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Gefühlte Momente und Emotionen Gedichte über Stimmungen und was euch innerlich bewegt.

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Alt 20.12.2018, 00:18   #1
männlich Heinz
 
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Ort: Reimershagen in Mecklenburg-Vorpommern, Nähe Güstrow
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Standard Angst

Im September, Wärme war und laue Luft,
weit entfernt noch Herbstes bunte Blätter,
klangen noch in meiner Brust die Liebesseufzer
einer engelsgleichen Frau und gaben Antwort
auf das Flehen eines liebeskranken Mannes -
Glücks genug! Allmählich senkte nun die Sonne
ihre Bahn, die Schatten wurden länger,
kühler wehte abends schon der Wind.

Noch erhitzt von Sonnenwärme ließ die
abgestandne Luft im Flur der grauen Villa,
ließen auch die Bohnerwachsgerüche,
billigen Parfüms Odeur die olfaktorisch
sehr verwöhnten Sinne schaudern; Resultat war
Gänsehaut und erstes Ahnen nicht genehmer
Stunden. Strenge Mienen ernster Männer,
harsche Töne, Tonbandmitschnitt der Gespräche,
ließen selten Blicke auf den Langen See und
Segelboote wandern; ausgetrocknet war der
Mund und dünner Kaffee schaffte kaum die Lippen
feucht, die rauhe Stimme klangvoll zu erhalten.

Aus Minuten wurden Stunden, aus verbalen Schlagabtausch
Drohgebärden; jeder Gang zum Klo zur Demo schierer Macht
zweier Männer, die bestimmten, wann der Druck der Blase
übermächtig den Verhörten zwang, gebeugten Rückens
schmerzgepeinigt und bewacht die Notdurft zu verrichten.
Wehr- und machtlos, nur noch Halt an einer Zigarette
findend, immer wieder Fragen, ungebrochen noch der
Wille, Stand zu halten diesen Schergen eines Staates,
der mit Knüppeln, Todesstrafen, seine Schwäche schlau maskiert,
seine Bürger hinter Mauern, Stacheldraht und Minen
ihrer Freiheit, ihrer Würde frech beraubt, mit hohlen
Sprüchen glauben macht, dass die MLWA*) der Sieg des
neuen Menschen ist, das Paradies auf dieser Erde.

Noch war Spott in meiner Stimme, rauher klang sie nach fünf
Stunden, dunkel war es schon geworden und ein Wink des
Hauptmanns wies den Weg zur Tür und sehr erleichtert übers
Ende aller Fragen, griff ich nach der allerletzten
Zigarette, die mir noch geblieben war und suchte
nach dem Feuerzeug und hörte nicht die Schritte jener
Männer, die zu viert und schwer bewaffnet aus dem Schatten
hoher Bäume näher kamen. Fluchtgedanken - doch wohin?
Mutig sich auf einen stürzen, seine Waffe an mich bringen?
Ach, wie sinnlos! Alle Felle sah ich von mir schwimmen,
chancenlos und dann von grellem Licht geblendet stand ich
still und spürte, wie in Strömen Schweiß aus Achselhöhlen
brach und abwärts sickernd meine Hüften nässte. Zittern
spürt ich meine Knie und keinen Fixpunkt fanden meine
Augen; näher kamen die Gestalten, und zum ersten Mal,
ich gesteh es ohne Schamesröte, packte mich die Angst.


MLWA*) = Abkürzung für Marxistisch Leninistische Welt-Anschauung
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2018, 01:27   #2
männlich Ex-Ralfchen
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Alter: 77
Beiträge: 17.302

ja Heinz - du kannst schreiben. und ich wundere mich immer wieder über die umfassenden erzählungen mit denen du deine ideen und phantasien beschreibts, was in mir desöfteren den verdacht aufkeimen läßt, dass vieles in deinen literarischen arbeiten autobio ist, weil es für mich ganz einfach so rüberkommt - wie man sagt.

Zitat:
Noch erhitzt von Sonnenwärme ließ die
abgestandne Luft im Flur der grauen Villa,
ließen auch die Bohnerwachsgerüche,
billigen Parfüms Odeur die olfaktorisch
sehr verwöhnten Sinne schaudern;
ich rieche es und stehe nur wenige schritte nach dem eingangstor auf dem intarsierten kasettenboden in der Halle und blicke zur empore die von links und rechts mit gewundene stiegen begangen werden kann. in den letzen sonnenstrahlen, welche sich durch die bleiglasfenster stehlen und durch die facettierten scheiben schemenhaft aufgefächert sind, sehe ich wirbelnde staubkristalle wie herunterfallende und durcheinanderwirbelnde winzigstee brilliant-geschliffene diamanten blitzen...plötzlich kitzelt es mich in der nase und ich muss niesen...

das meinte ich in meinem faden WARUM SCHREIBEN WIR...du eröffnest mir ein kleine szene in der ich ein statist deiner erzählöung/lyrik wurde....
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2018, 13:28   #3
männlich Ex-Einsamkeit
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Beiträge: 130

Liebe Heinz -

sehr schön! Das Wort „rinnen“ würde ich austauschen. Es bezeichnet eine Flüssigkeit, die sich in kleinen Mengen irgendwohin langsam bewegt und nicht strömend ist.

Ein Gedicht voller Adjektive. Der eine mag es, der andere nicht. Ich find es gut.

-
Ex-Einsamkeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2018, 20:25   #4
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Lieber Ralf,
bis zum Kassettenboden stimmt alles. Den realen Ablauf teile ich Dir per PN mit.
Zum Thema "Warum schreiben wir" werde ich mich noch ausführlicher äußern.
Dass es mir mit Worten gelungen ist, eine beabsichtigte Wirkung zu erzielen - Deine Bestätigung ist ein großes Lob! Mensch Alter, werd mir bloß nicht zu weich.
Liebe Grüße,
Heinz

Liebe Einsamkeit,
ja, der beinahe opulente Gebrauch von Adjektiven (Ilka-Maria wird mir deswegen bestimmt noch den Kopf waschen) kann, wenn sie überflüssig sind, eine Sünde sein und - Mark Twain können wir nicht mehr befragen.

Das Rinnen - Du hast Recht mit Deiner Beschreibung des Rinnens. Aber was könnte dieses Wort ersetzen? Der Schweiß "strömte" - wie soll er strömen, wenn man ein Unterhemd, darüber ein Hemd und darüber noch einen leichten Pulli trägt? Mit "laufen" hätte ich dasselbe Problem. Mein Anliegen war, dem Irrtum entgegen zu wirken, dass bei wirklicher Angst der Schweiß von der Stirn fließt. (Fließen, siehe Unterhemd usw. passt auch nicht).
Es ist tatsächlich so: Der Schweiß tritt unter den Achselhöhlen in unerwarteter Menge aus und nässt die Haut bis zu den Hüften ein. Ein besseres Wort für "rinnen" fällt mir nicht ein. Hättest Du einen Vorschlag?
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2018, 20:32   #5
männlich Ex-Einsamkeit
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Beiträge: 130

Lieber Heinz -

Alle Felle sah ich von mir schwimmen,
chancenlos und dann von grellem Licht geblendet stand ich
still und spürte, wie in Strömen Schweiß aus Achselhöhlen
brach und abwärts rinnend meine Hüften nässte.

-
Ex-Einsamkeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.12.2018, 20:34   #6
männlich Ex-Ralfchen
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Beiträge: 17.302

Zitat:

Mensch Alter, werd mir bloß nicht zu weich.
hhhhhhhhhhhhhhh...na ja das ist was die jungen frauen an mir lieben den sanften weichen hasen.

Zitat:

Das Rinnen - Du hast Recht mit Deiner Beschreibung des Rinnens. Aber was könnte dieses Wort ersetzen? Der Schweiß "strömte" - wie soll er strömen, wenn man ein Unterhemd, darüber ein Hemd und darüber noch einen leichten Pulli trägt?

er SICKERTE...er DURCHNÄSSTE...er VERSIEFTE (= sagte Samantha mal vor ein paar monaten zu mir als sie ein candida durch antibiotika hatte)


Ach, wie sinnlos! Alle Felle sah ich von mir schwimmen,
chancenlos und dann von grellem Licht geblendet stand ich
still und spürte, wie in Strömen Schweiß aus Achselhöhlen
brach und abwärts sickernd (trensend, suselnd...triefend...)meine Hüften nässte.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 15:34   #7
männlich Ex-Einsamkeit
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Lieber Heinz -

Schweiß läuft bekanntlich. Ralfchens Vorschlag "triefend" wäre auch eine Möglichkeit.

-
Ex-Einsamkeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 15:44   #8
männlich Heinz
 
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Beiträge: 7.879

Liebe Einsamkit,
hatte mich gestern schon für Ralfs Vorschlag "sickernd" entschieden. Dieses Sickern kommt dem empfundenen Vorgang am nächsten.
Danke für Deine Mühe!
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 16:03   #9
männlich Ex-Einsamkeit
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Ok, Heinz! Durch was sickert der Schweiß hindurch, wenn er strömend aus deinen Achseln zu den Hüften hinsickert? Wenn der Schweiß nichts durchdringt, dann fließt er zögerlich und oder spärlich, weswegen er nicht strömend aus den Achseln fließen kann! In "Strömen" müsstest du dann noch entfernen.

Ich helfe sehr gern.

-
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Alt 21.12.2018, 16:27   #10
männlich Ex-Ralfchen
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Stimmt heinz
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 16:45   #11
männlich Ex-Einsamkeit
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Lieber Ralf -

da hast Du vollkommen recht! Verschulden ist ohne Gewicht. Schuld aber... Kann zur Last werden. Und die Last kann zum Laster werden. Last und Laster sind seelische Belastungen, womit wir bei seelischen-Gewichten wären. Oder bei jemand oder etwas, der / das seelisch schwer wiegen oder aufliegen kann.
Deine Gedanken nehme ich mit in den Tag und werde ggfl. bei Änderung aktualisieren. Danke
Ex-Einsamkeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 16:55   #12
männlich Heinz
 
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Lieber Ralf,
"stimmt" - was stimmt? Der Einwurf von Einsamkeit?
Kann es nicht sein, dass ein (ich nehme ein Beispiel aus der Natur) anfänglicher Sturzbach nach wenigen Metern versickert?
Bei einem Schweißausbruch auf der Stirn bei großer Anstrengung läuft der Schweiß wangenwärts oder an den Ohren vorbei und man entledigt sich durch Abwischen.
Bei einem Schweißausbruch in den Achselhöhlen vermischen sich die auslösenden Angstgefühle mit Peinlichkeit und Scham über die eigene Schwäche.
Die Widerstandskraft, die Fluchtgedanken, die aufkeimende Aggression - alles "versickert", macht einem beginnenden Fatalismus Platz und ist insgesamt schlicht ein Scheißgfühl.
Liebe Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 16:58   #13
männlich Ex-Einsamkeit
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Lieber Ralf -

Das hängt von der Person ab. Vielleicht im Detail nicht Laster, aber Last definitiv! Wenn es dem Mörder gefiele und er nach dem ersten Mord den Drang / Zwang verspürt weiterzumorden, dann ja. Laster ist gesellschaftlich negativ konnotiert. In der Biologie wäre das Töten wohl ein normal tierisches Verhalten.

Ja, es ist der falsche Thread. Ich wollte im richtigen nicht antworten, um nicht für noch mehr Verwirrung zu sorgen. :-)

Weswegen ich aus dem Faden von Heinz auch "raus" bin.

-
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Alt 21.12.2018, 17:18   #14
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Falls du es nicht gesehen hast, Heinz: Ich habe dir wegen deines Gedichts eine PN geschickt.

LG
Ilka
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 18:43   #15
männlich Ex-Einsamkeit
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Die Widerstandskraft, die Fluchtgedanken, die aufkeimende Aggression - alles "versickert"
Lieber Heinz -

nimm es mir nicht übel - die Lyrik von Dir ist so schön umgesetzt ...

Lass den Schweiß bitte nicht in den Erdboden versickern.
Dann laß ihn fliehen oder flüchten ...


- Einsamkeit
Ex-Einsamkeit ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.12.2018, 23:12   #16
männlich Heinz
 
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Liebe Einsamkeit,
Dein Kompliment leg ich mir unter den Weihnachtsbaum. Vielen Dank!
Weihnachtliche Grüße,
Heinz
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.12.2018, 13:42   #17
männlich dr.Frankenstein
 
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Sehr Gurt
dr.Frankenstein ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.12.2018, 13:48   #18
männlich Heinz
 
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Danke!
H.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.12.2018, 15:21   #19
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
gurt????
hm...hoffentlich festgezurrt...
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 23.12.2018, 01:36   #20
männlich Heinz
 
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Dr. Frankenstein und "festgezurrt" - das geht ja nun mal gar nicht. Aber - Schwamm drüber! Auch dem Dr. Frankenstein wünsche ich frohe Weihnachtsfesttage.

Heinz
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