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Zeitgeschehen und Gesellschaft Gedichte über aktuelle Ereignisse und über die Menschen dieser Welt.

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Alt 17.01.2012, 22:58   #1
männlich zellhaufen
 
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Standard Neonröhren

Neonröhren

Endlose, gebührenpflichtige Straßen.
Boshaft zuckendes Neonlicht.
Kaufaufrufe auf den Mond projiziert.
Firmenlogos versperren die Sicht.

Werbejingles schwirren im Fahrtwind.
Raue Lippen summen mit.
Auch wenn wir dafür bezahlen,
sind wir das Pferd bei diesem Ritt.

Leere Hosen flattern,
unter nutzlosen Hüten.
Kreditkarten knattern.
Hohle Schädel als Einkaufstüten.

Jeder Wunsch ist ein Preisschild,
eine Eisenkette um das Genick.
Raubtiere streunen wild,
mit Beute suchendem Blick.

Die Skyline der Zivilisation,
unerreichbar am Horizont.
Eine unnahbare Schönheit,
die sich in der Sonne sonnt.

Wie ein Spinnennetz geistere ich herum.
Klebrig und federleicht dem Wind ausgeliefert.
Dunkelheit fließt aus zerbrochenen Neonröhren.
Milliarden Wölfe heulen.
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Alt 18.01.2012, 00:51   #2
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Wie ein Spinnennetz geistere ich herum.
That's best.

Das íst genau der Slogan, auf den die Menschheit seit einigen tausen Jahren gewartet hat. Drum jubelt - er wart geboren, um die Menscheit zu erlösen. Drum betet das Vaterunser vom Geist des Spinnennetzes und seinem darin gefangenen Sohn!

Mir wird's hier langsam zu blöd. Schon gar, wenn man sich in der Sonne sonnt.

Hatte alles schon mal mehr Qualität.

Ich bin verärgert - und jetzt geh ich schlafen.
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Alt 18.01.2012, 02:03   #3
männlich zellhaufen
 
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Und ich bin verwirrt!! Bleibe aber wach... und frage mich, was die arme Ilka-Maria so verärgert hat...
zellhaufen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 21.01.2012, 23:29   #4
männlich Ex-Ralfchen
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diese lyrik. und ich verstehe ILKA ohne weiter darauf einzugehen.
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Alt 22.01.2012, 10:16   #5
männlich Nöck
 
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Für mich ist es eine experimentelle Kreuzung von verbalem Hieronymus Salvatore Dalibosch und daher recht interessant.

Was nützen einem Frischling im Forum unqualifizierte Kommentare? Auch diese hatten schon mal mehr Qualität.

Zellhaufen, lass dich nicht entmutigen. Immerhin - und das verlangt man ja auch von Kunst - hast du die Silberrücken provoziert.

LG Nöck, der jetzt besser wieder abtaucht
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Alt 22.01.2012, 10:29   #6
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Für mich ist es eine experimentelle Kreuzung von verbalem Hieronymus Salvatore Dalibosch und daher recht interessant./
Kannst Du erläutern, was für Dich interessant an diesem Text ist?

Dein Hinweis auf Bosch und Dali, die ich beide schätze, ist mir zu wenig. Auch vermag ich in dem Text keine Anbindungen an diese Meister zu entdecken.
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Alt 22.01.2012, 11:21   #7
männlich Nöck
 
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Na, wie ich schon bemerkte, für mich es ist ein Experiment.

Wenn Bosch Köpfe und Münder als Höhleneingängen darstellt und menschliche Wesen auf skurrile und surrealistische Weise abbildet und Dali Uhren zerfließen lässt, dann finde ich, dass Schädel als Einkaufstüten und aus zerbrochenen Neonröhren fließende Dunkelheit nicht weit davon entfernt sind. Das hättest du dir aber denken können, oder?

Interessant ist für mich die Art, wie zellhaufen im Grunde Unvorstellbares und Unwirkliches in Worte fasst und eine surrealistische Welt entstehen lässt. Mit „Neonröhren“ lässt sich mindestens genau so viel anfangen wie z.B. mit Hugo Balls Lautgedicht „Karawane“.

Im Grunde aber ist mir bei diesem Gedicht wichtig, dass der Dichter nicht mit ausschließlich emotionalen Äußerungen entmutigt wird. Ein wenig konkrete Anmerkungen wären da hilfreicher.
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Alt 22.01.2012, 12:36   #8
männlich Ex-Ralfchen
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so wie NÖCKerl das sieht, kann man sein hinwendung nachvollziehen. ich mag DALI und natürlich BOSCR. nur der maschinismus des gedichtes kommt mir eher in die richtung eines industrie-influenzierten ARCIMBOLDO.
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Alt 22.01.2012, 12:48   #9
männlich Nöck
 
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ARCIMBOLDO gruppiert doch lediglich aus natürlichen und existierenden Sachen eine Figur, der ihre Besonderheit bei entfernter Betrachtung nicht anzusehen ist.
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Alt 22.01.2012, 14:12   #10
männlich Ex-Ralfchen
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ich sprach auch von einem industriell angepflasterten modernen ARCIMBOLDO, meinetwegen nen künstler den du BOLD AKIM nennen kannst, nach der comic-figur und nicht nem italienischen obst- und gemüsehändler.

http://up.picr.de/9320550hqe.jpg
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Alt 22.01.2012, 14:50   #11
männlich Nöck
 
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Oh Akim, du Held meiner aufregenden Jugend!

Und was ist mit Sigurd?
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Alt 22.01.2012, 15:21   #12
männlich zellhaufen
 
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Ganz ehrlich, ich habe NULL Ahnung von Lyrik, bin aber ebenfalls ein großer Verehrer von Dali und Bosch. Ich versuche einfach meine Gedanken in Worte und Bilder zu verwandeln.
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Alt 22.01.2012, 15:31   #13
männlich Ex-Ralfchen
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wie alt bist du NÖCKchen? denn er war auch der held meiner jugend. erinnere mich wie er gegen den bösen kahlen könig dux kämpfte.
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Alt 22.01.2012, 15:56   #14
männlich Nöck
 
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Du hättest gut meine abgelegten Strampler auftragen können, Ralfimann.
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.01.2012, 16:13   #15
weiblich Ilka-Maria
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Wenn Bosch Köpfe und Münder als Höhleneingängen darstellt und menschliche Wesen auf skurrile und surrealistische Weise abbildet und Dali Uhren zerfließen lässt, dann finde ich, dass Schädel als Einkaufstüten und aus zerbrochenen Neonröhren fließende Dunkelheit nicht weit davon entfernt sind. Das hättest du dir aber denken können, oder?
Dem kann ich nicht folgen. Bosch und Dali zeigen, welche Ängste Menschen heimsuchen, und da bleibt mir das Lachen im Halse stecken - ein herumgeisterndes Spinnennetz hat dagegen eine karnevalistisch-alberne Qualität, bei der sogar Arachne vor Lachen ihre Kunst vergessen könnte.
Ilka-Maria ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.01.2012, 16:28   #16
männlich zellhaufen
 
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Ich mag es auch mal alberne Dinge zu schreiben, aber in diesem Fall sollte das Spinnennetz-Bild eine wirkliche Angst von mir darstellen. Und zwar, dass mein Konsumverhalten irgendwann dazu führen könnte, dass ich immer leichter und eindimensionaler werde und die auf mich abgefeuerten Werbebotschaften an mir hängen bleiben, ohne dass ich mich dagegen wehren kann. Wie ein Spinnennetz eben. Ich erkläre meine Texte wirklich ungern, aber eine karnevalistische Qualität lasse ich mir nicht unterstellen. Ich hasse Karneval...
zellhaufen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.01.2012, 16:31   #17
männlich Ex-Ralfchen
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Zitat:
Zitat von Nöck Beitrag anzeigen
Du hättest gut meine abgelegten Strampler auftragen können, Ralfimann.
hihihihihiiii...dmals gabs schon strampler? ich dachte du warst noch dick verpackt in deiner babyhülle. na ja - dann hut ab vor deiner grauer eminenz.
Ex-Ralfchen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.01.2012, 16:35   #18
männlich Nöck
 
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So sei es Ilka-Milka.
Nun weiß der Poet Bescheid.

@zellhaufen
wahrscheinlich sollte die immer noch rein emotionale Bemerkung von Ilka-Milka ausschließlich mich treffen.
Nöck ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 22.01.2012, 23:53   #19
männlich zellhaufen
 
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Also so richtig Bescheid weiß ich leider noch immer nicht...
zellhaufen ist offline   Mit Zitat antworten
Alt 28.01.2012, 03:32   #20
männlich Oliver Twist
 
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Standard neon grits of cities

Ich hab ja eine Schwäche für diese Art Bilder, die du da zeichnest. Zusammengenommen ergeben sie eine dunkle Szenerie: Düsternis, Erhabenheit und Sinnleere ergänzen sich hier. Durch die Abwesenheit von konkreten Handlungen (vom Summen der rauen Lippen und dem Geistern des Lyrischen Ich abgesehen, die sich aber eher als kurze Schlaglichter in die unbewegten Bilder einfügen) bleibt der betrachtende Blick aus der Szenerie herausgezoomt - man wahrt eine gewisse Distanz zu der auch nicht sehr einladenden kaputten Zivilisation, die sich da auftut.

Ich an deiner Stelle, Zellhaufen, würde diese Bilder noch anders arrangieren. Um das anzustellen, könnte man z.B. verschiedene Kategorien bilden: manche der geschilderten Dinge sind nah (z.B. die summenden Lippen), andere werden aus der Ferne gesehen (z.B. der Horizont). Manche sind akustischer Art (Werbejingles), andere rein optisch (der angestrahlte Mond). Manche sind belebt (Lippen, Tiere, "ich"), andere unbelebt (Mond, Neonröhren...); die Hosen/Hüte wiederum beschreiben eigentlich Menschen, aber auf eine eigenartig fremde, unpersönliche und ding-hafte Art und Weise (die sich gut in diese Bilderwelt einfügt). Manche Aussagen sind Bilder (alle obengenannten), andere eher Kommentare oder Wertungen (Jeder Wunsch ist ein Preisschild; wir sind das Pferd bei diesem Ritt). Außerdem ist da noch die Bipolarität zwischen der Außenwelt und dem "Ich" der letzten Strophe.
Sich auf so eine Art Struktur in die einzelnen Sujets zu bringen, kann, wie ich finde, sehr hilfreich sein, eine schlüssige Gesamtkomposition daraus zu entwickeln. Mir fallen bei so einem Vorgehen dann noch weitere Bilder ein, die mir gefallen - andere streiche ich dafür weg... Dann finde ich verschiedene rote Fäden, entscheide mich für einen oder mehrere, und fange an, die Bilder dadrauf aufzureihen. Probier weiter damit rum, ich glaub da ist noch viel mehr drin! Ein gutes Gespür für Bilder und Metaphern hast du ja.
Soll übrigens nicht heißen, dass jetzt alle Bilder/Metaphern, fein säuberlich nach Kategorien geordnet, z.B. "von nah nach fern" abgespult werden sollen. Es geht nur erstmal um die Bewusstmachung von verschiedenen Eigenschaften, die diese sprachlichen Einheiten haben. Ob sie dann z.B. als Steigerung oder als abwechselnde Kontraste drapiert werden, ob sie durch Verben oder Konjunktionen verbunden sind oder scheinbar beziehungslos nebeneinander stehen, etc.pp: das entscheidest, ohne jemandem Rechenschaft schuldig zu sein, du.

Bei mir würde bei dem Prozess, neue Ideen dazuzufinden und alte wegzustreichen, übrigens folgendes dem Rotstift anheimfallen:
- das "Wir", das das Pferd bei "diesem" Ritt ist (ist so eine moralische Wertung)
- hohle Schädel und Firmenlogos, die die Sicht versperren (ist ein wenig plakativ - wer selbst keinen hohlen Schädel hat, versteht deine Bilder auch ohne Zaunpfahlgewinke;-) )
- vielleicht sogar noch weitere Wertungen: nutzlose Hüte, jeder Wunsch, unerreichbar, unnahbar rangieren für mich schon an der Grenze des zu plakativen/platten.

Ich würde mir auch Gedanken machen, inwieweit klassische Reimschemata notwendig sind - soll heißen: was kannst du damit ausdrücken, was du nicht auch ohne kannst? Wenn man solche Reime verwendet, aber kein durchgehendes Versmaß, kann es leicht holperig wirken (siehe die anderen tausend Leute, bei denen es, im Gegensatz zu dir, teils ganz schauderhaft zusammengekleistert klingt...).

In diesem Sinne - ich schreibe diesen Roman, weil ich deinen Tonfall an sich mag und das Gefühl habe, dass du eine Sprache sprichst, die ich sehr schön, spannend, und vor allem wichtig finde.
Warum ansonsten über Strampler und Dalí gefachsimpelt wird, erschließt sich mir auch nicht.

Mit den besten Grüßen,
Oliver
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Alt 06.02.2012, 17:03   #21
männlich zellhaufen
 
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Heyho! Das war wohl der sinnvollste, konstruktivste Kommentar, den ich je bekommen habe. Einer, bei dem ich hinterher wirklich das Gefühl hatte, da hat mich jemand verstanden und konnte mir weiterhelfen. Vielen Dank dafür. Du kritisierst ein paar Dinge, die mich an anderen Gedichten stören (und der Hauptgrund dafür sind, dass ich eigentlich keine Gedichte lese), mir bei meinen Texten aber so bisher nicht aufgefallen sind.

Mein Hauptproblem ist wohl, dass ich meine Sachen meist in einem Rutsch aufschreibe und anschließend nicht mehr überarbeite. Ich sollte ihnen wohl etwas mehr Aufmerksamkeit schenken...

Beste Grüße zurück!
Z
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Alt 06.02.2012, 22:03   #22
männlich Oliver Twist
 
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Gerne.
Früher hab ich auch weniger Acht auf Details und hintergründigen Sinn gegeben. Aber Feilen und Tüfteln kann viel Spaß machen, schärft Blick und Verstand und man lernt ne Menge dabei... Ich an deiner Stelle würde dranbleiben, ich denke, bei dir lohnt sich das.

Machs gut,

Oliver
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