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Alt 24.07.2005, 20:56   #1
Marla
 
Dabei seit: 06/2005
Beiträge: 50


Standard Lhyona

Lhyona oder Spätsommer

Fast nun wendet es sich gen August. Er sitzt vor mir. Er lacht, wie nur er lacht. Zeigt dabei nur wenig der hellgelben Zähne. Nimmt eine Strähne meiner Haare, flechtet sie, legt sie zurück, als hätte er sie vergessen. Mit Bedacht.
Ich friere. Die Haare sind nass, fallen kalt auf meine Schultern. Es zieht sich durch meinen Rücken in meine Schenkel ein Schauern. Die Spitzen kitzeln. Ich sitze nackt vor ihm. Eben hat er mich geliebt. Ich hatte keinen Anteil daran. Er macht das alles. Das mag ich. Ich rauche nur, sehe ihn hin an. Dann rauche ich und schweige. Er trocknet meinen Rücken ab. Küsst jeden Wirbel. Er hat ihnen Namen gegeben.
Hörst du die Gitarren, sie zirpen mit Diego. Er legt den Kopf schief, wenn er das hört. Danach nagt er an meinen Haaren und steckt den Kopf unter die Flügel. Er lehrte mich das still sitzen. Seine Heiligkeit des Vertrauens ließ mich starren.

Einst, als er mich das erste Mal belachte, saß ich barfuß im Gras und flocht Halme um meinen Zehen. Ich unterhielt mich mit einer Raupe, die neben mir hockte und ihre Knie leckte. Er zog mir ein Ätschen aus dem Haar und hielt es mir hin. Dann belachte er mich. 'Wie heißt sie?' fragte er mich, nickte das Kinn in Richtung von Marla. 'Marla.', sagte ich.
Er ging mit mir ins Kino, auch wenn er nie fragte, was ich sehen sollte. Einmal fragte er mich. Ich sagte: 'Dich.' Es genügt mir, ihn zu sehen.
Hin und wieder füttert er mich mit Melone. Das mag ich. Sie ist weich im Mund. Er ist weich in seinen Händen. Sie sind knorpelig, sehning. Die Finger recken sich, wenn er meine Wange berührt, nur mit den Spitzen. Es ist weich. Ich trinke aus ihnen. Manchmal sehe ihn ihn, wie er nachts Haare um seine Finger webt und sie belacht.
Vierunzwanzig Worte habe ich nun schon gesagt. Er sagt nie, dass ich reden soll. Ich weiß nie, was ich sagen soll. Ich habe Angst, dass meine Worte runterfallen und ihn verschrecken. Er soll halten, so lange er bleibt. Die Perlenkette, sie gehört mir.

Geboren wurde ich mit einem gebrochenen Herzen und als ich reden konnte, erzählte Ester jeden Abend Geschichten. Bis sie einschlief. Sie schnarchte. An meinen Füßen. Dann vergrub ich meine Zehen in ihrem Fell. Sie war ein Hund, aber ich wette viel darum, dass sie geschnurrt hat. Heute ist sie nur noch ein Schatten, den ich manchmal riechen kann. Ein Kind starb mit ihr. In mir. Der Wind knotet ihren Namen in alle Blätter, Marla hat mir das erzählt, sie schmeckt es. Als ich ihm das sagte [22 Worte,], belachte er mich.

September hat mich heute Morgen umarmt, ich seufzte in ihn hinein. Er wischte mir die Schwellung aus den Augen und zündete mir eine Zigarette an. Sie schmecken besser, wenn sie ihn berührt haben. Er legt mir die Perlenkette um die Zunge und ich weine, nur mit den Augen.
Früher war eine Truhe im Flur, in der Marionetten lagen. Ich habe gern mit ihnen gespielt. Das durfte ich nicht, weil sie teuer waren und ich alles kaputt mache. Später habe ich sie im Fernsehen entdeckt, sie spielten in Loriot Filmen. So dachte ich. Sie waren teuer, weil sie Talent hatten. Ich denke, dass ich zu dieser das erste Mal eine Perlenkette hatte. Sie wog schwer und entzündete die Stille in mir. Seitdem flieht Stille vor meinen Bedenken. Sie sind laut, sie sind nie still.

Es ist Oktober. Man sollte dem Oktober mehr Aufmerksamkeit schenken. Nebenan fällt eine Tür zu. Ich zucke. Er steht vor mir, legt einen Arm um meinen Hals und zieht meinen Kopf an seine Brust. Ich beiße mir auf die Lippen, um nichts zu sagen. Es ist nur ein Traum. So wie der, in dem ein Steg an einem See mein Bein aufriss. Es hat nicht geblutet. Es hat nicht weh getan. Seitdem bin ich offen. Sezierende Maden wohnen nun da. Sie sieht nur niemand.
Als ich mir den Pulli über den Kopf streife und meine Hände in den Ärmeln vergrabe [ich habe dreckige Fingernägel, verbirg mich] küsst er meine Stirn. 'Deine Haare sind trocken', sagt er. 'du kannst gehen.' Ich sitze nur da und rauche. Ich weiß, dass er das auswendig kennt. Er hört die Gitarren auch.
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