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Alt 06.10.2011, 18:13   #1
weiblich fairy
 
Dabei seit: 09/2009
Ort: Oberösterreich
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Beiträge: 13

Standard Der Sturz

Er streckt seine starren Arme der Unendlichkeit entgegen. Verzweifelt. Bittend. Seine graue Haut spannt sich dürr über seinen Körper. Sie windet sich in Falten. Raus ist sie. Alt ist er. 100 Jahre. 200. Niemand weiß es. Niemand wird es je wissen. Er birgt Geheimnisse und Geschichten. Birgt sie für die Ewigkeit. Er hat sie alle gesehen. Kommen und gehen. Leben und sterben. Lieben und hassen. Fliegen und fallen.
Doch nun kommen sie mit Waffen, die Männer. Sie wollen ihn verletzten, ihn stürzen. Er ist im Weg. Er ist nicht wichtig genug. Für sie.
Es gibt andere, die ihn aber brauchen. Ein kleiner roter Mann mit schwarzen Punkten zum Beispiel. Oder eine feine Dame im kleinen Gelb-Schwarzen. Aber auch für größere Herrschaften ist er von Nöten. Sie bauen ihr Heim im schützenden Gewirr seiner Haare. Er ernährt und behütet ihre Kinder. Auch unsere. Wen sie spielen, lachen, singen, leben. Aber das sehen die Männer nicht.
Ein letztes Mal reckt und streckt er sich. Ein letztes Mal seufzt und flüstert er. Ein letztes Mal berührt er den Wind. Ein letztes Mal spürt er die Kraft der Erde. Dann liegt er. Flach am Boden. Und die Männer schultern ihre Waffen, drehen sich um und gehen nach Hause. Zu ihren Kindern.
fairy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2011, 20:44   #2
männlich Ex-Jack
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Dabei seit: 05/2011
Beiträge: 954

Toll, fairy,

das ist wirklich eine ganz zauberhafte Geschichte...
Was mich zu Beginn ein wenig stutzen ließ, war der Satz "Niemand wird es je wissen.", denn theoretisch könnte es ja jemand herausbekommen, aber ich vermute mal, Du willst darauf hinaus, dass es dort niemanden interessiert und daher niemand nachsieht...

Ansonsten meinst Du hier wohl eher "Rauh":

Zitat:
Raus ist sie
Und hier "Wenn":

Zitat:
Wen sie spielen
Ansonsten: sehr, sehr schön und richtig gerne gelesen!

Liebe Grüße,
Jack
Ex-Jack ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.10.2011, 21:49   #3
weiblich Ilka-Maria
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Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
Beiträge: 31.089

Zitat:
Er streckt seine starren Arme der Unendlichkeit entgegen.
Mir leuchtet nicht ein, wie starre Arme sich strecken können. Ich bitte um Aufklärung.

Nach diesem etwa diffusen Einsatzsatz habe ich mir den Rest erst einmal erspart, denn ich weiß nicht, ob das Weiterlesen lohnt.

Verstanden hätte ich eher, wenn sich die Arme der starren Unendlichkeit entgegenstreckt hätten.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.10.2011, 18:38   #4
weiblich fairy
 
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Beiträge: 13

Zitat:
Zitat von Jack Beitrag anzeigen
Was mich zu Beginn ein wenig stutzen ließ, war der Satz "Niemand wird es je wissen.", denn theoretisch könnte es ja jemand herausbekommen, aber ich vermute mal, Du willst darauf hinaus, dass es dort niemanden interessiert und daher niemand nachsieht...

Was ich damit meinte: es wird niemand wissen, wann der Baum "zur Welt" gekommen ist, wann seine Same den ersten Trieb sprießen ließ. Und niemand wird es jemals wissen - weil man Bäume nicht fragen kann; zumindest werden sie nicht antworten

Danke für deine Ausbesserungen. Schlampigkeit, nichts als Schlampigkeit... Gehört sich eigentlich nicht.

LG, Marina
fairy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.10.2011, 18:41   #5
weiblich fairy
 
Dabei seit: 09/2009
Ort: Oberösterreich
Alter: 29
Beiträge: 13

Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Mir leuchtet nicht ein, wie starre Arme sich strecken können. Ich bitte um Aufklärung.
Die Frage ist berechtigt. Klar, dass sich etwas starres nicht bewegen/strecken kann. Aber hier war eher gemeint, dass sie in den Himmel stehen - unpoetisch gesprochen. Praktisch in der Bewegung erstarrt. Mit "strecken" hab ich nicht eine Bewegung sondern eine Haltung gemeint.
Ich hoffe, das gilt als Erklärung - und vielleicht wagst du doch einen weiteren Blick? Ich freu mich über jede Kritik!

Lg, Marina
fairy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 07.10.2011, 21:29   #6
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.089

Sorry, Marina, ich habe - selbst unter surrealistischen Gesichtspunkten - Probleme mit den Bildern und mit der Syntax. Deine Erklärung, die Arme seien in der Bewegung des Streckens erstarrt, kann ich nicht nachempfinden, denn es geht weiter: " ... Verzweifelt. Bittend." Starren Armen kann man solche Emotionen aber nicht ansehen. Es müßte in etwa heißen:
Er hat seine Arme der Unendlichkeit entgegengestreckt. Verzweifelnd. Bittend. Doch mitten im Flehen sind sie erstarrt.
Es geht mit Widersprüchen weiter: Eine Haut spannt sich nicht dürr, sondern dünn. Dürr sind z.B. abgemagerte Körper oder ausgetrocknete, welke Baumblätter. Und etwas Gespanntes hat keine Falten. Auch windet sich die Haut nicht, allenfalls die Furchen in der Haut. Es hätte heißen können:
In seine Haut, die einst seinen Körper fest umspannte, über die Jahre aber welk und porös geworden ist, winden sich Furchen und Falten.
Was bedeutet: "Raus ist sie." ?? Ich verstehe nicht, was damit gemeint ist.

Zitat:
Alt ist er. 100 Jahre. 200. Niemand weiß es.
Hier hätte ich zwei Fragezeichen eingesetzt, denn als rein rhetorische Fragen kommt das zu schwach heraus. Also:
Alt ist er. 100 Jahre? 200?
Jetzt habe ich die Geschichte tatsächlich weitergelesen, und die nachfolgenden Sätze sind für mich akzeptabel. Aber dann kommt auf einmal wieder Bewegung in die "erstarrten Arme":

Zitat:
Ein letztes Mal reckt und streckt er sich.
Automatisch bringt man das Recken und Strecken mit dem Anfang der Geschichte, also mit den Armen in Verbindung. Das müßte nicht sein. Es könnte sich ja diesmal etwas anderes strecken, z.B.:
Ein letztes Mal reckt und streckt sich sein Geist.
Der übrige Text hat meines Erachtens eine kleine Schwachstelle, weil der Ausdruck zu sehr Jargon ist, und zwar: "Dann liegt er. Flach am Boden." Das soll reißerisch klingen, ist aber angesichts der Dramatik ziemlich billig. Vorschlag:
Ein letztes Mal seufzt und flüstert er. Ein letztes Mal berührt er den Wind. Ein letztes Mal spürt er die Kraft der Erde. Dann sinkt er zu Boden. Und die Männer schultern ihre Waffen, drehen sich um und gehen nach Hause. Zu ihren Kindern.
Das ist zwar nicht originell, paßt aber besser zum Tenor.

In Deinem Text liegt sehr viel Kraft und ein großes bildliches Material. Deshalb meine ich, daß er der Mühe wert ist, mit Sorgfalt überarbeitet zu werden. Meine Motzereien sind nur Beispiele, sicherlich kann man viel mehr daran drehen. Gerade weil die Szene anonym ist - sie könnte sich überall auf der Welt zu allen Zeiten, seit es das Schießpulver gibt, so abgespielt haben - ist sie vielseitig interpretierbar. Ein kurzer Text mit einem einprägsamen Szenario. Ich habe dabei diverse Bilder aus der Malerei und dem Kinofilm vor Augen.

Jetzt hast Du mich aber ganz schön beschäftigt!

LG
Ilka
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Alt 09.10.2011, 22:12   #7
weiblich fairy
 
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Beiträge: 13

Standard Liebe Ilka!

Danke für deine Kritik! Ich bin froh um jede Stellungsnahme, weiß aber noch nicht, ob ich jeden deiner kritisierten Punkte für zu Recht kritisiert halte

Freut mich, dass du dann doch noch weitergelesen hast!

lg, Marina
fairy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.10.2011, 05:25   #8
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.089

Zitat:
Zitat von fairy Beitrag anzeigen
Danke für deine Kritik! Ich bin froh um jede Stellungsnahme, weiß aber noch nicht, ob ich jeden deiner kritisierten Punkte für zu Recht kritisiert halte

Freut mich, dass du dann doch noch weitergelesen hast!

lg, Marina
Kein Problem, das letzte Wort hat der Autor.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.10.2011, 11:47   #9
Thing
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Halli Hallo, fairy -

bis ich zu den Jahreszahlen kam, dachte ich an Ahasver, aber der ist älter als der älteste Ölbaum.
Danach wurde es für mich mysteriös.
Das kleine Gelb-Schwarze der Lady wird eher aus Seide gefertigt denn aus Viskose.
Und die Stihl, von Männern geliebt, ist keine Waffe, sondern ein Vernichtungswerkzeug.

Das nur meine erste Impression.

LG
Thing
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Alt 10.10.2011, 19:53   #10
weiblich fairy
 
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Standard Hallöchen Thing!

Was genau ist (ein) Ahasver? Ich nehme an ein bekannter Baum?! Ich habe in meinem Text eigentlich nicht auf einen speziellen Baum angespielt, sonder über alte Bäume im Allgemeinen geschrieben, die heutzutage oft zu wenig Schutz vor der Modernisierung haben, und von uns Menschen einfach umgeschnitten werden, wenn sie im Weg stehen - die riesige Zeitspannen, die sie schon existieren missachtend!

Und das mit dem kleinen Gelb-Schwarzen ist nicht wortwörtlich als Kleid zu nehemn Vielmehr als "Körperbemalung", als Beschreibung des Aussehens... Vielleicht hilft dir das?

Wo ist der große Unterschied zu Waffe und Vernichtungswerkzeug? Beides ist dazu da, um Leben zu zerstören. Und ich finde, in diesem Fall trifft es Waffe recht gut, da sie den alten Baum ja einfach umlegen, gnadenlos....

Einen schönen Abend noch,
Marina
fairy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 10.10.2011, 20:07   #11
Thing
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Nein, nein -

"Ahasver" ist der ewige Jude, das kannst Du Dir im Lexikon suchen.

LG
Thing
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