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Alt 08.12.2016, 00:21   #1
weiblich Ilka-Maria
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Standard Als die Mauer fiel

Mein Lebensgefährte war immer gegen die Anerkennung der DDR gewesen und hatte sich damit Feindseligkeit eingehandelt. Sein Argument, die Wiedervereinigung der beiden deutschen Teile anzustreben sei in unserem Grundgesetz festgeschrieben, wurde als verknöcherte Sichtweise der Ewiggestrigen abgetan. Damit wollte sich mein Lebensgefährte nicht abfinden, der während eines Großteils seiner Jugend in Berlin aufgewachsen war und dieser Stadt immer verbunden blieb.

Natürlich lief es ihm runter wie Öl, als die Mauer fiel, und erst recht, als sich die ostdeutschen Länder nach der halbseidenen Regierung Modrow unter die westdeutsche Flagge begaben.

Unsere ersten Stationen, um mit Ostdeutschen in Kontakt zu treten, waren Fulda und Hersfeld. Dort eine Lücke zu finden, um das Auto parken zu können, war harte Arbeit, denn unsere westdeutsche Schläfrigkeit hatte uns zu spät aufstehen lassen: Die Ostdeutschen waren schneller gewesen und hatten die Straßenseiten mit ihren Trabbis wie Perlenschnüre gesäumt.

Dann fuhren wir nach Eisenach. Vom Ort ist mir nicht viel in Erinnerung geblieben, vom Geruch und Geschmack der Braunkohle umso mehr. Die Straßen waren öde und viele Gebäude verlassen oder sogar verfallen. Alles wirkte trostlos. Auf der Wartburg war mehr Leben, dank der Touristen und einiger gurrenden Tauben, aber als Festung, die in die Geschichte eingegangen ist, hinterließ sie bei mir wenig Eindruck.

Dann war Erfurt an der Reihe. Nach dem, was ich bis dahin gesehen hatte, war ich überrascht: Hier war noch Substanz vorhanden, und die Stadt strömte eine eigene Atmosphäre aus. Eine nette Überraschung erfuhren wir, als wir die Treppen zum Dom hinaufgingen: Zwei Buben im Alter von schätzungsweise acht Jahren wollten uns Ansichtskarten verkaufen. Sie hatten offensichtlich das Prinzip der Marktwirtschaft erkannt. Wir kauften ihnen nichts ab, denn wir hatten unsere Fotoapparate dabei und machten unsere eigenen Bilder. Aber wir gaben den Buben zwei Tafeln Schokolade.

Auch Weimar hatten wir gesehen, und natürlich hatten wir Goethes Gartenhaus besucht, aber diese Stadt blieb mir als ebenso trostlos in Erinnerung wie das meiste, das ich bis dahin in Ostdeutschland gesehen hatte.

Immer wieder – einmal pro Jahr – fuhren wir nach Berlin, um die Entwicklung der Stadt mitzuerleben. Meistens wohnten wir im Radisson am Berliner Dom. Die Stadt war übersät mit Baustellen. Sie stank nach Teer und Staub. Aber Jahr für Jahr blühte Ostberlin mehr auf. Fanden wir im ersten Jahr nicht mal eine Würstchenbude, konnten wir schon wenige Jahre später im Blockhaus oder im Paulaner gut zu Abend essen.

Eine amüsante Begegnung hatten wir mit einem Ehepaar aus den U.S.A., das sich in einem gut gefüllten Lokal zu uns an den Tisch setzte und im Verlauf des Gesprächs verwundert darüber äußerte, nach Berlin gekommen zu sein, um die Mauer zu sehen, sie aber nirgends finden konnte.

Zwischendurch hatte ich einmal geschäftlich in Jena zu tun. Zum Glück hatte sich mein Aufenthalt in dieser Stadt auf eine Woche beschränkt; aber eigentlich war jeder Tag eine Zumutung gewesen. Nur in Stichworten: Das Hotel ein Plattenbau ohne Luftzufuhr, in dem man fast erstickte; die Stadt Ödland; die Straßen für jedes Auto eine Mördergrube. Am Rand der Stadt gab es eine Fabrik, die die kleinen Bohrstäbchen für die Bohrgeräte der Zahnärzte herstellte. Meine Aufgabe war, die Belegschaft dieses Unternehmens in der Anwendung von Computer-Software zu schulen. Weil ich schon mal da war, wollte ich der Sache etwas Positives abgewinnen, machte an einem Tag frühzeitig Schluss und fuhr nach Saalfeld, um mir die Feengrotten anzusehen. Und das war der ganze Einsatz in diesem grässlichen Jena wert!

Wie gesagt, war ich mit meinem Lebensgefährten immer wieder in Berlin. Da ließ ich es mir nicht nehmen, auch mal ein Spiel der Hertha im Olympiastadion anzusehen. Natürlich blieb es nicht bei dem einen Spiel, in den folgenden Jahren trieb es uns immer wieder in die Bahn mit der Endstation „Ruhleben“, auf deren Weg die Station „Olympiastadion“ liegt.

Und es trieb uns noch weiter. Ich wollte unbedingt die Heimat meiner Mutter sehen, die in Stettin geboren wurde und einen Teil ihrer Jugend auf der Insel Rügen verbrachte.

Nach einer Übernachtung in Greifswald und der Überquerung des Rügen-Damms war es dann soweit: Ich sah den Kaiserstuhl, die Kreidewände und unten den Ostseestrand. Ich ging auf Binz, wo meine Mutter einst lebte, die Promenade entlang, betrachtete die halbverfallenen Villen und dachte bei mir: „Wenn Mutter das sähe, würde sie in eine Trauer verfallen, gegen die kein Trost ankäme.“

Es gab kreuz und quer noch andere Stationen. Den Spreewald, ein Schiffshebewerk, Sanssoucis, die Seelower Höhen, Potsdam, Neubrandenburg, Rostock …

Hier lässt mich mein Gedächtnis im Stich. Es gab bestimmt noch mehr Stationen.

Anlaufstelle war aber immer Berlin gewesen – Ostberlin, wo die Musik spielte, nachdem die Mauer gefallen war.

07.12.2016
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Alt 08.12.2016, 01:00   #2
männlich fennigpfux
 
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Ilka, nach allge-meinen und nicht zuletzt deinen eigenen Maßstäben hat der Text zu früh die Sonne gesehen.
Er ist nur insofern stimmig, als dass die Tristheit des Beschriebenen parallel mit der Tristheit der Beschreibung geht.
Eine Etüde wider den e-literweisen Anspruch.
Möchtest du diese konkreter kommentiert wissen, auf Ausdruck und Tiefe hin geprüft?

fx - meint es ernst
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Alt 08.12.2016, 01:55   #3
männlich Heinz
 
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Ilka,
dass ich mich als gebürtiger Jenenser (so nennt man Leute, die in Jena zuhause sind) zu Wort melde und das "grässliche Jena" in Schutz nehme,wirst Du verstehen können.
Ich kenne viele Städte (Jena natürlich am besten), aber auch Eisenach, Erfurt, Weimar, Dornburg, Dresden, Bautzen von innen und außen, Apolda u.v.a. und natürlich die ganze Städtepalette in Meck-Pomm, selbstverständlich auch Ostberlin - kurz: Ich kenne sehr viele Städte.
Meine damalige bessere Hälfte und meine Kinder, obwohl sie beim ersten Besuch erschrocken waren angesichts des Verfalls, der vielen Ruinen, sind aber dann doch wieder mitgefahren, als die Mauer fiel.
Jena - zerbomt von den Amerikanern, ausgeplündert von den Russen, beherrscht von den Kommunisten - ein Trauerspiel. Die Fachleute der Firma Zeiss und Schott - weg waren sie und hatten ihre Fachkenntnisse, die Russen die Spezialmaschinen (und nicht nur die, sondern alles, was nicht niet- und nagelfest war) demontiert, verladen und in die SU transportiert.Als Kind habe ich die kilometerlangen Transport-Lkw, die ellenlangen, beladenen Züge gesehen. Aus der Leuchtenburg bei Kahla sollte ein Internierungslager werden, die Arbeitsbedingungen in den leer geräumten Fabriken waren katastrophal - und kein Marshall-Plan in Sicht, der die Wirtschaft in der Bundesrepublik auf die Beine gestellt hat.
Fahr jetzt mal nach Weimar, Leipzig, Dresden, zur Weißen Stadt am Ostseestrand, nach Schwerin, Rostock, Greifswald, an die Müritz, nach Weimar usw. Es ist unschätzbar, welche Kulturgüter, Landschaften - ich kann gar nicht alles aufzählen - jetzt wieder zu einem Gesamtdeutschland gehören.
Mir fällt (ich bin kein Christ) die Legende von Jesus ein, der mit seinen Jüngern in ein ärmliches Dorf kommt und einen räudigen, hässlichen, verlausten Köter streichelt und von Petrus angequatscht wird: Herr, wie kannst du so ein gräßliches Vieh streicheln? Und Jesus: Petrus, schau mal - er hat so schöne Augen!
Ja, mein Jena sah aus wie ein räudiger, zerzauster Köter und der oberflächliche Blick des Petrus hat das genauso scharfsinnig erkannt, wie Du das schandbare Aussehen meiner Heimatstadt. Aber die Perlen, die Anmut der Landschaft - die schönen Augen - die hast Du übersehen.
So betrachtet ist Dein "Bericht" oberflächlich und - lieblos.
Heinz
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Alt 08.12.2016, 02:42   #4
männlich dr.Frankenstein
 
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Es hat seine Vorteile ein altes abgeranztes Fahrrad zu haben, wer will schon Touristen. Nur die die damit was verdienen, allen anderen gehen die aufn Sack.
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Alt 08.12.2016, 07:48   #5
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Ja, mein Jena sah aus wie ein räudiger, zerzauster Köter und der oberflächliche Blick des Petrus hat das genauso scharfsinnig erkannt, wie Du das schandbare Aussehen meiner Heimatstadt. Aber die Perlen, die Anmut der Landschaft - die schönen Augen - die hast Du übersehen.
So betrachtet ist Dein "Bericht" oberflächlich und - lieblos.
Das ist richtig. Ich war schließlich nicht als Tourist oder Historiker in Jena, sondern geschäftlich. Tagsüber war ich gebunden und abends ohne Alternative zu dem stickigen Schwitzkasten auf einem Hügel oberhalb der Firma Zeiss. Wäre ich anders untergebracht gewesen, hätte die Sache vielleicht besser ausgesehen. Anderen Städten - ich war z.B. auch in Sassnitz, bei einer Familie in einer kleinen Stadt in Brandenburg in der Nähe von Perleberg, in Magdeburg und in Frankfurt an der Oder - konnte ich durchaus charmante Seiten abgewinnen.

In meinem Bericht spielt Jena jedoch nur eine kleine Rolle, um diese Stadt geht es in der Hauptsache nicht. Auch hatte ich nicht die Absicht, irgendeiner der genannten Städte (ausgenommen Berlin) eine Liebeserklärung zu machen, denn dazu sind sie mir emotional nicht nahe genug.
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Alt 08.12.2016, 11:31   #6
Thing
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Standard Hallo, Ilka-Maria -

ein interessanter Bericht - ich habe viel dazugelernt und Du hast meine Neugier geweckt.

LG
von
Thing
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Alt 08.12.2016, 12:07   #7
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Standard Als die Mauer fiel

Hallo Ilka,

Feindseligkeit oder Feinfühligkeit? (Zeile zwei)
Wenn es das Schloss in Potsdam sein sollte: Sanssouci.
Und eine Stadt heißt Neubrandenburg, ohne Bindestrich.

Sie liegt an einem See. Er heißt Tollensesee. In fast jedem neu gedruckten Atlas findet man: Tollensee. Hat jetzt nichts mit deinem Text zu tun, aber mit der Einstellung von Leuten, die denken, dass sich andere verschlucken oder stottern, wenn sie sprechen (vielleicht auch schreiben). Die Tollenser waren ein slawischer Volksstamm im 10. bis 12. Jahrhundert.

LG Lewin.
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Alt 08.12.2016, 13:04   #8
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Lewin Beitrag anzeigen
Hallo Ilka,

Feindseligkeit oder Feinfühligkeit? (Zeile zwei)
Wenn es das Schloss in Potsdam sein sollte: Sanssouci.
Und eine Stadt heißt Neubrandenburg, ohne Bindestrich.
Danke für die Hinweise, Lewin, Korrekturen habe ich durchführen lassen.
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Alt 08.12.2016, 13:13   #9
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Thing Beitrag anzeigen
... Du hast meine Neugier geweckt.
Das alles ist Vergangenheit, Thing, da gibt es keine Neugier mehr zu befriedigen. Außer man folgt Heinz und geht den Kulturgütern nach, da gibt es vieles zu entdecken.

Gestaunt habe ich damals allerdings nicht schlecht angesichts des Verfalls, der sich meinen Augen bot. Das musste man gesehen haben, um ermessen zu können, welch großes Glück wir Westdeutschen hatten, dass sich die europäischen Alliierten nicht durchsetzten und Deutschland zu einem reinen Agrarstaat werden ließen. Wie Heinz richtig angemerkt hat, profitierten wir von der neuen politischen Entwicklung, dem Marshall-Plan und dem Eisernen Vorhang. Und wer weiß, wie mein Leben verlaufen wäre - falls ich überhaupt das Licht der Welt erblickt hätte -, wenn meine Familie mütterlicherseits in Stettin geblieben wäre, statt nach Westen zu flüchten. Immerhin hatte sie sich erst nach 1945 für diesen Weg entschieden.

Wie auch immer: Ich bin sehr glücklich darüber, dass Deutschland nicht mehr geteilt ist.
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Alt 08.12.2016, 17:26   #10
männlich Heinz
 
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Hallo Ilka-Maria,
ja, wenn man das zweite Auge aufmacht, hört sich Deine Antwort objektiver und versöhnlicher an.
Stettin (heute Szczecin) habe ich in den neunziger Jahren besucht. Eine überwältigende Stadt mit imposanten Bauwerken (die - das muss man den Polen anerkennend zugestehen - liebevoll restauriert worden sind) und - schrecklich die übernommenen Reklamegebräuche aus dem Westen. Am meisten hat mich der riesige Mac-Donalds-Schuppen erschreckt.
Was die DDR-Mentalität angeht: Die abwertende Bezeichnung "Wessis" hat was mit den Geschäftsleuten (nein, ich zähle Dich nicht zu dieser Sorte!) zu tun, die abends, manchmal im Dutzend, in irgendeinem Hotel um einen großen Tisch saßen, jeder vor sich einen Stapel von "Geschäftsabschlüssen" - meistens Versicherungssachen - und sich feixend über die blöden Ossis lustig machten, die gutgläubig den ganzen Scheiß unterschrieben hatten.
Wenn Du wieder mal nach Jena kommen solltest - quartiere Dich in meinem früheren Stammlokal "Fuchsturm" ein, ich spendiere Dir Thüringer Klöße mit Wildschweingulasch und einen Saale-Unstrut-Wein.
Gruß,
Heinz
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Alt 08.12.2016, 18:58   #11
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Hallo Ilka-Maria,
ja, wenn man das zweite Auge aufmacht, hört sich Deine Antwort objektiver und versöhnlicher an.
Meine Antwort ist ja auch aus dem Heute geschrieben. Mein Bericht über die ersten Kontakte mit den Städten Ostdeutschlands kann dagegen nur subjektiv sein. Mit meiner Erschütterung musste ich erst einmal fertig werden, so etwas wie in der DDR direkt nach dem Mauerfall habe ich in den 50er Jahren nicht mal im teilweise zerbombten Offenbach gesehen. Abgesehen davon, dass die Familie, die ich in Brandenburg besuchte, nahe der Elbe lebte, aber bis dahin noch nie den Fluss gesehen hatte. An solche Zustände musste ich mich erst gewöhnen.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Was die DDR-Mentalität angeht: Die abwertende Bezeichnung "Wessis" hat was mit den Geschäftsleuten (nein, ich zähle Dich nicht zu dieser Sorte!) zu tun, die abends, manchmal im Dutzend, in irgendeinem Hotel um einen großen Tisch saßen, jeder vor sich einen Stapel von "Geschäftsabschlüssen" - meistens Versicherungssachen - und sich feixend über die blöden Ossis lustig machten, die gutgläubig den ganzen Scheiß unterschrieben hatten.
Ich hasse die Bezeichnungen "Ossis" und "Wessis". Leute über den Tisch zu ziehen, die mit den Auswüchsen des Kapitalismus nicht vertraut sind, ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Sauerei, egal, ob es "nur" um Kaffeefahrten, um Schrottimmobilien oder die Zerlegung ganzer Unternehmen geht. Was Schrottimmobilien betrifft, erwischte es aber auch Anleger in Westdeutschland. Mit einer entsprechenden Sammelklage riesigen Umfangs waren mein Boss und ich jahrelang beschäftigt. Es ist kaum zu glauben, aber ich kann es bezeugen: Die Gauner, die das "Geschäft" eingefädelt hatten, waren ein Konglomerat aus Unternehmensberatern, Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten (!).

Ich selbst hatte vor den Leuten aus Ostdeutschland, die ich als Kollegen bekam, ziemlich schnell Respekt. Die waren nämlich 1A ausgebildet und bei der Arbeit sehr engagiert.

Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
Wenn Du wieder mal nach Jena kommen solltest - quartiere Dich in meinem früheren Stammlokal "Fuchsturm" ein, ich spendiere Dir Thüringer Klöße mit Wildschweingulasch und einen Saale-Unstrut-Wein.
Werde ich mir merken. Wer weiß schon, wo die Wege des Lebens noch hinführen werden. Interesse hätte ich schon. Ich habe eine Freundin, die nach ihrer Hochzeit mit einem Ostdeutschen nach Reichenbach (Thüringen) gezogen ist und die ich längst schon mal besuchen wollte. Da käme ich an Jena quasi vorbei. Ich gehe davon aus, dass ich mittlerweile schneller dort wäre als Anfang der 90er Jahre, als die Autobahn fast nur aus Baustellen bestand .
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Alt 08.12.2016, 19:52   #12
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"Baustellen" ist gut - ich kannte diese Autobahn vor der Einrichtung dieser Baustellen. Ich bin einmal kurz nach Eisenach durch ein Schlagloch gebrettert, natürlich nur mit den erlaubten 100 km/h, da hab ich im ersten Moment gedacht: Jetzt ist dein Auto im ...!
Also - mein Angebot steht: Ein Abendessen, wahlweise im Fuchsturm (findest Du leicht bei Google), Stichwort "edel", oder im "Schwarzen Bären", gleich neben der Uni (gutbürgerlich) oder im "Landgrafen" - mit Blick auf das im Tal liegende Jena - (gehobene Gastlichkeit). Wie ich dazu komme? Ich schreibe gerade über meine Geburtsstadt und dabei fiel mir ein: Wir Hermunduren sind gastfreundliche Menschen und Dein Landsmann Johann Wolfgang wusste das auch und ging von Frankfurt für den Rest seines Lebens nach Weimar und Jena.
H.
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Alt 08.12.2016, 21:35   #13
weiblich Ilka-Maria
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Heinz, Du kannst mir vielleicht auf die Sprünge helfen. Ich wüsste gerne, wo ich damals gelandet war.

Ich kam nach Jena rein - von Westen oder Süden -, fuhr dann irgendwann von einer Hauptstraße rechts ab, rauf auf einen Hügel. Ganz enge, gewundene Straße. Auf halber Höhe kam mir auf einmal eine Schar an Leuten entgegen, so dass ich anhalten musste. Feierabend bei Zeiss. Dann robbte mein Auto weiter den Hügel hinauf, bis ich meine Unterkunft, einen modernisierten Plattenbau, erreichte.

Ich hatte mir nichts gemerkt und kann auch nichts mehr rekonstruieren. Jetzt ist Deine Kenntnis gefragt.
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Alt 08.12.2016, 22:25   #14
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Hallo, Ilka
ich merke schon: Du hast nicht gedient.
Bist Du von der Autobahn gekommen? Wenn ja, bist Du wahrscheinlich nicht ins Jenaer Zentrum gefahren (Jena liegt ja quasi im Tal, durch das die Saale fließt) und da sind keine Hügel. Denkbar ist, wenn Du von der Autobahn gekommen bist, dass Du vor der Riesen-Plattenbau-Siedlung (Neu-Lobeda, das zwar zu Jena gehört, aber bis zum Zentrum hättest Du auf der Ein-/Ausfallstraße weiter geradeaus fahren müssen). Für mich hört sich das alles an wie ein Außenbezirk (da gab es sehr früh nach der Wende ein MAXX-Hotel und bisschen später ein Best-Western-Hotel. Wie gesagt, nach Deiner etwas dürren Beschreibung ist es schwer, die Orte Deiner Schandtaten zu erkunden. Weißt Du keinen Straßennamen (evtl. Dichter wie Brecht oder den Schöpfer der DDR-Hymne)?
Hügelig, von der Autobahn kommend, einzelne Plattenbauten - das weist auf Jena-Lobeda. Eine Zeiss-Siedlung (in den Ringwiesen) gibt es zwischen Neu-Lobeda und dem Stadtkern. Auf jeden Fall ist in der Ecke, in der Du da gelandet bist, der Hund begraben.
Wenn Dir noch was einfällt - fragen kostet nix.
Gruß,
Heinz
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Alt 08.12.2016, 22:34   #15
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Ist schon zu lange her. Es war ein größeres Werk. Schon möglich, dass es ein Außenbezirk oder Stadtteil war.

Andererseits ... ich war in meiner freien Zeit auch mal im Zentrum und in unmittelbarer Nähe von diesem Studententurm. Ich kann mich auch noch an ein Kino erinnern, in dem damals der Film "Ein unseriöses Angebot" mit Robert Redford und Demi Moore gezeigt wurde. Vor diesem Kino verlief eine Straßenbahnlinie. Das Gebäude, in dem das Kino war, entsprach dem Baustil er 50er Jahre.

Könnte es sein, dass mein "Hotel" damals im Stadtteil Lichtenhain lag und heute als "Internationales Gästehaus" bekannt ist?

Damals sah alles anders aus. Ich habe mir auf Google-World das "neue" Jena angesehen und muss sagen: Alle Wetter! Moderner geht es kaum.
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Alt 09.12.2016, 01:34   #16
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Hallo Ilka-M.,
im Stadtteil Lichtenhain ist ein großes Zeisswerk (und andere bedeutende Einrichtungen). Das kommt natürlich hin mit Deinen Hügel und der gewundenen Straße. Im besagten Zeisswerk war mein Großvater väterlicherseits beim Werksschutz (und wäre beinahe von den Russen erschossen worden, weil sie seine schwarze Uniform für eine SS-Ausstattung hielten). Er ist um ein Haar davon gekommen. Oberhalb dieses Zeisswerkes habe ich die ersten zwei Schuljahre verbracht und wenn Du über den Magdelstieg Richtung Innenstadt gefahren bist, dann hättest Du mich zeitversetzt auf der anderen Straßenseite spielen sehen können (da stand nämlich mein Geburtshaus).
Studententurm ist mir kein Begriff; in Jena gibt es die Ruine des "Anatomie-Turmes" - hier hat Goethe den menschlichen Zwischenkieferknochen entdeckt, gezeichnet und geschrieben und - vor Darwin - den Nachweis der Zugehörigkeit des Menschen zu der Klasse der Säugetiere erbracht.
Ein "neuer" Turm, der ursprünglich für Zeiss bestimmt war und dann von der Uni genutzt wurde (später wegen asbesthaltiger Baustoffe aufwändig saniert werden musste), steht mitten in der Stadt, ist ziemlich hoch und hat oben ein Aussichts-Cafe (vielleicht wird der im Volksmund "Penis Jenensis" genannte Turm auch wegen der Uni-Nutzung Studententurm genannt.
Der dritte Turm steht ganz in der Nähe dieses runden Trumms, das gotische Johannistor (was manche als Turm bezeichnen).
Dann gibt es noch den bekannten "Pulverturm" in der Nähe der Paradiesbrücke und des Philetischen Museums.
Such Dir einen aus (ich tippe auf den Riesen-"Turm" inmitten des Stadtzentrums, dem zahlreiche mittelalterliche Gebäude zum Opfer fielen.
Gute Nacht!
H.
Heinz ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2016, 08:11   #17
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Zitat:
Zitat von Heinz Beitrag anzeigen
...
im Stadtteil Lichtenhain ist ein großes Zeisswerk (und andere bedeutende Einrichtungen). Das kommt natürlich hin mit Deinen Hügel und der gewundenen Straße.
Ich bin inzwischen sicher, dass dies die richtige Stelle ist. Und was den Turm betrifft, handelte es sich um denjenigen in der Stadtmitte.

Die Firma, bei der ich damals war, kann ich jedoch nicht mehr finden (ist ja schließlich an die 25 Jahre her). Sie muss jedoch am südlichen Stadtrand gelegen haben. Von dort kam ich nämlich ratzfatz auf die Straße nach Rudolstadt, wo ich auf meiner Fahrt zu den Saalfelder Feengrotten durch musste.

Die Belegschaft der Firma hatte mich zwar komisch angeguckt, als ich an dem Tag früher Schluss machte als sonst, aber die Gelegenheit, die Feengrotten zu sehen, wollte ich mir nicht entgehen lassen.

Jetzt bin ich jedenfalls ein Stück weiter mit der Rekonstruktion meiner Erinnerungen, besten Dank.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 09.12.2016, 14:04   #18
männlich Heinz
 
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Hallo,
ja, ich bin mir auch immer sicherer, dass Du in Lichtenhain gelandet bist. Dass Du Dich an das olle Kino erinnerst, spricht für ein gutes Gedächtnis. Deine Bemerkungen über Jena, wie sollte es anders sein, rufen bei mir dutzende Erinnerungen wach, die um einiges älter sind als Deine. In dem Kino habe ich als Sechsjähriger meinen ersten Film gesehen, komisch, dass ich mich heute noch an den Titel erinnere: "Der Zauberfisch" - ein Märchenfilm. Die Feen-grotten in Saalfeld, zuerst als blonder Knabe an den Hand meines (Urgroß)vaters mit heiligem Erschauern, später als Bergmann mit fachmännischen Blicken bewundert (und Gedanken darüber gemacht, unter welchen Bedingungen die armen Schweine da malochen mussten). Damals galten die Feengrotten als einige farbige Tropfsteinhöhlen - ob das heute noch so ist, weiß ich nicht. Beim Besuch als Bergmann war ich immerhin schon um die siebzehn, brachte mir der Führer der Besuchsgruppe unvergesslich den Unterschied zwischen Stalagmiten und Stalagtiten bei: Du brauchst dir nur zu merken, dass alte ... hängen.
Der "Penis Jenensis" hat eine wenig bekannte Eigenschaft: Das im obersten Geschoss befindliche Cafe befindet sich auf gleicher Höhe wie die Gaststätte "Landgrafen", die auf einer Anhöhe liegt und ihrerseits einen schönen Blick auf Jena gestattet.
Danke für die aus Versehen geweckten Erinnerungen.
Heinz
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