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Alt 05.06.2007, 11:50   #1
morefun
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 240


Standard Volksmusikspektakel

Als ich für meine Oma zu Weihnachten zwei Karten für ein Volkmusikspektakel erstehe, fühle ich mich sehr wohl. Sie und ihr Bekannter, Dr. Hockenbring a.D., genießen gern diese Art von Unterhaltung. Das Drama beginnt, als ich im Januar einen Anruf meiner Oma erhalte. Sie jammert ins Telefon, dass sie keine Begleitung für den betreffenden Abend mehr hat, weil Herr Dr. Hockenbring a.D. leider, leider erkrankt ist. Eigentlich hat meine Gutmütigkeit Grenzen, aber das Argument "eine Dame kann so eine Veranstaltung unmöglich allein besuchen" und die zittrige Stimme meiner Oma geben mir den Rest. So klingel ich mäßig begeistert einige Stunden später an der Tür meiner Oma. Als sie öffnet stockt mir der Atem. Ihr ebenfalls. Ihr Lächeln gefriert, als sie meinen Aufzug (Jeans, Shirt) sieht. Sie selbst ist angetan mit lila Taft. Ihre Löckchen sind frisch. (Gott sei Dank macht meine Friseurin eine Wasserwelle Kind, sowas gibt es sonst gar nicht mehr), ihre Bäckchen sind rosa und gepudert. Endlich gehen wir. Sie weigert sich in mein Auto zu steigen und ruft ein Taxi. Als wir den Veranstaltungsort erreichen, ist dieser schon gut besucht. Norddeutsche Ernas verkleidet als süddeutsche Heidis, wischen ihren Begleitern schnell noch imaginäre Fussel vom Anzug. Der Altersdurchschnitt liegt bei etwa 70 Jahren. Omis Bäckchen sind inzwischen tomatenrot. Endlich haben wir unseren Platz gefunden. Omi nickt huldvoll nach links und rechts. Meine Sitznachbarin lächelt mich freundlich an, ihr Blick bleibt an meinen jeansbehosten Beinen hängen und verdüstert sich. Mit einem gequälten "ach du meine Güte" presst sie angewidert ihr spitzenbesetztes Taschentuch vor Mund und Nase. Der Saal wird dunkel. Frenetischer Beifall lässt die Halle erbeben, als ein alter Mann auf die Bühne springt. Er trägt einen Hut mit Feder dran, kurze Lederhosen und Strümpfe mit Pommeln dran. Wortfetzen klingen an mein Ohr "bestes Publikum" "schönste Stadt" "was für eine Gaudi". Ich bin entsetzt, aber meine Sitznachbarin winkt hysterisch mit ihrem Taschentuch und ihr entweicht ein undamenhaftes "Huh". Ich blicke mich um. Dickgeäderte Hände klatschen Beifall, stützstrumpfbehoste Beine trampeln donnernd und kukidentgepflegte Gebisse glänzen im Licht. Die Show beginnt. Maiglöckchenduft verwirrt meine Sinne und wie in Trance fliegt die erste Stunde an mir vorbei. Die Interpreten singen Lieder, deren Texte sich um Berge, Edelweiß und weiß der Geier ranken. Die Witze fliegen hin und her und sind älter als das Publikum selbst. Der Mann vor mir schüttelt sich vor Lachen. Sein hagerer Körper zuckt wild und die Ader an seiner Stirn nimmt die Ausmaße einer Bockwurst an. Ich beginne mir ernstlich Sorgen zu machen, aber nein, er erholt sich wieder und ich lehne mich erschöpft zurück. Nach einer weiteren halben Stunde ist die STimmung auf dem Höhepunkt. Ich beobachte, wie sich meine Hände selbständig machen und im Takt klatschen. Erschreckt setze ich mich drauf. Dann beginne ich mich zu langweilen. Ich tue das, was ich immer tue, wenn ich mich langweile. Ich beginne zu flirten. ich weiß, dass klingt irre, aber einige verwirrte 30-jährige sind ebenfalls im Saal. Mir schräg gegenüber sitzt mein Opfer. Er ist hager und vor Aufregung krebsrot. Begeistert singt er jedes Lied mit. Seine Nase ist riesig. Ein kleiner Tropfen Schweiß hängt an der Nasenspitze. Ich starre ihn an. Wie zufällig streiche ich durch mein Haar und lecke verführerisch über meine Lippen. Da, er hat angebissen. Unsicher glotzt er mich an. Ich setzt noch einen drauf und streiche mit einem Finger über meinen Unterarm. Das genügt. Mit weit geöffnetem Mund und aufgerissenen Augen saugt er sich an mir fest. Plötzlich wird mir bewußt, was ich hier tue. Wie im Fieber flirte ich mit einem geistig angeschlagenen Mann, Marke E.T. Angewidert betrachte ich ihn. Und wende schnell meinen Blick ab. Plötzlich werde ich hochgerissen. Omi und die Tante mit dem Taschentuch zerren an meinem Arm. Ich werde hin und hergeworfen. Wir schunkeln. Mir wird übel. Ich bin einer Ohnmacht nahe. Dann, endlich ist es vorbei. Schnatternd und aufgelöst verlassen wir diesen geistig windstillen Ort. Wir sind erschöpft.

Hätte ich meiner kleinen Schwester nur nicht versprochen sie auf ein Konzert von Tokio-Hotel zu begleiten...davon erzähle ich beim nächsten Mal.
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Alt 05.06.2007, 12:50   #2
Prof. Dr. Don Phil
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 46


oh herrlich! ich habe mich schon immer gefragt, was Menschen unter der magischen "136-Rate" bei so einer Veranstaltung verloren haben! jetzt weiß ichs

zu deinem Text drei Sachen:
1. Super, geil, wahnsinn, ich liebe dich
2. Sehr amüsant (wirklichj!)
3. Ändere "ernstlich" in "ernsthaft" um, dann klingts nicht so archaisch
Prof. Dr. Don Phil ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 05.06.2007, 12:56   #3
Mo.-
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 531


einmal Hölle und zurück.

zum Text:

1. eins A, super eklig, nervenzerfetzend, erotisch ich liebe dich auch
2. ganz lustig aber manchmal doch recht schokkieren ich denke es wäre noch mehr in der thematik drin gewesen das ende wirkt als hättest du keine Lust mehr gehabt weiter zu schreiben
Mo.- ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 06.06.2007, 10:44   #4
morefun
 
Dabei seit: 05/2007
Beiträge: 240


Erstens, danke für das Lob.
Die Kritik ist teilweise berechtigt. Mo...du hast recht. Ich habe die Geschichte gestern hier in der Rohfassung hineingetippt und hatte keine Zeit mehr. Also beendete ich sie abrupt. Hab gehofft es fällt niemandem auf.
War ja klar, dass du den Finger auf die Wunde legen mußtest.

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