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Sonstiges und Experimentelles Andersartige, experimentelle Texte und sonstige Querschläger.

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Alt 28.11.2011, 23:21   #1
männlich vintrag
 
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Standard Weiße Linien

Er schaute nach oben. Die grau schimmernden Linien trennten die großen roten Steine sauber. Fast zu sauber. Er stellte sich vor, so klein zu sein, das er sich direkt unter sie stellen könnte. Wie Straßen zum Himmel, dachte er sich. Nicht weit genug oben, um die Sterne zu fassen, aber zu weit oben, um sie von unten sehen zu können. Vorsichtig erhob er sich aus seiner geduckten Position. Langsam und sachte, mit geübten Bewegungen lockerte er seinen Umklammerungsgriff; Er packte den rauen, vom Wetter geschundenen Rand, und zog sich an ihm hoch. Abschätzig war er einen Blick hinein, und nahm sein langes Werkzeug von der Schulter. Wissend was ihn erwarten würde schloss er die Augen und fuhr fort. Eine weiße Wolke hüllte hin kurz ein, bevor der Wind sie gen Westen davontrug. Seine schwarzen Haare schimmerten nun grau. Es kostete ihn Kraft den langen, kalten Draht wieder herauszuziehen. Mal um Mal nahm die Intensität der Wolke ab, er wusste, sein Ziel war nah. Der raue Rand war bedeckt von einer feinen Schicht. Er verspürte den Drang sie hinfort zu blasen, wissend dass der Wind und der Regen seinen Teil leisten würden. Er tat es trotzdem. Im Rücken spürte er die Blicke der Dame. Er spürte Besorgnis, aber auch Unmut und Rastlosigkeit. Besorgnis von der Art, wie sie eine Mutter hat, wenn sie ihren Sohn mit dem Fahrrad zur Schule fahren lässt. Aber er verstand was er tat, das wusste er. - So drehte sich der Schornsteinfeger um, weg vom gemauerten Kamin auf dem Dach, und ließ seine Füße hinab auf die Leiter gleiten, kletterte hinunter, und drückte der älteren Dame mit einem Lächeln die Rechnung in die Hand. Seinen Besen wieder über die Schulter schwingend verließ er den Hof, und ging seines Weges. Wie er es immer tat. Jahr um Jahr.
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Alt 02.12.2011, 23:06   #2
männlich vintrag
 
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Standard Weiße Linien 2

Zweitens
Unter ihm hörte er es scheppern. Erst leise, dann so laut, das er davon aufwachte. Der Blick nach draußen erübrigte sich, es war noch Nacht. Unverholen verriet das Prasseln an der fernen Scheibe, das es noch nicht die weiße Winterpracht war, die unablässig auf das Pflaster auf dem Hof niederging. Er warf sich in die übliche Kluft und begab sich in den Keller. Unterwegs schweifte sein schlaftrunkener Blick über die Umrisse von Dingen, die nach unten getragen werden sollten. Ein ganzer Stapel von Papieren. Ein Vorratsglas ohne Deckel, eine Kiste voll Tüten. Er zog die Tür hinter sich zu. Die Kälte des Hauses ertrug er um diese Uhrzeit noch nicht. Langsam aber sicher verdrängte der Ofen die Kälte aus den drei Räumen. Das Tageweck hatte schon begonnen. Sie huschten hin und her, ganz unaufgefordert. Einen Moment lang beobachtete er ihre hecktischen Schatten, die die beiden Öllampen an die Wand warfen. Schweigend wollte er sich wieder umdrehen und gehn, aber aber etwas hielt ihn mit schicksaalsgroßer Kraft und ließ ihn nicht gehen. Es waren nicht die fordernden Gesichter, deren er in einigen Stunden ansichtig werden würde, auch wenn er das im ersten Moment glauben mochte. Auch war es nicht der süße Geruch von Mandeln. Er selbst war es. Stehenden Fußes drehte er sich um und strebte der Vorratskammer zu. Die Tür stand weit offen, er ging geradewegs hindurch und schulterte den neuen Sack. In Windeseile bemächtigte er sich der restlichen notwendigen Gegenstände. Alles auf der Platte abgestellt verschränkte er die Arme und begutachtete alles. Perfektion ist eine Straße, kein Ohrensessel. Er krempelte die Ärmel hoch, schüttete einen Gutteil weiße Masse aus dem neuen Sack und begann. So machte sich der Konditor an eine neue Kuchenkreation, deren Wohlgeschmack schon bald von anspruchsvollen Käufern eruiert werden sollte. Die Gesellen backen derweil schöne Brezeln und duftende Brote.
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Alt 09.12.2011, 00:14   #3
weiblich KleinerSpecht
 
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Alter: 31
Beiträge: 153

.... hat was. beide texte mir gefallen sie irgendwie.
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Alt 30.12.2011, 17:23   #4
männlich vintrag
 
Dabei seit: 11/2011
Alter: 31
Beiträge: 6

Ich schreibe normalerweise eher selten, aber es überkam mich einfach...
Wie viel von den Metaphern, die mir beim Schreiben durch den Kopf gingen, für einen Leser im Text verbleiben sind weiß ich nicht, aber wenn sie gefallen freut mich das
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Alt 30.12.2011, 17:28   #5
männlich vintrag
 
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Beiträge: 6

Standard Weiße Linien 3

Drittens
Der Schlüssel drehte sich im alten Schloss, und das Knarren der Türe scheuchte zwei Tauben auf, die gemütlich auf einem Kehlbalken saßen und hinausblickten. Er war schon zur Ecke gelaufen, in der Besen und Schaufel standen, als er innehielt und aufschaute. Nein, dachte er bei sich, der Boden kann auch nächste Woche noch gefegt werden, außerdem muss über die Tage zwischen den Jahren sowieso niemand hinauf. Bis er die Körbe mit Strohsterne wieder die steinerne Wendeltreppe hinauftragen würde, verstreicht Dreikönig, das wusste er. Da kann der neue rastlose Dekan noch so drängen. Die großen Tannen, erst eine Woche vor Weihnachten geschlagen, standen noch gut im Saft, nicht eine Nadel war gefallen. Es ärgerte ihn, dass ein junger Gelehrter, der so voll von Energie war, nicht die Baustellen fand, an welchen sein Tatendrang wirklich hilfreich und von Nöten gewesen wäre. So schloss er die Türe wieder hinter sich, und schlurfte in hölzernen Pantoffeln die Treppe hinunter. Das beständige Klacken seiner Schuhe hallte durch den Turm, und beruhigte das Gemüt des alten Mannes. Es lag kein Schnee, aber es war kalt draußen. Was er nun in der angenehmerweise frei gewordenen Zeit tun wollte bedurfte keines langen Nachsinnens. Er zog die Kapuze ins Gesicht und trat hinaus, in die stechende Kälte. Glücklicherweise war der Weg nicht weit. So grau der Himmel auch war, der dichte weiße Rauch der Schänke hob sich doch von ihm ab. In langen Schlieren zog er der Brise nach. Er trat ein - augenblicklich Drang ihm der Duft von Rostbraten und frischen Bratkartoffeln in die Nase, während die Wärme der Schankstube erst nach und nach in seine Glieder drang. Er erwiderte das Lächeln des Wirtes, und setzte sich. Bis es um 7 Uhr die Glocken zur Vesper zu Läuten halt war noch lang hin. So genoss der Küster Bier und Sonntagsbraten vom Mittag, während er zufrieden an die schönen und feierlichen Weihnachtstage dachte, die hinter dem Städtchen lagen.
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