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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 07.01.2011, 17:28   #1
männlich Ex-Schamanski
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Standard Grenzland

Im Grenzland stehn noch immer die Ruinen,
verlassen, aufgegeben, kalt und leer.
Wo einst ein Garten stand, ist heut nichts mehr,
kein Tummeln abgeschlagner Beduinen,

kein bunter Falter ist seitdem erschienen
und schwirrt, vom Wind getrieben, dort umher.
Nur graue Wände stehn bedeutungsschwer,
und Gras und Wildwuchs wuchern zwischen ihnen.

Ganz selten schwebt ein Wehen durch die Trümmer,
das bis ins Vorland dringt, gedämpft und leise,
und stets begleitet wird von einem kalten Schimmer,

der von Bewegtheit und von Schönheit kündet,
und dann auf unbegreiflich eigne Weise
sich auflöst und in herbem Dunst entschwindet.
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Alt 07.01.2011, 17:30   #2
männlich Ex-Schamanski
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Präventiv:

der Alexandriner in Zeile 11 ist volle Absicht, die Terzettstruktur cdc ede eine legitime Variante.
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Alt 07.01.2011, 19:12   #3
weiblich Ilka-Maria
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Na, das nenne ich ein Sonett!

Aber was sind eigentlich "abgeschlagene" Beduinen? Meinst zu "toderschöpfte" Beduinen - oder was?
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Alt 07.01.2011, 19:20   #4
männlich Glasauge Bill
 
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Hey Schamanski,

Schön, dass dus gleich mal erklärst, damit wir die Besonderheiten auch sehen !

Du malst das Bild einer Gegend, die (in früheren Zeiten) blühte und Leben spendete, jetzt aber verlassen und leer ist. Die Betrachtung wird von einem Ich vorgenommen, dass ernüchtert aber blumig beschreibt. Bildlich arbeitest du Kontraste hervor ( Garten - nichts mehr; tummeln-abgeschlagner ; Schönheit - Dunst; Falter - Graue Wände). Beduinen, Gärten, Ruinen und Grenzland suggerieren eine mittelalterliche(, nahöstliche) Szene. Ich vermute hier wird die Problematik der Abwanderung und Zerstörung durch zahlreiche Kriege thematisiert. Darauf deuten bspw. Trümmer + kalter Schimmer.

Das ganze ist in einer geschwungenen Form gekleidet. Die Jamben und die in klingende Verse eingeschlossenen stumpfen Reime sorgen für einen leichten Klang, der den sich als Faden durch das Sonett ziehende Wind stilistisch untermalt.

Im Handwerklichen habe ich aber ein bisschen was zu kritisieren.
Zum einen wirken die verkürzten Wörter - stehn, abgeschlagner, eigne- leider etwas eingepresst.
Den Alexandriner kann ich nicht richtig erkennen, die Zäsur überlese ich irgendwie immer wieder - was ich sehen kann, ist dass du aus den Silben brichst. Ist der Nachschub eine vorgenommene Entschuldigung, oder beabsichtigtest du wirklich hier einen Alexandriner einzubauen? Wenn ja, in welcher Absicht?
Und dann sind da noch die beiden unsauberen Reime in den Terzetten. Nun ja, sie stören nicht wirklich, sind aber wenigstens konsequent !

Hmh, mehr habe ich ersteinmal nicht zu sagen

nur: Grüße

Glasauge Bill
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Alt 07.01.2011, 19:23   #5
männlich Glasauge Bill
 
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Ach genau eins noch: sind die Ruinen wirklich bedeutungsschwer? Ich denke bedeutungslos wäre sinnvoller, auch wenn es nicht in den Reim passt. Bedeutungsleer ginge, aber da haben wir einen doppelten leer reim. Ach mist... was denkst du?
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Alt 07.01.2011, 19:37   #6
weiblich Ilka-Maria
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Was zum Kuckuck sind "Banduienen"?
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Alt 07.01.2011, 19:53   #7
männlich Glasauge Bill
 
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Hihi frag ich mich auch, ich ändere es ja gleich
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Alt 07.01.2011, 20:55   #8
weiblich Ilka-Maria
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Jetzt bin ich so schlau wie vorher. Ich dachte, Banduienen seien vielleicht ein Gewächs, ein Gehölz, von ich noch nie gehört hatte. Und jetzt sind wir wieder bei den "abgeschlagenen Beduinen". Kann mich jemand aufklären?
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Alt 07.01.2011, 21:55   #9
männlich Ex-Schamanski
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Zunächst vielen Dank für Eure Anmerkungen.

Herrje, das Ganze ist 20 Jahre alt, und ich sehe an allen Ecken und Enden Schwächen. Einige davon hat Bill schon erwähnt.

Um auf ein paar Dinge einzugehen:

1) "Abgeschlagen" bedeutet hier: verirrt, isoliert, von der Truppe entfernt, sich verlaufen. Aber mit den Beduinen bin ich heute ohnehin nicht mehr glücklich (irreführend), mit dem bunten Falter (trivial) auch nicht.

2) Die "alexandrinische" Zäsur im Zeile 11 ist schon vorhanden, wenn auch nicht sehr stark:
und stets begleitet wird / von einem kalten Schimmer
Aber eingestanden, ein wirklicher Alexandriner, etwa wie bei Gryphius, ist das nicht.

---

Zur Interpretation: es ist von Seelenlandschaften die Rede, sicher nicht von Nahost-Politik. Deshalb bin ich auch mit den Beduinen nicht mehr glücklich.

Die Ruinen im "Grenzland" sind Gefühlsruinen erkalteter Emotion, einer rein einseitigen Verliebtheit, die sich irgendwann von selbst erledigt hat. Wo einst ein Garten stand, ist heut nichts mehr. Nicht einmal eine Reminiszenz, ein Gedanke, eine Erinnerung (Falter, Beduinen) verirrt sich mehr in das Grenzland. Aufgegeben, verlassen, dem Verfall preisgegeben, stehen dort die Restmauern einer objektiv negierten subjektiven Bedeutsamkeit - im Grenzland zwischen Bewußtheit und endgültigem Vergessen.

Nur ein vager Erinnerungsschimmer dringt, selten, ins "Vorland", also ins aktive Bewußtsein, erinnert nebulös an gehabte Gefühle und löst sich dann in Nichts auf.
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Alt 07.01.2011, 22:14   #10
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DANKE !
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Alt 07.01.2011, 22:18   #11
männlich Ex-Schamanski
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?

Wofür? Ironie? Wegen der Todsünde, sein eigenes Gedicht zu erklären bzw. wie man es vor 20 Jahren gemeint hat?
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Alt 07.01.2011, 22:19   #12
Thing
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Schamansky!

Ich schreib gleich von der Leber weg!

Dolles Sonett!
Das stimmt von Ah bis Zett!
Wenn ich die "Beduinen" auch nicht kapiere - was schadet das schon!
Sprachkunst und Hintersinn vom Feinsten!

D a r a u s entstehen blühende Landschaften...
von Faltern umgaukelt.

Schön!


Thing
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Alt 07.01.2011, 22:21   #13
männlich Ex-Schamanski
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Die Beduinen sind Gedanken, die sich in dieses Grenzland zwischen Erinnerung und Vergessen verirren, bzw. hier eben nicht.
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Alt 07.01.2011, 22:25   #14
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Schamansky Beitrag anzeigen
?

Wofür? Ironie? Wegen der Todsünde, sein eigenes Gedicht zu erklären bzw. wie man es vor 20 Jahren gemeint hat?
Für die Erklärung der "abgeschlagenen Beduinen"; Bill hattte mich mit seinem Verschreiber völlig aus der Fassung gebracht.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.01.2011, 22:30   #15
männlich Ex-Schamanski
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Ok, ok. Ja, verirrte Gedanken.
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Alt 07.01.2011, 22:55   #16
weiblich Ex-phönixe
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Hallo Schamansky,
bei den abgeschlagenen Beduinen- dachte ich an ...matt, schlapp usw. und mit den Beduinen verbinde ich gedanklich alle Geschichten aus tausend und einer nacht- ( so aladin mäßiges land- sesam öffne dich)

lg phönixe
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Alt 07.01.2011, 22:58   #17
Thing
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Inzwischen verbinde ich gedanklich den Ausdruck "Beduinen" mit Nichtsesshaften, eventuell illegal (Schwarzmarkt-) Reisenden.

Bin nicht kennig!

Thing
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Alt 07.01.2011, 23:02   #18
männlich Ex-Schamanski
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@ phönixe:

So war die Assoziation wohl auch seinerzeit, ca. 1980, lange vor den Golfkriegen und 9/11.

Beduinen... das war Wüste, Kamele, weit verstreut zeltende Nomaden, Karawanen in leerer, karger, lebensfeindlicher Landschaft.

Heute denkt jeder gleich an Bin Laden.
(Nichts für ungut, Bill, das ist nicht Deine Schuld.)


@ Thing: du meinst Berber?
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Alt 07.01.2011, 23:09   #19
weiblich Ex-phönixe
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ja sorry- ich dachte nicht an bin laden- sondern nur an die erfinder des bauchtanzes; mit schleier und extrem bunten stoffen-wasserpfeifenkonsumenten etc.
vermutlich ist mein denken ab den 80zigern stehengeblieben...
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Alt 08.01.2011, 03:52   #20
männlich Ex-Schamanski
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Abschließend: die Beduinen im Gedicht (wie auch die Beduinen in der Realität von 2011) haben mit Bin Laden, Bush und Al-Qaeda nichts zu schaffen, sondern sind seit tausenden von Jahren dies: verstreut lebende Wüstenbewohner.
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Alt 08.01.2011, 11:36   #21
weiblich Ex-phönixe
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ja, schon klar-wenn man mal in solchen Gefilden gedanklich zuhause war, kann man durchaus der Realitätsbezug verlieren
-wenn bei dir "seinerzeit 1980" vor 20 Jahren war- bist du im berechnen schlimmer dran als ich und solltest dir Hilfe von Profis holen (dachte ich so bei mir beim lesen deiner Kommentare)

lg phönixe
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Alt 08.01.2011, 17:01   #22
männlich Ex-Schamanski
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"Seinerzeit" als vor den Golfkriegen und 9-11. Als es noch die "bösen Russen" gab und der Islam eine weltpolitische Randerscheinung war. Und Beduinen eben nur versprengte Wüstenbewohner in weiten Kaftanen, aber keine "Terroristen" (Anführungszeichen bewußt gesetzt).

Als man noch unschuldig auf orientalische Metaphern zurückgreifen konnte.

Kommt mir vor wie tausend Jahre her.
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Alt 11.01.2011, 12:31   #23
männlich Kurier
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Hallo Schamansky,
schreib doch 11. Zeile neu; dein Alexandriner wirkt gequält und passt daher nicht richtig (er stört die Harmonie).
... und stes begleitet wird von kaltem Schimmer ..., da wird der Jambus nicht gebrochen, die gesamte Diskussion nicht weiter gestört.
HG Kurier
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Alt 11.01.2011, 12:38   #24
männlich Glasauge Bill
 
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(Ich habe die Vermutung, dass er einen 20 Jahre alten Vers nicht abändern möchte....)
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Alt 11.01.2011, 17:16   #25
männlich Ex-Schamanski
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Gar nicht so einfach...

Wenn ich einfach das "kalt" streiche, wird der Vers unerträglich sülzig-trivial.
Partizipialkonstruktion? "begleitet stets von ..."? Auch nicht das Gelbe vom Ei.

Bitte um Eure Ideen.
Ex-Schamanski ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 11.01.2011, 20:41   #26
männlich Kurier
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Hallo Schamansky,
... und stes begleitet wird von kaltem Schimmer ...,
das war und ist mein Vorschlag.
HG Kurier
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Alt 11.01.2011, 20:50   #27
männlich Ex-Schamanski
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Richtig, richtig, Du hast "einem" gestrichen, und ich habe das überlesen.
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