Versteinerte Worte - Versuch über moderne Lyrik

[wüstenvogel]

Viel zu oft
mühsames Orientieren
in Wort-Stein-Brüchen
häufig in Gefahr
sich zu verlieren
in nichtssagenden Begriffen
die nichts mehr begreifen
berühren
beschreiben
nur noch
als steinerne Worte
durch die Zeilen treiben.

Fast unmöglich
Einsichten zu gewinnen
Ausblicke zu genießen
Erkenntnisse zu erlangen
hinter die Worte
zu schauen
die Orte
zu erreichen
wo sie geboren
kaum
bin ich
dort
angekommen
wenn überhaupt
habe ich sie
auch
schon
wieder
verloren.

Steinblumengewächshäuser
Geschichten
wie unter Glas
die selten nur
nach außen dringen
eigenartige Wort-Kreuzungen
viel zu schnell
verwelkt
ohne je
geblüht
zu haben.

Bedeutet
"dichten"
heute
so lange
zu ver-dicht-en
bis alle Worte
nach außen
und nach innen
abge-dicht-et
er-starr-t
ver-fest-igt sind
zu Blumen aus Stein
ohne jede Beziehung
zum lebendigen
Sein?`

Oder soll
Dichtung
auch
noch
immer
wieder
anregen
aufregen
bewegen
anrühren
ergreifen
verbinden
Brücken schlagen
Gedanken
Gefühle
Eindrücke
Stimmungen
ausdrücken
den Menschen
die Natur
das Leben
in den Mittelpunkt
rücken?

[Ex-Schamanski]

Jawoll!

[Ilka-Maria]

Ja, aber nicht so.

[Ex-Schamanski]

Die Form paßt zu Thema und Aussage, finde ich.

[wüstenvogel]

Vielen Dank für eure Kommentare. Leider verstehe ich nicht so ganz, wie du das gemeint hast, Ilka-Maria. Gefällt dir die Form nicht? Die finde ich zweitrangig, könnte geändert werden.
LG wüstenvogel

[Ilka-Maria]

Richtig, die Form gefällt mir nicht, sie stößt den Leser ab. Ich habe demzufolge auch nicht jeden Vers gelesen, sondern den Text nur überflogen, was völlig ausgereicht hat, um den Inhalt und die Aussage zu erfassen. Das leistet ein Zeitungsartikel mit weniger Länge.

[wüstenvogel]

Hallo, Ilka-Marie, jetzt verstehe ich, was du meinst. Vielleicht könnte man aus mehreren Zeilen eine machen, zumindest in den ersten vier Strophen, die letzte Strophe muss meiner Meinung nach so bleiben, denn hier hat jede Zeile eine eigene Bedeutung. (Trotzdem) vielen Dank für deinen Kommentar.

[Ex-Odiumediae]

Gefällt mir! Du scheinst Dir dabei wirklich etwas gedacht zu haben, anstatt einfach auf pseudo-intellektuelle Weise irgendwelche Worthülsen zusammen zu klauben und aneinander zu reihen.

Die Form ist auch nicht mein Ding, denn so liest es sich, wie eine Einkaufsliste, aber der Inhalt ist interessant und meinen persönlichen Standards nach interpretierbar, ohne prätentiös, unfreiwillig komisch oder gewollt-und-nicht-gekonnt zu wirken. Das macht für mich ein vernünftiges Gedicht aus. Gefällt mir ziemlich gut.

[wüstenvogel]

Hallo, Odiumediae, vielen Dank Dank für deinen Kommentar. Dieses Gedicht ist, wie schon gesagt, mit viel Wut und Trauer gleichzeitig geschrieben worden als der Versuch einer "poetischen" Reaktion auf große Teile moderner Lyrik. Sicher kann man über die Form streiten. Ich habe versucht, möglichst klar und eindeutig zu (be-)schreiben und hoffe, dass mir das einigermaßen gelungen ist. Irgendjemand hat meine Gedichte mal als "Klartext-Lyrik"
bezeichnet, was für mich ein Riesenkompliment ist.

[Ex-Schamanski]

Zitat von wüstenvogel

Irgendjemand hat meine Gedichte mal als "Klartext-Lyrik" bezeichnet, was für mich ein Riesenkompliment ist.

Das würde ich auch als Riesenkompliment sehen. Dein Gedicht oben ist, was mich betrifft, allemal Klartext genug.

[wüstenvogel]

Toll, wenn du es auch so siehst.