Bruder Jude bei Poetry.de

Schwark · 17.02.2014, 09:00

Ein Jude sollte unser Bruder sein,
doch Schuld schlich sich in unser Fühlen ein,

die zwickt nun oft den Volksgenossen
und seine Miene wirkt verdrossen.

Und der Held von der Geschicht
entbehrt der Tragik nicht!

Thing · 17.02.2014, 14:45

das ließ mir den ganzen Tag keine Ruhe.
Die verdrossene Miene hat gewiß ihre Berechtigung, denn ich bin ich nicht Derjenige, der alles, was heutzutage von der Knesset ausgeht, sakrosankt findet.
Daß das Gewissen wachbleiben muß, ist unleugbar.

Kein Verwandter, nur Freund der Familie:
Als Jude sehr bald im Rädergetriebe,
das unausweichlich mahlte und rieb.
Er stand, geduckt und nichtglaubenwollend zerrissen,
vorm Schreibtisch des geblähten Gernegroß.
"Welche Sau hat denn Sie aus dem Loch gesch***?"
"Aber.." "Nichts aber! Juda verrecke!
Glaub jaa nicht, für Euch gäbs Verstecke!"

Der Freund stand still. Verstört und stumm.
Und später notgedrungen stramm.
Und - als Beispiel deses Falls -
riß man ihm das EK aus Ypern vom Hals.

Naja, für mich selbst ist das noch jüngere Geschichte.
Ich wurde der "Gnade der späten Geburt" nicht mehr ganz teilhaftig.
Belastet fühle ich mich dennoch.
Bis zum letzten Atemzug wird es für mich keinen schlimmeren Ausspruch geben als
"Im Namen des Deutschen Volkes!".

U.

Schwark · 17.02.2014, 19:10

Hallo Thing,

es ist ein Teufelskreis:

Schuldgefühle erzeugen ein schlechtes Gewissen, das ist lästig und der Zorn darüber wird oft nicht dem Täter sondern dem Opfer zugeschrieben.

Das ist die klassische Tragödie.

Es ist traurig, dass dadurch kein unbelastetes Verhältnis entstehen kann, in dem das Gute aber auch des Schlechte vorbehaltlos angesprochen werden kann.

Thing · 17.02.2014, 19:14

Zitat:

Zitat von Schwark

Es ist traurig, dass dadurch kein unbelastetes Verhältnis entstehen kann, in dem das Gute aber auch des Schlechte vorbehaltlos angesprochen werden kann.

Ich neige zwar leicht zu der eigenen Waagschale der Schuld, aber ich bin nicht blind.
2000 Jahre Verfolgung, Mord, Schrecken, Vertreibung können sehr wohl zur Wagenburg führen.

LG
Thing

Ex-Poesieger · 17.02.2014, 21:06

Es ist doch alles egal, seitdem es nicht mehr um den Menschen geht. Rassismus ist auch damals schon institutionalisiert gewesen und richtet sich nach poetischen Gelüsten der Propagandaverfasser.

LG RS

Thing · 17.02.2014, 21:19

Dann bin ich erleichtert, daß Streicher kein Poet war.

17.02.2014, 09:00	#1
Schwark Dabei seit: 10/2013 Beiträge: 500 Meine Gedichte	Bruder Jude Ein Jude sollte unser Bruder sein, doch Schuld schlich sich in unser Fühlen ein, die zwickt nun oft den Volksgenossen und seine Miene wirkt verdrossen. Und der Held von der Geschicht entbehrt der Tragik nicht!

17.02.2014, 14:45	#2
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Hallo, Schwark - das ließ mir den ganzen Tag keine Ruhe. Die verdrossene Miene hat gewiß ihre Berechtigung, denn ich bin ich nicht Derjenige, der alles, was heutzutage von der Knesset ausgeht, sakrosankt findet. Daß das Gewissen wachbleiben muß, ist unleugbar. Kein Verwandter, nur Freund der Familie: Als Jude sehr bald im Rädergetriebe, das unausweichlich mahlte und rieb. Er stand, geduckt und nichtglaubenwollend zerrissen, vorm Schreibtisch des geblähten Gernegroß. "Welche Sau hat denn Sie aus dem Loch gesch**?" "Aber.."* "Nichts aber! Juda verrecke! Glaub jaa nicht, für Euch gäbs Verstecke!" Der Freund stand still. Verstört und stumm. Und später notgedrungen stramm. Und - als Beispiel deses Falls - riß man ihm das EK aus Ypern vom Hals. Naja, für mich selbst ist das noch jüngere Geschichte. Ich wurde der "Gnade der späten Geburt" nicht mehr ganz teilhaftig. Belastet fühle ich mich dennoch. Bis zum letzten Atemzug wird es für mich keinen schlimmeren Ausspruch geben als "Im Namen des Deutschen Volkes!". U.

17.02.2014, 19:10	#3
Schwark Dabei seit: 10/2013 Beiträge: 500 Meine Gedichte	Bruder Jude Hallo Thing, es ist ein Teufelskreis: Schuldgefühle erzeugen ein schlechtes Gewissen, das ist lästig und der Zorn darüber wird oft nicht dem Täter sondern dem Opfer zugeschrieben. Das ist die klassische Tragödie. Es ist traurig, dass dadurch kein unbelastetes Verhältnis entstehen kann, in dem das Gute aber auch des Schlechte vorbehaltlos angesprochen werden kann.

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17.02.2014, 21:06	#5
Ex-Poesieger abgemeldet Dabei seit: 11/2009 Beiträge: 7.220 Meine Gedichte Meine Favoriten	Es ist doch alles egal, seitdem es nicht mehr um den Menschen geht. Rassismus ist auch damals schon institutionalisiert gewesen und richtet sich nach poetischen Gelüsten der Propagandaverfasser. LG RS

17.02.2014, 21:19	#6
Thing R.I.P. Dabei seit: 05/2010 Beiträge: 34.998 Meine Gedichte Meine Favoriten	Dann bin ich erleichtert, daß Streicher kein Poet war.