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Alt 23.05.2008, 21:20   #1
Umbra
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 14


Standard Nachtschwärmer

Hey Leute!
Ich würde euch mal gerne einen Text zum Fraß vorwerfen, den ich für eine AG schreiben musste. Wir sollten zu einem Bild eine Geschichte schreiben (Hopper, Nachtschwärmer) und, naja, von der Atmosphäre des Gemäldes bin ich schon etwas abgetriftet, aber sagt mir einfach mal eure Meinung. Ach und mit dem Titel habe ich ernsthafte Probleme...

Aus der Dunkelheit der Gassen heraus konnte ich schon von weitem das Helle strahlen der kleinen Bar ausmachen, in der ich sie treffen sollte. Sie, meine Erlösung. Ich war mittlerweile alt, nicht so alt, doch zu alt und trug es einfach zu lange mit mir herum, einfach viel zu lange. Ich wollte es bloß loswerden, es vergessen, endlich meine Ruhe finden und woher hätte ich wissen sollen, dass ich mich so einfach würde bestehlen lassen? Woher hätte ich wissen sollen, dass ich ihr das geben würde, was die ganze Zeit über mein Leben erfüllt hatte?
Ein leises Summen kündete von meinem Eintreten und ich konnte ausmachen, wie ein Herr in meinem Alter müde seinen Kopf hob um mich Neuankömmling zu mustern. Der Mann roch nach Alkohol und zögerte auch nicht, sich wieder in seinem Glas zu verlieren, nachdem er mich als langweilig eingestuft hatte. Außer einem blonden Kerlchen an der Bar war niemand sonst hier. Niemand sonst, außer ihr. Wie eine Katze saß sie da, ganz in Rot, auf ihrem Barhocker und musterte mich mit kritisch hochgezogenen Augenbrauen.
„Sie sind gekommen. Gut. Setzen Sie sich doch noch einen Moment zu mir, Gentleman und lassen Sie uns so tun, als wären wir bloß zwei Nachtschwärmer, die das Schicksal zusammengeführt hat. Trinken wir gemeinsam.“ Mit einem verführerischen Lächeln klopfte sie auf das rote Polster neben sich und ich nahm die Einladung bloß widerspenstig an. Sie stützte sich mit überheblichem Getue auf die Theke und orderte zwei Tassen Kaffee. Nicht wirklich das, was ich mir unter dem Getränk eines Nachtschwärmers vorgestellt hatte, doch ganz zufriedenstellend in Anbetracht der Tatsache, das die Müdigkeit schon Besitz von meiner Person ergriffen hatte.
„Also, mein Gentleman, ich weiß, was Sie zu mir führt, natürlich, doch würden Sie mir bitte die Dringlichkeit unseres Treffens schildern?“ Ich, recht wortkarg, seufzte und überlegte schließlich, wie ich mich ausdrücken sollte. Nunja, ich hatte diese Frau schon von Anfang an nicht ausstehen können, doch sie war wirklich eine begnadet gute Schreiberin, die mir meine Last von den Schultern nehmen sollte und ich suchte doch nur das Beste. Eine wahre Wortmagierin.
Also begann ich mühselig zu erzählen: „Es hat begonnen, als ich noch sehr jung war. Da habe ich das erste Mal ihr Gesicht gesehen, das Gesicht des Wesens, welches doch bloß aus meinen Gedanken stammte, in einem Roman, an dessen Titel ich mich nicht mehr entsinnen kann. Mein Wesen kam immer wieder und brachte auch andere mit. Sie unterhielten sich vor meinen Augen und plötzlich war sie aus diesem fremden Buch verschwunden. Plötzlich hatte sie sich ihre eigene Welt geschaffen. Zu Beginn gefiel es mir, ihr zuzusehen, doch dann, dann begann sie zu flehen. Lange hatte ich sie mit mir rumgetragen, als sie mir ihren sehnlichsten Wunsch verkündete: Sie wollte ihre eigenen Worte besitzen. Sie wollte auch eine Geschichte sein. Anfangs bat sie mich gelegentlich, doch ihr Drängen wurde immer stärker. Dann setzte ich den Füller aufs Papier, gab jedoch nach wenigen Worten auf, meine Versuche waren kläglich und ihrer nicht gerecht. Aber ihre Schreie wurden immer lauter und lauter, sie quälte mich und wie oft ich sie anflehte, sich doch einen anderen Autor zu suchen. Aber sie weigerte sich, sie hatte mich ausgewählt. Ihre Bitten nahmen mittlerweile meinen ganzen Tag in Anspruch, ich konnte mich nur noch mit ihr beschäftigen. Und sie wollte nicht gehen, bis ich ihre Geschichte niedergeschrieben hätte. Und nun lebe ich bloß noch, um die Geschichte zu schreiben. Ihre Geschichte, doch dazu bin ich gar nicht fähig…“ Meine letzten Worte, die die Rede schließen sollten, wurden mir jedoch von einem Gegenüber gestohlen: „Und daher haben Sie mich auserwählt, um es auf das Papier zu bringen. Eine weise Entscheidung.“ Doch da war ich mir schon nicht mehr so sicher, für einen Rückzug war es bloß schon zu spät. Sie hatte mich, die Lady in Rot. Eine Weile betrachteten wir noch stumm unsere Tassen, da zwang ich mich doch zu fragen: „Wie wird es von statten gehen?“ Sie grinste breit und betrachtete stumm ihre Nägel. Dann lehnte sie sich lässig nach hinten und spannte mich noch etwas auf die Folter, bis mir ihre stark geschminkten Lippen verkündeten: „Es wird nicht wehtun. Sie müssen bloß einwilligen und schon wird sie weg sein, dieser Quälgeist in Ihrem Kopf. Sie wird bei mir sein und endlich ihren Frieden auf dem Papier finden und Sie haben es für ein und alle Male vergessen.“ Es hörte sich so einfach an, so simpel und harmlos. Also schluckte ich, dachte ein letztes mal an die Geschichte, die fast zwanzig Jahre so lebhaft in meinem Kopf existiert hatte, immer bloß mit dem Wunsch, den Weg zu den Buchstaben durch meine Hand zu finden und sprach langsam und dennoch unbedacht die Worte: „Ich willige ein!“ Ich fühlte, wie die Telepathin nach meinen Gedanken griff, in sie eindrang und schließlich das fand, was sie begehrte.

Und dann? Dann waren sie alle verschwunden. Nur das Schreckliche Gefühl, bestohlen worden zu sein blieb zurück und die Einsamkeit begann an mir zu nagen. Alles weg. Ich werde meine Geschichte nicht einmal wiedererkennen, wenn ich sie letztendlich als fertigen Roman lesen kann. Alles weg. Der Frieden, den ich mir durch das Abgeben meiner Aufgabe erhoffte hatte blieb auch fern. Ich bin zu einer ruhelosen Seele geworden, jede Nacht zieht mich mein Weg durch die Straßen der Städte. Immer bin ich auf der Suche nach jemandem, der meine verlorenen Worte wiederbringen kann. Ich habe mich schon mit vielen, vielen Menschen unterhalten, doch niemand konnte mir helfen. Letztendlich werde ich wohl für immer büßen, für immer ein Nachtschwärmer blieben, wie die Lady in Rot es gesagt hat, bis mir eines Tages unter dem Schein des Mondes ein Mensch mir meine gestohlene Geschichte wiedergibt.
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Alt 22.06.2008, 01:13   #2
edilieb
 
Dabei seit: 06/2008
Beiträge: 3


Hallo Umbra,

die Autofahrt scheint deine kreativen Zellen wirklich gefördert zu haben, denn die Idee ist klasse - auch der Titel passt sehr gut.

Kritik kann ich für die Präsentation des Textes aussprechen. Ein wenig mehr Absätze hätten sicherlich nicht geschadet. Inhaltlich fande ich lediglich den Übergang von der Fülle an Gedanken zur Leere etwas abrupt.

Insgesamt hat's jedoch Spaß gemacht, die Geschichte zu lesen und es freut mich immer wieder, wenn ich merke, dass es noch kreative Köpfe gibt.

edilieb
edilieb ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.06.2008, 21:50   #3
Umbra
 
Dabei seit: 05/2008
Beiträge: 14


Hallo!

Vielen Dank! Upps, Absätze...ich wusste, irgendetwas fehlt...
Meine Lehrerin meinte ebenfalls, dass ich das Ende etwas besser Beschreiben könnte. Aber was sollte ich tun? Mehr ins Detail gehen? Oder durch eine gewisse... *keinWortdafürfind* Wortkargheit das Fehlen der Gedanken "darstellen"?
Umbra ist offline   Mit Zitat antworten
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