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Alt 09.04.2008, 14:21   #1
DieNathy
 
Dabei seit: 04/2008
Beiträge: 30


Standard Julie

„Tanja!“ Die Gerufene zog sich ihre Decke tiefer in Gesicht. „Tanja!“ Penetrantes Klopfen an der Tür, noch lauteres Stöhnen bei Tanja. Seine Mutter zu Besuch zu haben war furchtbar. „Tanja? Tanja, ich hab Frühstück gemacht. Mit Eiern und die werden kalt. Tanja?“ Ein weiteres Stöhnen. Tanja hätte sich tot oder wenigstens schlafend stellen können. Sie hätte so tun können als wäre sie weg. Abgehauen. Wie Julie damals. Wie ihre kleine Schwester Julie. Ihre Mutter wäre ins Dorf gestürmt um sie zu suchen und das wiederum wäre de perfekte Zeit gewesen die Schlösser auszutauschen und lediglich einen Zettel an die Tür zu hängen. „Tanja?“, rief ihre Mutter durch die Tür an die sie immer noch hämmerte. „Ja, ich komme schon!“, die genervte Tochter schlug ihre Decke so heftig zur Seite, das sie auf den Boden fiel. Und sie war sauer. Sehr sauer. Ruckartig schloss sie die Tür auf, ging ins winzige Bad und knallte die Tür so hart zu, dass der Spiegel splitterte. „Scheiße!“, rief sie aus und holte ein Kehrblech und den dazugehörigen kleinen Besen um die Scherben aufzufegen.
Wieder oben, von einem Redeschwall ihrer Mutter begleitet, angekommen, fegte sie die unzähligen kleinen bis großen Scherben zusammen um sie in dann nach unten in den Müll zu bringen. Danach nahm sie erst einmal eine eiskalte Dusche. Seit ihre fünfzehn Jahre alte Schwester vor sechs Tagen von zu Hause weggelaufen war, wohnte ihre Mutter bei ihr, da sie die Einsamkeit nicht aushalten könne. Sechs Tage war Julie nun schon weg und sie, die große Schwester Tanja, war schuld daran. Sie hatte den Plan gemacht. Diesen verfluchten Plan der alles so schrecklich hatte kommen lassen. Gerade sie hatte ihrer Schwester von allem erzählt, ohne die Folgen zu bedenken. Hatte ihr alles gesagt, von der Adoption, ihren wahren Eltern, der drogensüchtigen Mutter und ihrem prügelndem Vater. Und davon, dass eine Tante aufgetaucht war. Eine, die sie haben wollte und einen gerichtlichen Beschluss in Erwägung zog. Wie dumm, wie außerordentlich dumm von ihr. Tanja hätte sich ohrfeigen können. Und auch ihre Mutter die Julie, auf ihre Fragen immer nur mit „Nicht jetzt, das klären wir später!“ geantwortet hatte um nichts tun zu müssen, so war sie schon immer, und Julie hatte gewusst das es zu diesem Gespräch nicht kommen würde bis es zu spät war, bis diese Tante sie hatte. Und sie hatte Tanja in dieser wichtigen Sache um Rat gefragt. „Was soll ich nur machen?“, hatte sie gefragt und mit tränenüberströmten Gesicht dagesessen. Da hatte Tanja ihre kleine, dünne Schwester in den Arm genommen, ihr gesagt was sie zu tun hatte und sie ins Bett gebracht. Sie hatte ihr gesagt sie sollte sich, falls es nicht zum Gespräch mit ihrer Mutter kommen sollte, am Abend vor der Verhandlung wegschleichen und an der Haltestelle auf sie warten, Tanja würde mit dem 23.00 Uhr-Bus kommen und sie holen. Und was tat sie? Sie evrschlief! Hörte einfach den Wecker nicht und wachte morgens um neun auf weil ihre Mutter sie hysterisch anrief. Und ab da war alles klar. Entweder Julie war weg oder entführt und beides war schlimm! Vor drei tagen dann, hatte die Polizei ihre Ermittlungen angekommen und konnten doch bis heute nichts Brauchbares berichten. Dies alles ging Tanja im Kopf herum, als sie das Wasse abdrehte. Sie hatte sich gerade angezogen als ihre Mutter zum zweiten Mal heute fast eine Tür zerschlug. Diesmal allerdings sprang Tanja förmlich zu ihr.
Die Polizei wollte dass sie kamen um die Leiche ihrer Schwester zu identifizieren.
Sie nahmen den nächsten Bus um zum Revier zu kommen, wo der Streifenwagen, der sie zum Gebäude der örtlichen Rechtsmedizin bringen sollte schon wartete. Sie sah wie ihre Mutter schwankend aus dem Auto stieg und wie ein Polizist schnell zu ihr stürmte um sie zu stützen. Als sie an der Reihe war auszusteigen bot sich der andere Polizist an, doch sie dankte ab. Bevor sie ausstieg atmete sie zweimal tief durch, strich ihr Hemd glatt und ging schnellen Schrittes zum Auto, in dem ihre Mutter schon saß und nervös ihre Finger knetete. „Bitte steigen sie hinten ein.“, der Polizist der ihre Mutter gestützt hatte, sah sie freundlich an.
Die Fahrt zur Leichenhalle schien sich unheimlich hinzuziehen. Deswegen war sie schon beinahe erleichtert als die großen Flügeltüren in Sicht kamen und der Wagen nicht mehr weiter fuhr. Der Fahrer drehte sich nach hinten zu Tanja und ihrer Mutter um und sagte mit therapeutischer Stimme: „Ab hier übernehmen die Kollegen. Es sind sehr nette Männer. Mit ihnen werden sie auch sprechen können. Egal wie es ausgeht." Mit dem Kopf nickte er zu den Flügeltüren, vor denen nun Männer standen. „Steigen sie nun bitte aus.“, sagte der zweite Polizist, mit einer genauso ruhigen Stimme wie sein Kollege. Zitternd stiegen Mutter und Tochter beinahe synchron aus dem Auto aus. „Tanja?“, ihre Mutter blickte sie an, während die Männer auf sie zu kamen und die Streife wegfuhr, „ Tanja, wie spät ist es?“ Tanja blieb stehen. „Wie spät es ist? Deine Tochter könnte dort liegen und du fragst mich nach der Uhrzeit?“ Da ihre Mutter weitergegangen war, stand sie nun schon vor den zwei Herren. „Glaube nicht, ich wäre kaltherzig. Ich will bloß ein bisschen…Ich weiß nicht was ich will, bitte sag mir einfach wie spät es ist, Schatz“ Ihre Mutter stand mit dem Rücken zu Tanja, dabei hätte sie ihr sehr gern in die Augen gesehen, statt dessen sah sie auf ihre Uhr. „Elf Uhr Dreißig.“, ihre Stimme war trocken. Als auch sie nach einigen Sekunden bei den beiden Männern in weißen Kitteln angekommen war, stellten diese sich vor. Ein langer, dünner mit Brille sagte sein Name wäre Hr. Schuster. Der kleinere Mann mit der Glatze hieß Hr. Mann, was Tanja lustig gefunden hätte, wären sie in einer anderen Situation gewesen. Dass sie in einer schlimmen Situation waren, wurde ihr klar als sie as Leichenzimmer betraten. Diesen sterilen Raum mit dem kalten, weißen Licht und den genauso kalten und weißen Fliesen. Und erstrecht als Hr. Mann langsam das Tuch abnahm das den Leichnam freilegte der einfach furchtbar aussah. Das Gesicht des Mädchen konnte man nicht einmal mehr erkennen. Doch sie war blond. Sie war blond wie ihre kleine Schwester Julie und neben ihr lagen Julies Kleider. Es war sicher, dass sie es wahr. Die Mutter der Mädchen bekam einen Zusammenbruch doch Tanja war ruhig, beinahe gelassen. Sie erledigte den Papierkram und veranlasste dass ihre Mutter eine Beruhigungstablette bekam. Danach bestand sie darauf, sofort nach Hause zu können, ohne weitere Gespräche. Doch vor der Tür ihrer Wohnung brach die Fassade. Tanja brach zusammen, genauso wie zuvor ihre Mutter. Sie saß auf dem Boden und weinte wie ein kleines Mädchen. So saß sie fast drei Stunden, ihre Mutter war in ihrer eigenen Wohnung.
Irgendwann stand sie auf und ging sofort zu Bett. Doch schlafen konnte sie nicht. Zu sehr fürchtete sie sich vor Albträumen, viel zu viel Angst hatte sie vor ihren Gedanken. Um Mitternacht, schließlich, ging sie in den Vorgarten, sie hielt es einfach nicht mehr aus. Dort saß sie dann auf der Bank.
Das tat sie auch am zweiten Tag, denn es half ihr. Bis zur dritten Nacht.
Denn in dieser Nacht saß sie auf der Bank und hörte eine Stimme ihren Namen rufen, Julies Stimme ihren Namen rufen. Beim ersten Mal tat sie es als das flüstern des Windes ab. Doch dann trat eine Gestallt aus den Bäumen hervor. Und sie sah aus wie Julie. Tanja weinte und schrie als sie das Mädchen sah. „ich bin es, erkennst du mich denn nicht, Tanja?“, die Gestallt kam näher. „nein!“, schrie Tanja! „Du solltest tot sein!“ „Doch, ich bin es! Ich bin es wirklich!“ und dann erzählte die Gestallt Dinge aus Julies und Tanjas Kindheit, die niemand sonst wissen konnte. „Ein Geist! Ein Geist!“ Tanja sprang von der Bank auf. „Bitte renne jetzt nicht weg! Ich brauche dich! Sie sind noch hinter mir her, bitte! Ich hab die Zeitung gefunden, ich weiß warum du denkst ich sei tot! Aber glaube mir! Ich bin’s! Ich habe die Kleider getauscht! Sie sollten mich doch nicht erkennen, glaub mir, dass das Mädchen stirbt wollte ich nicht!“ Die Gestallt klang verzweifelt. „Was?“, hauchte Tanja. Die Gestallt trat auf Tanja zu. „Wenn du es gewusst hättest“, Julie blickte ihr in die Augen, „Wenn du gewusst hättest was passieren würde, hättest du es dann getan?“ Eine echte Träne lief ihre Wange hinab. Und da nahm Tanja die Gestallt in den Arm. „Nein, Julie!“
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