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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 12.09.2023, 11:17   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Tabula rasa

Wenn du nach Haus kommst, wie immer um acht,
steht dir – wie täglich – das Essen bereit,
auf einem Tisch, extra sauber gemacht,
schwerstens beladen mit Herzeleid.

Redest wie immer vom guten Geschäft,
merkst dabei nicht, wie alleine du bist,
speichelst dem Boss bis unters Gekläfft,
siehst nicht, was du vom Teller frisst.

Wenig an Jahren wurdest du blind,
ich bin geschlagen und räume das Feld.
Mich siehst du nicht, auch nicht unser Kind,
wir sind nicht länger ein Teil deiner Welt.

Brabbel nur weiter, wie gut du bist
bei fettem Essen und schäumendem Bier,
wie hoch deine Umsatzquote ist,
niemand hört dich. Wir sind nicht mehr hier.
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Alt 14.09.2023, 11:06   #2
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Ein Abgesang an die fallende Menschlichkeit im beschlossenen Trugbeginn durch rücksichtslose materielle Sucht. Es gibt nicht nur substantielle Süchte, sondern auch die Trugbilder des Geldruhms.
Das Herz verkümmert, die Wurzeln faulen vor sich hin. Am Ende ist das wichtige Essentielle abgekoppelt und gebrochen sowie im Nichts verschwunden.

Am Ende der Blendung bleibt eine Landschaft aus Vakuum, das sich als Keil zwischen Menschen geschoben hat.

Es liest sich wie die lyrische Fassung einer autobiographischen Zeugenaussage, die schonungslos nichts mehr verweigern möchte.
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Alt 14.09.2023, 14:02   #3
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von XRayFusion Beitrag anzeigen
Es liest sich wie die lyrische Fassung einer autobiographischen Zeugenaussage, die schonungslos nichts mehr verweigern möchte.
Na ja, XRayFusion, wenn etwas autobiografisch ist, kann es keine Zeugenaussage sein, sondern Wissen über sich selber oder zumindest eine Selbstbewertung. Richtig ist aber, dass in dem Gedicht tatsächlich eine biografische Zeugenaussage steckt. Ich wurde einmal von einem Mann zum Essen eingeladen, der mir die ganze Zeit über nur davon erzählte, wie gut er in seinem hochdotierten Job war, dass ihm seine bildschöne Frau davongelaufen war, weil sie einen noch reicheren Mann kennengelernt hatte, wie teuer ihn die Scheidung zu stehen kam (inklusive Reitpferd, das die Frau wohl mitgenommen hatte), aber dass er - weil er ja ein berufliches Ass war - das Geld bald wieder "drin haben" würde.

Ich hatte den Verdacht, dass die Frau nicht wegen mehr Geld zu einem anderen Mann gelaufen war, sondern dass sie sich bei der Dauerbeschallung über den tollen Job tierisch gelangweilt hatte. So wie ich. Damals war ich noch höflich. Heute wäre ich so rigoros, vom Tisch aufzustehen und das Weite zu suchen. Gegen Männer, die versuchen, Frauen mit Geld zu locken, bin ich ohnehin allergisch.

Bei dem Gedicht hatte ich tatsächlich an die Episode von damals gedacht. Du hattest also das richtige Gespür.
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Alt 14.09.2023, 14:25   #4
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
Na ja, XRayFusion, wenn etwas autobiografisch ist, kann es keine Zeugenaussage sein, sondern Wissen über sich selber oder zumindest eine Selbstbewertung.
Warum nicht? Schlicht gedacht kann eine betroffene Person über so ein Erlebnis berichten, in dem sie involviert war.
Ich würde zudem postulieren, dass (fast) alle Menschen käuflich sind. Die Frage ist nur, wie hoch der Preis sein muss.
Wer sich der Blendung materiellen Luxus entziehen kann, wird allerdings entsprechende Abwehrkräfte entwickeln. Das ist die Voraussetzung den Raum für wahres Glück zu schaffen und zu bewahren. Eine Form der Reifung.
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Alt 14.09.2023, 16:45   #5
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Zitat:
Zitat von XRayFusion Beitrag anzeigen
Warum nicht? Schlicht gedacht kann eine betroffene Person über so ein Erlebnis berichten, in dem sie involviert war.
Weil autobiografisches Wissen keine Zeugenaussage, sondern gesichertes Wissen über einen selbst ist, oder man begibt sich in Introspektion, um etwas über sich herauszufinden. Ein Zeuge ist hingegen kein Selbstbeobachter, sondern schildert ein Geschehnis oder Personen außerhalb sich selbst. Natürlich kann man autobiographisch darüber berichten, dass man einen langweiligen Abend verbracht hat, aber mit einer "autobiografischen Zeugenaussage" hat das nichts zu tun. Schließlich hatte ich es nicht mit einem Täter oder Unfallopfer zu tun.

In meinem Fall konnte ich, da ich diesen Mann zu wenig kannte, nicht mit Sicherheit sagen, ob er der perfekte Blödmann war oder ob er noch an der Enttäuschung über seine gescheiterte Ehe zu knabbern hatte, somit gekränkt war und vielleicht nur Selbstbestätigung gesucht hatte. Jegliche "Zeugenaussage" oder sonstige Wertung von mir wäre reine Spekulation gewesen. Jedenfalls hatte ich keine Lust darauf, nochmal so einen Abend zu verbringen. Menschen in dieser Situation sind ohnehin besser bei einem besten Freund oder einem Therapeuten aufgehoben.
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Alt 14.09.2023, 18:44   #6
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Es gibt neben juristischen Zeugen auch "Zeitzeugen" z.B. Warum soll der Leser davon ausgehen (können), dass das mögliche subjektive Erleben (sofern autobiographische Züge ersichtlich sind) auf der Autorenseite gesichertes Wissen sei. Im Grunde genommen entspricht es einer individuellen Wirklichkeit, von der berichtet wird.
Das Verständnis und auch das Einordnen der textlichen Informationen ist ein Prozess auf der Leserseite, der diesem nicht abgenommen werden kann.
Lyrik entspricht einer stets unterschiedlich wirklichen Realität von Zeile zu Zeile. Der Leser wird geneigt sein, die Wahrheit dahinter zu ergreifen. Dabei ist er angewiesen auf die zur Verfügung gestellten Hinweise und Aussagen.
Ich wäre im Wortgebrauch sonst eher auf eine z.B. geständige Einlassung ausgewichen, sofern der Text eine Art "Beichte" darstellte. Das kann ich hier jedoch nicht wirklich erkennen.
Im Mittelpunkt steht ein Vorwurf an eine weitere Person. Dem Leser bleibt die Position des inhaltlichen Spekulanten, der ggf. angefiebert vorverurteilt.
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Alt 15.09.2023, 14:23   #7
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Zitat:
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Tabula rasa

Wenn du nach Haus kommst, gegen halbacht,
steht dir – wie täglich – das Essen bereit,
auf einem Tisch, extra sauber gemacht,
schwerstens beladen mit Kummer und Leid.

Redest wie immer vom guten Geschäft,
merkst dabei nicht, wie alleine du bist,
speichelst dem Boss, fast bis unters Gekläfft,
siehst nicht mal, was du vom Teller nun frisst.

Wenig an Jahren, dann wurdest du blind,
ich bin geschlagen und räume das Feld.
Mich siehst du nicht mehr, auch nicht unser Kind,
wir sind nicht länger ein Teil deiner Welt.

Brabbel nur weiter, wie edel du bist
bei fettem Essen und schäumendem Bier,
wie hoch die Quote des Umsatzes ist,
niemand versteht dich. Wir sind nicht mehr hier.
Liebe Ilka,

ich schätze Deine Reimkunst sehr.
Auch der Inhalt des Gedichts kommt in rustikalem Tonfall äußerst authentisch rüber.
Ein Abgesang auf eine gescheiterte Ehe und einen egozentrischen, moralisch fragwürdigen und gleichzeitig unfähigen Ehemann.
Fast getrommelt wirken die Hebungen auf den Leser.

Daher habe ich es mir erlaubt, im Zitat den Rhythmus ein wenig zu glätten.
Alles gut gemeinte Vorschläge, vielleicht kannst Du ja das eine oder andere verwenden.

Viele Grüße von Georg

PS:
Das "fette Essen und schäumende Bier" hinterlässt bei einem artverwandten Nordbadener nicht nur negative Assotiationen...
Georg C. Peter ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.09.2023, 15:00   #8
weiblich DieSilbermöwe
 
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Zitat:
Auch der Inhalt des Gedichts kommt in rustikalem Tonfall äußerst authentisch rüber.
In rustikalem Tonfall, so kann man es auch ausdrücken
Ich finde, das Gedicht kommt äußerst zornig und selbstgerecht daher (wenn ich die Erklärungen weiter unten mal außer acht lasse. Wenn ich sie berücksichtige, sieht es schon wieder anders aus. Offenbar ging es ja um eine Einladung zum Abendessen und nicht wirklich um Autobiographisches). Aber nimmt man das Gedicht für sich ...

Man sollte auch die andere Seite hören. Da ist ein Mann, der sich kaputt schuftet, damit Frau und Kind es finanziell gut haben, erzählt dann beim Abendessen von seinem Alltag - und die Frau verachtet ihn dafür. Mit welchem Recht?
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.09.2023, 16:19   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von DieSilbermöwe Beitrag anzeigen
Man sollte auch die andere Seite hören. Da ist ein Mann, der sich kaputt schuftet, damit Frau und Kind es finanziell gut haben, erzählt dann beim Abendessen von seinem Alltag - und die Frau verachtet ihn dafür. Mit welchem Recht?
Richtig, man muss auch die andere Seite hören. Deshalb könnte sich der Mann auch mal nach dem Alltag seiner Frau und seines Kindes erkundigen, statt nur mit seinen geschäftlichen Erfolgen anzugeben. Wer nur über Umsätze und Gewinn- und Verlustrechnungen parlieren kann, schuftet sich nicht zwangsläufig kaputt, sondern hat Leute, die für ihn schuften. Die haben im Zweifel noch nie eine Jahresbilanz des Unternehmens gesehen, in dem sie arbeiten (Chefbuchhalter ausgenommen).
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Alt 15.09.2023, 16:26   #10
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Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
Daher habe ich es mir erlaubt, im Zitat den Rhythmus ein wenig zu glätten.
Danke für die Mühe, die du dir gemacht hast, Georg. Nur leider sind bei deinen "Glättungen" die Daktylen kaputtgegangen. Verbesserungen nehme ich gerne an, aber der Rhythmus sollte doch beibehalten werden.

LG
Ilka
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Alt 15.09.2023, 17:32   #11
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Zitat:
. Deshalb könnte sich der Mann auch mal nach dem Alltag seiner Frau und seines Kindes erkundigen, statt nur mit seinen geschäftlichen Erfolgen anzugeben.
Ich wusste, dass das kommt.
Vielleicht könnte die Frau ja einfach auch von sich aus von sich und dem gemeinsamen Kind und beider Alltag erzählen, anstatt schweigend und beleidigt dazusitzen, weil ihr Mann keine Gedanken lesen kann?

Die Antwort dazu kann ich mir auch schon denken. Natürlich hat die Frau auch hier recht, egal, was sie macht.

Nun, mich stört diese extrem einseitige Sichtweise.

An einer solch unbefriedigenden Verbindung ist doch nie einer alleine schuld.

Zitat:
. Wer nur über Umsätze und Gewinn- und Verlustrechnungen parlieren kann, schuftet sich nicht zwangsläufig kaputt, sondern hat Leute, die für ihn schuften. Die haben im Zweifel noch nie eine Jahresbilanz des Unternehmens gesehen, in dem sie arbeiten (Chefbuchhalter ausgenommen).
Ich weiß nicht, in wieweit du da über deine Bekanntschaft informiert bist, wie das abläuft. Kann ich nix zu sagen. Ich nehme aber grundsätzlich nicht an, dass immer alles so ist, wie man sich das vorstellt, weil es einem gerade so bzw. in das eigene Weltbild passt.
DieSilbermöwe ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 15.09.2023, 18:37   #12
männlich MonoTon
 
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Zitat:
Danke für die Mühe, die du dir gemacht hast, Georg. Nur leider sind bei deinen "Glättungen" die Daktylen kaputtgegangen.
Falsch, dadurch sind überhaupt erst Daktylen entstanden.

Lg Mono
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Alt 16.09.2023, 04:37   #13
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von MonoTon Beitrag anzeigen
Falsch, dadurch sind überhaupt erst Daktylen entstanden.
An manchen Stellen ja (aber leider nur durch aussagelose Füllwörter), aber an anderen geht der Daktylus hopps, z.B. hier:

"Wenn du nach Haus kommst, gegen halbacht,"
XxxXxXxxX

"siehst nicht mal, was du vom Teller nun frisst."
Bei diesem Vers entsteht durch die Änderung gar ein Jambus:
xXxXxxXxxX

Richtig ist: Ich habe die Daktylen nicht durchgehalten (war auch nicht meine Absicht), jedoch zugunsten kürzerer Ausdrücke und vor allem durch Vermeidung von Füllwörtern, wie z.B. "fast", "nun", "dann", "mehr". Auch so habe ich immer noch genug von diesen kleinen Verlegensheitsfüllseln drin. Wenn man es übertreibt, klingen die Verse aber dadurch nicht schöner. Am liebsten würde ich diejenigen, die noch in dem Text sind, ebenfalls streichen. Vielleicht nehme ich ihn mir nochmal vor, es gibt mit Sicherheit eine Lösung.

Außerdem habe ich mir etwas dabei gedacht, als ich im ersten Vers schrieb: "...wie immer um acht". Das ist etwas anderes als "... gegen halbacht".
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Alt 16.09.2023, 12:27   #14
männlich Georg C. Peter
 
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Zitat:
Zitat von Ilka-Maria Beitrag anzeigen
"Wenn du nach Haus kommst, gegen halbacht,"
XxxXxXxxX

"siehst nicht mal, was du vom Teller nun frisst."
Bei diesem Vers entsteht durch die Änderung gar ein Jambus:
xXxXxxXxxX
Liebe Ilka, lieber Monoton,

danke für Eure Bemerkungen und hilfreichen Einwände.

Wie ich bereits geschrieben habe, geht es mir nicht darum, dass Ilka meine Vorschläge wörtlich übernimmt.
Aber ich finde, dass Eindringlichkeit und Aussage durch einen durchgehaltenen Rhythmus verstärkt werden
und ein Werk dadurch – im besten Fall – höherwertig klingt.

Zu Deinen Einwänden, Ilka:

"Wenn du nach Haus(e) kommst, gegen halbacht,"
XxxXx(x)XxxX
(Zitat Ilka)

=> hier hatte ich überlesen, dass bei „Haus“ ein „e“ fehlt.
Insofern habe ich nichts mehr an Ilkas Version auszusetzen.

Zum zweiten Beispiel:

"siehst nicht mal, was du vom Teller nun frisst."
Bei diesem Vers entsteht durch die Änderung gar ein Jambus:

(Zitat Ilka)

Hier empfinde ich „siehst“ und „nicht“ als gleichwertig, wenn man das "siehst" betont, bleibt es ein Daktylus.
XxxXxxXxxX

Wie gesagt:
Es geht nicht um Kritik, nur um wohlwollende (siehe oben) Verbesserungsvorschläge.

Viele Grüße von Georg

PS: Was gab's denn nun zu essen?
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Alt 16.09.2023, 13:04   #15
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
Hier empfinde ich „siehst“ und „nicht“ als gleichwertig, wenn man das "siehst" betont, bleibt es ein Daktylus.
XxxXxxXxxX
Hallo, Georg, mit diesem Einwand habe ich gerechnet; für mich ist deine Version dennoch als Jambus mit Auftakt zu lesen. Das Wort "nicht" ist mir hier zu bedeutsam, um es als gleichwertig mit dem Auftakt anzusehen, denn es handelt sich um den Vorwurf eines Versäumnisses. Das ist aber natürlich eine Empfindungssache.

Zitat:
Zitat von Georg C. Peter Beitrag anzeigen
Wie gesagt:
Es geht nicht um Kritik, nur um wohlwollende (siehe oben) Verbesserungsvorschläge.
Habe ich auch nicht als (Negativ-)Kritik aufgefasst. Diskussionen sind mir immer willkommen, soweit sie substantiiert sind. Dir geht es um einen durchgehenden Rhythmus, das ist okay. Ich selbst habe mich auch oft darum bemüht, aber längst von zu viel Perfektion Abstand genommen, weil sie zu stark nach Konzessionen verlangt. Durch die zahlreichen Vorsilben im Deutschen, die je nach Typus mal stark, mal schwach betont werden, wird es oft mit der Wortwahl schwierig. Da helfen eben nur der Einbau von Füllwörtern, die einen Vers schnell redundant machen, oder aber die Suche nach Ersatzbegriffen, die aber nicht immer das gleiche bedeuten, was man gerne ausgedrückt hätte. In der deutschen Lyrik kam noch kaum ein Dichter drumherum, zuweilen Trochäen oder Jamben mit Daktylen zu mischen.

Allerdings gestehe ich ein, dass ich dieses Gedicht relativ schnell geschrieben habe. Mit mehr Geduld und Überlegung hätte ich es vielleicht anders ausformulieren können. Gut Ding braucht Zeit. Mich hat z.B. beeindruckt, als ich hörte, dass Ferdinand von Schirach jeden Satz, den er schreibt, dreißigmal durch die Mangel dreht, bis er damit zufrieden ist. Und Richard David Precht hat (zumindest früher) pro Tag nur eine halbe Text geschafft.

LG
Ilka
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