

Der Anmeldevorgang im Eingangsbereich ging sehr zügig von statten, ein Mitarbeiter der Klinik nahm meine Daten auf, und ein Klinikmitarbeiter packte all meine Koffer und Taschen auf einen Handwagen. Ich bekam einen festen Parkplatz zugewiesen und keine 15 Minuten später war ich zum ersten Mal auf meinem Zimmer, worin auch schon meine ganze Dinge standen und ich hatte den ersten Terminzettel in den Händen.

Um 14 Uhr Aufnahmegespräch, stand darauf. Vorher Mittagessen. Dieses Mittagessen ließ ich ausfallen.....ich musste mich erst einmal sammeln... fühlte mich unsagbar fremd, verlassen und auch sehr sehr einsam in diesem Moment. Wobei ich sagen musste, dass ich mich in meinem Zimmer von Beginn an doch ziemlich wohl fühlte. Fernseher, Telefon, ein schönes Duschbad, Schränke und schönes Bett, eine schönes Aussicht.....das war doch schon mal was. Ich ging an meinen Koffer und begann ihn auszuräumen, Mein Laptop auf dem Schreibtisch zu platzieren, die Flugzeug-Hefte auf den Nachtschrank zu legen und in sehr kurzer Zeit hatte ich dem Zimmer seine persönliche Note gegeben, allein dadurch, dass es etwas unaufgeräumt aussah. Da ich noch eine halbe Stunde Zeit bis zum Aufnahmegespräch hatte, nahm ich mein Telefon und rief als erstes meine Schwestern Betty an, um ihr zu sagen, dass ich gut angekommen war. Der nächste Anruf...........der nächste Anruf galt meiner EX-Freundin Manuela. Ein komisches Gefühl übermannte mich dabei, aber ich war ja niemandem Rechenschaft schuldig. Ich hätte es ohnehin niemandem erklären können warum ich mich ausgerechnet bei der Frau meldete, die dadurch dass sie sich vor einem dreiviertel Jahr von mir getrennt hatte, irgendwie mit ein Auslöser dafür war, dass ich jetzt hier angekommen war. Als ich Manuelas Stimme am Telefon hörte, begann ich sofort wieder nahezu hemmungslos zu weinen und legte nach einigen kurzen Worten und nachdem Manuela mir alles erdenklich Gute gewünscht hatte, wieder auf.

Aufnahmegespräch......allein das Wort ließ ihm die Nackenhaare hochkommen. Wieder einmal musste ich einem fremden Menschen ziemlich viel, am besten alles von mir erzählen. Es kam mir immer wieder vor, als würde ich quasi nackt vor meinem Gegenüber sitzen. Von den Nackenhaaren die sich gerade aufstellten hatte ich wirklich in diesem Moment sehr viele, und vor allem sehr sehr lange. Ich hatte mich wirklich die letzten Wochen äußerlich ziemlich gehen lassen. Mein Vermieter, meine Nachbarn und auch Katja und Stefan, ein befreundetes Ehepaar welches sich während meiner Abwesenheit um seine Wohnung kümmern wollte, waren zuletzt jedes mal sehr erschrocken wenn sie mich sahen. Meiner Schwester Betty und auch meinem Schwager Gerd ging es nicht anders. Kurz vor meiner Abfahrt hatte ich die Beiden noch Mals, fast gezwungener Massen kurz besucht.

Ich verschloss meine Zimmertür, ging zum Wartebereich der Station und setzte mich dort. Kurz darauf wurde ich von einer netten und gut ausehenden Schwester ins Stationszimmer gerufen. Die Damen haben mich gemessen und gewogen, mein Blutdruck wurde gemessen und ich musste angeben, welche Medikamente ich zur Zeit einnahm. Dann baten mich die Schwestern nochmals kurz raus um mich erneut setzen. Ich saß dort mit 6 weiteren Neuankömmlingen. Jedenfalls kam es mir extremst so vor, als ich in die Gesichter der Anwesenden schaute. Alle hatten suchende Augen, unsicher Blicke gingen von links nach rechts. Jeder zuckte kurz zusammen wenn er Schritte hörte. Ich konnte nicht anders und ließ meinen trockenen Humor spielen und meinte „willkommen in der Diliqentenecke“.....fast alle mussten kurz lachen oder zumindest schmunzeln.

Eine Tür ging auf und eine dunkelhaarige Frau rief „Herr Hof“......jetzt zuckte ich extrem zusammen. Ich stand auf, ging ins das Zimmer, stellte mich der Frau Doktor kurz vor und setzte mich nach Aufforderung auf einen bequemen Stuhl vor ihrem Schreibtisch.
„Ich bin Dr. Müller-Topf und ihre Ärztin und Therapeutin“, sagte die Frau.
Es begann der, für mich schon bekannte, aber dadurch nicht angenehm werdende übliche Dialog. Ich begann zu erzählen, die Therapeutin schrieb mit. Nach kurzer Zeit griff sie in ihren Schreibtisch, nahm einen weiteren Zettel und als ich trotz aller Mühe des zusammen reisens kurz darauf begann in Tränen auszubrechen, hatte sie bereits das vierte Blatt auf ihrem Tisch liegen und reichte mir eine Packung Taschentücher.

Ich schaute kurz aus dem Fenster, während meine Ärztin weiter schrieb. Dann bat sie mich mich frei zu machen, und es folgte eine kurze körperliche Untersuchung. Dabei musste ich auch Gleichgewichtsübungen machen, damit mein Gegenüber feststellen konnte, ob ich Alkoholprobleme hatte. Die Untersuchung war beendet und ich zog mich wieder an und setzte mich erneut an den Schreibtisch. Es folgten noch ein paar Fragen zum Bereich Arbeit. Das war im Moment eine Achillesferse bei mir, da ich inzwischen ja wegen Arbeitslosigkeit und Krankheit über ein Jahr nicht mehr gearbeitet hatte, und langsam aber sicher das Arbeitslosengeld 2, auch Hartz IV genannt, immer näher kam. Es kam die frage, ob ich auch Existenzängste hätte, was ich natürlich mit einem deutlichen „Aber sicher doch“ beantworte. Die Ärztin zog kurz die Augenbrauen hoch „Und? Ne Menge Arbeit für drei Wochen oder?“ „Wieso drei Wochen?“ sie schaute mich verdutzt an. „Weil in meiner Reha-Bewilligung was von drei Wochen stand“.........“das können sie gleich vergessen.......ich mache direkt ne Verlängerung auf sechs Wochen klar, aber Sie sollten sich auf zwei Monate einstellen......und keine Angst, wir helfen ihnen soweit wir es können“. Dann wurde ein vorläufiger Behandlungsplan aufgestellt. Er sah Montag, Mittwoch und Freitag jeweils ein Gruppengespräch von neunzig Minuten Dauer vor, einmal in der Woche Visite, sowie zahlreiche Termine für den Bereich Sport und Bewegung. Am Ende des Gesprächs hatte ich neben den Gesprächsterminen Aquajogging, Rückengymnastik, Nordic-Walking, Schwimmen, Bogenschießen und Fitnesstraining auf meiner Liste stehen.

Nach diesem sehr anstrengenden Gespräch zog ich mich erst einmal auf sein Zimmer zurück. Den ersten Termin sollte noch am gleichen Tag um siebzehn Uhr folgen. Klinikführung stand auf seinem jetzt ausgedruckten Terminplan, den ich mir sich eine Stunde später an der Rezeption abholte, Danach suchte ich erst einmal nach der Raucherecke und ging dazu einfach auf eine Mitpatientin zu, die mit einer Schachtel Zigaretten gerade durch die Eingangshalle ging. Sie beschrieb mir kurz den Weg und ich machte mich auf derselbigen.

In der Raucherecke angekommen fiel mir eines sofort auf. Das Verhältnis von Frauen zu Männern lag bei siebzig zu dreißig. Ein „Artgenosse“, der auf einer der Bänke saß, schien sehr erfreut darüber zu sein, dass er jetzt nicht mehr als einziger Mann unter alle den Frauen war......jedenfalls wurde ich mit einem freundlichen „Hallo“ begrüßt.
Alexander stellte sich mir kurz vor, lächelte mich an und gab ein Zeichen, mich zu neben ihn zu setzen. Er hatte extrem kurz geschnittene Haare, eine kleine Brille und ein sehr offenes Lächeln. Ich schätzte ihn auf irgendwo Anfang fünfzig.

Während ich ich setzte, reichte ich ihm meine Hand zum Gruß und stellte mich ebenfalls kurz vor. Alexander erwiderte „Na? Heute angekommen?“ ich nickte und stopfte dabei meine Pfeife. „Na dann, willkommen in der Meisenburg......und mach Dir keine Sorgen, die ersten Tage sind immer schwierig....nein, nicht schwierig, eher total doof.....aber das wird schon... ich bin seit 3 Wochen hier und die Theras hier sind wirklich gut.......Du musst Dich nur drauf einlassen“

Es folgte eine erste, für meine Verhältnisse, eher belanglose Plauderei. Ich gehöre eher zu den Leuten die schnell ihr Lebensbuch öffneten, aber soweit war ich noch lange nicht. Nein, es machte sich sogar so etwas wie Heimweh in meinen Gedanken breit. Irgendwann ging es auf siebzehn Uhr zu und ich musste mich an der Rezeption einfinden, von wo aus die Klinikführung starten sollte. Irgendwie rauschten die nun folgenden dreißig Minuten völlig an mir vorbei. Während ich in den Augen der heute ebenfalls neu angekommenen Patienten die selben Ängste und Unsicherheiten zu erkennen glaubte, nahm ich wie durch einen Schleier wahr, was uns allen erzählt wurde. Die Führung wurde von zwei Patienten durchgeführt, die schon etwas länger im Haus waren. Fahrstuhl rauf, und wieder runter, Treppe rauf und wieder runter, irgendwelche Zimmernummern wurden uns erklärt, die Wege zum Schwimmbad, zur Sauna und zu den Sporträumen gezeigt. Hätte ich dort, auch nur zehn Minuten später, wieder erscheinen müssen, ich hätte nichts, aber auch gar nichts wieder gefunden. Als die ganze Gruppe dann zum Schluss am Eingang des Speisesaals angekommen war, war ich irgendwie am Ende, machte auf dem Absatz kehrt und ging auf mein Zimmer. Appetit hatte ich eh nicht, und für heute hatte ich genug „neue“ Gesichter gesehen.

Auf meinem Zimmer angekommen, baute ich mein Laptop auf, ging kurz ins Internet um meiner Schwester und meinem Schwager in Lübeck eine Email zu schreiben und meine ersten Eindrücke zu schildern. Ich hatte mich im Vorfeld über diese Klinik informiert und wusste von den lediglich drei PC´s in einem öffentlichen Computerraum, die für alle, fast dreihundert Patienten zur Verfügung standen. Deshalb hatte ich meinen Internet-Stick mitgenommen und war diesbezüglich unabhängig. Nachdem die Mail abgeschickt war, kramte ich meinen seinen Kopfhörer für den Fernseher und meine Naschsachen aus dem Koffer. Ich hatte auf einmal den Wunsch noch eine Pfeife zu rauchen, ging dazu jedoch diesmal nicht in die Raucherecke, sondern auf den vor dem Gebäude liegenden Klinikparkplatz und setzte mich in mein Auto........ich wollte einfach Ruhe haben.....oder wollte ich gar einfach wieder weg fahren? Nachdem ich zwei Pfeifen direkt nach einander geraucht hatte, wollte ich aufs Zimmer zurück. Auf dem Weg zum Eingang, sah ich, dass mehrere Gruppen das Gebäude verließen, offensichtlich, um in die Raucherecke zu gehen. Auch Alexander war dabei. Ich wartete kurz zwischen den Autos auf dem Parkplatz, und als sie alle weit genug weg waren, machte ich mich auf den weg ins Zimmer. Oben angekommen, suchte ich noch meinen Schlafanzug aus dem Koffer und schaute ihn an. Das sollte nach über einem halben Jahr die erste Nacht in einem richtigen Bett in einem richtigen Schlafanzug sein. Die letzte Zeit in meiner kleinen Wohnung hatte ich nur eine Schlafcouch in meinem kleinen Wohnzimmer zum Schlafen. Es kam mehr als einmal vor, dass ich mich dort am Abend einfach komplett eingekleidet zum Schlafen einfach auf diese Couch legte und so die Nacht verbrachte. Es war doch wurscht...wen störte es denn? Auch Duschen gehörte, wegen des extrem kleinen Badezimmers, zu den eher seltenen Angelegenheiten. Obwohl ich mir immer wieder sagte dass in einem Unterseeboot die Duschen ja noch kleiner seien konnte ich mir selten dazu aufraffen. Mein Lieblingsstichwort war „Ist doch wurscht, wen störts denn?“

Nachdem ich den Schlafanzug auf mein Bett gelegt hatte, nahm ich noch meinen „Zivilisation-Sack“ - so war meine eigene Bezeichnung für den Kulturbeutel – aus dem Koffer und richtete mich im Bad etwas ein. Das bat war ungefähr dreimal so groß wie mein eigenes. Wenn ich zu Hause auf dem WC saß, stieß ich mit meinem rechten Arm ans Waschbecken und mit meinem linken Fuß an die Duschwanne. Das war hier völlig anders. Kurzer Hand entschloss ich mich, noch unter die Dusche zu gehen. Auch das ging jedoch nicht über die Bühne, ohne dass ich weinen musste. Das Duschgel, welches ich benutzte, hatte ich noch von Manuela an unserem letzten gemeinsamen Weihnachtsfest geschenkt bekommen. Ebenso wie auch der Zivilisation-Sack, meine Rasierapparat und so gut wie alle meine Klamotten mich minütlich an Manuela erinnerten. Aber es waren halt sehr schöne Sachen und ich hatte eh kein Geld um mich neu aus zu statten........auf diese Weise waren, und sind, diese Erinnerungen bis heute ein fester Bestandteil meines Lebens.......bis heute.

Das Duschen war herrlich. Die Dusche war mit so einem sehr großen Duschkopf ausgestattet, unter dem ich mir vorkam, als wenn ich nackend unter einem warmem Regenguss stand. Erst nach über zwanzig Minuten hatte ich genug.... Ich zog meinen Schlafanzug an, und machte es mir auf den Bett bequem. Mein Gedanke war „willkommen zurück in der Zivilisation“....ich schaute mir noch den Terminzettel für die nächsten Tage an. Für morgen früh standen dort, unter anderem, Aquajogging um acht Uhr und um neun Uhr das erste Gruppengespräch. Irgendwann schlief ich dann erschöpft und erschlagen von den neuen Eindrücken, ein …....

Der nächste Morgen. Ich war natürlich vor meinem Wecker wach geworden. Ich hatte keine Lust zum Frühstück sondern schaltete den Fernseher an um das Morgenmagazin im ersten Programm zu schauen. Zwischendurch machte ich mich sich fertig, ich zog meine Badehose an, und stieg in meinen grauen Bademantel. Die Badehose hatte mir auch Manuela noch gekauft, ebenso wie seine Badeschlappen.

Manuela, Manuela, Manuela......ich bekam die Liebe meines Lebens einfach nicht aus meinem Kopf heraus.........immer wieder blieben meine Gedanken an meiner ehemaligen Lebensgefährtin hängen. Auch als ich die ersten Runden im Schwimmbad der Klinik gedreht hatte und das Aquajogging im vollem Gange war, musste ich ganz speziell an Manuela denken. Schließlich waren sie mir mir über Jahre regelmäßig in die Sauna gegangen und in dem dort vorhandenen großen Becken hatte sie immer wieder versucht, mich zum Aquajogging zu animieren. Jedoch konnte mich nie so richtig anfreunden. Und jetzt? Jetzt „joggte“ ich hier freiwillig mit acht weiteren Patientinnen und mit Styropor-Hanteln „bewaffnet“ durch das Wasser. Nach drei Minuten merkte ich, dass es mir komischer Weise wirklich Spaß machte, ich fühlte wie mein Kreislauf in Schwung kam......auch wenn ich mich, als einziger Mann unter all den Frauen, nicht so wirklich wohl fühlte. Die Einheit dauerte ungefähr zwanzig Minuten und ich merkte, wie ich trotz des relativ kühlen Wassers, ins Schwitzen kam. Dennoch fühlte ich mich fühlte sich wohl dabei. Besonders spaßig wurde es immer dann, wenn die Therapeuten zu Richtungswechsel aufriefen. Da zog es einem dann immer die Beine weg. Das war wie früher in der Schulzeit......auch wenn mir ab und an die Tränen in die Augen schossen. Die Gedanken an Manuela ließen mich nicht los......hätte ich mich doch schon unter Manus Regie darauf eingelassen.......

Nachdem die Einheit dann zu Ende war ging ich wieder auf mein Zimmer, duschte mich kurz ab, kramte ein Hemd und meine Lederhose aus dem Koffer, zog meine Motorradstiefelletten an, und ging noch eine Rauchen.
In der Raucherecke traf ich Ines wieder. Sie war gerade zuvor auch in der Gruppe gewesen, die beim Aquajogging gemeinsam durch das Wasser gelaufen waren.

Ines war eine sehr hübsche Frau. Sie war, nach seiner Einschätzung, ungefähr Mitte Vierzig, trug eine kleine Brille und hatte das, was man wallendes blondes Haar nannte. Wir grüßten uns kurz. Ich traute mich kaum sie anzusprechen aber ich raffte den Rest meines Selbstvertrauens zusammen und fragte Ines, ob sie schon mal Gruppengespräche gehabt hätte. Im Laufe des kurzen Gesprächs stellte sich dann heraus, dass beide in der gleichen Gruppe waren die sich um neun Uhr treffen würde.
Kurzentschlossen gingen ich mit ihr zusammen in den Raum, wo das Gruppengespräch stattfinden sollte. Die Teilnehmer stellten ein paar Stühle im Kreis auf und als die weiteren Patienten hereinkamen, stellte ich fest, dass ich leider erneut der einzige Mann unter sieben weiteren Frauen war. Der Zufall wollte es, dass Ines und ich uns genau gegenüber saßen. Nachdem all die Frauen in einen kurzen Smalltalk übergegangen waren, kamen die beiden Therapeutinnen in den Raum........noch zwei Frauen, dachte ich. Eine der beiden begann mit der üblichen Begrüßungsrunde und stellte sich mir kurz vor. Sie erklärte mir, dass es in dieser Anfangsrunde zum einen darum ging, dass ich mich kurz verstellen möge, das selbe würden dann natürlich auch die anderen, zu Gruppe gehörenden Patientinnen machen. Auch eine kurze Einschätzung des eigenen Befindens, und speziell am Montag, eine kurze Schilderung, wie das Wochenende so gelaufen, sei. Jeder konnte und durfte soviel erzählen wie er wollte. All das war nichts neues für mich, denn als ich vor ein paar Monaten in einer Tagesklinik in Behandlung war, wurde es dort genauso gehandhabt. Nur dass die Gruppe dort nicht aus acht, sondern zweiundzwanzig Patienten bestand.

Es ging der Reihe nach, ich kam als Dritter dran. Wieder einmal musste ich vor fremden Gesichtern mein Innerstes nach Außen kehren, hatte das Gefühl mich irgendwie ausziehen zu müssen, so als wenn ich Menschen in der Fußgängerzone meinen Lebenslauf in die Hand drückte....aber inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt.

„Mein Name ist Thomas, ich bin hier gestern angekommen. Wie ich mich fühle kann ich noch nicht sagen. Ich habe seit vielen Jahrzehnten immer mal wieder Depri-Phasen gehabt, aber nach einigen Monaten bin ich dort immer wieder raus gekommen. Diesmal ist es anders, völlig anders,“ mein Blick ging aus dem Fenster, wo ich den vorderen Teil des Klinikgeländes sehen konnte. Ich kämpfte sehr mit den Tränen, mein Mund wurde trocken. „Im letzten Jahr kam es extrem dick für mich, drei Nackenschläge innerhalb weniger Monate. Als erstes habe ich meinen Arbeitsplatz verloren, ein paar Monate später bekam meine Schwester Brustkrebs und dann, kurz nach Weihnachten, hat sich meine Partnerin nach über fünf Jahren von mir getrennt.......“ Jetzt wars aus, ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten und machte mit der Hand eine Bewegung, quer vor dem Hals, als Zeichen, dass jetzt nichts mehr kam. In diesem Moment stand Ines in leicht gebückter Haltung vor mir, und reichte mir eine Packung Taschentücher und streichelte mir kurz über die Schulter.

Und auch wenn sich in den kommenden Wochen zwischen uns ein reines Patienten-Verhältnis ohne weitere „Hintergedanken“ sondern auf freundschaftlicher Basis, entwickeln sollte.... ich war einfach froh, in der Gruppe jemanden zu haben der mir nicht mehr ganz so fremd war. Im Nachhinein habe ich es auch Ines zu verdanken, dass mich überhaupt wieder Frauen gegenüber zugänglich machen konnte. Nicht dass ich durch die letzte Zeit ein Frauenhasser geworden bin, bestimmt nicht. Aber ich hatte zum Beispiel, an der Auswahl der Filme, die ich im Fernsehen sah, eine Veränderung bemerkt. Ich hatte mir zuletzt ausschließlich Filme angeschaut, in den Frauen keine Rolle spielten. Kriegsfilme, Seefahrtabenteuer, Fliegerfilme und ansonsten nur noch Dokumentationen.

Nachdem die Begrüßungsrunde beendet war, folgten einige Momente des Schweigens. Ich sollte die folgenden Wochen noch merken, dass das die Regel war, denn es war jedem frei gestellt, sich selbst zum Thema zu machen. Ich schaute Ines kurz an, sie nickte mir zu. Ich wertete das als Zeichen, den Finger zu heben. „Ich würde gerne noch ein bisschen was erzählen,“ „Oh, schon beim ersten Mal....sehr gerne,“ sprach auch eine Therapeutinnen mir zu.

Also schilderte ich die Geschehnisse der letzten Monate etwas ausführlicher.
Ich begann damit, dass ich kurz über die Beziehung zu Manuela erzählte, auch dass wir im vergangenen Jahr beide unseren Arbeitsplatz verloren und uns in den anstehenden Arbeitsprozessen gegenseitig bei gestanden haben. Dann die Krebsdiagnose von meiner Schwester. Und dann die, kurze Zeit später erfolgte, Trennung durch Manuela. Diese traf mich extrem tief. Sie kam kurz nach einem, an sich und meiner Meinung nach, schönen Weihnachtsfest. Dieses Weihnachtsfest war für uns alle etwas ganz besonderes, denn die Tochter von Manuela, gebar direkt am heiligen Abend ihren Sohn. So kam es in den folgenden Tagen dazu, dass ich das erste Mal in meinem Leben ein Neugeborenes im Arm halten konnte. Ich hatte mir immer eigene Kinder gewünscht, was aber in m einen vorherigen Beziehungen nicht geklappt hatte. Es sollte einfach nicht sein. Ich ging immer mit der Vorstellung durch mein Leben, dass Väter durch ihre Kinder Spuren im Leben hinterlassen. Das blieb mir jedoch verwehrt.

Jetzt aber hatte ich als eine Art „Fast-Opa“ einen kleinen Jungen im Arm, und stellte mir bereits vor, dass diese Junge vielleicht irgendwann einmal meine zahlreichen Modelle übernehmen würde, mit mir zum Modellfliegen oder auch zum Modellschiff fahren gehen würde, so wie mein Vater und ich es in meiner Kindheit gemacht haben. Diese Vorstellungen wurden leider nach ein paar Tagen durch die Trennung weg gewischt.....damit war ich am Ende meiner Worte.

--------------------------------------------------------

Wäre schön und wichtig mal Meinungen zu hören ob sich weiter schreiben "lohnt"......

GlG Thomas
Thomasluebeck ist offline   Mit Zitat antworten
Antwort

Lesezeichen für Seelen in schwerer See



Ähnliche Themen
Thema Autor Forum Antworten Letzter Beitrag
Kranke Seelen Ex-DrKarg Zeitgeschehen und Gesellschaft 17 17.08.2013 13:54
schwerer Abschied wisemanjinn Liebe, Romantik und Leidenschaft 0 14.04.2013 21:48
Zwei Seelen Schmuddelkind Düstere Welten und Abgründiges 2 13.01.2012 21:54
Seelen. Günter Mehlhorn Humorvolles und Verborgenes 2 02.04.2011 15:37
Seelen verkümmern lisa Lebensalltag, Natur und Universum 0 11.02.2005 22:10


Sämtliche Gedichte, Geschichten und alle sonstigen Artikel unterliegen dem deutschen Urheberrecht.
Das von den Autoren konkludent eingeräumte Recht zur Veröffentlichung ist Poetry.de vorbehalten.
Veröffentlichungen jedweder Art bedürfen stets einer Genehmigung durch die jeweiligen Autoren.