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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 16.07.2011, 19:01   #1
weiblich Ilka-Maria
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Dabei seit: 07/2009
Ort: Arrival City
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Standard Intermezzo 45

Ihn versetzen.
Ich mußte.
Er war der Feind.
Franzose.
Mutter gebot es.

Ich sah ihn
beim Kino
an der Kasse,
hinter mir.
Atem im Nacken:

„Forrrsischt, Gefarrr!"
Verletzter Mensch,
hübsch er,
so wie ich.
Es durfte nicht sein.

16. Juli 2011
BY Ilka-M.
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Alt 17.07.2011, 11:24   #2
weiblich Daisy
 
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Beiträge: 922

Muss schlimm gewesen sein, diese Zeit. Kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, dass es damals tatsächlich so war. Du hast in wenige Zeilen kurz, knapp und präzise alles hineingepackt und damit eine vollständige Geschichte erzählt. Ganz mein Geschmack.

LG Daisy
Daisy ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2012, 15:01   #3
männlich Ayatollah
 
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Herzen brechen: damals, wie heute.

Die Zeiten ändern sich, die Verbote bleiben gleich. Trotz unseres "Fortschritts"

Ein Juwel.
Ayatollah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2012, 15:46   #4
Thing
R.I.P.
 
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Beiträge: 34.998

So lange "Kollaboaration" und "Fraternisierung" verboten sind ...
Thing ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2012, 18:59   #5
männlich Schwarzbeere
 
Dabei seit: 02/2007
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Beiträge: 16

Standard Respekt für Mutter

welch herrliche Zeiten, als sich "flügge" Mädchen noch von der Mutter etwas sagen ließen. Schön, dass Du Dich noch daran erinnerst.
Schwarzbeere ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 19.01.2012, 20:18   #6
weiblich Ilka-Maria
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Ort: Arrival City
Beiträge: 31.112

Mit Respekt hat das nichts zu tun.

Als der junge Franzose sich in meine Mutter verguckt hatte, war der Krieg bereits aus. Er war sehr höflich, aber meine Mutter mußte auf Geheiß ihrer Mutter die Verabredung platzen lassen, sie hatte noch nicht einmal Gelegenheit, abzusagen, was ihr sehr peinlich war.

Dann sah der junge Mann meine Mutter vor der Kinokasse, er stand in der Schlange zufällig hinter ihr und zischte ihr verletzt die Worte ins Ohr: "Vorsicht, Ausländer!"

Und was heißt "flügge"? Meine Mutter war damals zwar gerade 16 Jahre alt geworden (volljährig wurde man erst mit 21), aber als die Älteste von sechs Geschwistern war sie erwachsen genug, sich während der Flucht aus Pommern fast alleine um die fünf Kinder zu kümmern, weil ihre Mutter damit überfordert gewesen wäre. Die mußte nämlich Hab und Gut verkaufen, die Flucht organisieren und dafür sorgen, daß die Verbindung mit meinem Großvater weiterbestand, der in Frankreich bei der GFP war.

Meine Mutter stand ganz einfach unter der Fuchtel, und das ging noch jahrelang so weiter, weil sie ein billige Haushaltshilfe und Kinderfrau war. Deshalb wurde sie auch aus jeder Lehre herausgenommen, die sie nach der Flucht begonnen hatte. Erst mit 21 konnte sie dann endlich abhauen.

Dies nur mal, damit gerade die jüngeren Leser eine Vorstellung davon bekommen, daß die früheren Zeiten andere Voraussetzungen mit sich brachten als heute. Oder hat schon mal jemand, der nach 1970 geboren ist, vom Kuppelparagrafen gehört? Oder davon, daß nach einer Ehescheidung wegen Untreue der schuldige Partner den "Scheidungsgrund" nicht heiraten durfte, weil das Gesetz es nicht zuließ? Oder daß eine Ehefrau nur dann einen Beruf ausüben durfte, wenn der Ehemann es erlaubte?

Tja, wahrlich herrliche Zeiten!

Schön, daß Ihr Euch mit dem Gedicht beschäftigt habt, danke.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2012, 00:12   #7
männlich Schwarzbeere
 
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Ort: Paris
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Beiträge: 16

Standard Die Zeiten der Vergangenheit

sind uns ein Buch mit sieben Siegeln etc.

Abzuschätzen, was gut war oder heute besser ist, das kann nur jeder für sich, und die Erzählungen der anderen sind eben kein Ersatz für das Selbsterleben. Früher hat man auch Köpfe abgeschlagen und man durfte nicht schwul sein, heute aber darf man nicht sagen, dass die Türkei nicht zu Europe zählt und die Mohammedaner nicht in unsere "Heimat" (selbst das ist ein rassistischer Begriff!) passen, wenn man nicht wegen Diskriminierung angeklagt werden will.

Schließlich aber haben diese Klagen hier nichts verloren, oder? Die Poesie sei frei und froh und beglücke die schönen Seelen!
Schwarzbeere ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2012, 00:19   #8
männlich Ayatollah
 
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Beiträge: 735

@Schwarzbeere: Der Begriff "Mohammedaner" ist nicht ganz korrekt; wir beten keinen Mohammed an, sondern glauben an den einen Gott. Wieso gebrauchst du nicht das Wort Moslem?

Schöne Seelen sind wir alle.
Ayatollah ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2012, 07:15   #9
weiblich Ilka-Maria
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Beiträge: 31.112

Zitat:
Zitat von Ayatollah Beitrag anzeigen
@Schwarzbeere: Der Begriff "Mohammedaner" ist nicht ganz korrekt; wir beten keinen Mohammed an, sondern glauben an den einen Gott. Wieso gebrauchst du nicht das Wort Moslem?
Auch das ist ein Relikt der Vergangenheit, denn Anfang des vorigen Jahrhunderts (und wahrscheinlich auch davor) war in Deutschland der Begriff "Mohammedaner" für einen Moslem üblich. Schwarzbeere gibt sein Alter mit 80 an, ist also mit diesem Sprachgebrauch großgeworden - ebenso wie ich in den 50er Jahren. Mein Vater wurde von einem moslemischen Kollegen darüber aufgeklärt, daß "Mohammedaner" der falsche Begriff ist, nur deshalb wußte ich darüber bereits in meiner Jugend Bescheid.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 20.01.2012, 13:03   #10
männlich Schwarzbeere
 
Dabei seit: 02/2007
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Beiträge: 16

Standard Nachfolge

Ilka-Maria sagte es bereits:
Als ich zum ersten Mal hörte, dass es Menschen gibt, die weder Heiden noch Christen sind, obwohl sie alle anderen als Heiden bezeichnen,, erfuhr ich von der Existenz der Mohammedaner, was zu jener Zeit die normale Bezeichnung für jene war, die sich heute nach anglo-amerikanischen Vorbild in Muslime umgetauft, pardon, da sie nicht getauft wurden, sollte ich wohl umbenannt sagen. So lese ich jetzt in der Wikipedia

„…Ein Muslim (auch Moslem, veraltet: Mohammedaner) ist ein Angehöriger des Islam…“
was mir äußerst problematisch erscheint, da ein „Angehöriger“ bedeutet
Fan, Genosse, Geschäftsfreund, Geselle, Kumpan, Mitbesitzer, Mitglied, Parteifreund, Parteigenosse, Parteimitglied, Sympathisant, Teilhaber, Teilnehmer, Vollmitglied
oder Verwandtschaftsbezeichnungen: Angehöriger, Nachkomme, Verwandter
Es sollte wohl „Anhänger“ sein (im Sinne des englischen follower )

Zitat:
Zitat von Ayatollah Beitrag anzeigen
wir glauben an den einen Gott.
Wer "wir" sind, weiß, wie meine Mutter spaßhalber zu sagen pflegte, nur der "Papst Locherl", jedoch ohne Spaß:
warum genügt es nicht, wenn man sagt "glauben an Gott" ? Dann vermeidet man solche Spitzfindigkeiten, wie die Aufschnitzelung des einen Gottes in die Dreieinigkeit, aber das braucht man vielleicht zur Rechtfertigung der Institutionen, in denen die Religionsverbreiter ausgebildet werden, welcher Geistesrichtung auch immer?
Schwarzbeere ist offline   Mit Zitat antworten
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