Auch ein Frühling

[Thing]

Die Trauerweide weint nicht mehr,
sie neigt das Haupt nur,
mich zu täuschen, mich zu narren.
Sie gibt ihr grünes Lächeln her
als Frühlings süße Tränenspur
und lockt, nicht länger zu verharren
in Winters Traum.

Wie dort die samtne Mandel blüht!:
mit ihrem Duft mich zu verwirren,
daß ich die Schritte schneller wage,
um ihrem Trug zu weichen.
Amseln flöten, während Eos sanft erglüht,
und in der fernen zarten Morgenröte girren
trunkne Tauben. Stare flüstern zage.
Wie sich die Nächte gleichen
an Frühlings Saum!

Ich möchte sie umschlingen:
die Blüten, Gräser, Dornen, Zweige,
und mich in ihren Duft versenken
und weiterreichen, weiterschenken,
was mir in meiner Tage Neige
bleibt von all den wundersamen Dingen
aus Lebens Baum.

Hat Alles, Alles sich gewendet?
Der Blick? Das Blau? Das Licht?
Ah! Nein! Auch dann, wenn alle Zeit geendet,
bleibt mir ein Geist, der nie zerbricht,
der ewig weiter mir die Blütenkränze flicht
aus Zeit und Raum.

[gummibaum]

Hallo Thing,

ein vielfältiges Wechselspiel, schöne Bilder und ein kunstvoller Aufbau stechen sofort ins Auge. Die Verwicklung ins Blühen, der Wunsch, die Verfüllung weiter zu geben, die Besinnung auf die Etappe im Lebensweg, die Frage nach Wandel und Beständigkeit bilden einen schönen Bogen.

Sehr gern gelesen.
gummibaum

[Thing]

hab Dank für Dein warmherziges Lob


von
Thing

[Ilka-Maria]

Die Strophen zwei und drei sind besonders zauberhaft in ihrer Bildhaftigkeit.

[simbaladung]

Ich seh hier das LI in einer Ausstellung vor einem feingezeichneten Frühlingsbild
eines großen Künstlers stehen, in das er sich ganz hineinziehen lässt.

Sehr, sehr schön, Thing.

lg, simba

[Thing]

Hallo Ilka-Maria und simba -


herzlichen Dank fürs Lob.
Der große Künstler ist der Frühling selbst, LI als Betrachter verbindet seine Gefühle und Erwartungen damit.


Herzliche Grüße
von
Thing

[Ilka-Maria]

Zitat von Thing

Der große Künstler ist der Frühling selbst, LI als Betrachter verbindet seine Gefühle und Erwartungen damit.

Ich hab's nicht so sehr mit der Romantik, was meine eigene Kreativität betrifft. Deshalb bin ich auf andere Dichter angewiesen, die ihre Seele romantischer als ich mit der Welt und insbesondere mit der Natur verbinden können. Ich lese so etwas gerne, wenn es gelungen ist und nicht in Kitsch ausartet, aber selber könnte ich nicht so enthusiastisch über diese "Kali-Yug", die sich sich Natur nennt, schreiben - ich sehe sie mit zu großem Mißtrauen, denn für mich ist sie wie eine betörend-schöne Frau, die den Giftbecher schon parat hält.

[Twiddyfix]

Lieber Thing,
ein Gedicht wie ein Lieder-Zyklus im Klang der Jahreszeiten.
Ich bediene mich einmal:
in Winters Traum,
am Frühlings Saum,
aus Lebens Baum,
aus Zeit und Raum...

Das Leben welches wir genießen,
ist wie Frühling, Sommer, Herbst und Winter...
wenn die Blätter wieder sprießen
als Gras oder als Blatt am Baum,
erkennen wir und wir genießen
das Leben, es ist ein wunderschöner Traum.

ein frühlingshaftes Lächeln fiür Dich...

[Thing]

Zitat von Ilka-Maria

die sich sich Natur nennt, schreiben - ich sehe sie mit zu großem Mißtrauen, denn für mich ist sie wie eine betörend-schöne Frau, die den Giftbecher schon parat hält.

Und nicht weit weg von hier ist sie eine alte, stinkende Vettel!


Lieber Twiddyfix!

Es freut mich ungemein, daß Dir die Endreime aufgefallen sind!
Und Dein Anschlußgedicht erwärmt mein altes Herz.

Freundliche Grüße
von
Thing