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Alt 12.01.2019, 17:04   #1
männlich Robert Go
 
Dabei seit: 11/2018
Ort: Chemnitz
Beiträge: 85


Standard Kapitel 02 Der Kuss der Muse

Geschafft!
Erleichtert legte Sarah den Stift beiseite und klappte das Mathebuch und den Hefter zu.
Endlich hatte sie diese doofen Hausaufgaben gelöst.
Es waren zwar nur Textaufgaben – ihre Spezialität – aber trotzdem konnte man diesen schönen Sommertag anders verbringen.
Durch das geöffnete Fenster schien die Sonne. Das Rauschen der Blätter, als der Wind durch die Krone des Apfelbaums wehte, vermischte sich mit dem Gezwitscher der Vögel, zu einer schönen Melodie.
Sie öffnete die unterste Schublade ihres Schreibtisches, nahm einen Zeichenblock und einen Bleistift heraus und begann zu zeichnen.
Doch nach gerade mal zwei Minuten hörte sie auf.
Sie konnte sich nicht richtig konzentrieren, sondern musste ständig an den heutigen Abend mit ihrem Freund und Klassenkameraden Jakob denken.
Was würde er lieber trinken? Rotwein und Bier kamen natürlich nicht infrage. Immerhin war sie erst dreizehn.
Die blutrote, untergehende Sonne am rosafarbenen Horizont. Dazu ihr Freund.
All dies klang verlockend und romantisch zu gleich.
Statt Rotwein nehme ich einfach Traubensaft und als besonderes Highlight gibt es Muffins, dachte sie.
Sie wollte gerade ihr Zimmer verlassen, als sie eine Stimme hinter sich hörte.
„Du hast es aber eilig, Sarah.“
Sarah blieb stehen und drehte sich um. Sie traute ihren Augen nicht.
Auf dem Fensterbrett saß das seltsamste Tier das sie je gesehen hatte.
Es hatte den Kopf einer Katze, den Körper eines Meerschweinchens die Ohren eines Hasen, die Flügel eines Vogels und den Schwanz eines Löwen.

„Wer oder was bist du denn?“, fragte Sarah.
Das Tier lächelte und antwortete mit sanfter Stimme.
„Ich bin eine Muse und wache über Menschen, die sich der Kunst, der Musik und der Poesie widmen. So wie du.“
„Wieso ich? Ich kann weder singen noch dichten. Und eine berühmte Künstlerin bin ich auch nicht.“
Die Muse schüttelte den Kopf. „Trotz der Tatsache, dass du ein kleines Mädchen bist, besitzt du große Reichtümer an Fantasie.“
Sie kletterte auf den Schreibtisch, blieb vor der dreizehnjährigen stehen und angelte mit dem Schwanz mehrere zusammengeknüllte Blätter aus dem Papierkorb.
„Du weißt nur nicht wie du sie richtig einsetzen kannst. Ich werde dir dabei helfen.“
Ungläubig blickte Sarah die Muse an.
„Und wie?“ Sie wusste nicht, was sie von der ganzen Situation halten sollte.
Sie stand in ihrem Zimmer und unterhielt sich mit einem Wesen, dass es überhaupt nicht geben sollte. Jedenfalls nicht in der Welt, in der sie lebte. Vielleicht träume ich ja nur, dachte sie und schloss für zwei Sekunden die Augen. Doch als sie die Augen öffnete, war es immer noch da. Also war es kein Traum. Dann geschah es. Die Muse schlang ihren langen Schwanz um den Hals, beugte sich mit dem Gesicht ganz nah das von Sarah und küsste sie auf die Stirn.
Dann löste sie sich von dem Mädchen und flog davon.
Sarah konnte sich für mehrere Minuten nicht bewegen. Wie eine Statue stand sie in der Mitte ihres Zimmers. Bilder wirbelten durch ihren Kopf. Vor ihrem geistigen Auge sah sie eine Insel, ein Kreuzfahrtschiff, welches in einen Sturm geraten war, ein schreckliches Monster, eine Meerjungfrau, ihren Opa, ihren Freund Jakob und seinen Vater.
Ihr Kopf drehte sich nach links. Zu ihrem Schreibtisch.
Langsam setzte sie sich in Bewegung. Wie ferngesteuert griff sie nach dem Bleistift und dem Zeichenblock und begann die Bilder zu zeichnen.
Sie war so sehr damit beschäftigt, dass sie alles um sich herum vergas. Für sie gab es nur diese Bilder. Nichts anderes. Es vergingen zwei Stunden, bis sie mit allen fertig war.
Da hörte sie das Klopfen an ihrer Zimmertür.
„Herein!“, rief sie.
Es war ihre Oma.
„Alles okay bei dir, Sarah?“, fragte sie besorgt.
„Ja. Warum fragst du?“
„Deine Eltern und ich haben dich ein paar Mal gerufen.“
Sarah sah ihre Oma an. „Ich habe nichts gehört.“
„Das haben wir uns fast gedacht. Deshalb wollte ich nachschauen, ob bei dir alles in Ordnung ist.“
„Ja. Mir geht es gut. Seit wann seid ihr da? Und wozu trägst du denn die Schürze?“
„Ich habe Muffins gebacken. Danach haben wir gegessen und anschließend haben deine Mutter und ich abgewaschen“
Mit der flachen Hand schlug sich Sarah gegen die Stirn.
„So ein Mist ich wollte welche für mich und Jakob backen“, schimpfte sie. Sie sah auf die Uhr.
Es war siebzehn Uhr.
„Aber das schaffe ich nicht mehr.“
„Brauchst du auch nicht mehr zu machen. Wie viele brauchst du denn?“
„Vier reichen.“
„Du hast Glück. Es sind noch vier übrig. Du kannst sie haben.“
Sarah stand auf, rannte auf ihre Oma zu und umarmte sie.
„Du bist die beste Omi auf der ganzen Welt. Vielen lieben Dank“
„Ich weiß. Ich helfe dir gern.“
Sarah rannte in die Küche, wo ihre Eltern und ihr Opa am Tisch saßen.
Ihr Vater fuhr ihr mit der Hand durch die Haare.
„Du hattest bestimmt viel zu rechnen, oder Prinzessin?“
„Es war leicht. Ich habe bis jetzt ein paar Bilder gemalt.“
Sie steckte die Muffins in eine Dose, packte diese in ihren Rucksack und verließ die Küche.
In der Tür drehte sie sich noch einmal um.
„Ich geh zum Strand. Bis später.“
Sie verließ das Haus, stieg auf ihr Fahrrad und trat kräftig in die Pedale.
Sie hatte gute Laune. Nicht nur, dass sie bald ihren Freund wiedersehen würde, sondern auch die Begegnung mit der Muse hatte ihr gut getan. Die Bilder waren ihr sehr gut gelungen.
Während der Fahrt zum Strand, fragte sie sich was diese Bilder zu bedeuten hatten und ob es einen Zusammenhang zwischen ihnen gab.
Sie konnte ja nicht ahnen, dass sie schon sehr bald eine Antwort auf diese Frage finden sollte.
Robert Go ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 30.04.2019, 06:57   #2
weiblich DieSilbermöwe
 
Benutzerbild von DieSilbermöwe
 
Dabei seit: 07/2015
Alter: 60
Beiträge: 6.687


Hallo Robert Go,

en sehr schönes Märchen - habe ich, glaube ich, zwar schon mal bei einem anderen Kapitel geschrieben, aber das macht ja nichts. Schöne kreative Einfälle hast du. Bei der Beschreibung, wie Sarah von dem seltsamen Wesen geküsst wird, fragte ich mich allerdings, ob man da als junges Mädchen nicht erst einmal zurückzucken würde - also ich hätte eher damit gerechnet, dass sie Angst hat. Aber dann schreibst du ja auch, dass sich Sarah erst einmal nicht bewegen kann . Vielleicht könnte man einflechten, ob sie Angst hat oder nicht. Passiert ja nicht alle Tage, so etwas...

Zitat:
Auf dem Fensterbrett saß das seltsamste Tier das sie je gesehen hatte.
Es hatte den Kopf einer Katze, den Körper eines Meerschweinchens die Ohren eines Hasen, die Flügel eines Vogels und den Schwanz eines Löwen.
Wenn ich mir das Tier so vorstelle, mir würde es Angst machen.

Die Geschichte gefällt mir aber auch so.

LG DieSilbermöwe
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