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Alt 13.06.2007, 19:10   #1
Lyrika
 
Dabei seit: 06/2007
Beiträge: 247


Standard Optimistisch Apokalyptisch

Naja...diese Geschichte hab ich mal an einen Wettbewerb geschickt.
Das Thema war "Anstoß"..naja ich denke ich habe das Thema verfehlt..aber für mich passt es sehr wohl zum Thema Anstoß...da es hier auch um eine Art (Gedanken)anstoß geht.
Ich hab damals nur ne CD gewonnen wo diejenigen die gewonne haben ihre Gewinnergeschichten vorgelesen haben lol.

( in den nächsen 20min gehts weiter!)

OPTIMISTISCH APOKALYPTISCH

Der Regen bahnte sich seinen Weg aus den großen, grauen Wolken an den Hochhäusern vorbei auf den harten Asphalt. Die Regentropfen, die mit großer Wucht von oben auf den Boden fielen, zerplatzten unten so als wären sie kleine Kügelchen aus Glas, die in hunderte kleine Splitter zerschellen würden. Alles was zurückblieb war ein Fleck. Ein kleiner, runder Fleck aus Regen auf dem Asphalt. Was ist schon so ein Fleck? Ein Fleck auf dem Asphalt ist gar nichts. Es gibt tausende Regentropfen, die pro Sekunde hinunterregnen. Wer kümmert sich denn dann schon um einen winzigen Fleck? Niemand. Ein einzelner Regentropfen bedeutet gar nichts. Nur wenn ein ganzer Regenguss kommt, in dem viele Tropfen zusammen auf die Erde peitschen, versuchen sich die Leute zu schützen. Denn ein Unwetter birgt mehr Gefahr als ein Tropfen. Die wenigen Leute, die gezwungen sind bei Unwetter raus zu gehen, wollen dem Regen mit Schirmen ausweichen. Und sie sehen nicht auf den Boden. Nie sieht jemand auf den Boden.
Sie sehen geradeaus ins Nichts oder in die Gesichter anderer Leute, die nicht viel mehr aussagen. Gelegentlich schauen sie sich Geschäfte an. In den Schaufenstern können sie das betrachten was sie sich wünschen und was sie meinen noch zu brauchen. Das, was sie sich jedoch meistens nicht leisten können. Oft sehen sie nur ihr Ebenbild, das sich verschwommen in den von Regentropfen durchzogenen Scheiben spiegelt. Nach oben sieht auch niemand, denn der Himmel scheint einen zu erdrücken. Und die Sonne ist schon lange tot. Verschlungen vom Grau des Himmels. Auch als sie noch schien, blickte niemand zum Himmel hinauf, aus Angst geblendet zu werden. An diesem Tag wanderten die Menschen, so wie immer, ziellos umher. Die Kälte, die durch die Gassen schlich, versuchte einen täglich mit ihren eisigen Händen zu erwürgen.
Ob es ihr tatsächlich gelang weis man nicht. Das einzige, was man aus sicheren Quellen weis, ist dass sie es schon mehrere Male geschafft haben soll die Seele der Leute zu ergreifen und erfrieren zu lassen, so erzählt man sich. Doch ob es wirklich das Werk der Kälte war oder ob das Herz ausgestorben war, das früher die Seele der Menschen erwärmen ließ, ist ungewiss. Jedenfalls konnten die Menschen atmen und waren noch nicht ausgestorben. Sie erfüllten ihr wertvolles Leben mit wichtigen Dingen. So gingen sie täglich zur Arbeit, die ihnen nicht gefiel, machten sich Sorgen um ihr Erscheinungsbild, lasen Zeitung in der U-Bahn, machten bei irrsinnigen Wettbewerben mit, pflanzten sich fort, kauften sich immer größere Autos und teurere Statussymbole und atmeten die Luft, die sie mit diesen Autos verschmutzten, sinnlos ein und wieder aus. All das auf dieser großen Kugel, die sich dreht.
Eine Kugel so groß wie ein Stecknadelkopf.
Und dieser Stecknadelkopf ist irgendwo tief in einem Nähkästchen zusammen mit tausenden anderen Stecknadeln vergraben. Ein Stecknadelkopf kann doch nicht ahnen, dass es Nähmaschinen gibt. Woher soll er erst wissen, was für merkwürdige und unvorstellbare Dinge existieren? Es ist doch nur ein einfacher Stecknadelkopf. Doch würde dieser nicht existieren, so gäbe es nichts mehr von dem, was wir kennen. Was uns als selbstverständlich erscheint. Es gäbe nicht einmal mehr Stecknadeln. Nicht einmal mehr Nähmaschinen oder Schneider. Aber wahrscheinlich sind Schneider bloß ein Gerücht. Wahrscheinlich hat es sie nie gegeben.
Niemand weis mehr was überhaupt noch existiert und für wie lange. Morgen schon könnte man seinen letzten Atemzug getan haben. Morgen könnte es eine Stecknadel weniger geben. Einfach so. Und das so schnell, dass es niemand bemerken würde. Ein gleißend helles Licht das vom Horizont angerauscht kommt. Es wandert umher und plötzlich verspürt man einen hohen Druck. Es grummelt und die Erde vibriert. Und in der Luft schweben Blätter und Dreck umher. Und man ist tot bevor man den lauten Knall hört. Den Knall der Atombombe, die jederzeit gezündet werden könnte. Und es muss gar keine Atombombe sein, es könnte auch genauso gut ein Meteorit sein oder ein schwarzes Loch in das die Erde gezogen wird, nachdem die Sonne endgültig explodiert. Keiner kann behaupten, dass er es weiß. Und danach ist einfach nur das Nichts. Wenn dann noch jemand einen losen Faden hat, wüsste niemand mehr mit was man ihn wieder feststecken könnte. Dabei machen sich die Menschen häufig selbst lose Fäden. Sie sind es, die sich die Löcher in ihre Kleidung reißen. Da braucht man nicht der Kleidung die Schuld zuzuschieben, weil sie angeblich zu schlecht gearbeitet sei und einen zu dünnen Stoff habe. Es sind die Menschen die sich ihre Kleidung nähen. Das ist Realität. Es soll ja niemand nackt dastehen, wenn die Welt morgen untergeht. Seltsamerweise denkt jeder das Gute wäre für alle Ewigkeit. Es ist trivial, dass alle Menschen die Hoffnung haben dass sie so schnell wie nur möglich vom Schlechten erlöst werden, aber glauben dass das Gute ewig wäre. Sie sind süchtig nach dem Guten und haben Angst vor dem Schlechten. Aber an diesem Tag hatte selbst die Sucht ihren Reiz verloren, denn es gab an diesem Tag nur die Angst vor dem Guten, denn das Gute weckt Hoffnungen und lässt das Schlechte, wenn es unvermeidlich kommt, weitaus schlechter erscheinen, als wenn es keine Alternative dazu gäbe. Denn wer immer nur Zitronen essen muss, hat Angst Äpfel zu essen, denn er weiß dass jedes Mal wenn er dann wieder eine Zitrone essen muss, diese einfach nur noch sauer schmecken kann. Und dann sehnt man sich eines Tages nach Äpfeln, wenn es diese gar nicht mehr gibt.
An diesem Tag, an dem es, so wie die Wochen zuvor auch, regnete, wurden alle Äpfel, die draußen vor dem Obststand ausgelegt waren, schimmlig. Auch die Birnen und Pfirsiche. Nur die Zitronen und Limetten waren noch gut. Was für ein Segen.
Und die Menschen zog es durch die Straßen. Kein Maler hätte in seinem Bild so viele Abstufungen von Grau hinbekommen, wie sie an diesem Tag zu finden waren. Rauch, Häuser, Straßen, Wolken und Himmel – alles war grau. Menschen, Leben, Atem und Seele - todesgrau. Grau war das neue Schwarz. Wie graue Schatten ihrer Selbst lebten die Menschen ihr Leben. Sie gingen umher, arbeiteten, gingen wieder umher, warteten, aßen, warteten, gingen dann wieder umher, warteten erneut und starben irgendwann. Verloren war die Zeit, die es früher im Überfluss gab. Durch den Abfluss gesickert. Weggespült mit dem Regen. Wenn doch niemand den Abfluss erfunden hätte. Denn er ist ganz allein Schuld. Genauso wie der Erfinder des Regens.
Wie eine graue Flut strömten diese nichtigen Wesen durch die Stadt. Die Bürgersteige entlang.
Und mittendrin war eine Frau. Diese Frau ertrank nicht. Sie war auch nicht grau. Wir könnten dieser Frau einen Namen geben. Allerdings müssen wir das nicht, denn ihr Name tut nichts zur Sache. Abgesehen davon kennt niemand ihren Namen mehr. Leider ist das so. An einem Tag ist man etwas Besonderes und am nächsten Tag kennt niemand mehr deinen Namen. Namen sind ohnehin Schall und Rauch. Wir könnten sie Person A nennen, das wäre ganz sinnvoll um sie von der Person zu unterscheiden, die noch folgt. Diese könnten wir dann logischerweise Person B nennen. Aber wir könnten unsere Person A auch anders nennen. Glaube oder Hoffnung. Hoffnung passt ganz gut. Aus irgendeinem Grund passt dieser Namen wirklich sehr gut. Vielleicht hieß sie ja sogar wirklich Hoffnung, das kann man heute nicht mehr beweisen. Aber es ist auch nicht von großer Wichtigkeit. Hoffnung hatte ein fremdes Gefühl, das niemand mehr zu kennen schien. Sie war glücklich. Aus diesem Grund verzog sie ihre Lippen so, dass ihre Mundwinkel nach oben zeigten. Diesen äußerst merkwürdigen Vorgang bezeichnet man als Lächeln. Und das tat Hoffnung ziemlich oft. Einfach so. Jetzt mag man es für absurd
halten so etwas zu tun, aber abgesehen davon dass es viele merkwürdige Dinge in dieser noch weitaus merkwürdigeren Welt gibt, hatte Hoffnung allen Grund dazu. Sie liebte ihr Leben und sie liebte die Welt auf der sie sein durfte. Kein größeres Geschenk hätte man ihr machen können. Wenn sie durch die Straßen ging bemerkte sie so viele Wunderwerke der Natur die es nicht nur Wert waren glücklich zu sein, sondern die es auch Wert waren zu leben. Selbst die zerknüllte Zeitung, die auf dem Boden vom Wind umher getrieben wurde und die das schmutzige Regenwasser aufsog, war ein Kunstwerk des Alltags. Der Regen, der die Schlaglöcher auffüllte und von den Dächern tropfte bildete einzigartige Formen, beweglichen Glasskulpturen gleich. Und das Grau passte so wunderbar zum Rot der Äpfel und zum Gelb der Zitronen vor dem Obststand. Hoffnung kaufte sich einen Apfel. Und ihr war egal ob er schon schimmlig war oder nicht. Sie würde nicht daran sterben. Freudig biss sie hinein. Sie mochte diese Weltuntergangsstimmung nicht, die in letzter Zeit überall herrschte. Es war scheinbar im Trend dass man sich dem Schicksal hingab. Dass man mit seinen Tränen fast ein Glas füllte, das dann halbleer war. Und dass man hinterher im Selbstmitleid ertrank. Aber Hoffnung machte da nicht mit. Wenn man nicht nach dem Schönen sucht, so kann man es auch gewiss nicht finden, lautete ihre Devise. Hoffnung sah auf den Boden. Sie mochte die Pflastersteine, wie sie gearbeitet waren und liebevoll nebeneinander gesetzt wurden. Die Zwischenräume, die Kreuze bildeten und vom Regenwasser aufgefüllt wurden. Dann sah sie nach oben. Sie war überwältigt. Die grauen Wolken sahen sehr lustig aus. Wie Pilze, fand Hoffnung. Wie große, graue Pilze. Während sie ihren Apfel kaute lächelte sie auch den Passanten zu. Aber die mieden sie. Sie wussten nicht was dieses fremdartige Lächeln sollte und fürchteten sich vor Hoffnung. Ach, könnte sie nur die Angst der Verzweifelten nehmen und ihnen wieder einen Anstoß geben. Damit ihnen wieder die Augen geöffnet werden könnten. Doch das war nicht leicht. Hoffnung wollte es aber hinbekommen. Sie sagte sich immer wieder, dass es ihr gelingen würde das Leid der Gefühllosen zu beenden. Denn die Welt war nicht traurig, sie war einfach nur gefühllos. Wenn sie traurig wäre, wäre es nur halb so schlimm gewesen, denn auf Trauer folgt immer Freunde und auf diese wiederum Trauer. Das ist ein Kreislauf. Doch Gefühllosigkeit war ein anderes Wort für seelisch tot.
Man kann es nun einen Wink des Schicksals oder auch einfach nur Zufall nennen, aber es kam ihr gelegen dass sie die Bekanntschaft mit einem Herren machte. Als sie nämlich weiter durch die Straßen schlenderte, blickte sie hinauf zu einem der grauen Hochhäuser, die wie Riesen aus den Straßen schossen. Ein Fenster, das relativ weit oben gelegen war, war geöffnet. Das allein wäre ja nicht schlimm gewesen. Vielleicht hätte jemand Lüften wollen. Diese Idee wäre zwar auch ein wenig absonderlich, da es nicht viel Sinn macht zu Lüften wenn es kalt und windig ist und noch dazu in Strömen regnet, aber es mag ja Menschen geben denen es immer zu warm zu sein scheint.
Auf dem Fensterbrett stand ein Herr. Nun braucht man nichts weiter als gesunden Menschenverstand um sich auszumalen, dass der Mann weder Fitnessübungen bei geöffnetem Fenster machte noch die Fenster von außen putzen wollte. Hoffnung war schockiert. Ganz offensichtlich hat der Herr sich mit suizidalen Absichten auf das Fensterbrett gestellt. Das musste Hoffnung so schnell wie nur möglich unterbinden. Das Fenster war zu weit oben gelegen, als dass sie zu ihm hoch rufen hätte können. Deshalb betrat sie das Hochhaus und beeilte sich damit, die morsche Treppe hinauf zu steigen. Wie der Zufall es wollte war der Fahrstuhl außer Betrieb. Sie betete innerlich für ihn, dass er nicht springen würde bevor sie ihn erreicht hätte. Nach Luft schnappend öffnete Hoffnung die Tür zu seiner Wohnung, die aus irgendwelchen Gründen nicht abgeschlossen war. „Warte!“, rief sie keuchend, „Wenn du springst, dann wirst du es bereuen!“. Der Herr, den man jetzt Person B nennen könnte, der aber jetzt Realität genannt wird, nachdem Person A jetzt Hoffnung heißt, lachte. „Guten Tag, Hoffnung. Ich habe dich erwartet. Es ist schön zu sehen, dass du dich um mich sorgst, aber du kennst mich nicht so gut wie ich dich kenne und du weist auch nicht was ich bereuen werde und was nicht. Also lass mich tun was ich tun muss!“.
Hoffnung war verwirrt. Warum hat Realität sie erwartet? Und woher kannte er sie? Hoffnung versuchte jedoch nicht weiter darauf einzugehen, denn es stand erst einmal im Vordergrund ihn von seinem Suizidversuch abzubringen. „Oh doch, du wirst es bereuen. Jetzt bist du vielleicht verzweifelt und du siehst keinen anderen Ausweg, aber wenn ich dir die Augen öffne, dann wirst du über dein Jetziges Vorhaben lachen. Und wenn du es nicht bereust, so bereue ich es. Und der Rest der Welt!“, sagte Hoffnung. Aber Realität lachte sie aus. „Die Welt bereut mein Ableben? Du machst dich lächerlich. Dir wird wohl entgangen sein, dass sie uns beide hasst!“, höhnte er. Hoffnung glaubte das nicht und sagte: „Die Welt ist wunderschön. Wenn du sie liebst, dann wird sie dich auch lieben.“ Realität wurde etwas zornig: „Ich kenne dich. Ich habe dich schon oft gesehen. Du liebst die Welt. Du liebst sie. Und was bekommst du dafür? Was gibt dir die Welt dafür? Gar nichts, rein gar nichts! So sieht es nämlich aus. Die Welt hasst dich sogar noch weit mehr als sie mich hasst. Aber du ignorierst es. Mich nehmen sie noch an. Sie freuen sich nicht über mich, aber sie akzeptieren mich. Sie können ja nicht anders. Aber dich hassen sie.“ Hoffnung schwieg für eine Weile. Dann gab sie ihm zur Antwort: „Wenn sie mich noch weit mehr hassen, warum willst du dich dann umbringen? Dir geht es dann doch noch gut. Du siehst wie sehr sie mich hassen, aber sieh nur wie ich damit umgehe. Ich sehe der Zukunft optimistisch ins Auge. Ich versuche der Welt zu helfen. Sie ist zurzeit etwas verzweifelt. Gefühllos. Aber das kann nicht von Dauer sein. Irgendwann muss es besser werden.“ Realität schüttelte den Kopf: „Die Welt wird untergehen. Sie ist schlecht. Voller Kriege und Mörder. Voller Lügen und Heimtücke. Sie ist schlecht und hinterlistig. Man darf niemanden den Rücken kehren und kann niemanden vertrauen!“. Hoffnung versuchte Realität zu beruhigen: „Nein, die Welt wird nicht untergehen. Sag das nicht. Ich weis dass Krieg herrscht. Ich höre jeden Morgen die Bomben. Aber wir müssen es überstehen. Wir werden es überstehen. Jede schlimme Zeit geht eines Tages wieder vorbei. Wir müssen nur etwas ändern. Nur kämpfen. Dann werden wir…“ Realität unterbrach Hoffnung: „ Ich rede nicht nur von Kriegen. Die Welt geht jeden Tag unter. Sie geht jeden Tag aufs Neue unter. Morde geschehen an jeder Straßenecke. Die Menschen sind tot. Das Leben ist tot. !“ Hoffnung näherte sich Realität: „Die Menschen sind noch nicht ganz tot. Sie sind nur gefühllos. Man kann um sie kämpfen. Und auch das Leben lebt noch. Die Welt wird nicht untergehen. Ich werde alles versuchen was in meiner Macht steht!“ Realität wandte sich ab: „Ich weiß, dass die Welt untergehen wird. Sie wird untergehen. Warum begreifst du das denn nicht? Du hast keine Macht. Du kannst nichts daran ändern. Man kann den Menschen eben nicht vertrauen. Die Welt ist eigentlich schon längst untergegangen. Sie ist tot. Die Menschen töten sie jede Minute aufs Neue. Und sie sagen die Welt wäre selbst Schuld. Sie beklagen sich über die Welt. Dabei sind sie die Welt.“ Hoffnung konnte nichts darauf Antworten außer: „Höre auf mit der Schwarzmalerei. Du beschwörst den Weltuntergang geradezu herbei. Tu das nicht. Du musst nur hoffen. Hoffen dass alles wieder gut wird.“ Realität seufzte: „ Wir gern würde ich. Aber ich kann nicht. Die Welt geht unter, was soll ich mir da noch vormachen? Ich will mir nichts schönreden. Nichts ist da für die Ewigkeit. Die Menschen haben meinen Verlust bereits schon angenommen. Für sie bin ich schon gar nicht mehr existent, so glaube ich. Die Zeit der Menschen ist abgelaufen. Sie lagen mir sowieso nicht besonders am Herzen. Ich fand es recht lustig was sie so alles erfunden haben. Was sie gemacht haben. Aber nun ist es aus. Mein Verlust ist bald offiziell in dieser grausamen Welt“. Hoffnung wollte nicht locker lassen: „Du siehst nur all das Schlimme in der Welt. Warum hältst du nicht Ausschau nach dem Guten? Der Wind der deine Haare durchweht, die winzigen Grashalme die zwischen den Pflastersteinen wachsen, die Vögel die nach Brotkrumen suchen oder die wenigen Sonnenstrahlen die ihren Weg zwischen den Wolken finden. Die Welt ist voller Leben. Du musst nur danach suchen.“ Hoffnung stellte sich neben Realität ans Fenster, der erwiderte: „Wer nur bemerkt all diese Dinge abgesehen von dir, werte Hoffnung? Den Menschen und mir bleibt der Blick auf all das Schöne verwehrt. Niemand von den Menschen schätzt diese Form der Schönheit. Niemand. Und was bringt all das wenn es nicht beachtet wird? Gar nichts. Nichts von dem hat eine Berechtigung, wenn niemand es sieht. Hoffnung, ich wünschte ich könnte die Welt mit deinen Augen sehen, doch ich bin nicht so wie du. Hoffnung, ich liebe dich. Ich liebe dich so sehr, dass ich nicht sein kann. Denn wir können einander nicht lieben. Du bist so viel schöner als ich. Doch meine Liebe zu dir ist real, denn ich bin die Realität“. Hoffnung fühlte sich geschmeichelt. „Ach, ich wünschte nur wir könnten uns lieben. Aber das geht nicht, denn wir sind zu verschieden. Doch ich hoffe inständig dass du mich wirklich liebst, denn ich bin die Hoffnung“. Realität sah Hoffnung an: „Zusammen wären wir wunderschön. Aber was nicht sein kann, kann nicht sein. So sehr ich dich auch liebe, so sehr hasse ich diese Welt. Ich weiß, dass du mir nicht glaubst: Aber jeder ist ein Mörder und man kann niemanden vertrauen. Es dauert nicht mehr lange und die Welt geht unter.“ Hoffnung wollte Realität helfen: „Wir können einander Mut machen. Die Welt wird nicht untergehen solange ich da bin und gegen den Weltuntergang kämpfe. Eines Tages geht sie vielleicht unter. Aber gewiss nicht heute. Also steig ab. Komm runter und lass uns gegenseitig helfen.“ Realität stieg vom Fenstersims und lächelte. „Na gut, du hast mich überzeugt“, freute er sich.
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Alt 13.06.2007, 19:36   #2
Lyrika
 
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Hoffnung war so glücklich wie nie zuvor. Sie hat es geschafft etwas zu verändern. Sie konnte Realität helfen. Nur durch sie war er noch am Leben. Das Leben war also nicht nur schön, sondern auch gerecht. Hoffnung wurde übermütig. In ihr wuchs Freude, wie sie sie noch nie zuvor verspürte. Sie drehte sich und tanzte. Es war wie ein schöner Traum für sie. „Sieh nur Realität, das Leben ist wunderbar.“, sagte sie, „Schau dir nur die Welt an. Sie ist voller Leben. Sie geht nicht unter, sie geht nicht unter!“ Hoffnung wollte die Welt umarmen. Sie stieg lachend aufs Fensterbrett und schrie: „Schau dir den Himmel an, die Wolken. Guck nur wie schön die Welt ist. Ich spüre den Wind. Von hier oben aus kann ich die ganze Stadt überblicken. Und ich bin dem Himmel so nah. Die Sonnenstrahlen kitzeln mich. Es ist als könnte ich fliegen.“. Sie breitete ihre Arme aus und lächelte über das ganze Gesicht. Sie bemerkte nicht, dass Realität dicht hinter ihr stand. Er stieß sie an, damit sie fiel. Dieser Anstoß war Realität. Hoffnung fiel. Etliche Meter tief. Und alles war plötzlich so fern. So tot.
Als Hoffnung auf den Asphalt prallte, war es nicht lauter als wenn eine Stecknadel zu Boden fallen würde. Sie war nur noch ein Fleck. Ein Fleck auf dem Asphalt. Mehr nicht. Der Regen spülte ihr Blut in den Abfluss.
Die Leute gingen an ihr vorbei. Sie sahen sie nicht an. Niemand hat etwas bemerkt. Es grenzte an ein Wunder, dass Hoffnung, als sie unten war, noch einmal ihre Augen öffnen konnte. Sie wusste nicht ob sie den Sturz komplett überlebt hat oder ob ihr vom Schicksal nur noch einpaar wenige Sekunden mehr gestatten worden sind.
Doch das war ihr egal. Hoffnung war glücklich, dass sie wenigstens noch für einpaar Sekunden leben konnte, denn das Leben ist schön. Sie lächelte. Sie war unbeschreiblich glücklich. Und die Menschen gingen stur geradeaus und bemerkten nichts. Nur als kurz darauf ein gleißend helles Licht vom Horizont kam, ein hoher Druck zu spüren war und die Erde vibrierte, sahen einige kurz auf den Boden und andere hinauf zum Himmel. Den Knall der daraufhin folgte konnte keiner mehr hören.
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Alt 13.06.2007, 19:58   #3
störfaktor
 
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hmm...

Ab und an, wirkt es als würdest du den Roten Faden deiner Geschichte verlieren und etwas abschweifen (Person A, Person B)...

Manche losen Enden verbinden sich auch erst gegen Ende, wie der Tropfen am anfang und am Ende das Ende von Hoffnung Soetwas sieht man in Filmen oft, bei Kurzgeschichten ist es aber ziemlich selten. Ich finde das Prima.

Den Namen Realität irritiert mich etwas, da es eher Pessimismus ist... obwohl auch der Erzähler eher pessimist ist... mir gefällt wie gut diese graue Welt gezeichnet ist. Man findet sofort hinein und fühlt sich in den Alltag versetzt.

Eigentlich handelt es um einen Kampf der Wahrnehmungen. Zwischen Optimismus und Pessimismus. (den Realismus kann es nicht sein, da es ebenso subjektiv ist wie Hoffnung) Am Ende verliert die Hoffnung und mit der Hoffnung das Leben oder anders man hofft solange man lebt...

Das Thema finde ich sehr interessant... man kann viele Aspekte sehen und über viele hab ich schon nachgedacht...
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Alt 13.06.2007, 20:11   #4
Lyrika
 
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Ja, stimmt...das mit Person A und B gefällt mir auch nicht mehr so sehr.
Ich habe das nur eingeführt da ich die Geschichte etwas zu trocken am Anfang empfand und es damit "auflockern" wollte..so..teilweise "aufbrechen"...zudem wollte ich zeigen dass Hoffnung und Realität nicht nur zwanghaft Personifizierung dessen sind, sondern dass man solche Menschen auch in unserem Alltag wiederfinden kann.
Wie du schon sagtest...optimistische und pessimistische Menschen..sowie Menschen die sich aus Hoffnung etwas "vor machen" und Menschen die auf Realität beharren, selbst wenn diese unschön ist.
Deshalb wollte ich damit zum Ausdruck bringen, dass ich die Personen auch Maria und Peter hätte nennen können.
( geht natürlich nicht wirklich, aber ich wollte zeigen dass diese Bezeichnungen auch Platzhalter sind).

Zitat:
Eigentlich handelt es um einen Kampf der Wahrnehmungen. Zwischen Optimismus und Pessimismus. (den Realismus kann es nicht sein, da es ebenso subjektiv ist wie Hoffnung) Am Ende verliert die Hoffnung und mit der Hoffnung das Leben oder anders man hofft solange man lebt...
Ja, nur vertrete ich die Ansicht, dass Hoffnung etwas negatives ist.
Sie macht einen blind für die eigentliche Realität...die häufig nicht so rosig ist.
Realität ist *real* und macht sich nichts vor. Daher erkennt Realität die Lage. Realität weiß, dass das Ende der Menschheit naht..auch angesichts der angedeuteten Kriegssituation.
Zudem würde unweigerlich mit dem Selbstmord der Realität alles real existierende zugrunde gehen..daher hat Realität es mehr oder minder in der Hand und weiß von vornherein was geschehen wird.
Realität ist nicht pessimistisch, er erkennt nur die missliche Lage an, während Hoffnung sich etwas vormacht.
Realität und Hoffnung sind Feinde und die bittere Realität tötet jeglische rosige Hoffnung...die jedoch, bekanntlich, zuletzt stirbt.
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