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Alt 24.03.2019, 17:37   #1
weiblich Ilka-Maria
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Ich war noch klein und wusste über Mann und Frau nur so viel Bescheid, dass es Mütter und Väter gab und die Mütter für das Kochen, Putzen, Waschen und Bügeln zuständig waren, während die Väter Reifen aufpumpten, Steckdosen auswechselten, Löcher in die Wände bohrten und schwere Sachen hoben. Gleichberechtigung gab es nur, wenn Streit mit den Nachbarn anstand, dann spritzten die Mütter giftige Worte, die von den Vätern mit drohenden Fäusten untermauert wurden.

Darüber, dass Oma keinen Mann an ihrer Seite hatte, machte ich mir keine Geanken. Es war einfach so, und einen Opa zu vermissen wäre mir im Traum nicht eingefallen. Umso erstaunter war ich, als Oma und ich in den Sommerferien in ihren Geburtsort in Oberbayern fuhren, in Nürnberg eine Zugunterbrechung von eineinhalb Stunden hatten und sie von einigen älteren Herren, die ebenfalls auf ihren Anschluss warteten, heftig hofiert wurde.

Oma war nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, aber diese massive Anmache empfand sie als peinlich. Das hatte ich ihrem Gesichtsausdruck deutlich angesehen. Nach einer gescheiterten Ehe, die sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis gestrichen hätte, und dem Verlust ihres Lebensgefährten, den ein Gehirntumor zum Tode verurteilt hatte, hatte sie mit der Männerwelt nichts mehr am Hut gehabt. Sie hatte die Lektion begriffen, dass eine Frau am besten im Leben zurechtkommt, wenn sie mit sich allein und ihren eigenen Problemen zu tun hat.

Was hatten diese Typen an Oma, die in meinen Kinderaugen für jeden außerhalb der Familie der Prototyp eines furcheinflößenden Dragoners war, so anziehend gefunden?

Sie wirkte mütterlich und fürsorglich, und das war sie auch. Diesem Umstand verdankte ihr erster Mann, dass sie ihm vier Kinder in die Welt setzte, ehe sie die Reißleine zog. Da hatte er er schon die Damastwäche, das Tafelsilber und die Sparbücher seiner Söhne verspielt, beim Herrenausstatter Schulden und mit den flatterhaftesten Frauen der Stadt im Bett gelegen.

Ihre Geduld war nahezu unererschöpflich. Es musste schon ans Eingemachte gehen, und das hieß, um das Wohl und Wehe ihrer Kinder, dass sie sich entschloss, deren Vater in die Wüste zu schicken.

Jedenfalls hatte Oma von Männern die Schnauze gestrichen voll, das ist mir heute, wenn ich über ihr Leben sinniere, völlig klar, ebenso klar wie ihre Gründe.

Einmal, als ich sie besuchte, war sie beim Bügeln. Aber das Kleid, das sie mit dem Bügeleisen bearbeitete, ließ sich einfach nicht glätten. Nachdem sie sich fast eine halbe Stunde lang daran abgerackert hatte, knüllte sie es zusammen, stopfte es in den Ofen und atmete durch: „So, jetzt hat die Seele Ruh.“

Man stelle sich vor, sie hätte das mit dem Anzug ihres Mannes getan. Damals.
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Alt 25.03.2019, 07:48   #2
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Hallo Ilka,

bei Sätzen wie "Sie hatte die Lektion begriffen, dass eine Frau am besten im Leben zurechtkommt, wenn sie mit sich allein und ihren eigenen Problemen zu tun hat" bekomme ich immer ein leicht flaues Gefühl. Das ist eine Aussage mit einer Wertung, die so formuliert eigentlich nicht in eine Geschichte gehört (denn es klingt sehr nach der eigenen Meinung der Autorin). Natürlich kann Oma in der Geschichte das so sehen. Aber dann würde ich es Oma selbst sagen lassen.

Auch heutzutage glaube ich übrigens nicht, dass eine Frau den Anzug ihres Mannes einfach so vernichten würde, ohne dass er das weiß und wenn doch, fände ich das nicht nur eine Respektlosigkeit, sondern eine bodenlose Gemeinheit.
Auch eine emanzipierte Frau muss nicht mit der Dampfwalze alles kaputt machen.

LG DieSilbermöwe
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Alt 25.03.2019, 09:08   #3
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Natürlich kann Oma in der Geschichte das so sehen. Aber dann würde ich es Oma selbst sagen lassen.
Die Geschichte ist aus der Sicht eines Kindes geschrieben, nicht aus Omas Sicht.
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Alt 25.03.2019, 13:41   #4
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Ich würde es Oma in wörtlicher Rede zum Kind sagen lassen so hatte ich das gemeint.
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Alt 25.03.2019, 15:02   #5
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Ich würde es Oma in wörtlicher Rede zum Kind sagen lassen
Das kann man natürlich so machen.
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