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15.02.2013, 00:31 | #1 |
Dabei seit: 02/2013
Alter: 30
Beiträge: 1
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Du bist wie ein Garten...
Du bist wie ein Garten.
Ein verwilderter Garten, um den sich schon länger keiner mehr gekümmert hat. Doch wie soll ich mich um diesen Garten kümmern, wenn Du mich nicht hineinlässt? Du hältst ihn versteckt, verschlossen mit einem großen, rostigen Schloss an einem Eisentor. Durch die Eisenstäbe des Zaunes wachsen wilde, und doch so schöne Blumen hervor. Sie drängen sich hindurch, weil keiner sie wirklich beachtet hat all die lange Zeit. All die Menschen bleiben auf dem Gehweg stehen, bestaunen den Wildwuchs, die malerischen Pflanzen, diese zarten Blüten. Wieso reicht Dir das? Doch keiner nimmt sich die Zeit, das Blumenmeer richtig anzusehen. Keiner versucht, das Tor zu öffnen und hineinzugelangen. In den Garten. Weil es zu umständlich wäre. Weil er ihnen reicht, dieser oberflächliche Blick. Weil die Zeit nicht reicht. Weil Du nicht willst. Denn Du hast Angst, wieder verletzt zu werden, wenn Du Dich öffnest, wenn Du Einblick gewährst in Dein Reich, diesen zauberhaften Garten, der wild und rau ist, und dennoch so viel Schönheit offenbart. Lass mich ein. Stoß mich nicht weg. Öffne mir das Tor und lass mich für den Garten sorgen, ihm seinen Glanz zurückgeben. Lass mich dafür sorgen, dass die Blüten nicht vertrocknen oder versuchen, auszubrechen aus dem Garten, um ein wenig Freiheit zu sehen und nach Zuneigung betteln zu können. Weißt Du, was ich täte, wenn Du mich hineinließest in Deinen Garten? Sanft würde ich das Schloss öffnen und das Tor aufschieben. Und dann würde ich den großen Garten erblicken, geblendet sein von all seiner Pracht. Ich würde mich umsehen und das kleine Haus entdecken, dass inmitten des Blütenmeeres steht. Ich würde den kleinen Weg zum Haus hinaufgehen, bis ich vor der Tür stehen würde. Sie ist von einem dunklen, warmen grün. Vorsichtig würde ich die Tür öffnen und in das Haus eintreten. Drinnen kann ich mit meinen Augen fast nichts sehen, kaum Licht dringt in den Raum ein. Nach einigen Minuten erkenne ich in dem Dämmerlicht, warum. Alles ist verdunkelt, schwere Vorhänge halten das Licht fern. Ich gehe behutsam gerade durch zu den Vorhängen und ziehe sie beiseite. Gleißendes Licht dringt durch die große Fensterfront und der Raum wird sonnendurchflutet. Ich merke, dass das Häuschen wohl aus einem großen Raum besteht. Große dunkelbraune Holzbalken tragen die Decke. Auf der linken Seite ist eine kleine, einfache Küche, daneben eine schmale Wendeltreppe, die nach oben führt. Rechts erblicke ich einen großen offenen Kamin, neben dem ein kleiner Korb mit Holzscheiten steht. Vor dem Kamin stehen eine große, abgewetzte Ledercouch und ein kleiner Tisch, auf dem etwas zu liegen scheint. Eingerahmt ist der Kamin von einem riesigen Bücherregal, das die ganze Wand bedeckt. Ich gehe zu der Wendeltreppe und erklimme die alten Stufen. Oben erwartet mich ein kleiner, schräger Raum, den ein großes Himmelbett auf einem beigen Teppich ausfüllt. Kleine Fenster, geschmückt mit zarten Gardinen aus weißem Stoff lassen ein wenig Sonnenlicht herein. Durch den flauschigen Teppich gehe ich zu dem Bett hinüber, dass in braun- und Beigetönen gehalten und mit vielen kleinen Kissen geschmückt ist. Es wirkt auf mich genauso einladen wie die Couch unten. Neben dem Bett steht ein kleiner Nachttisch, auf dem ein leicht verstaubtes Buch ist. Lyrik. Das Buch sieht zerlesen aus. Ich setze mich auf das Bett und schließe die Augen. Es ist still. Außer einigen Vogelstimmen von draußen ist nichts zu hören. Ich genieße die Stille, fühle mich zuhause. So bleibe ich eine Weile sitzen, bis ich mich entschließe, wieder nach unten zu gehen. Beim Herabsteigen knarren die Stufen. Als ich wieder unten bin, gehe ich zu der Couch und werfe einen Blick auf den Tisch. Dort liegen Scherben, die wohl einmal eine Vase gebildet haben. Ich nehme die glatten Scherben in die Hand und betrachte sie. Mich überkommt plötzlich eine unendliche Trauer, fast kommt es mir so vor, als weinten die Scherben, als ich sanft mit den Fingerspitzen über die Kanten fahre. Ein Drang in mir will diese Scherben zusammensetzten, ja muss es geradezu. Lass Dich heilen. Es kann nie mehr so werden, wie es einst war, aber angefüllt mit Liebe. Sperr sie nicht aus. Ich gehe zu der Küchentheke, bei der ich einige Schubladen erblicke und durchsuche sie nach Klebstoff. Erstaunlicherweise werde ich sogar fündig. Als würdest Du es tief in Deinem Inneren wollen. Dass man sich um Dich kümmert. Ich nehme den Kleber und beginne, ganz langsam und vorsichtig, die Scherben zusammenzusetzen. Immer wieder muss ich von vorne anfangen, weil ich nicht genug Geduld hatte. Als ich fertig bin, geht die Sonne gerade unter. Ein roter Feuerball taucht den Raum in rötliches Licht. Meine Stirn ist schweißnass, meine Hände blutig von den scharfen Kanten der Scherben. Doch ich bin fertig. Glücklich. Ich halte die Vase in meinen Händen. Erahne, wie sie einmal ausgesehen haben könnte. Sehe, wie sie jetzt aussieht, voll mit Rissen und doch so einzigartig. Zerbrechlich. Aber mit Ausdruck. Liebenswert. Weil Du es wert bist. -- würde mich über kritik freuen |
15.02.2013, 01:23 | #2 |
R.I.P.
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Hallo, sirena -
das ist eine wunderschöne Geschichte mit einer (im letzten Drittel,) gelungenen Metapher. Im ersten Drittel würde ich "keiner" durch niemand ersetzen. Ich sehe zwar nicht den von Kritikern erwünschten blutroten Faden, aber mir genügt die rosenfarbene Spur. Manche der Betrachtungen widerstreben mir, aber es ist Deine Geschichte. In einigen Sequenzen fühlte ich mich von ferne an "Manderley" erinnert. Die Tippfehler kann man, da man weiß, daß es Tippfehler sind, leicht übersehen. Kompliment mit Gruß von Thing |
17.02.2013, 13:34 | #3 | |
Dabei seit: 02/2013
Ort: Magdeburg
Alter: 33
Beiträge: 14
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Hallo,
Ich muss sagen mir hat deine Geschichte gefalen vor allem der erste Teil. Er zeigt mir viele parallelen zum Menschen, (sprichst du evtl. von dir?) und auch wie verletzlich man ist und wie die Trauer sich entwickeln kann. Mir gefiel es. Ich muss auch sagen, dass ich mich ein wenig selber sah in deinem ersten Teil: Zitat:
Und auch in diesem Zusammenhang fand ich vorallem die Metapher mit den Scherben genial, sowie dir Aussage: Also im Ganzen fand ich es wirklich schön. Liebe Grüße Vorinclex P.s. (wenn ich fragen darf) Sprichst du da über eine bestimmte Person? |
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19.02.2013, 17:59 | #4 |
Hallo, Sirena,
auch mir gefällt deine Geschichte, die so ruhig und liebevoll von der großen Bereitschaft erzählt, sich einem Du Schritt für Schritt zu nähern, ihm zu helfen, aus seiner Isolation heraus zu kommen. Sehr schön. lg simbaladung |
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Lesezeichen für Du bist wie ein Garten... |
Stichworte |
garten, liebe, wert sein |
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