landflüchtig bei Poetry.de

AndereDimension · 16.05.2012, 19:15

landflüchtig

selten lag ein meer
so still

als wir uns im innern
gemeinsamer jahre

umarmten

ecken · 16.05.2012, 22:32

Hallo andere Dimension,

Danke für dieses Gedicht. Es berührt mich und bringt mich ganz schön ins Grübeln. Zunächst weckte es bei mir sehr positive Gefühle:

Wie glücklich dein lyrisches Ich, dass es eine Umarmung solch inniger Tiefe genießen darf! Geborgen in der Vertrautheit vieler Jahre, mit so viel Zeit, dass alle Wellen zur Ruhe kommen können. In eine solche Umarmung möchte ich auch gerne fliehen...

Dann kamen mir Zweifel, ob es nicht gerade umgekehrt gemeint ist:

Das stille Meer als Bild für die erstarrten Gefühle, die gemeinsamen Jahre als einengender Kerker... Dazu noch die Leerzeile vor dem "umarmten", die auch ein Zögern bedeuten könnte angesichts der Nähe, die nicht zur Gefühlslage passt.

Am Ende überwog aber klar die positive Sichtweise: Das Adjektiv "still" ist für mich positiv konnotiert. Für die Negativ-Version müsste es eher "starr" heißen. Das selbe gilt auch für "gemeinsam": Wenn es "... der vielen Jahre" hieße, dann könnte es eher erdrückend wirken.

Jetzt bin ich natürlich gespannt, ob du verrätst, wie du es gemeint hast...

Eine Bemerkung zur Sprache habe ich noch:
Mir gefällt die extreme Verdichtung des Inhalts sehr gut, auch wenn dadurch die Eindeutigkeit für mich zwischenzeitlich verloren ging. Ich stolpere aber beim Lesen über ein fehlendes "wie damals" oder "wie in dem Moment" nach dem "still". Bei dieser Elipse sträubt sich etwas in mir, vielleicht mein innerer Grammatiker...

Aber das ist eigentlich pingelig, angesichts eines so schönen Gedichts!

AndereDimension · 17.05.2012, 07:17

guten morgen ecken

vielen dank für deine antwort - und deine fragen...die ich dir gerne beantworte.

dein erstes gefühl war schon richtig...ich habe an anderer stelle etwas zur liebe im alter geschrieben und da kam mir dieses gedicht in den sinn.

das umarmen im innern der gemeinsamen jahre ist der ausdruck einer tiefen dankbarkeit für das was war und das was kommen wird. als ob man nach
vielen jahren nochmal "ja" zueinander sagt. keine liebe die deshalb noch bestand hat weil es keine alternativen gab/gibt...sondern eine liebe die keine alternativen kennt...weil sie nicht nach wegen sucht...sondern weg ist.

vielen dank und gruß
a.d.

16.05.2012, 19:15	#1
AndereDimension Dabei seit: 06/2009 Beiträge: 3.325 Meine Gedichte Meine Favoriten	landflüchtig landflüchtig selten lag ein meer so still als wir uns im innern gemeinsamer jahre umarmten

16.05.2012, 22:32	#2
ecken Dabei seit: 10/2011 Ort: Villingen-Schwenningen Alter: 51 Beiträge: 33 Meine Gedichte	Hallo andere Dimension, Danke für dieses Gedicht. Es berührt mich und bringt mich ganz schön ins Grübeln. Zunächst weckte es bei mir sehr positive Gefühle: Wie glücklich dein lyrisches Ich, dass es eine Umarmung solch inniger Tiefe genießen darf! Geborgen in der Vertrautheit vieler Jahre, mit so viel Zeit, dass alle Wellen zur Ruhe kommen können. In eine solche Umarmung möchte ich auch gerne fliehen... Dann kamen mir Zweifel, ob es nicht gerade umgekehrt gemeint ist: Das stille Meer als Bild für die erstarrten Gefühle, die gemeinsamen Jahre als einengender Kerker... Dazu noch die Leerzeile vor dem "umarmten", die auch ein Zögern bedeuten könnte angesichts der Nähe, die nicht zur Gefühlslage passt. Am Ende überwog aber klar die positive Sichtweise: Das Adjektiv "still" ist für mich positiv konnotiert. Für die Negativ-Version müsste es eher "starr" heißen. Das selbe gilt auch für "gemeinsam": Wenn es "... der vielen Jahre" hieße, dann könnte es eher erdrückend wirken. Jetzt bin ich natürlich gespannt, ob du verrätst, wie du es gemeint hast... Eine Bemerkung zur Sprache habe ich noch: Mir gefällt die extreme Verdichtung des Inhalts sehr gut, auch wenn dadurch die Eindeutigkeit für mich zwischenzeitlich verloren ging. Ich stolpere aber beim Lesen über ein fehlendes "wie damals" oder "wie in dem Moment" nach dem "still". Bei dieser Elipse sträubt sich etwas in mir, vielleicht mein innerer Grammatiker... Aber das ist eigentlich pingelig, angesichts eines so schönen Gedichts!

17.05.2012, 07:17	#3
AndereDimension Dabei seit: 06/2009 Beiträge: 3.325 Meine Gedichte Meine Favoriten	guten morgen ecken vielen dank für deine antwort - und deine fragen...die ich dir gerne beantworte. dein erstes gefühl war schon richtig...ich habe an anderer stelle etwas zur liebe im alter geschrieben und da kam mir dieses gedicht in den sinn. das umarmen im innern der gemeinsamen jahre ist der ausdruck einer tiefen dankbarkeit für das was war und das was kommen wird. als ob man nach vielen jahren nochmal "ja" zueinander sagt. keine liebe die deshalb noch bestand hat weil es keine alternativen gab/gibt...sondern eine liebe die keine alternativen kennt...weil sie nicht nach wegen sucht...sondern weg ist. vielen dank und gruß a.d.