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Alt 06.09.2006, 17:09   #1
cute_fighter
 
Dabei seit: 02/2006
Beiträge: 1.123


Standard Tanz mit uns...

Tanz mit uns...

Staub flimmert in der kühlen Luft der Lagerhalle.
Licht sickert spärlich durch die milchigen Scheiben und lässt die Staubschichten glitzern und in den seichten Luftströmen tanzen. Einen Tanz ihres Lebens.
Ein viel zu harmloses Bild für den geplanten Schauplatz des Schreckens.

Singende Feen sitzen versteckt zwischen Kartons und beobachten machtlos die Welt um sich herum. Filigrane Ketten wurden um ihre Füße und Hände gelegt, sodass nur noch ihre Gedanken frei durch den Raum schweben können.
Sie dürsten nach Gift.
Nach dem kochenden Gift frei in ihrer Welt zu sein. Sie verändern zu können.
Doch sie können ihre stechenden Gedanken nur klingend in manche Seelen geben. Ihre Lieder nur in wenige Ohren spielen.
Langsam verklebt der Staub meine eingeschränkte Sicht.
Doch Feenaugen spüren diese Schmerzen nicht.
Ihre Stimmen klingen trotzdem weiter in den leeren Hallen. Hüllen meinen Verstand ein wie ein alles erstickender Mantel der Vernunft. Ein Mantel ihres Willens, ihrer Meinung zu unserer Welt.
„Tanz mit uns...“
Ich presse schmerzvoll und verzweifelt meine Hände fest auf die Ohrmuscheln, doch es nütz nichts. Die Stimmen der Feen sind bereits in meinen Geist vorgedrungen. Drängen mich immer weiter in die Enge.
Ich will es nicht.
Leere.
Bilder einer veränderten Welt flimmern vor meinen Augen auf. Bilder einer trostlosen, leeren Welt. Häuser und Menschen wurden weggefegt. Und hier, im Herzen meiner Heimatstadt, sollte diese Veränderung begonnen werden.
Ich sollte die Welt verändern.
Sie besser machen. Zumindest war es das, was die Feen sagten.
Aber ich weiß, in Wirklichkeit wollen sie nur Macht. Sie wollen die Macht über eine Welt, in der sie so lange nicht frei gewesen waren. In der sie niemand geachtet hatte. Sie wollen ihren uralten Durst nach dem Gift der Freiheit stillen.
Aber, was würde ihnen bleiben, wenn ich alles zerstörte?
Was bleibt mir, wenn ich mein Leben für sie lassen würde?
„Tanze den süßen Tanz des Todes mit uns...“
Die Stimmen werden immer lauter und drängender. Dunkler und mächtiger. Akkorde begleiten das Drängen der kleinen Geschöpfe. Erschrocken stoße ich mit meinem Rücken gegen die Wand.
Eine Sackgasse.
Mein Fluchtweg ist abgeschnitten von den flinken Stimmen, Tönen und Seelen der Feen. Früher hatten sie mir leid getan. Ihr Aussehen hatte mich verzaubert. Aber langsam beginne ich zu verstehen, wer sie wirklich sind.
„Lass die Erfindungen der Menschen für uns tanzen.“
...
„Nein!“
Verrückt vor Verzweiflung hämmern meine Fäuste gegen die harte Wand der Lagerhalle. Doch ich weiß, niemand kann mich hören. Meine Welt lässt mich allein, obwohl sie kurz vor dem Abgrund steht.
In der Mitte des Raumes sehe ich genau den kleinen, viereckigen Kasten aus Metall. Mein eigenes Werk.
Zitternd trete ich auf das hochexplosive Gebilde zu. Nur ein Knopf. Eine einzige Taste trennt mich vor der Erfüllung des Wunsches der Stimmen in meinem Kopf. Es wäre nur ein Schritt, den Traum der gefangenen Seelen zu verwirklichen.
Ein kleiner Schritt.
Mein kühler, unsicherer Finger krümmt sich. Er weigert sich, den kleinen roten Knopf zu betätigen. Er will den Verstand siegen lassen.
„Feigling!“
Das Wort dringt schneidend durch meinen Kopf. Wiederwille staut sich auf und bricht den Damm der Vernunft in meinen Gedanken. Wahnsinn überflutet mich und ich strecke den Finger wieder. Drücke auf den kleinen Knopf.
Keine Frist leuchtet auf. Kein Zeitauslöser springt an. Ich hatte ihn ausgebaut.
Eine schreckliche Druckwelle ist das letzte was ich spüre. In meinen Ohren hallen noch immer die Stimmen der kleinen Feen nach.
„Tanz mit uns...“
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